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Ausgabe:

Januar/2022

Spalte:

51–53

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Bons, Eberhard, Geiger, Michaela, Ueberschaer, Frank, Sigismund, Marcus, u. Martin Meiser [Hgg.]

Titel/Untertitel:

Die Septuaginta – Themen, Manuskripte, Wirkungen. 7. Internationale Fachtagung veranstaltet von Septuaginta Deutsch (LXX.D), Wuppertal, 19.–22. Juli 2018.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2020. XII, 944 S. = Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, 444. Lw. EUR 219,00. ISBN 9783161577154.

Rezensent:

Stefan Krauter

Im Zusammenhang mit dem Übersetzungsprojekt »Septuaginta Deutsch (LXX.D)« – die eigentliche Übersetzung erschien 2009, die beiden Bände mit Erläuterungen und Kommentaren 2011 in der Deutschen Bibelgesellschaft – entstanden auch bislang sechs gewichtige Tagungsbände. Mit dem hier zu besprechenden Band liegt nun der siebte vor. Das Vorwort (VI) vermerkt, dass damit eine gewisse Epochenschwelle erreicht worden ist: Martin Karrer, Wolfgang Kraus und Siegfried Kreuzer, die »Gründerväter« von LXX.D waren zum letzten Mal Mitveranstalter der Tagung; für die Weiterführung sind nun Eberhard Bons, Michaela Geiger, Frank Ueberschaer, Marcus Sigismund und Martin Meiser zu­ständig.
Der fast tausendseitige Band mit 57 meist eher kurzen Beiträgen in englischer, deutscher und in einem Fall französischer Sprache dokumentiert zunächst einmal den durchschlagenden Erfolg des Projekts. Die Septuaginta, die lange doch eher ein Nischenthema für sehr spezialisierte Forschende war, stößt seit ca. 40 Jahren auf wachsendes Interesse. Ein Zentrum und Vernetzungspunkt dieses Interesses ist das Projekt LXX.D geworden. So wird die Septuaginta in dem Band von Forschenden verschiedener Fächer – nicht nur Bibelwissenschaften, sondern auch klassische Philologie, Papyrologie, Geschichtswissenschaft und andere mehr – aus zahlreichen Ländern von den USA bis Korea und von Finnland bis Südafrika in verschiedenen Sprachen und Wissenschaftskulturen in zahlreichen Aspekten intensiv behandelt. Den einzelnen Beiträgen auch nur annähernd gerecht zu werden, ist in einer Rezension selbstverständlich nicht möglich. Ich möchte nur ein paar wenige Beispiele nennen, um einen Eindruck von der Vielfalt des Bandes zu geben. Da der Band deutlich mehr Autoren als Autorinnen hat, lege ich den Schwerpunkt der Auswahl auf Letztere.
Eberhard Bons gibt in seinem einführenden Aufsatz »Septuagint Studies between Past and Future. State of the Art and New Perspectives« (3–17) einen Überblick über die großen Linien der Septuagintaforschung. Er zeigt historische und konfessionelle Gründe für die langwährende Vernachlässigung, resumiert das in den letzten Jahrzehnten Erreichte und weist auf das große Potential hin, das in einer weiteren, vertieften Beschäftigung mit der Theologie der Septuaginta liegt.
Als Beispiel für Untersuchungen mit historischem Schwerpunkt sei »Leontopolis, Onias und die Septuaginta. Einflüsse und Auswirkungen« von Christian A. Eberhart (40–57) genannt. Er geht davon aus, dass nicht ein fiktiver Onias IV. nach der angeblichen Ermordung Onias III., sondern ebenjener Onias III. nach dem Eingriff Antiochos’ IV. Epiphanes in den Jerusalemer Kult in Leontopolis eine jüdische Militärgarnison und einen Tempel einrichtete. Dieser sei nur zu Beginn in Konkurrenz zum Jerusalemer Tempel gestanden und habe sich zu einem eigenen Zentrum der Diaspora neben Alexandreia entwickelt. Er stehe im Zusammenhang mit der Übersetzung einiger Prophetenbücher und wohl auch der Abfassung weiterer Schriften.
Eine der Untersuchungen zu einem bestimmten Lexem ist Giulia Leonardis »Why is the Word εὐσέβεια so Rare in the Septuagint?« (245–258). Zunächst zeigt sie auf, dass inhaltliche, theologische Erklärungen für das seltene Vorkommen von εὐσέβεια κτλ. in der Septuaginta problematisch sind. Dann skizziert sie eine übersetzungstechnische Erklärung, die vor allem darauf basiert, dass es zu εὐσέβεια kein direktes hebräisches Äquivalent gibt, weshalb insbesondere die »wörtlich« übersetzten Bücher Wendungen wie »Furcht des Herrn« oder ähnlich präferieren, während einige freier übersetzte und original griechische Bücher durchaus εὐσέβεια κτλ. verwenden. Das ist auch für das Neue Testament, wo ja ebenfalls εὐσέβεια κτλ. auf bestimmte Textbereiche beschränkt ist, ein bedenkenswertes Ergebnis.
Der Beitrag der Bandherausgeberin Michaela Geiger »Der Bote des Exodus. Ex 23,20–23MT+LXX als zweifacher Schlüsseltext der Angelologie« gehört zu denen, die eine einzelne Textpassage vergleichend en detail analysieren. Sie arbeitet heraus, dass man bei ge­nauer Beobachtung der feinen Verschiebungen eine Angelologie »in the making« zu sehen bekommt: Der Bote wird in der Septuaginta deutlicher als in MT seinem Sender zu- und untergeordnet. Zugleich lassen sich Ansätze zu Schutz- und Völkerengelvorstellungen erkennen.
Einer der Beiträge, die einen Bogen ins Neue Testament schlagen, ist »The Influence of the Septuagint on the Vocabulary of the Second Epistle of Peter. The Cases of ὁμίχλη, ἐμπαίκτης, ῥοιζηδόν and ἀμώμητος in 2 Peter 2:17; 3:3, 10, 14« (728–739) von Anna Mambelli. Sie zeigt, wie der Autor von 2Petr seine Vorlage Jud bearbeitet, indem er seltene Lexeme aus der Septuaginta verwendet und so auch in einigen Fällen Bezüge zu thematisch ähnlichen Passagen in der Septuaginta herstellt.
Noch weiter ist der Horizont der Rezeptions- und Wirkungsgeschichte der Septuaginta z. B. bei Karina Rollnik, »Abraham – Loth– Melchisedech. Genesis 14 im allegorischen Epos des Prudentius« (798–811). Sie analysiert sehr detailliert, welche lateinischen Bibelversionen von Gen 14 in der Praefatio zur Psychomachia des bedeutendsten christlichen lateinischen Dichters der Spätantike aufgegriffen werden.
Diese Beispiele mögen genügen, um einen ersten Eindruck dieses reichen, sorgfältig gemachten und mit Registern gut erschlossenen Bandes zu geben.