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Ausgabe:

Dezember/2021

Spalte:

1252-1254

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Leidenhag, Joanna

Titel/Untertitel:

Minding Creation. Theological Panpsychism and the Doctrine of Creation.

Verlag:

London u. a.: Bloomsbury T & T Clark 2021. 216 S. = T & T Clark Studies in Systematic Theol-ogy. Geb. US$ 120,00. ISBN 9780567696212.

Rezensent:

Benedikt Paul Göcke

Basierend auf der Annahme, dass der Panpsychismus davon ausgeht, dass sowohl physikalische als auch mentale Eigenschaften fundamentale Eigenschaften jeder existierenden Entität auf jeder Ebene der Wirklichkeit sind, argumentiert Joanna Leidenhag für die Plausibilität einer Position, die sie als theologischen Panpsychismus bezeichnet. Die beiden Kernaussagen des theologischen Panpsychismus lassen sich wie folgt formulieren: 1. Die Welt ist aus dem Nichts durch einen göttlichen Schöpfungsakt ins Sein gesetzt worden (creatio ex nihilo). 2. Der Panpsychismus ist wahr. Der theologische Panpsychismus, so L., sei nicht nur mit den neueren wissenschaftlichen Entwicklungen konsistent, argumentativ und exe­getisch gut untermauert, sondern auch in der Lage, theologischen Motiven entgegenzuwirken, die durch die Herausstellung des Sonderstatus des Menschen in der Schöpfungsordnung Gefahr laufen, die ökologische Umwelt der Menschheit zu entwerten und damit zur ökologischen Krise unserer Zeit beitragen: »The benefit of a panpsychist ontology for ecology is not as an alternative to Chris-ti an theology, but as a way to recover the richness within the Christian tradition for articulating humanity’s shared creaturehood with the non-human world.« (168)
Um die Plausibilität des theologischen Panpsychismus zu be­gründen, wendet sich L. zunächst gegen zwei theologisch pro-minente Alternativen: die Prozesstheologie und den emergenten Theismus. Sowohl die Prozesstheologie als auch der emergente Theismus, so L., scheitern daran, dass sie der strikten ontologischen Unterscheidung zwischen Gott und der Welt, welche durch die klassische Lehre der creatio ex nihilo vorausgesetzt wird, widersprechen würden. Die Prozesstheologie, die laut L. entgegen weit verbreiteter Annahmen nicht durch den Panpsychismus impliziert wird, widerspreche der Lehre der creatio ex nihilo, da sie sowohl Gott naturalisiere als auch die Welt vergöttere und in Folge dessen Gott und Welt als Teile eines singulären Kontinuums des Seins denken würde: »[I]t is clear that any notion of creatio ex nihilo or claims to radical discontinuity between God and creation are ruled out [in process theology] (8-9). Der emergente Theismus wiederum widerspreche der These der creatio ex nihilo, da die von vielen Theologen befürwortete Theorie der Emergenz, wie sie aus der Philo-sophie des Geistes bekannt ist, dazu führe, dass »God is a product of the emergent process« (35). Wenn aber die Existenz Gottes das Resultat natürlicher Prozesse ist, dann kann Gott die Welt nicht aus dem Nichts erschaffen haben: »Theologians who do accept the logic of emergence in toto accept a significant tension in their work: On the one hand, as emergentists they are committed to the idea that the material precedes (both temporally and logically) the immaterial. On the other hand, as theists they are committed to the idea that an immaterial (or other than material) Creator pre-exists the universe (either temporally or logically).« (46)
Nachdem L. die Prozesstheologie und den emergenten Theismus zurückgewiesen hat, wendet sie sich der Rechtfertigung des Panpsychismus zu und entwickelt unter Rückgriff auf gegenwärtige Debatten in der Philosophie des Geistes drei Argumente für die These, dass physikalische und mentale Eigenschaften fundamentale Eigenschaften der Welt sind: das generische Argument, das Argument von der kontinuierlichen Evolution und das Argument der intrinsischen Naturen. Basierend auf der von ihr auch gegen Einwände abgesicherten Rechtfertigung des Panpsychismus argumentiert sie, dass dieselben Prinzipien, die für die Wahrheit des Panpsychismus sprechen – ex nihilo nihil fit und der Satz vom Grunde – auch für die Existenz Gottes sprechen, wenn sie auf die Existenz des Universums angewendet werden. Daher schließt L., dass »although theism is not a strict entailment of panpsychism, if the central arguments for panpsychism were extended towards the universe as a whole then this would result in theism; one might say that panpsychism implies theism« (83). Da der Theismus aber den Panpsychismus nicht impliziert, elaboriert L. im Rest des Buches primär zwei Gründe, warum die theologische Zunft sich auf den Panpsychismus als eine Theologie der Natur stützen sollte: Er er­möglicht sowohl ein Modell der Omnipräsenz der transformierenden Kraft des Heiligen Geistes im Gesamt der Schöpfung als auch eine theologische Antwort auf die ökologischen Krisen unserer Zeit: Wenn die gesamte Schöpfung von Subjektivität durchzogen ist, dann, so L., ist auch die gesamte Schöpfung von intrinsischem Wert, den der Mensch in seinem Handeln berücksichtigen muss. Die Konklusion, die L. zieht, lautet konsequenterweise wie folgt: »A world in which mind is a fundamental property found through-out creation is a cosmos full of experience, open to God’s presence, and responsive in giving God glory. A more enchanted and theol-ogically rich ontology would be hard to come by.« (174)
L.s Minding Creation ist ein exzellentes Buch voller Argumente, das eindrucksvoll das Potential der analytischen Theologie im Diskurs mit der Philosophie und den Naturwissenschaften vor Augen führt und jedem empfohlen sei, der wissen möchte, wie sich Theologie zeitgemäß als Wirklichkeitswissenschaft präsentieren kann.