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Ausgabe:

Dezember/2021

Spalte:

1228-1229

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Köpf, Ulrich

Titel/Untertitel:

Mönchtum als Lebensform. Gesammelte Aufsätze.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2021. XI, 683 S. Lw. EUR 89,00. ISBN 9783161599408.

Rezensent:

Mirko Breitenstein

Wer sich mit der Geschichte von Klöstern und Orden, mit den Lebenswegen religiös inspirierter Frauen und Männer, ja überhaupt mit der lateinisch-christlichen vita religiosa in der Fülle ihrer historischen Ausprägungen beschäftigt, der oder dem werden die Forschungen Ulrich Köpfs sehr vertraut sein. Seit Jahrzehnten bereichert der emeritierte Professor für Kirchengeschichte und ehemalige Direktor des Instituts für Spätmittelalter und Reformation in Tübingen die Forschung in den genannten Bereichen. Der hier zu besprechende Band vereinigt auf fast 700 Druckseiten neben einer umfangreichen Einleitung 32 Einzelstudien aus seiner Feder und ist doch nur ein schmaler Ausschnitt aus K.s umfangreichem Werk. Bereits 2018 konnte er eine Sammlung von Studien zur mo­nastischen Theologie vorlegen; hinzu kommen weitere, bisher nicht nachgedruckte Aufsätze sowie einschlägige Monographien. Trotz dieser Fülle lassen sich klare Schwerpunkte in den Forschungsinteressen K.s erkennen: Neben der eben genannten monastischen Theologie ist dies ein Bereich wie die Religionsgeographie – ein Forschungsgebiet, das wesentlich durch K. mitgeprägt wurde –, vor allem aber das weite Feld der Frömmigkeitsgeschichte. Ihm sind auch die meisten der hier unter dem verbindenden Titel »Mönchtum als Lebensform« versammelten Studien zugehörig.
Gegliedert ist die Sammlung in sechs thematische Kernbereiche, wobei sich inhaltliche Überschneidungen kaum vermeiden lassen. Die Form der Zusammenstellung ist einleuchtend und führt in der gefundenen Konstellation zu überzeugenden Schwerpunktsetzungen, die durch Querverweise zwischen den einzelnen Beiträgen noch akzentuiert werden. Ein erster Abschnitt »Allgemeines« beinhaltet unter anderem Arbeiten zu Orten monastischen Lebens, zum Ideal der Christusnachfolge und zum Thema der Freundschaft im Mönchtum bis zum 12. Jh. Es folgt ein zweiter Bereich zum »Benediktinischen Mönchtum«, in dessen Zentrum die monastischen Reformen in der Schwarzwälder Abtei Alpirsbach stehen. Im dritten Abschnitt »Zisterzienser und Kartäuser« stehen die typischen Ausprägungen von Frömmigkeit in diesen beiden Orden im besonderen Fokus. Ihm folgt ein Bereich »Regularkanoniker«, in dem K. vor allem der grundsätzlichen Frage nach einer spezifischen Spiritualität der regulierten Chorherren nachgeht, aber auch der intrikaten nach den Unterschieden zwischen Chorherrenstiften und Klöstern. Im Fokus des fünften Abschnitts ste hen »Franziskus von Assisi und die Franziskaner«. Neben dem Heiligen selbst handelt K. unter anderem von franziskanischen Erinnerungsorten, den Stigmata und dem franziskanischen Schöpfungsverständnis, aber auch die für die frühe Gemeinschaft des Povorello prägende Figur des Kardinals Hugolino von Ostia (Gregor IX.) wird in ihrem Verhältnis zu Franziskus vorgestellt. Ein letzter Bereich ist »Religiöse[n] Frauen« gewidmet. Neben dem Einfluss Bernhards von Clairvaux auf die Frauenmystik – insbesondere in Helfta – steht die franziskanische Tertiarin Angela da Foligno im Zentrum dreier Einzelstudien.
Bei K.s gesammelten Aufsätzen zum »Mönchtum als Lebensform« handelt es sich bis auf zwei um Nachdrucke bereits erschienener Studien aus den Jahren 1983–2017. Die Beiträge wurden formal weitgehend angeglichen, in manchen Details auch ergänzt. Diese vor allem bibliographischen Nachträge sind zum Teil durch eckige Klammern kenntlich gemacht, an anderen Stellen unterblieben diese Hinweise auf erfolgte Aktualisierungen. In nicht wenigen Sammlungen wiederabgedruckter älterer Arbeiten führte die automatisierte Texterkennung gescannter Vorlagen zu zahlreichen Fehlern, die den Wert der gesammelten Studien deutlich mindern. Nicht so bei K. Hier erfolgte die Redaktion des Bandes in geradezu mustergültiger Weise; Fehler sind überaus selten. Er ist vollständig in alter Rechtschreibung gesetzt, was man durchaus als Statement verstehen kann, insofern auch solche Beiträge, die einmal in der heute amtlichen Schreibweise erschienen waren, an die »vorreformatorischen« Regeln angepasst wurden.
Da fast alle der hier versammelten Arbeiten bereits erschienen sind und breite Rezeption erfahren haben, soll an dieser Stelle auf eine erneute Würdigung von Details verzichtet werden. Ein vertiefender Blick sei jedoch auf die beiden bisher unveröffentlichten Studien geworfen, die hier erstmals publiziert werden. In Ergänzung zu K.s 2001 veröffentlichtem Beitrag über »Zisterziensische Spiritualität im Kloster Herrenalb« (Nr. 12 des Bandes) ist seine hieran anschließende Studie zum heute in der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz (Ms. theol. lat. qu. 9) aufbewahrten »Herrenalber Gebetbuch« zu lesen. Ausführlich beschäftigt sich K. mit Entstehung und Inhalt dieses überaus prächtigen Codex, um dann die weiterführende Frage zu stellen, »wie weit sich im Herrenalber Gebetbuch zisterziensische Züge erkennen lassen« (311). Wohlbegründet hält er sich dabei mit allzu deutlichen Zu-ordnungen zurück, vermag es aber überzeugend als ein Werk zu beschreiben, »in dem auch ein kräftiger zisterziensischer Aspekt gesetzt ist« (314). K. erweist sich somit auch in diesem Beitrag als sorgsam wägender Forscher, dem der Vergleich unerlässliches In­strument des Erkenntnisgewinns ist und der bei allen Besonderheiten spezifischer religiöser Lebensformen nie müde wird, immer auch deren Verbindendes zu betonen. Das steht dann auch im Zentrum der ausführlichen Einleitung, die K. unter dem Titel »Mönchtum als Lebensform. Zu einigen Grundbegriffen der vita religiosa« seinen gesammelten Studien vorangestellt hat. Nachdem er zu­nächst seine Entscheidung zur Verwendung von »Mönchtum« als umfassendem Begriff zur Bezeichnung religiöser Lebensformen an­stelle von vita religiosa begründet, widmet er sich anschließend in großer Ausführlichkeit und mit jener Akribie, die sämtliche Arbeiten K.s auszeichnet, der Wortgeschichte, der Wortbedeutung und dem Wortgebrauch von »Lebensform« von der griechischen Antike bis in die aktuelle Geschichtsschreibung. Auch wenn nicht für alle Aspekte dieser umfassenden Einführung klar wird, inwieweit sie für ein Verständnis des Mönchtums (oder der vita religiosa) notwendig sind, ist ihre Lektüre doch allemal anregend.
Beschlossen wird diese Sammlung zentraler und für die Kenntnis der »wichtigste[n] und wirkmächtigste[n] Lebensform des Chris-tentums« (70) auch heute noch erhellenden Arbeiten durch umfassende Register, die nicht nur historische Personen und Forscher erschließen, sondern auch einen analytischen Sachindex umfassen.