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Ausgabe:

Oktober/2021

Spalte:

932–933

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Athanasius Werke. Bd. III/Erster Teil

Titel/Untertitel:

Dokumente zur Geschichte des Arianischen Streites 318–328, Lfg. 5: Bis zum Vorabend der Synode von Konstantinopel (381). Hgg. v. A. von Stockhausen u. H. Ch. Brennecke. In Zusammenarb. m. U. Heil u. Ch. Müller.

Verlag:

Berlin u. a.: De Gruyter 2020. XXIII, 326 S. Kart. EUR 139,95. ISBN 9783110592283.

Rezensent:

Adolf Martin Ritter

Mit fast so großer Verzögerung wie das letzte Mal ist gegen Ende des vergangenen Jahres eine weitere Lieferung des wichtigen Vorhabens, in Fortsetzung der von Hans-Georg Opitz begonnenen Edition der »Urkunden zur Geschichte des arianischen Streites« in den dreißiger Jahren des vergangenen Jh.s, erschienen. Damit rückt das Ende der Zeit des Kopierens aus überholten Ausgaben ein gutes Stück näher, wenn auch immer noch nicht so nahe wie ursprünglich vorgesehen. Begründet wird die Verzögerung (erneut) »vor allem« mit beruflichen Veränderungen im Kreis der Mitarbeitenden; das ist bedauerlich, war aber selbst bei bestem Willen wohl nicht zu vermeiden.
Das Warten hat sich zudem gelohnt! Wie mir wenigstens scheint, ist diese Lieferung sowohl formal wie inhaltlich mit besonderer Sorgfalt erarbeitet worden. Das ist umso mehr zu begrüßen, als sie, beginnend mit dem frühen Briefwechsel zwischen Basilius von Caesarea und Apollinaris von Laodicea und endend mit dem Edikt Cunctos populos Kaiser Theodosiusʼ I., eine besonders wichtige, wenn nicht die entscheidende Phase des sogenannten »arianischen Streits« dokumentiert, nämlich den Prozess der Durchsetzung einer nizänischen Orthodoxie sowohl im Westen des römischen Reiches als auch im bevölkerungsreicheren Osten, und zwar dort unter völlig anderen religionspolitischen Bedingungen als im Westen, dem strikt antinizänischen Kurs des Kaisers Valens. Gewiss sind einige Dokumente nicht exakt datierbar; ihre Zuordnung zur fraglichen Zeit aber unterliegt keinem Zweifel. Es ist die Phase, in der auch die Frage nach Wesen und gottheitlicher Würde des Heiligen Geistes zunehmend in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung rückt und alte Koalitionen, sogar Freundschaften, sprengt. Dabei bleibt der Blick der Bearbeiter auf das Christentum innerhalb der römischen Reichsgrenzen beschränkt; auch den christlichen Orient jenseits derselben (Ostsyrien z. B.) einzubeziehen, scheint nie erwogen worden zu sein, wird jedenfalls nirgends thematisiert. Im Übrigen aber ist das procedere völlig transparent und leicht nachvollziehbar.
Besonders geglückt finde ich die gefundene Lösung, von einer allzu strikten Einhaltung der Chronologie zugunsten der Dokumentation über längere Zeit sich erstreckender Prozesse in ihrem eigenen Zusammenhang abzusehen und diese dadurch verständlicher zu machen. So werden alle einschlägigen Dokumente jeweils in einer einzigen Text-Nummer zusammengefasst (etwa zur Entstehung der eunomianischen Kirche [Nr. 75], zu den homöusia-nischen Aktivitäten zwecks Überwindung der für sie negativen Beschlüsse des Konstantinopler Konzils von 360 [Nr. 77], zu den Bemühungen um die Einheit der Nizäner, soweit Basilius daran führend beteiligt war, zunächst bis zum Tod des Athanasius [Nr. 80], danach bis zum Tod des Basilius selbst [Nr. 83], selbstverständlich auch zum quälenden Streit zwischen Basilius und Eustathius von Sebaste über die Pneumatologie [Nr. 81] und endlich zu den Auseinandersetzungen zwischen Alt- und Neunizänern [Nr. 84]), in denen nicht zuletzt die Einstellung zu Markell von Ankyra das polarisierende Moment war).
Dass man über die Auswahl von Texten im Einzelnen und ihre Zuordnung (etwa den interessanten Vorschlag, einen als Athana-siusgut überlieferten Text [Nr. 73.6] als theologische Erklärung der im eigenen Wort sonst kaum greifbaren Anhänger des Altnizäners Paulinus von Antiochien zu verstehen) verschiedener Meinung sein kann, ist kein Grund zur Aufregung. Möglicher Streit aber kann nun auf einer sehr viel solideren Basis stattfinden.
Dass es bei der Entscheidung blieb, den griechischen, lateinischen und – ein einziges Mal auch – koptischen Originalen Übersetzungen ins Deutsche beizugeben, ist nur zu begrüßen. Ohne eine solche Lesehilfe bliebe ein so aufwändig produziertes Editionswerk nur einem kleinen Kreis von Spezialisten zugänglich. Mehrere Stichproben haben ergeben, dass auf die Übersetzungen im Allgemeinen Verlass ist.
Den beiden noch ausstehenden Lieferungen, die die Entwicklungen in der Zeit nach 381 bis in die germanischen Nachfolgereiche auf dem Boden des weströmischen Reiches dokumentieren werden, wird man nach allem mit großen Erwartungen entgegensehen dürfen. Dann wird sich auch zeigen müssen, ob das »Datum 381 als Ende des arianischen Streites« tatsächlich nur »eine dogmatische Festsetzung« ist (so die Herausgeber in ihrem Vorwort [VII]), oder ob sich für diese Einschätzung auch historische Gründe geltend machen lassen.