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Ausgabe:

September/2021

Spalte:

793–795

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Curtis, John [Ed.]

Titel/Untertitel:

Studies in Ancient Persia and the Achaemenid Period.

Verlag:

Cambridge: James Clarke & Co (Lutterworth) 2020. XIV, 217 S. m. Abb. Kart. £ 25,00. ISBN 9780227177068.

Rezensent:

Sebastian Grätz

Der von John Curtis herausgegebene Sammelband war als Festschrift für den ehemaligen Direktor der Abteilung Middle East des Britischen Museums, Terence Croft Mitchell, zu dessen 90. Ge­burtstag geplant, doch der Tod Mitchells kurz vor seinem Geburtstag machte aus der Fest- eine Gedenkschrift. Die Beitragenden sind wie Mitchell in erster Linie als Kuratoren bzw. Archäologen tätig, wobei der mit Abstand längste Beitrag, der so postum erstmalig erschienen ist, von Mitchell selbst stammt. Entsprechend seinem starken Interesse an der Biblischen Archäologie ist dieser auch der Biblischen Archäologie in der persischen Zeit (Biblical Archaeology i n the Persian Period) gewidmet. Dazu weiter unten mehr. Der Band wird durch den Herausgeber eingeleitet und ist mit einem Werkverzeichnis Mitchells, das die Einleitung abschließt, versehen.
P. Collins, Five Unpublished Persepolis Relief Fragments in the Ashmolean Museum (1–9), zeichnet den Weg der in Fotografien präsentierten »pocket size« Fragmente ins Ashmolian Museum in Oxford nach und diskutiert deren originale Herkunft (wahrscheinlich Persepolis).
J. Curtis, Where Did the Persian Kings Live in Babylon? (10–33), diskutiert die im Titel gestellte Frage, indem er die Beschreibungen und Dokumentationen der unterschiedlichen Ausgräber, insbesondere auch R. Koldewey und H. Gasche, diskutiert und daraus vor dem Hintergrund einschlägiger Inschriften entsprechende Schlüsse zieht. Im Gegensatz zu Gasche, der den Südpalast Nebukadnezars, der in seinem Westteil zwar perserzeitliche Um- und Ausbaumaßnahmen aufweise, aber mit seiner Dekoration ideologisch noch sehr stark mit den babylonischen Herrschern verbunden sei, verortet der Vf. den mutmaßlichen Palast auf Tell Babil: »There can be no doubt […] that the palace was either built in the Achaemenid period or reused in the Achaemenid period.« (29) Weitere Untersuchungen seien aber nötig, um diese Hypothese zu untermauern.
C. B. F. Walker, The Use of Seals in Babylonia under the Achaemenids (34–45), klassifiziert und beschreibt die Siegel, die in Babylonien zur Zeit der achämenidischen Herrschaft in Verwendung waren. Die Fundorte der ausgewerteten Abdrücke sind Sippar, Babylon, Borsippa, Dilbat und Kutha, und die Abdrücke finden sich auf Verträgen, administrativen Texten und Briefen. Dabei lassen sich wiederum drei Siegeltypen identifizieren: Zylinder-, Stempel- und Ringsiegel (Letztere seit Artaxerxes I). Im ikonographischen Programm zeigen sich dabei interessante Unterschiede. So weisen etwa die Zylindersiegel während der ganzen Periode einen starken Zuwachs an der mit dem Mondgott Sîn verbundenen Symbolik auf, während die mit Marduk und Nabû verbundene Symbolik weitgehend fehlt. Bei den Stempelsiegeln ist es interessanterweise genau umgekehrt. »This must reflect something about the seal owners, but we cannot say what.« (37) Eine weitere Beobachtung des Vf.s sei noch angefügt: Ein Stempelsiegel eines Rechtskundigen bzw. Rechtsbeamten ( dātabaru) aus der Zeit Artaxerxes I. oder II. zeigt einen bewaffneten griechischen Soldaten, was angesichts des po-litischen Verhältnisses der Achämeniden zu den Griechen doch überrascht. Walker vermutet »a lack of close connection between the Achaemenid kings and their Babylonian subjects« (43).
A. Millard, An Iranian in the Court of King Nebuchadnezzar (46–50), geht einer Vermutung Terence Mitchells nach, derzufolge sich hinter dem rab sārîsîm Aschpenas aus Dan 1,3 ein Meder an Nebukadnezars Hof verberge. Während der Titel rab ša rēši unter Nebukadnezar geläufig gewesen sei, stelle sich die Vorstellung der Existenz eines Meders/Persers in dieser Position als schwierig dar – sei aber nicht auszuschließen. Die Position K. Kochs, Daniel 1–4, BKAT 22,1, Neukirchen-Vluyn 2005, 3, der zufolge es sich bei »Aschpenas« um einen persischen Titel handele, wird nicht diskutiert.
T. C. Mitchell, Biblical Archaeology in the Persian Period (51–157), geht zurück auf einen erweiterten Vortrag, den Mitchell bereits 2005 gehalten hat und der nun, erstmalig veröffentlicht, den Hauptartikel des Sammelbandes bildet. Insbesondere der Terminus »Biblical Archaeology« ist etwas irreführend, zumindest was das gegenwärtige Verständnis dieses ja nicht unproblematischen Begriffs betrifft. Denn der Artikel beruht weniger auf den Ergebnissen von Grabungen und Surveys aus dem Gebiet Israels/Palästinas als vielmehr auf einer Zusammenstellung von zumeist literarischen Zeugnissen aus dem Herrschaftsgebiet der Achämeniden mit einem besonderen Fokus auf deren Verhältnisbestimmung zu den einschlägigen biblischen Texten – und definiert dies als »Bib-lical archaeology« (70). Sein zentrales Anliegen ist mithin, die biblischen Texte vor dem Hintergrund zeitgenössischer Zeugnisse zu verstehen. Beachtlich ist die Fülle des Materials, das hier beinahe enzyklopädisch diskutiert wird; leider fehlt eine Gliederung mit Zwischenüberschriften, vielmehr scheinen die thematischen Übergänge, entsprechend dem ursprünglichen Vortragsstil, zum Teil auch durch Stichwortassoziationen motiviert zu sein (vgl. hierzu die knappen Ausführungen auf S. 52).
Zur Sprache kommen insbesondere der Kyros-Zylinder in seinem Verhältnis zu biblischen Texten (Jes 44 f.; Esr 1–6) (55 ff.); die Inschrift von Bisutoun, wobei mit Blick auf Est 3,12; Neh 8,1 ff. deren proklamativer und auf Verbreitung ausgelegter Charakter besondere Beachtung erfährt (vgl. auch Appendizes 1 und 2 zum Thema der unterschiedlichen Schriftträger Ton, Papyrus, Pergament, die in der persischen Verwaltung verwendet wurden) (62 ff.); die Religion der Achämeniden: einerseits vor dem Hintergrund des Zoroastrismus und dem Avesta sowie dem speziellen Phänomen der mündlichen Tradition im alten Persien, andererseits hinsichtlich der achämenidischen Religionspolitik (72 ff.); die Verwendung des Reichsaramäischen als lingua franca (79 ff.); die Texte aus dem Murašû-Archiv (hier insbesondere die Personennamen) (84 ff.); die Texte aus Elephantine (87 ff.); Reisen von Offiziellen im achämenidischen Reich (Neh 2,4 ff.) (89 ff.); Münzen und Geldpolitik (Esr 8,25 ff. – interessanterweise ohne auf die Tributpolitik der Achämeniden einzugehen) (91 ff.); die Trilingue vom Letoon als Beispiel für die Multilingualität des achämendischen Reiches (93 ff.); schließlich der Blick auf einige archäologische Befunde aus den Provinzen Judäa und Samaria inkl. einer Chronologie und der Diskussion der aus dem Nehemiabuch, Elephantine und dem Wadi ed-Daliyeh bekannten Figur des Sanballat (97 ff.). Dem Artikel beigegeben sind insgesamt sechs Appendizes, die jeweils im Haupttext angesprochene Themen vertiefen: 1. The Earliest Old Persian Text. The Question of the Priority of the Bisitun Inscription (107 ff.); 2. Parchment (111 ff.); 3. The Avesta (114 ff.); 4. Notes on the Word Apad āna (119 ff.); 5. An Aspect of the Geography of the Achaemenid Empire. The Place Names hst, srk and prkn on Green Chert Objects from Persepolis (127 ff.); 6. Suene/Syene (135). Ein umfangreiches Literaturverzeichnis schließt den Artikel, der das breite Wissen seines Verfassers um die Zeit der Achämeniden eindrucksvoll spiegelt, ab.
S. Razmjou, The Textual Connections between the Cyrus Cylinder and the Bible, with Particular Reference to Isaiah (158–174), stellt nach einleitenden Bemerkungen zum Kyros-Zylinder dessen einschlägige Passagen (zitiert nach der Übersetzung von Finkel) u. a. denjenigen Deuterojesajas (insbesondere 44 f.), der Chronik (2Chr 36) und Esras (Esr 1; 6) gegenüber und notiert die zahl-reichen Gemeinsamkeiten, was den Vf. in Analogie der Verbreitung des Textes der Bistutoun-Inschrift darauf schließen lässt, dass den biblischen Autoren der Inhalt des Zylinders offenkundig literarisch bekannt gewesen und dann entsprechend adaptiert sei (167.172).
Die beiden letzten Beiträge von P. O. Harper, Interpreting Sasanian Beards: Significant Images in an Interconnected World (175– 198), der eine ikonographische Studie bietet, und M. Moazani, Sasanian-Zoroastrian Intellectual Life in the Fifth and Sixth Centuries AD (199–213), der die Enstehung der beiden mittelpersischen Texte Pahlavi Vidēvdād und Zand ī Fragard ī Juddēvdād im Kontext des spätantiken intellektuellen Austausches verortet, beschäftigen sich mit Sujets der präislamischen Zeit und sind hier nicht näher zu besprechen.
Der Band, der sein Herzstück in dem Beitrag von T. Mitchell selbst hat, wird durch ein kurzes Orts- und Personenregister abgeschlossen.