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Ausgabe:

Juli/August/2021

Spalte:

694-697

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Osborne, William R.

Titel/Untertitel:

Trees and Kings. A Comparative Analysis of Tree Imagery in Israel’s Prophetic Tradition and the Ancient Near East.

Verlag:

Winona Lake: Eisenbrauns 2018. 224 S. m. 35 Abb. = Bulletin for Biblical Research. Supplement 18. Lw. US$ 39,50. ISBN 9781575067506.

Rezensent:

Ute Neumann-Gorsolke

Im Zentrum der Studie von William R. Osborne, der als Associate Professor für Biblische und Theologische Studien am College of the Ozarks in Missouri lehrt, stehen Baummetaphern als »rhetorical features« prophetischer Rede in den Texten der Schriftpropheten Jesaja, Jeremia und Hesekiel.
Für seine Auswahl führt O. drei Gründe an: 1. Jede dieser Prophetenschriften enthalte »Baumbilder«, die in Beziehung zu königlicher Ideologie stehen und daher verglichen werden können. 2. Bislang gebe es noch keine Untersuchung, die alle drei Prophetenschriften ausführlich unter diesem Aspekt untersuche und altorientalische Baumbilder umfangreich einbezöge (vgl. auch 23–29). 3. Seiner An­sicht nach deckten diese drei prophetischen Schriften die prophetische Tradition vom 8. bis 6. Jh. v. Chr., die Zeit der Schriftprophetie von den Anfängen bis in die exilisch-nachexilische Zeit, ab. O. ist sich dabei bewusst, dass seine Annahme, Jes 1–66 sei eine vorexilische Komposition, von vielen Exegeten und Exegetinnen – wie auch der Rezensentin – nicht geteilt wird (vgl. 2, Anm. 6), sieht dadurch jedoch seine Ergebnisse nicht beeinträchtigt. Ziel seiner Studie ist es, darzustellen, warum die genannten Propheten häufig diese metapho-rische Rede vom Baum wählten, und dies durch Vergleich und Kontrastierung der Baumsymbolik der weiteren alttestamentlichen Literatur und der des Alten Orients herauszustellen. Dabei sei zu bewerten, ob die biblischen Texte sich vom kulturellen Umfeld ab­höben und in ihrer Symbolik innovativ seien oder nicht (16).
In fünf Kapiteln geht O. der Beantwortung dieser Fragen nach, wobei nicht eine filigrane Textexegese angestrebt ist, sondern die Funktion der Baumbilder und die von den Schriftpropheten verwendeten altorientalischen Traditionen im Zentrum stehen.
Im Kapitel 1 »Background and Methodology« (1–30) konturiert O. als »confessional scholar« zum Teil in Abgrenzung zu verbreiteten Positionen in der heutigen Exegese, was er unter prophetischer Rede (prophetic rhetoric) versteht und von welchen Voraussetzungen und methodologischen Grundlegungen er ausgeht.
Es ist O. wichtig hervorzuheben, dass prophetische Rede kulturell eingebettet ist und sich daher verbreiteter Symbolsprache wie der Baummetaphorik bedienen kann. Allerdings geht er – auch wenn er einräumt, dass es redaktionelle Arbeit bei der Ausbildung des Kanons gegeben hat – davon aus, dass zwischen Wort des Propheten und seinem Buch nicht Jahrzehnte oder Jahrhunderte liegen müssen. O. orientiert sich an der Definition David Petersons, der prophetische Literatur als »Either words of the prophets or words written about a prophet by someone other than the prophet« (zitiert: 7) auffasst. Daher ist er nicht an der diachronen Analyse und Genese der prophetischen Literatur mit Reaktionen oder Fortschreibungsprozessen interessiert, sondern geht von der uns überkommenen Literatur als Zugangsweg aus, d. h. er legt seiner Untersuchung den masoretischen Text B19a (Codex Leningradensis) zu­grunde.
In seinen methodologischen Betrachtungen legt O. offen, dass er bei seiner vergleichenden Studie davon ausgeht, dass Israel sich in Religion, Sozialstruktur, ethischem System und Kultur signifikant von den umgebenden Nationen abhebt (vgl. 13 f.). Auch die prophetische Literatur Israels sieht er als Größe eigener Art, die von ihrem historischen und literarischen Kontext und ihrer Form/Gattung her verstanden werden müsse. Dabei wendet er sich vor allem gegen die Hypothesen der Myth and Ritual School (s. u.) und einer vorschnellen Gleichsetzung von Bedeutungen altorientalischer Bildaussagen mit deren biblischer Verwendung.
Zentral in seiner Untersuchung ist der Zugang zur Bildsprache resp. zur Baummetapher in Aufnahme der kognitiven Metapherntheorie von G. Lakoff und M. Johnson (Metaphors We Live By, 1980) und Z. Kövecses (Metaphor: A Practical Introduction, 2002): Dabei bildet nicht die verbreitete binäre Struktur die Grundlage des Metaphernverständnisses, sondern O. versteht Metaphern als »a conceptual framework« (19), d. h. es geht um die Beziehung um­fangreicher Ideen/Konzepte, die in der Sprache aufeinander bezogen werden, die sogenannten konzeptuellen Metaphern. Dabei ist die Differenzierung zwischen der Quelldomäne, aus der die me-taphorischen Vorstellungen stammen, und der Zieldomäne, die diese Vorstellungen interpretieren soll, entscheidend, vgl. dazu die Beispiele für »conceptual mapping« bei J. Jindo: Human Life is a Horticultural Life (20 f.), die die unterschiedlichen metaphorischen Felder zwischen der Quell- und Zieldomäne von Liebe → Reise und Garten → menschliches Leben auflisten.
In Erweiterung der Definition von Lakoff/Johnson bestimmt O. eine Metapher als »understanding, experiencing, and communi-cating one thing in terms of another« (21), denn Zugang zur antiken Welt hätten wir nur durch kommunizierte Metaphern. Dabei baut O. auf zahlreichen Vorarbeiten auf (Engnell, Widengren, Nielsen, Parpola), die die enge Beziehung zwischen Baum und König herausgestellt haben, um die konzeptuelle Metapher »A King is a Tree« zu erläutern, die an ausgewählten Beispielen der genannten biblischen Propheten untersucht werden sollen. Da die sprachlichen Bilder in enger Verbindung zur zeitgenössischen Ikonographie standen, bezieht O. die Ikonographie ausdrücklich in seine Untersuchung mit ein.
Die folgenden Kapitel 2 und 3 sind daher der »Tree Imagery in the Ancient Near East« gewidmet, wobei Ägypten und Mesopotamien zuerst (Kapitel 2: 31–75) und dann Syrien-Palästina und biblische Vorkommen (ohne die Propheten Jes, Jer und Ez) in Kapitel 3 (76–114) in den Blick kommen. Dabei zieht O. jeweils umfangreiches, durchaus bekanntes Text- und Bildmaterial heran und stellt die vielfältigen Arten der Baumbilder/-symbolik in den genannten Kulturen differenziert und in Auseinandersetzung mit der jeweiligen Fachliteratur dar. Insbesondere ausgehend von der Baumsymbolik in Mesopotamien kann O. konzeptuelle Metaphern ausmachen, die den Baum als Quelledomäne haben und sich auch für die Baumsymbolik in Ägypten, Syrien-Palästina und den biblischen Texten finden lassen, wobei eine thematische Überlappung zugestanden wird: »Abundance and Prosperity is a Tree«; »A God is a Tree, and/A King is a Tree-feller« (112); vgl. dazu das ausgeführte Mapping in der Übersicht zu »Conceptual Metaphors in the ANE« (113). Damit sei eine Methodologie aufgezeigt, die es möglich mache, unterschiedliche Aussagen in mentalen Strukturen zusammenzufügen, ohne einen hypothetischen Ur-Mythos annehmen zu müssen wie die sogenannte Myth and Ritual School in der Mitte des 20. Jh.s.
Vor diesem Hintergrund widmet sich O. schließlich »Trees and Kings« in den Büchern Jes, Jer und Ez (115–160). Dabei sind es naturgemäß »bekannte« Texte von Weingarten, baumbestandenen Bergen, Gärten, hohen Bäumen oder Pflanzungen, die jetzt unter der Perspektive konzeptueller Metaphern betrachtet werden.
Für alle drei prophetischen Bücher kann er negative wie positive Verwendung der Baummetaphorik aufzeigen. Dabei stellt er u. a. bei Jes und auch Ez eine Vermischung der konzeptuellen Metaphern A King is a Tree und Arrogance is High fest, die sich aus der menschlichen Raumorientierung ergebe. Jes 2,11–13 zeige beispielhaft, dass dadurch die Arroganz der Anführer Israels vor JHWH herausgestellt wird. Dagegen zeige sich bei Jer die Vermischung der Metaphern A Person is a Tree und A Pagan Deity is a Tree, wodurch der Götzendienst Israels thematisiert werde und durch die Verbindung der Göttin Aschera mit Bäumen im 8. bis 6. Jh. v. Chr. vorangetrieben sei. Positiv werde die Baummetaphorik für die zukünftige Wiederherstellung des Volkes (Jes 4,2; 6,13; 60,21 u. ö.) und mit dem Bild des Sprosses für den zukünftigen König JHWHs (Jes 11,1.10; Jer 23,5; 33,15; Ez 17,22–24) verwendet.
In dem abschließenden Kapitel 5 »Summary and Conclusions« (161–169) fasst O. zusammen, was seiner Untersuchung zufolge die Baumsymbolik in den prophetischen Büchern ausmacht, wenngleich von keinem einheitlichen Prinzip der Aufnahme von altorientalischen Baumbildern bei Jes, Jer und Ez die Rede sein könne. Während im Alten Orient eine Interrelation von Gottheit, Land, Volk und König durch die Baumsymbolik bezeichnet werde, fehle – bis auf Hos 14,9b – dies im Alten Testament; dagegen werde einerseits die Metapher A King is a Treefeller polemisch verkehrt und nun erscheine JHWH als der, der mächtige Bäume = Könige fällt (Jes 10,33 f.; 14,8; 37,24 u. ö.); andererseits werden die Metaphern Abundance and Prosperity is a tree und a king is a tree für den zukünftigen König JHWHs transformiert. Dies zeige, dass die Propheten diese Metaphern kannten und neu gestaltet haben, so dass »new realities of power and kingship« (167) entstanden. Auch werde deutlich, dass sich die Propheten bei der Verwendung von Baummetaphern einer aus altorientalischen Quellen gespeisten »conceptual metaphor« bedienten, sich jedoch daraus keine mythische Erzählung rekonstruieren lasse, wie es in der ersten Hälfte des 20. Jh.s die Myth and Ritual School erhoben hatte.
O. regt abschließend noch weitergehende Forschungen zur Baummetaphorik an, z. B. die Frage, ob die Baumparabeln aus weisheitlichen Zirkeln erwachsen seien, oder eine Untersuchung zur Typologie der Baumsymbolik im gesamten Alten Testament.
Wenngleich, wie oben erwähnt, einige – offen dargelegte – Ausgangspositionen nicht dem gängigen common sense entsprechen, gewinnt die Studie durch ihren klar dargelegten metaphern-theoretischen Zugang ihr Profil und führt zu einem vertieften Verständnis der Baummetaphorik für den König wie den Königsgott JHWH. Der Zugang zur Bildsprache mittels konzeptueller Metaphern kann sich m. E. über den hier vorgeführten Textkomplex auch darüber hinaus als förderlich für das Verständnis altorientalischer wie alttestamentlicher Bildsprache erweisen.
Ein leserfreundlicher Appendix mit einem differenzierten Katalog der Baumbilder (170–173) bei Jesaja, Jeremia und Ezechiel, der neben Bibelstelle und Lexem die metaphorische Bedeutung wie auch den Kontext auflistet, rundet die Untersuchung ab. Den Ab­schluss bilden ein umfangreiches Literaturverzeichnis (174–197) sowie ein Verzeichnis der genannten Autoren, der Bibelstellen und der antiken Quellen.