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Ausgabe:

Juli/August/2021

Spalte:

671-674

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

MacDonald, Nathan, and Ken Brown [Eds.]

Titel/Untertitel:

Monotheism in Late Prophetic and Early Apocalyptic Literature. Studies of the Sofja Kovalevskaja Research Group on Early Jewish Monotheism. Vol. III.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2014. XVII, 268 S. = Forschungen zum Alten Testament. 2. Reihe, 72. Kart. EUR 79,00. ISBN 9783161532405.

Rezensent:

Eberhard Bons

Der Band enthält insgesamt zehn Beiträge, davon einen in deutscher Sprache (R. Achenbach), die aus einem Kolloquium hervorgegangen sind, das im Jahr 2012 an der Universität Göttingen gehalten wurde. Eine Einleitung, die von beiden Herausgebern verfasst worden ist, führt in die Thematik der Tagung sowie der einzelnen Artikel ein. Der Band wird durch ein Stellenregister abgeschlossen.
Die Artikel widmen sich im Einzelnen folgenden Themen: Ulrich Berges/Bernd Obermayer, Divine Violence in the Book of Isaiah (1–24), Bernd U. Schipper, ›The City by the Sea will be a Drying Place‹: Isaiah 19,1–25 in Light of Prophetic Texts from Ptolemaic Egypt (25–56), Mark S. Gignilliat, Who is a God like You? Refracting the One God in Jonah, Micah and Nahum (57–72), Lena-Sofia Tiemeyer, YHWH, the Divine Beings and Zechariah 1–6 (73–101), Nathan MacDonald, The Beginnings of One-ness Theology in Late Israelite Prophetic Literature (103–123), Reinhard Achenbach, Monotheistischer Universalismus und frühe Formen eines Völkerrechts in prophetischen Texten Israels aus achämenidischer Zeit (125–175), Jakob Wöhrle, The God(s) of the Nations in Late Prophecy (177–199), John J. Collins, Cognitive Dissonance and Eschatological Violence: Fantasized Solutions to a Theological Dilemma in Second Temple Judaism (201–217), Stefan Beyerle, Monotheism, Angelol-ogy, and Dualism in Ancient Jewish Apocalyptic Writings (219–246), Jennie Grillo, Worship and Idolatry in the Book of Daniel through the Lens of Tertullian’s De idololatria (247–262).
Wie schon aus der Einleitung hervorgeht, war es nicht die Ab­sicht der Verfasser, der Entstehung des biblischen Monotheismus nachzugehen oder die Gründe zu rekonstruieren, die zu seiner Ausbildung geführt haben könnten. Ihr Ziel war es vielmehr, die spätere Entwicklung des Monotheismus zu beleuchten, wie sie sich vor allem aus prophetischen Texten der Perserzeit und weiterhin aus der frühen apokalyptischen Literatur erschließen lässt.
Insgesamt gesehen, ist die Thematik der einzelnen Beiträge des Buches breit gefächert. Die beiden ersten Artikel sind dem Jesajabuch gewidmet. Nicht nur wegen seiner beachtlichen Länge, sondern auch wegen seiner über mehrere Jahrhunderte sich erstre-ckenden Entstehungszeit stellt sich für U. Berges und B. Ober-mayer die Frage nach gestaltenden Prinzipien einerseits und theologischen Entwicklungen andererseits. Die beiden Autoren behandeln in diesem Zusammenhang das Problem der göttlichen Gewalt, speziell in ihrer Ausprägung der Gott zugeschriebenen Initiative in der Kriegsführung. Dabei lässt sich im gesamten Buch Jesaja eine bemerkenswerte Entwicklung feststellen. Während in älteren Schichten die göttliche Gewalt sich gegen das Gottesvolk selbst, aber auch gegen seine Feinde richtet, findet in den jüngeren Schichten die Vorstellung eines militärischen Vorgehens YHWHs vor allem dann Verwendung, wenn es um Konflikte innerhalb der Parteien des Gottesvolks geht. B. U. Schipper behandelt hingegen einen einzelnen Abschnitt des Jesajabuches, Jes 19,1–25, einen Text, der in zwei voneinander stark abweichenden Versionen im Masoretentext und in der Septuaginta vorliegt. Dem Autor zufolge ist der Text ein Dokument der alexandrinischen jüdischen Gemeinde und muss auf dem Hintergrund zeitgenössischer ägyptischer Orakel, u. a. dem »Oracle of the Lamb« und dem »Oracle of the Potter«, verstanden werden. Nur YHWH kann – so die implizite Botschaft von Jes 19,1–25 – als der Gott gelten, der Ägypten Zukunft verheißt (51).
Die beiden nächsten Artikel beschäftigen sich mit dem Zwölfprophetenbuch. S. Gignilliat untersucht die Verwendung der Aussage von Ex 34,6–7, mit der Gott sich selbst und seine »Eigenschaften« vorstellt, in drei Zitaten aus den Büchern Jona, Micha und Nahum. Obwohl diese Stellen offenbar ganz verschiedene Intentionen verfolgen, gerade im unmittelbaren Kontext ihrer jeweiligen Bücher, sind sie im Kontext des Zwölfprophetenbuches nicht als einander widersprechend, sondern als komplementär zu verstehen, denn sie werden in Mi 7,18 unter das Vorzeichen der Frage gestellt: »Gott, wer ist wie du?« L.-S. Tiemeyer wendet sich dem Sacharjabuch zu und fragt sich, warum in den Visionen der Kapitel 1–6 die verschiedensten anthropomorphen himmlischen Wesen auftreten, in den Orakeln jedoch YHWH der einzige göttliche Akteur ist. In ihrem sehr gründlichen und sorgfältig argumentierenden Artikel versucht die Autorin diese Diskrepanz mit den un­terschiedlichen literarischen Genres – insbesondere Visionsbericht und Orakel – zu erklären.
N. MacDonald stellt sich die Frage, warum der programmatische Satz aus Dtn 6,4, das sogenannte šma‘ yiśra’el, zwar an prominenter Stelle im Buch Deuteronomium steht, jedoch in der biblischen Literatur nur ein schmales Echo hinterlassen hat, was angesichts der breiten jüdischen und christlichen Wirkungsgeschichte des Verses erstaunlich ist. Spuren einer innerbiblischen Interpretation des Verses bzw. seiner Aussage, die die Einzigkeit des Gottes Israels betonen, erkennt MacDonald vor allem in Mal 2,15 sowie in Sach 14,9.
Das Verhältnis zwischen monotheistischen Konzeptionen und der Vorstellung eines völkerübergreifenden, von Gott gestifteten Gerechtigkeitsprinzips ist das zentrale Thema des umfangreichen Artikels von R. Achenbach. So folgt, wie er argumentiert, aus den Aussagen des Töpfergleichnisses in Jer 18,7–10, dass auch den Völkern »Gerichtsandrohung und Heilsverheißung, wie sie Israel zuteil wurden« (136), gelten. Auf dem Hintergrund der Idee eines internationalen Rechtes werden weiterhin die Fremdvölkersprüche in Amos 1–2 untersucht, insbesondere die Vorwürfe der Missachtung der Menschenwürde, die gegenüber den einzelnen Völ kern einschließlich Israel erhoben werden. Schließlich gilt die Aufmerksamkeit des Verfassers den Aussagen des Zefanjabuches, in denen YHWHs Anspruch auf Durchsetzung einer allgemeinen Rechtsordnung unterstrichen wird (167–168).
Von den Aussagen Deuterojesajas ausgehend, wonach die Götter der Völker nichtig sind, geht J. Wöhrle diesem Motiv in den späten prophetischen Texten nach. Die Frau im Efa (Sach 5,5–11) hält er für eine babylonische Gottheit, deren Verehrung im nachexilischen Israel unterbunden werden sollte (182), und in Mal 2,10–16 erkennt er die Forderung nach einer exklusiven Verehrung YHWHs durch das Volk Israel (187). Weitere Überlegungen gelten den Aussagen des Zwölfprophetenbuches, wo von der Verehrung YHWHs durch die Völker die Rede ist (Joel 3; Mi 4,1–4), aber auch von ihrem Gegenteil, d. h. dass die Völker nach wie vor ihre eigenen Götter anerkennen, was anscheinend nicht beanstandet wird (Mi 4,5; Jona 1,5). Gerade im Jonabuch zeigt sich für Wöhrle ein inklusiver Monotheismus, insofern als die Völker sich nicht explizit YHWH zuwenden. Ob gerade diese letzten Beobachtungen die Aussagen des Jonabuches treffen, ist allerdings fraglich. Wenn auch in einem narrativen Text wie dem Jonabuch bestimmte Themen – vielleicht mit Absicht – offengelassen werden, so wird doch explizit ausgesagt, dass die fremden Seeleute nach ihrer wundersamen Rettung YHWH Opfer darbringen und Gelübde ablegen (Jona 1,16). Stellen sie damit nicht einen Bezug zu YHWH her? Und die Niniviten sind offenbar imstande oder gewillt, an Gott (Elohim, nicht YHWH) zu glauben. Was oft übersehen wird, ist die Tatsache, dass hier das im Alten Testament insgesamt recht selten gebrauchte Verb ’mn hiph’il »glauben« steht.
Den Ausgangspunkt von J. J. Collins’ Artikel bilden die Aussagen der späten alttestamentlichen sowie der späteren Literatur aus hellenistischer und römischer Zeit, die auf Gewaltvorstellungen zu­rückgreifen. Collins weist zunächst auf die »kognitive Dissonanz« hin, die zwischen real erfahrener politischer und militärischer Un­terlegenheit und theologische Anspruch besteht, vor allem der Idee der Überlegenheit YHWHs über Götter und Völker (202–203). Diese Spannung wird dadurch gemildert, dass ihre »Lösung« nicht in einer mehr oder weniger nahen Zukunft erwartet, sondern in eine eschatologische Zeit verlegt wird. Damit ist eine »violent fant asy« verbunden, die – ausgehend von Texten wie Psalm 2 – eine endzeitliche Auseinandersetzung ankündigt, weiterhin Motive des Chaoskampfs aufgreift sowie einen Dualismus vertritt, der die Menschheit in zwei Teile aufteilt und zwischen Licht und Finsternis unterscheidet. Jedoch haben diese Vorstellungen keineswegs die praktische Anwendung von Gewalt zur Folge, wie man vielleicht versucht ist anzunehmen. Vielmehr ermöglichen sie es – und hierin liegt eine gewisse therapeutische Funktion –, Niederlage, De­mütigung und politische Bedeutungslosigkeit besser zu ertragen und eine gewisse religiöse Identität zu bewahren (213 f.).
S. Beyerle analysiert bestimmte Texte aus Qumran (besonders die Zwei-Geister-Lehre in 1QS sowie 1Q/4QInstruction) auf die Frage hin, ob diese – gerade im Hinblick auf dualistische Konzeptionen sowie auf Aussagen über Zwischenwesen – einen exklusiven oder einen inklusiven Monotheismus vertreten. Dabei ist der Verfasser sich der Problematik bewusst, dass letztlich moderne Begriffe wie Monotheismus und Dualismus bemüht werden, um antike Texte zu erklären (219 f.), diese jedoch in gewisser Weise inadäquat sind.
Der letzte Beitrag des Buches aus der Feder von J. Grillo widmet sich den Vorstellungen von Idolatrie im Buch Daniel und in Tertullians De idololatria. Dabei ist zu beachten, dass beide Texte offenbar kaum theologische Schwierigkeiten mit der Verehrung von fremden Göttern durch fremde Völker haben, der Konflikt jedoch dann aufbricht, wenn Israeliten zur Verehrung anderer Gottheiten aufgerufen oder sogar gezwungen werden.
Für alle weiteren Einzelheiten muss auf die Artikel selbst hingewiesen werden. Insgesamt gesehen, greifen die zehn Beiträge des Buches sehr verschiedene Fragestellungen auf, die mit der Ausbildung des Monotheismus im nachexilischen Israel bis in die hellenistische Zeit hinein verbunden sind. Dabei ist die Verbindung der einzelnen gewählten Themen zum Monotheismus und seinen Implikationen nicht in allen Fällen sehr eng. Versteht man darunter Fragestellungen wie die Rollen, die YHWH zugeschrieben werden, die Götter und Kulte der anderen Völker, die Möglichkeit der Verehrung YHWHs durch Nicht-Israeliten, der Status und die Funktion von Zwischenwesen sowie die sprachlichen Möglichkeiten, mit denen der Glaube an einen einzigen Gott ausgedrückt werden kann, dann fallen besonders die Artikel von L.-S. Tiemeyer, N. MacDonald, R. Achenbach und S. Beyerle durch eine größere Nähe zur Thematik auf. Bemerkenswert ist weiterhin, dass bis auf wenige Ausnahmen (z. B. N. MacDonald, S. Beyerle und J. J. Collins) die aktuelle Diskussion zum biblischen Monotheismus, vor allem aber die Frage der Terminologie und ihrer Adäquatheit weitgehend ausgeblendet wird. Ist es tatsächlich noch möglich, Begriffe wie »Monotheismus« oder »Universalismus« zu verwenden, und zwar ohne Rücksicht darauf, dass sie über Jahrhunderte durchaus nicht immer zur wertneutralen Beschreibung von theologischen Konzepten dienten, sondern oft genug mit apologetischen Interessen verbunden waren, gerade von Seiten christlicher Autoren? Weitgehend ausgeblendet (bis auf den Beitrag von Schipper) bleibt auch die Septuaginta, die – durchaus nicht immer konsistent – einige »problematische« Stellen abweichend übersetzt; vgl. etwa die griechische Übersetzung von Jes 37,19 im Unterschied zu derjenigen von 2Kön 19,18 sowie die veränderte Wiedergabe von Jes 43,10 und 45,21–22, die suggeriert, dass der Gott Israels der einzige wirkliche Gott ist. Schließlich fällt auf, dass mehrere Artikel das Thema der »Unvergleichbarkeit« Gottes berühren. Diese wird verschieden ausgedrückt, mal mehr oder mal weniger exklusiv. Sollte diese Vorstellung nicht mehr Beachtung in der exegetischen Diskussion finden?