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Ausgabe:

Juni/2021

Spalte:

587–588

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Wiertz, Oliver J. [Hg.]

Titel/Untertitel:

Logische Brillanz – Ruchlose Denkungsart?Möglichkeiten und Grenzen der Diskussion des Problems des Übels in der analytischen Religionsphilosophie.

Verlag:

Münster: Aschendorff Verlag 2021. 604 S. = Studien zur systematischen Theologie, Ethik und Philosophie, 20. Geb. EUR 76,00. ISBN 9783402118382.

Der von Oliver J. Wiertz herausgegebene Sammelband bietet eine gute und materialreiche Einführung in die Diskussion des Problems des Übels in der analytischen Religionsphilosophie. Die im Titel angesprochene Spannung zwischen den logischen und epistemischen Fassungen des Problems und dem viel kritisierten Missstand, dass die existenziellen Fragen dabei kaum tangiert werden, wird allerdings in ziemlich deutlicher Weise zugunsten der ersten Position aufgelöst. Vorgelegt werden vor allem Texte, die dem ers­ten Zugang oder der Auseinandersetzung mit ihm zugerechnet werden können. Gegenpositionen wie die von D. Z. Philips, Wittgenstein oder Kierkegaard kommen nur in Form von Referaten zweiter Hand zur Sprache, nicht katholische Autoren sind kaum vertreten, alle Beiträge sind deutsch oder ins Deutsche übersetzt.
Der Herausgeber gibt in einer ausführlichen Einführung einen guten Überblick über die verschlungene Diskussion in der analy-tischen Religionsphilosophie des vergangenen Jh.s, die vor allem die Vielfalt der Ansätze theoretischer Theodizeeversuche deutlich macht (29–104). Die Sicht der nicht selbst vertretenen Gegenpositionen der Infragestellung dieser Theodizeeversuche am Leitfaden existenzieller Fragen wird von Genia Schönbaumsfeld vorgestellt (105–124). Der Umfang beider Einführungstexte spricht für sich selbst.
Im Folgenden werden Beiträge zu ausgewählten Problemknoten geboten: zur Rolle der Willensfreiheit (Richard Swinburne, Klaus von Stosch, Holm Tetens), zum Skeptischen Theismus und der Verborgenheit Gottes (Marco Benasso, Enrico Grube), zur Einbeziehung christlicher Lehrtraditionen in die religionsphilosophische Diskussion (Elenore Stump, Marilyn McCord Adams, Georg Gasser), zu buddhistischen, nonstandardtheistischen und prozessphilosophischen Perspektiven (Sebastian Gäb, Thomas Schärtel, Andreas Reitinger, Tobias Müller), zur Kritik der analytischen Theodizeediskussion seitens der Sprechakttheorie (Terrence Tilley), des Pragmatismus (Sami Philström) und Kants (Philip Rossi). Abschließend erinnert Peter Jonkers daran, dass Religionen nicht nur Antworten auf Übel und Leid bieten, sondern auch selbst Quelle von Leid und Übel sein können; John Cottingham plädiert dafür, dem praktisch-existenziellen Charakter des Problems größere Aufmerksamkeit zu widmen; und Klaus Vechtel legt dar, wie in der ignatianischen Spiritualität mit Leid und Übel umgegangen wird. Ein Personenregister beschließt den umfangreichen Band.
Wer sich über den Diskussionsstand des Problems des Übels in der analytischen Religionsphilosophie der Gegenwart zuverlässig informieren will, ist mit diesem Band gut beraten. Umfangreiche An­merkungen geben weitere Literaturhinweise. Das Unbehagen über die primär diskursiv-formalen Diskussionen des Problems wird durchgehend deutlich. Hinweise auf andere Zugangsweisen werden gegeben. Den Schritt zu ihnen muss man aber selbst machen.

Tübingen Ingolf U. Dalferth