Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Mai/2021

Spalte:

458–460

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Kooi, Cornelis van der, and Gijsbert van den Brink

Titel/Untertitel:

Christian Dogmatics. An Introduction. Transl. by R. Bruinsma with J. D. Bratt.

Verlag:

Grand Rapids u. a.: Wm. B. Eerdmans 2017. 820 S. Geb. US$ 45,00. ISBN 9780802872654.

Rezensent:

Katrin Bosse

Die Einführung in Christliche Dogmatik, die die niederländischen Professoren Cornelis van der Kooi und Gijsbert van den Brink 2012 auf Niederländisch und 2017 auf Englisch vorgelegt haben, unternimmt den Versuch einer konzisen Darstellung des Inhalts des christlichen Glaubens (X).
Durchgängig wird die reformierte Tradition als Perspektive der Autoren transparent gemacht, wobei das Gespräch mit anderen christlichen Traditionen geführt wird (IX). Ähnliches gilt für die spezifisch niederländische Theologie: Obwohl die englische Ausgabe auf ausschließlich in Niederländisch verfügbare Quellen verzichtet, verweist das Werk auf wesentliche Aspekte der Theologie- und Glaubensgeschichte der Niederlande – sicher eine Horizonterweiterung für englische und deutsche Leserinnen. Drei weitere Stärken des Buches seien benannt:
1) Das Buch ist als Gesamtentwurf konzipiert und geschrieben – Prolegomena, Trinitäts- und Gotteslehre, Offenbarungslehre, die Lehre von Schöpfung und Mensch, die Lehre von Christus, die Lehre vom Geist, die Lehre von der Kirche, von der Rechtfertigung und von der Vollendung sind in ihrem Zusammenhang dargestellt. Jedes der einzelnen Kapitel des Buches aber lässt auch eine eigenständige Lektüre zu. So ist das Werk vielfältig einsetzbar: in der Lehre von der Erstbegegnung mit der Dogmatik in unteren Semestern bis hin zur Examensvorbereitung wie als Einführung in die Dogmatik auch für Laien, ja, geradezu als »Hausdogmatik« – jenes leicht zerfledderte Lieblingsbuch, zu dem ich greife, wann immer eine Frage des christlichen Glaubens noch einmal der Rückbesinnung auf die Grundlagen, auf Orientierung im ganzen Wirklichkeitsverständnis bedarf.
2) Jedes der insgesamt 16 etwa 40-seitigen Kapitel des Buchs folgt dem gleichen Aufbau. Es beginnt mit zwei kurzen didaktisch wichtigen Abschnitten: Die Intentionen oder Ziele eines jeden Kapitels werden vorgestellt, die Binnengliederung des jeweiligen Kapitels wird so erhellt. Diese Listen der Fragen, die jedes Kapitel behandelt, eignet sich auch zur Wiederholung des Materials in der Vorbereitung auf Prüfungen. Der zweite didaktisch motivierte Einführungsabschnitt in jedem Kapitel unter dem Stichwort »Making connections« lädt Leser ein, das Material aus der christlichen Tradition mit dem eigenen Glauben und vor allem der gegenwärtigen Kultur und Gesellschaft ins Gespräch zu bringen. Hier zeigt sich die Lehrerfahrung beider Professoren der Freien Universität Ams-terdam (Gijsbert van den Brink hat den Forschungslehrstuhl für Theologie und Naturwissenschaft inne, Cornelis van der Kooi den Lehrstuhl am Herman Bavinck Center für Reformierte und Evangelische Theologie), ihr Einbezogensein in den Zirkel der die Theo logie überschreitenden Gespräche in Wissenschaft, Kirche und Gesellschaft (vgl. 5) kommt zum Tragen. Mithilfe dieser didaktischen Appetizer wird Leserinnen ein »aktiver« Einstieg in die jeweilige Thematik ermöglicht. Diese Einstiege könnten zugleich Leitfaden für eine Art »Lerntagebuch« sein, wenn nach Lesen des Kapitels die Arbeits- und Denkaufträge des Anfangs erneut durchdacht werden. Noch wesentlicher aber ist die hermeneutische Perspektive, die diese Einstiege ermöglichen: Die Themen der Tradition werden von einem Lehr- oder Lernstoff zu einem Mittel des Gegenwart-Verstehens. Der didaktische Impetus hält im Bewusstsein, dass die Reflexion des christlichen Glaubens nicht im luftleeren (oder bloß buchstaben-gesättigten) Raum stattfindet, sondern stets auf der Praxis dieses Glaubens in den Gemeinschaften der Kirchen beruht und auf sie bezogen ist und so Implikationen für das Leben der Kirche in der Gesellschaft hat. Wem dieser didaktische Ansatz nicht zusagt, sei beruhigt: Ohne Weiteres kann man die kurzen Abschnitte überspringen.
3) Am Ende eines jeden Kapitels findet sich eine ausführliche, aber nicht unüberschaubare Bibliographie, die zum vertieften Studium einlädt im Gespräch mit den wesentlichen Quellen der christlichen Tradition und mit internationaler Theologie der Gegenwart. Solch ein weiter Horizont fehlt manchen deutschen oder auch britischen Dogmatik-Lehrbüchern.
Inhaltlich überzeugt das Werk der Niederländer durch klare theologische Gedankenführung, die durchgängig biblisch fundiert und unter Rückgriff auf die wesentlichen Denker, Strömungen und Stationen der christlichen Theologiegeschichte dargeboten wird. Die Menge des Materials ist unterteilt: Der Gedankengang in größerer Schriftart ist für sich verständlich, in kleinerer Schrift sind Vertiefungen der Fragen angezeigt.
Dogmatik wird als diszipliniertes Nachdenken über Gott in den Rahmen von Theologie und Systematischer Theologie eingezeichnet und in einem weiteren Sinn als die Aufgabe der stetigen kritischen Selbstreflexion des christlichen Wirklichkeitsverständnisses verstanden (Kapitel 1). Christlicher Glaube wird als in Gott gegründete Erfahrung der Sinnerschließung (vgl. 62) etabliert (Kapitel 2). Als Tor zu allen Fragen des christlichen Glaubens wird die Trinitätslehre bestimmt (Kapitel 3). Hier zeigt sich am klarsten das theo logische Programm dieses Entwurfs, das W. Pannenberg, dem Amerikaner R. W. Jenson und der Wiederentdeckung der Trinitätslehre in der britischen Theologie der 90er Jahre bei C. E. Gunton und C. Schwöbel nahesteht. Zusammen mit der Frage nach den Namen, Eigenschaften und dem Wesen Gottes (Kapitel 4) wird die Trinitätslehre noch vor (!) der Lehre von der Offenbarung (Kapitel 5) verhandelt. Dies stellt sicher, dass nicht ein abstrakter Gottesbegriff, sondern der trinitarische Gott – Vater, Sohn und Heiliger Geist – als Subjekt der Glaubensgeschichte und aller ihrer Phasen von Anfang an im Blick ist und bleibt. Die Trinitätslehre wird nicht abgeschlossen, ohne das Gespräch mit dem Islam zu suchen – eines der vielen Beispiele, wie das Buch das Versprechen einlöst, gegenwarts- und gesellschaftsrelevantes Nachdenken anzuregen. Im Sinne der trinitätstheologischen Perspektive in allen loci wird in der Schöpfungslehre als Schöpfer des Menschen und von allem was ist der trinitarische Gott identifiziert. So wird die Grundlage für eine relationale Ontologie gelegt, die die Gottebenbildlichkeit der Menschen in ihrem In-Beziehung-Sein verortet (vgl. 266).
Ebenfalls als Implikation der Orientierungskraft des trinitarischen Gottesverständnisses für das Ganze des christlichen Glaubens führen die Vf. an den Gedanken heran, dass Schöpfung, Bund und Erlösung in ihrer Einheit zu verstehen sind. Daher findet sich neben dem Kapitel zur Schöpfungslehre eins zur Bundestheologie und zur Bedeutung Israels (Kapitel 9) und eins zur Rechtfertigung und Transformation (Kapitel 15) an entsprechender Stelle in der Dogmatik. Die Aufmerksamkeit für das Bundes- und Israel-Thema zeigt erneut, wie ernst hier die Orientierungsaufgabe der Theologie auch für den Dialog in der Gesellschaft genommen wird. Wenn die Kirche im Gebet um Gottes Reich an der Seite Israels betet, wenn daher eine klare Absage an jeglichen Supersessionismus erteilt wird und selbstkritisch die Gemeinschaft der Gläubigen gemahnt wird, wahrhaft Zeuginnen der Befreiung und Täter der Gerechtigkeit zu sein, sind gute Grundlagen für das Gespräch mit dem Judentum gelegt.
Insgesamt ist dieses Lehrbuch eine bereichernde Lektüre – für Studierende und Lehrende wie auch für interessierte Laien –, das Klärung und Anstöße bietet, Christ-Sein und Kirche-Sein auf ihre Implikationen in der Gesellschaft hin zu bedenken. Dabei ist es durchaus nicht nötig, den Autoren in allen ihren Entscheidungen zu folgen – Schreib- und Denk-Stil lassen Widerspruch und Kreativität zu – ja, laden dazu ein.