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Ausgabe:

Mai/2021

Spalte:

386–388

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Berlejung, Angelika, and Aren M. Maeir[Eds.]

Titel/Untertitel:

Research on Israel and Aram. Autonomy, Independence and Related Issues. Proceedings of the First Annual RIAB Center Conference, Leipzig, June 2016. Research on Israel and Aram in Biblical Times I.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2019. XVII, 501 S. = Orientalische Religionen in der Antike, 34. Lw. EUR 119,00. ISBN 9783161577192.

Rezensent:

Stefan Beyerle

Die Herausgeberin und der Herausgeber dieses Sammelbandes konnten 2016 ihre bereits institutionalisierte Kooperation zum Thema »Aram und Israel« in eines der 23 »Minerva Centers« überführen (»Relations between Israel and Aram in Biblical Times«: RIAB). Die vorliegenden Beiträge dokumentieren die erste Tagung unter Beteiligung international renommierter Diskutanten aus den Bereichen Theologie (Exegese), antike Religion, Geschichte, Altorientalistik, Archäologie und den Kulturwissenschaften. Ein Vertreter der letzteren Gruppe, der Logiker und Spieltheoretiker Paul Weirich, bringt die Fragestellung bereits auf den Punkt: Falls Aram und Israel unabhängig voneinander existierten, erhebt sich die Frage, ob die historisch erwiesenen Kombinationen beider noch auf eine oder zwei Kulturen verweisen, wobei Weirich zu Letzterem neigt (24.26 f.).
Die im ersten Abschnitt zur kulturellen Autonomie in den Geschichtswissenschaften behandelten Fragestellungen über die terminologischen und hermeneutischen Grenzen der Übertragbarkeit von Konstrukten sozial-politischer und kultureller Autonomie, über Ritual oder »national-kulturelle Unabhängigkeit« (vgl. Jan Dietrich, Paul Weirich, Christoph Wulf, David J. Smith) bieten den theoretischen Überbau für die sich anschließenden Studien aus biblisch-exegetischer, archäologischer und historischer Perspektive.
Auch wenn es den Aufbau des Sammelbandes auf den Kopf stellt, macht es dennoch Sinn, von den archäologischen und epigraphischen Hinterlassenschaften auszugehen, um von den Primär- zu den Sekundär- bzw. Tertiärquellen, wie der Hebräischen Bibel, voranzuschreiten. Zunächst sind die archäologischen Beiträge zu beachten, die sich auf zwei Abschnitte zur eisenzeitlichen Geschichte der Aramäer in der südlichen und nördlichen Levante verteilen. Bereits eine Voraussetzung für den Vergleich »autonomer« politischer, kultureller und religiöser Gebilde in »Israel« und »Aram« adressiert die Frage nach den Spezifika der jeweiligen Kultur. Wird man für »Israel« bei aller Skepsis bis in das 8. Jh. v. Chr., unter Jerobeam II., zurückgehen müssen (Israel Finkelstein) und zunächst bestenfalls kleinförmige, territoriale Verhältnisse be­rücksichtigen, sollte man erst gar nicht von einer Aramäer-Kultur oder gar -Identität reden (Dominik Bonatz; vgl. jetzt auch Izak Cornelius, in: WO 49, 2019). Die scharfsinnigen Anmerkungen von Bonatz führen in der Konsequenz zur Vermeidung pauschaler Po­larisierungen und Zuschreibungen, sei nun »Aram« oder »Israel« betroffen. Im Fokus müssen, ausgehend vor allem von den Inschriften, die Städte und Regionen (Aram-Damaskus, Sam’al etc.) als po-litische Einheiten stehen (so Bonatz: 174) – man vergleiche nur die Anmerkungen zum früheisenzeitlichen Hula-Tal von Naama Yahalom-Mack et al. (245–247) oder zum Tel Dan von Yifat Tha-reani (272–274, mit gewichtigen Präzisierungen zu Eran Aries EZ II-Datierungen in: TA 35, 2008). Die Einzelstudien des Sammelbandes berücksichtigen also die Einsicht von Bonatz, indem archäologische Ortslagen der südlichen und nördlichen Levante (Mishrifeh/Qatna, Tel ‘En Gev, Abel Beth-Maacah etc.) diskutiert werden. Vor allem zu beachten ist der Beitrag von Assaf Kleiman zum nördlichen Jordantal, da er mit seinen archäologischen Analysen zu den Aramäern in der frühen Eisenzeit Forschungslücken zu füllen sucht (vgl. auch Naama Yahalom-Mack et al.).
Die Diskussion biblischer Angaben behandelt, in angemessener Zurückhaltung, historische Fragen bestenfalls im Sinne struktureller Phänomene: Nili Wazana etwa vergleicht die in der Zakkur-Inschrift, dem Sammeltext der Monolith-Königsinschrift Salmanassers III. aus Kurkh und in Jos 10–11 erwähnten Angaben zu militärischen Koalitionen unter den jeweiligen »Feinden«. Die Darstellung im Josuabuch folgt ideologischen (Wazana: »theologischen«: 133) Intentionen zur Beschreibung »der Anderen«, die nicht auf »ihren« Gott vertrauten. Noch deutlicher treten solche »theologischen« Absichten in der »Bekehrung« des aramäischen Militärs Naaman (2Kön 5) in den Vordergrund. Thomas Römer betont zunächst den Gegensatz von genealogisch-positiver Referenz auf »Aram« im Pentateuch und nahezu konsequent negativer Darstellung in den »Vorderen Propheten«. Die Naaman-Episode bietet allerdings eine Ausnahme, da sie als spät-nachexilische Korrektur zur negativen Darstellung »Arams« in den Samuel- und Königebüchern einen Aramäer als zwischenzeitlichen JHWH-Verehrer charakterisiert und dabei bis hinein in die geographischen Angaben (115 f.) theologisch argumentiert. Entsprechendes wäre zur Funktion »Arams« in Dtn 26,5–9 (Eckart Otto) und in den Chronikbüchern (Yigal Levin) festzuhalten.
Die beiden Schlussabschnitte versammeln Studien zur Ge­schichte der Beziehung Arams zu Israel und können mit ihren Schwerpunkten wie Synthesen gelesen werden. Omer Sergis Beitrag zu Geschur, wohl mit et-Tell zu identifizieren, greift auf archäologische Vorarbeiten mit Assaf Kleiman (s. o.) und Studien zu Jerobeam II. (vgl. auch HeBAI 6, 2017) zurück, wenn er die Hinweise auf »Geschur« und »Maacah« (vgl. nur 2Sam 13–19) als Teil einer politischen Erinnerung an israelitisch-aramäische Verhältnisse der ersten Hälfte des 8. Jh.s v. Chr. versteht. In wichtigen Beiträgen diskutieren Christian Frevel und Herbert Niehr zum einen den Einfluss von Militäraktionen und Kupferhandel des Aramäers Hazael auf die Kleinstaatenbildung in der südlichen Levante (9./8. Jh. v. Chr.) und zum anderen das Verhältnis von Israel und Hamat, insbesondere im 8. Jh. v. Chr. (vgl. 2Kön 14,25; Am 6,14). Schließlich versammelt das Kapitel über die spätere Aramäer-Geschichte philologische, epigraphische und rezeptionsgeschichtliche Themen. Stellen- und antike Namenregister beschließen den Band.
Der Herausgeberin Angelika Berlejung und dem Herausgeber Aren Maeir bleibt zu danken für einen wegweisenden Sammelband, der für die Geschichte der Aramäer und Israels methodisch und inhaltlich einschneidende Ergebnisse wie Perspektiven liefert.