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Ausgabe:

April/2021

Spalte:

255-270

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Bernd Schröder

Titel/Untertitel:

Religionsunterricht im Plural –

und doch vor gemeinsamen Herausforderungen

I Evangelischer Religionsunterricht im Plural

Sei es in politischen Debatten um die Zukunft der Kirche oder diejenige religiöser Bildung in der Schule, sei es beim Blick auf die (mangelnden) Voraussetzungen von Theologiestudierenden – in solchen und anderen Zusammenhängen wird in der Regel vom »Evangelischem Religionsunterricht« im Singular und als homogener Größe gesprochen.

Diese Redeweise hat insofern ihr Recht, als dieses Fach auf einer grundgesetzlich garantierten Regelung beruht, nämlich auf Art. 7.3 GG (den alle Bundesländer mit Ausnahme von Berlin,1 Brandenburg und Bremen2 für die Verankerung religiöser Bildung in der Schule in Anspruch nehmen), und über die bundesweit »Einheitlichen Prüfungsanforderungen für das Abitur« (EPA) zielorientiert wird, und insofern, als es seitens der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) normative Auslegungen von Ziel und Gestaltung dieses Faches gibt – allen voran die zwei einschlägigen Denkschriften des Rates der EKD aus den Jahren 1994 und 2014.3 Doch näher betrachtet ist der Singular im Laufe des letzten Vierteljahrhunderts dem Plural gewichen:

– Seit 1990 wurde zwar in vier von fünf neuen Bundesländern Religionsunterricht gemäß Art. 7.3 GG eingeführt – in Brandenburg indes wurde »Lebensgestaltung – Ethik – Religionskunde« (LER) etabliert; anfangs fachlich und politisch hoch umstritten, ist dieses Fach inzwischen einerseits ordentlich eingeführt, andererseits allerdings ohne Nachahmer geblieben.

LER wurde in Brandenburg in den Jahren 1992–1996 erprobt – u. a. angesichts einer niedrigen Kirchenmitgliedschaftsquote der damaligen Bevölkerung von knapp einem Drittel. Unter Berufung auf Art. 141 GG wurde es 1996 per Schulgesetz als für alle Schülerinnen und Schüler obligatorisches, »religiös und weltanschaulich neutrales« Unterrichtsfach eingeführt.

Nach einer Verfassungsbeschwerde, die u. a. von der Evangelischen Kirche angestrengt wurde, kam es 2001 zu einem Vergleichsangebot, das von den Konfliktparteien angenommen wurde: Nach dem neu gefassten Schulgesetz aus dem Jahr 2002 ist LER weiterhin Pflichtfach für alle Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I, doch zusätzlich (oder gegebenenfalls alternativ) können Lernende am Religionsunterricht teilnehmen. Dieser wird von der evangelischen und der römisch-katholischen Kirche angeboten; aufgrund einer Vereinbarung aus dem Jahr 2016 kann er auch konfessionell-kooperativ erteilt werden.

Im Schuljahr 2017/18 nahmen etwa 90.000 Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 5–10 an LER teil, knapp 45.000 am Religionsunterricht. In der Primarstufe sowie in der gymnasialen Oberstufe und an berufsbildenden Schulen wird LER nicht erteilt. Lehrkräfte werden – seit 2003 in einem grundständigen Studiengang – ausschließlich an der Universität Potsdam ausgebildet.4

– Ermutigt durch die Denkschrift der EKD von 1994 haben seitdem zunächst Baden-Württemberg und Niedersachsen die sogenannte konfessionelle Kooperation ermöglicht. Diese ist inzwischen »als eine Regelform des konfessionellen bekenntnisgebundenen Religionsunterrichts« anerkannt.5 Die römisch-katholische Kirche hatte sich 1998 zunächst offen gezeigt,6 dann ihr Festhalten an der sogenannten Trias – katholische Lehrende unterrichten katholische Schülerinnen und Schüler katholische Inhalte – bekräftigt7 und schließlich 2016 doch die – von ihr so genannte – »erweiterte Kooperation« im Prinzip gutgeheißen.8 Derzeit wird sie u. a. in Nordrhein-Westfalen (mit Ausnahme des Erzbistums Köln) und Hessen vorangetrieben.

»Konfessionelle Kooperation« wurde in der ersten »Denkschrift« der Evangelischen Kirche in Deutschland zu Fragen des Religionsunterrichts als zukunftsfähige Organisationsform empfohlen, um sowohl dessen »konfessionelle Bestimmtheit« als auch »dialogische Kooperation« zur Geltung zu bringen.9 Anliegen ist es, aus dem Miteinander konfessionsverschiedener Schülerinnen und Schüler einen didaktischen Mehrwert zu gewinnen. De jure ist konfessionell-kooperativer Religionsunterricht stets »Religionsunterricht der Religionsgemeinschaft, der die unterrichtende Lehrkraft angehört«.10

Bisherige Vereinbarungen in Deutschland betreffen ausschließlich die Kooperation von evangelischem und römisch-katholischem Religionsunterricht, nicht etwa auch den orthodoxen Religionsunterricht.

Nicht unter den Begriff »konfessionelle Kooperation« fällt zum einen die »Zusammenarbeit« mit anders-religiösem, etwa islamischem Religionsunterricht und zum anderen ein Religionsunterricht im Klassenverband, der alle Schülerinnen und Schüler ungeachtet ihrer Konfessions- und Religionszugehörigkeiten adressiert und ohne entsprechende Übereinkunft unter den Religionsgemeinschaften und ohne schulaufsichtliche Genehmigung durchgeführt wird.

Unter den bisher implementierten Lesarten lassen sich zwei Typen unterscheiden: Eine Variante ist darauf angelegt, konfessionelle Kooperation möglichst niedrigschwellig einzuführen und weit zu verbreiten (so in Niedersachsen, letzter Erlass: 2011), eine andere Variante ist darauf bedacht, qualitätssichernde Vorgaben zu realisieren, etwa die Zustimmung der Eltern, die gezielte Vorbereitung der Lehrenden, den regelmäßigen Einsatz konfessionsverschiedener Lehrkräfte (so in Baden-Württemberg, letzter Erlass: 2015).11

– In Hamburg wurde der dort traditionell als einziges angebotene evangelische Religionsunterricht – die römisch-katholische Kirche beschränkte sich traditionell auf Aufbau und Unterhalt von Schulen in ihrer Trägerschaft – seit den 1990er Jahren zunächst informell, doch bald auch programmatisch zu einem sogenannten »Religionsunterricht für alle [sc. Schülerinnen und Schüler]« [RUfa] entwickelt. Anfangs allein in Verantwortung der Evangelischen Kirche, die allerdings u. a. mit einem – seit 1995 multireligiös be­setzten – »Gesprächskreis Interreligiöser Religionsunterricht (GIR)« kooperierte, wird der Religionsunterricht seit 2014 in die Trägerschaft all der Religionsgemeinschaften überführt, mit denen die Freie und Hansestadt Hamburg einen Staatsvertrag abschließt. Um den so herbeigeführten organisatorischen und konzeptio-nellen Umbruch zu markieren, wird von einem RUfa 2.0 gesprochen.12

Das seit 2014 vorangetriebene Modell sieht weiterhin vor, Schülerinnen und Schüler aller Konfessionen und Religionen gemeinsam zu unterrichten – wie zuvor können sich Schülerinnen und Schüler allerdings ab Klassenstufe 9 abmelden und stattdessen am Unterricht in Philosophie teilnehmen.

Näherhin sollen im Religionsunterricht die größten der in Hamburg vertretenen Religionen – Christentum, Islam, Judentum, Buddhismus, Alevitentum – gleichgewichtig thematisiert werden. Die per Staatsvertrag beteiligten Religionsgemeinschaften fungieren als gleichberechtigte mitverantwortliche Träger des Religionsunterrichts; der Unterricht versteht sich als (multi-)konfessionell bestimmt im Sinne von Art. 7.3 GG. Es wird angestrebt, Religionslehrende aus allen diesen Religionsgemeinschaften zu gewinnen und aus- zubilden; dies geschieht in der – 2010 gegründeten – Akademie der Weltreligionen an der Universität Hamburg.

Der Religionsunterricht sieht verschiedene Differenzierungsoptionen vor, die neben dem religionsvergleichenden und vor allem dialogischen Lernen auch die Vertiefung in der je eigenen religiösen Tradition ermöglichen sollen.

Wie schon bei den ersten konzeptionellen Öffnungsschritten in den 90er Jahren ist im RUfa 2.0 strittig, ob sich dieses Unterrichtsmodell zu Recht auf Art. 7.3 GG beruft. Die Frage lautet näherhin, ob ein Religionsunterricht möglich ist, der in Übereinstimmung mit den Grundsätzen mehrerer Religionsgemeinschaften erteilt wird. Ein juristisches Gutachten testiert, dass dies im Prinzip möglich ist, wenn die Religionsgemeinschaften ihre Grundsätze so verstehen, dass sie die Thematisierung der Grundsätze bzw. Wahrheitsansprüche Anderer nicht ausschließen, zudem für alle Unterrichtsbeteiligten stets deutlich wird, an wessen Grundsätzen der Unterricht gerade orientiert ist (»Verantwortungsklarheit«), und die Lehrkräfte entsprechend vorgebildet und zur »prozeduralen Verwirklichung« der komplexen theologischen, didaktischen und rechtlichen Maßgaben in der Lage sind. »Der Rechtsgrund des Religionsunterrichts würde unterlaufen, wenn im konkreten Unterricht […] eine gleichbleibende durchlaufende Distanz zu allen Religionen als Modus gewählt würde.«13

Ob die beteiligten Religionsgemeinschaften in der Lage und bereit sind zuzulassen, dass neben »ihrem je eigenen Wahrheitsanspruch« »auch andere Glaubenswahrheiten […] den (gleichen) Unterricht […] prägen«14, sollen theologische Gutachten zeigen – ein erstes Gutachten (verfasst von einem evangelischen Theologen) äußerst sich ablehnend.15 Demgegenüber kommt ein religionsdidaktischer Entwurf zu dem Schluss, dass eine »multitheologische Fachdidaktik« beschreibbar und unterrichtlich realisierbar ist;16 Materialien zeigen, dass und wie die für den RUfa 2.0 maßgeblichen sechs didaktischen Prinzipien themenbezogen berücksichtigt werden können.17

Auch jenseits dieser organisatorisch oder konzeptionell sichtbaren pluralen Formen von Religionsunterricht ist die Wirklichkeit des Faches vielgestaltig – und zwar häufig entlang regionaler Eigenarten, aber auch entlang der Schularten.18 Insbesondere an Berufsbildenden Schulen und Gesamtschulen, aber auch an Grundschulen gibt es – in der Regel nur in der jeweiligen Schulöffentlichkeit kommuniziert – nicht selten einen (evangelischen) Religionsunterricht für alle. Die Pluralität des Faches macht sich ansonsten fest etwa an den recht unterschiedlichen konfessionellen bzw. religiösen Zugehörigkeitsquoten der Schülerinnen und Schüler, am Zuschnitt der Bildungspläne bzw. Kerncurricula, an didaktisch-methodischen Präferenzen der Lehrenden im Einzugsbereich bestimmter Ausbildungsstätten, an dem Umstand, ob Gemeindepfarrerinnen und -pfarrer im Rahmen ihres Dienstauftrages als Lehrende zum Einsatz kommen (was in Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen die Regel ist), an der Verbreitung von Religion und Schulleben, insbesondere von Schulgottesdiensten und Schulseelsorge, und anderem mehr. Differenzen dieser Art schleifen sich zum Teil ab, zum Teil treten sie jedoch auch zusehends deutlicher hervor.19

Den stärksten Impuls zur Pluralisierung indes setzt wohl die schiere Größe des Feldes (verglichen etwa mit der Reichweite gemeindlicher Bildungsarbeit oder der Gottesdienstlandschaft):20 Am schulischen evangelischen Religionsunterricht nehmen bundesweit in den verschiedenen Schulstufen – zwischen Primarstufe und Sekundarstufe II, sei es in der gymnasialen Oberstufe, sei es im Religionsunterricht an Berufsbildenden Schulen – schätzungsweise etwa drei Millionen Schülerinnen und Schüler teil.21 Sie werden von ca. 64.000 Religionslehrenden unterrichtet, die überwiegend grundständig ausgebildet sind, aber nicht selten auch fachfremd unterrichten oder generell als sogenannte Quereinsteiger zum Lehrberuf finden.22 Und diese wiederum werden von – geschätzt – 120 Fachleiterinnen und Fachleitern23 und 53 Religionspädagoginnen und -pädagogen an universitären Instituten und Fakultäten24 (von den dortigen Theologinnen und Theologen anderer Fächer ganz zu schweigen) ausgebildet. Sie alle bringen auf ihre Weise sich wandelnde religiöse Prägungen und Orientierungen in den Religionsunterricht ein – wenn auch im Falle der Lehrenden insofern reflexiv gebrochen, als gelebte und gelehrte Religion, Religiosität und professioneller Habitus differieren und von den Beteiligten unterschieden werden.

Diese Pluralisierung des Faches ist im Grundsatz unbestritten, sie wird zumeist als Ausdruck der angemessenen Adaption an regionale historische, demographische, politische Gegebenheiten begrüßt. Die Entwicklungen werden in recht dichter Folge von beteiligten Akteuren wie von externen Beobachterinnen beschrieben, immer häufiger auch mit empirischen Instrumenten ausgeleuchtet.25 Die Modelle werden auf die ihnen zugrundeliegenden Konzepte und die durch sie eröffneten Möglichkeiten hin diskutiert. Woran es fehlt, ist vor allem eine die Wirksamkeit der Modelle und ihren Vergleich ermöglichende Evaluation und eine passgenaue Optimierung der Lehrerbildung für die Bedarfe an verschiedenen Schularten in verschiedenen Regionen.

II Evangelischer Religionsunterricht in pluralen Kontexten


Neben die so umrissene Pluralität des evangelischen Religionsunterrichts selbst treten dynamische Vervielfältigungsprozesse in seinem Kontext, die hier deshalb vor Augen zu führen sind, weil sie die Arbeitszusammenhänge und das Standing des evangelischen Religionsunterrichts in der jeweiligen Schule und seine inhaltliche Gestalt zum Teil unmittelbar tangieren.

1. Die Pluralität der Religionsunterrichte


In (westdeutschen) Lehrbüchern der Religionsdidaktik gab es noch Ende der 1980er Jahre kaum Anlass, auf den Religionsunterricht verschiedener Denominationen einzugehen. Das Feld wurde vom evangelisch-katholischen Dual bestimmt; jüdischen Religionsunterricht gab es vereinzelt, jedoch nirgends als regulär in die Stundentafel integriertes Fach. Der religionspädagogische Diskurs war cum grano salis ein doppelter, je einer für beide Theologien bzw. Konfessionskirchen26 – das »Jahrbuch der Religionspädagogik« etwa, 1984 erstmals erschienen, wurde erst ab Bd. 10 (1993) von einem bikonfessionellen Herausgeberkreis verantwortet.

Mittlerweile hat sich die Lage deutlich verändert: Zwar ist der religionspädagogische Diskurs noch immer weithin evangelisch-katholisch bestimmt, allerdings ist er, verglichen mit den 1980er Jahren, größtenteils ein Diskurs geworden,27 der weniger nach Konfessionen gegliedert ist als vielmehr nach thematisch-konzeptionellen Schwerpunkten und methodischen Spezialisierungen: vor allem historische und empirische Religionspädagogik, Reli-gionsdidaktik und Gemeindepädagogik treten in Erscheinung. Daneben kommen vereinzelt christlich-orthodoxe und jüdische Stimmen zu Gehör, vor allem aber die – im Nachgang zu Empfehlungen des Wissenschaftsrates aus dem Jahr 201028 etablierte – islamische Religionspädagogik.29

Grundlage dessen ist die Etablierung verschieden-denominationaler Religionsunterrichte – jedenfalls in einigen Bundesländern. Am weitesten gediehen ist dieser Prozess im bevölkerungsreichsten Bundesland, Nordrhein-Westfalen: Hier wird neben evangelischem und römisch-katholischem, neben jüdischem und islamischem Religionsunterricht mittlerweile – wenn auch jeweils nur an wenigen Standorten und in kleinen Lerngruppen – (griechisch-, rumänisch-, russisch- und serbisch-)orthodoxer Religionsunterricht angeboten, zudem syrisch-orthodoxer, mennoni-tischer und alevitischer Religionsunterricht.30 Dies trägt demo-graphischen Entwicklungen Rechnung, ist jedoch kein bloßes Ne­beneinander. In einer »Gemeinsamen Erklärung der an der Durchführung des bekenntnisorientierten Religionsunterrichts in Nordrhein-Westfalen beteiligten Kirchen, Religionsgemeinschaften und des Beirates für den Islamischen Religionsunterricht« haben deren Repräsentanten vor Kurzem gemeinsame Anliegen unterstrichen: »Der Religionsunterricht insgesamt leistet einen aufklärenden Beitrag zur Identitätsbildung und zur Prävention [sc. vor religiös verbrämtem Fundamentalismus] und leitet zur Pluralitätsfähigkeit an: Der konfessionell orientierte Religionsunterricht […] verhilft […] Schülerinnen und Schülern […] zu einem Kompetenzerwerb in der hermeneutischen Reflexion von Überzeugungen der eigenen Glaubensgemeinschaft und fremder Religionen.« Vor diesem Hintergrund haben sie erklärt, »der Religionsunter richt [sc. in dieser Vielfalt müsse] fester Bestandteil des Unterrichtsangebots an allen unseren Schulen bleiben«.31

In Baden-Württemberg und Bayern wird über die am Beispiel von NRW benannten Lesarten hinaus altkatholischer, in Berlin (seit 2003/4) buddhistischer, in Hessen adventistischer, freireligiöser, unitarischer Religionsunterricht sowie islamischer Religionsunterricht der Ahmadiyya Muslim Jamaat angeboten.32

Während somit einige Bundesländer – namentlich Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen – an dieser Pluralisierung der Religionsunterrichte in hohem Maße teil-haben, sind andere davon überhaupt nicht tangiert, darunter die ostdeutschen Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, aber auch etwa Schleswig-Holstein. Wieder andere bearbeiten die konfessionell-religiöse Vielfalt der Schülerinnen und Schüler durch Abkehr von konfessionsdif-ferenzierten Unterrichtsangeboten, so Berlin (seit 2006), Brandenburg (seit 1991), Bremen (seit 1919), Hamburg (seit 1995). In An­betracht dessen muss von einer ausgeprägten regionalen Differenzierung, ja Ungleichzeitigkeit des Religionsunterrichts in Deutschland gesprochen werden.

Beim Blick auf die verschiedenen Lesarten des bekenntnisbasierten Religionsunterrichts ist schließlich zu bedenken, dass sich etliche Denominationen bereits zum Zusammenwirken entschlossen haben:33 So treten Judentum und Islam zumeist als homogene Akteure auf, um jüdischen bzw. islamischen Religionsunterricht zu ermöglichen (und stellen darüber ihre Zergliederung in liberale und orthodoxe Strömungen bzw. in Sunna, Schia u. a. hintan), auch die chalcedonensisch-orthodoxen Kirchen in Deutschland agieren zumeist gemeinsam, um einen orthodoxen Religionsunterricht zu etablieren – und, nicht zuletzt, treten lutherische, reformierte und unierte Kirchen in Offenheit für viele sogenannte Freikirchen gemeinsam als Sachwalter des einen evangelischen Religionsunterrichts auf. An dieser – mehr oder weniger stillschweigend – gemeinsam praktizierten Artikulation der Grundsätze, die dem Religionsunterricht nach Art. 7.3 GG zugrunde liegen, wird exemplarisch die Qualität des Religionsunterrichts als konvergenzförderndem Ort des Theologietreibens erkennbar.

Im Spiegel von Lehrplänen, Verlautbarungen der Religionsgemeinschaften und Äußerungen einzelner Wissenschaftler zeigt sich, dass die genannten Religionsunterrichte zwar allesamt gemäß Art. 7.3 GG verantwortet werden, unter diesem Dach jedoch durchaus unterschiedliche Ausrichtungen haben: Grob gesagt, legen die Religionsunterrichte kleiner religiöser bzw. konfessioneller Minderheiten, etwa der syrisch-orthodoxe oder der jüdische Religionsunterricht, im Interesse der Stärkung ihrer Religionsgemeinschaft und der Erziehung bzw. Sozialisation ihrer jungen Mitglieder be­sonderen Wert auf die identitätsstabilisierende bzw. -fördernde Kraft schulischen Unterrichts, während der Religionsunterricht in Mitverantwortung größerer Religionsgemeinschaften, allen voran der evangelische Religionsunterricht, im Blick auf gesellschaftliche und Schüler-Bedarfe auf die Förderung von Dialog, Urteilskraft und individueller Aneignung, kurz: auf Bildung, abhebt.

2. Die Pluralität der Nachbarfächer


Im Modus des fächerverbindenden Unterrichts ist Religionsunterricht traditionell (aber zumeist nur projektbezogen) auf etliche Fächer der Stundentafel bezogen – darunter Biologie, Geschichte, Deutsch, Kunst und Politik. Im Blick auf moderne Fremdsprachen sind Versuche mit bzw. Reflexionen auf bilingualen Religionsunterricht zu notieren.34 Insofern hat der Religionsunterricht viele Nachbarfächer, mit denen Religionslehrerinnen und -lehrer ko-operieren können (sollten) – was sie kraft ihrer Zwei-Fach-Qualifikation nicht selten auch tun.

In einer rechtlich präfigurierten Gestalt gehört indes primär der Ethikunterricht zu den Nachbarn des Religionsunterrichts, sei es als »Ersatzfach« für die Schülerinnen und Schüler, die sich vom Religionsunterricht abmelden oder daran nicht teilnehmen, sei es als »Alternativfach«, das (analog zu anderen sogenannten Wahlpflichtfächern) von Schülerinnen und Schülern ebenso gewählt werden kann wie ein Religionsunterricht. In Westdeutschland wurde zumeist in den 1970er Jahren begonnen, Ethikunterricht (als Ersatzfach) sukzessive einzuführen,35 in den neuen Bundesländern wurde er 1990 (als Alternativfach) etabliert – unbeschadet dessen reichen die Wurzeln des Faches zurück bis in die Zeit von Aufklärung und Philanthropie.36

Die Rede vom Ethikunterricht ist allerdings verkürzenden Charakters: Das damit summarisch bezeichnete Fach heißt korrekt in nahezu jedem Bundesland anders, und in den differierenden Be­zeichnungen spiegeln sich unterschiedliche Konzepte, die sich teils an der Philosophie, teils an der Lebensberatung bzw. Sozialarbeit, teils an der Religionswissenschaft als Referenzwissenschaft orientieren und den Akzent wahlweise auf philosophische Denkschulung, sittliche Urteilsbildung, Vermittlung von als gegeben präsentierten Werten und Normen, praktische Lebenshilfe oder Förderung des sinnorientierten Reflektierens der Individuen legen.

Als staatlich verantwortetes ordentliches Unterrichtsfach ist der Ethikunterricht indes strikt zu unterscheiden vom »Humanistischen Lebenskundeunterricht«, wie er lediglich in Berlin und Brandenburg vom Humanistischen Verband Deutschlands (als fakultativ wahrzunehmende Ergänzung zum für alle Schülerinnen und Schüler obligatorischen Ethikunterricht) angeboten wird.37

Im Verhältnis dieses Faches zum Religionsunterrichts sind verschiedene Zuordnungen denkbar, die etwa für das Miteinander der Lehrenden, aber auch für die Organisation ihrer akademischen Bildung unmittelbar relevant sind:38

– Die erste Zuordnungsmöglichkeit ist diejenige als einander ausschließende Alternativen bzw. – bezogen auf die Inhalte der Fächer – der Kontrast. Von ihrer Rechtslage und Geschichte her ist dies die primär naheliegende Option: In der Regel schließt der Besuch des einen Faches den (zeitgleichen) Besuch des anderen Faches aus; auch Lehrerinnen und Lehrer sind von ihrer Qualifikation her und um der Kongruenz von Person bzw. religiös-weltanschaulicher Orientierung und Rolle willen für eines der Fächer prädisponiert. Insofern Schülerinnen und Schüler zum Halb- oder Schuljahresbeginn zwischen den Fächern wechseln können, bringt diese Konstellation ein Moment der Konkurrenz zwischen Themen, Herangehensweisen, Urteilsperspektiven und Lehrkräften mit sich.

– Eine zweite Zuordnungsmöglichkeit ist diejenige der Ergänzung (von Ethikunterricht um Religionsunterricht) bzw. der Komplementarität; diese Zuordnung ist auf der Basis von Art. 141 GG in Brandenburg und Berlin möglich.

– Eine dritte Zuordnung besteht in der kooperativ-konstruktiven Bezugnahme aufeinander. Diese kann unterschiedliche Gestalt und Dichte gewinnen, etwa durch gemeinsame Fachkonferenzen oder Koordination der schuleigenen Unterrichtspläne, aber eben auch durch – in der Regel sequentielle oder projektbezogene – unterrichtliche Kooperation oder geordnete wechselnde Teilnahme der Schülerinnen und Schüler an beiden Unterrichtsfächern.

Für diese dritte Zuordnungsmöglichkeit stehen seit 1994 Begriff und Konzept einer »Fächergruppe« im Raum.39 Deren Realisierung bedürfte der Gewährleistung verschiedener Voraussetzungen: So müssten z. B. die beteiligten Fächer rechtlich als »Alternativfächer« Anerkennung finden, und einander bildungstheoretisch eben die bildende Kraft zuerkennen, die sie sich selbst zuschreiben; die Fächer müssten sich – mit Einverständnis der mitverantwortlichen Religionsgemeinschaften – prinzipiell öffnen für die Teilnahme von Schülerinnen und Schülern anderer Konfessions- oder Religionszugehörigkeit, die didaktisch-methodische Gestalt des je eigenen Unterrichts (auch) auf Teilnehmende anderer Provenienz ausrichten.

Noch sind diese Voraussetzungen nur an einzelnen Schulen gegeben, nicht aber auf der offiziellen Ebene staatlicher (und religionsgemeinschaftlicher) Regelungen. Vielerorts stehen Ethik- und Religionsunterricht in einem ungeklärten Verhältnis bloß nebeneinander – namentlich der Ethikunterricht wird nicht selten ›unordentlich‹ erteilt, d. h. von fachfremd Lehrenden, darunter nicht selten Religionslehrerinnen und -lehrer, und erst ab Jahrgangsstufe 7 aufwärts. Auch die Zusammenlegung beider Fächer findet sich, zumal an Gesamtschulen. Das Verhältnis der beiden Fächer und – wohl wichtiger noch – das Verhältnis von religionsbezogener und ethischer Bildung als Teil der Allgemeinbildung findet auch im religionspädagogischen sowie im ethikdidaktischen Diskurs bemerkenswert wenig Beachtung.40

3. Die Pluralität der Rahmenbedingungen


Im Hintergrund aller bislang beschriebenen Dynamiken stehen religionsdemographische Verschiebungen, die sich im Blick auf religionspädagogische Zusammenhänge auf vier Nenner bringen lassen:41

Pluralität der Konfessionen und Religionen. Unmittelbar einsichtig ist die wachsende Pluralität der in Deutschland präsenten Konfessionen und Religionen. Im Zeitvergleich wird dies besonders deutlich: Im Jahr 1950 waren 50,6 % der Bevölkerung (in Westdeutschland und West-Berlin) evangelisch und weitere 45,8 % römisch-katholisch, 2019 gelten 24,9 % der Bevölkerung Deutschlands als evangelisch, 27,2 % als römisch-katholisch, 2,9 % gehören anderen christlichen Konfessionen42 und geschätzt max. 10 % weiteren Religionsgemeinschaften43 an. Auch wenn also in Deutschland derzeit noch immer knapp 46 Millionen Christinnen und Christen leben, ist einerseits der relative Rückgang ihrer Anzahl (und damit einhergehend eine Verschiebung des Konfessionsproporzes zu Lasten der evangelischen Christinnen und Christen),44 und andererseits die Vervielfältigung der Religionsgemeinschaften unübersehbar – Letzteres ist indes nicht das Ergebnis reger Suchbewegungen und Konversionen, sondern von Demographie und Migration. Die Verhältnisse sind somit schwerlich als religiöser Markt zu beschreiben, sondern eher als tektonische Formation mit relativ trägen, aber beharrlichen Verschiebungen.

In Reaktion darauf hat sich nicht nur die Zahl der Religionsunterrichte erhöht; »Pluralitätsfreundlichkeit« ist ein Leitwort der religionspädagogischen Debatte geworden;45 die Bedeutung interreligiösen Lernens wird allseits anerkannt.

Pluralität im Inneren der Konfessionen und Religionen. Vergleichsweise wenig religionspädagogische Beachtung gefunden hat demgegenüber die Pluralität innerhalb der Religionen und Kon-fessionen, obwohl sie zumal im Bereich der evangelischen Kirche empirisch gut dokumentiert ist – allein schon durch die sogenannten EKD-Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen. In dieser inneren Pluralisierung kommen unterschiedliche Lebensstile und Bildungsgrade, Geschlechter und Stadt-Land-Gefälle zum Tragen,46 aber auch das Streben nach Singularität.47

In religionspädagogischer Theoriebildung bekräftigt diese Entwicklung den Ruf nach Schülerorientierung – technisch gesprochen: nach aufmerksamer Wahrnehmung der Lernausgangslage und der Person der Lernenden, didaktisch gewendet: nach Kinder- und Jugendtheologie, Symbolisierungsdidaktik und performativer Didaktik.

Pluralisierung durch Globalisierung und ›Südwanderung‹ des Christentums. Nicht wenige der im nationalen Kontext wahrnehmbaren Veränderungen korrelieren mit globalen Phänomenen. Das Christentum ist – global gesehen – in einer Südwan­-derung begriffen; in der südlichen Hemisphäre laufen charisma-tische, pfingstlerische oder indigene Kirchen den aus der Mis ­sionsarbeit erwachsenen Konfessionskirchen nicht selten den Rang ab.48 Weltweit betrachtet wächst die Zahl der Muslime schneller als diejenige der Christen – von einer Dominanz der Konfessionslosigkeit kann nicht die Rede sein.

Während dergleichen in der religionspädagogischen Theorie gelegentlich Einzug hält49 und eine gewisse Internationalisierung des Faches zu beobachten ist (die allerdings die südliche Welthälfte nur gelegentlich einbezieht),50 spiegelt es sich in der Praxis religiöser Bildung kaum: Lehrpläne und Schulbücher kommen weithin ohne Beschäftigung mit den Christentümern ›des Südens‹ oder mit der globalen Religionslandschaft aus, didaktische Konzepte für den Umgang mit Kindern und Jugendlichen, die in Christentümern der südlichen Welthälfte beheimatet sind, bleiben rar.

– ›Konfessionslosigkeit‹ als Facette von Religionspluralität. Im Vergleich dazu finden die sogenannten Konfessionslosen mehr religionspädagogische Beachtung. Mit etwa einem Drittel der Be­völkerung stellen Menschen, die keiner Religionsgemeinschaft angehören, seit Ende der 1990er Jahre die stärkste weltanschauliche ›Gruppe‹ in Deutschland dar; allerdings sind sie nur sehr selten in ihrer Eigenschaft als Konfessionslose organisiert – laut remid sind es nur 0,3 % dieser Personengruppe.51 Zugleich sind die mit dem Behelfsbegriff »Konfessionslose« bezeichneten Personen in ihren Daseins- und Wertorientierungen ausgesprochen vielfältig. Unbeschadet dessen repräsentieren sie bestimmte Folgen der Modernisierung, insbesondere den Relevanzverlust von Religion für die Lebensführung und -deutung vieler Einzelner und die zunehmende Wirkung konfessionsferner Sozialisation.

Durch die von Konfessionslosigkeit bestimmte weltanschauliche Landschaft in Ostdeutschland auf die Agenda gerückt, wird sie seit den späten 2000er Jahren als maßgebliche Kontextkonstellation religiöser Bildung und kirchlichen Handelns überhaupt identifiziert,52 jüngst hat die Evangelische Kirche in Deutschland dem Thema einen »Grundlagentext« gewidmet.53

Alle vier Pluralisierungsdynamiken bringen religionspädagogische Herausforderungen mit sich: Öffentlich sichtbar wird vor allem die Frage nach der geeigneten Organisationsform religiöser Bildung im Raum der Schule, zumal in vielen Ländern Europas der Ruf nach einem bekenntnisneutralen, primär informativen religionsbezogenen Unterricht laut wird bzw. bereits Gehör findet.54 Dabei steht einerseits die bildende Kraft bekenntnisbasierter Positionalität zur Disposition, andererseits das Maß an religionsbezogener oder gar religiöser Bildung, das jedem Heranwachsenden um seiner Allgemeinbildung und Orientierungsfähigkeit willen zuteilwerdensollte und – unter Wahrung der negativen wie positiven Religionsfreiheit – darf. Im Fachdiskurs steht daneben die Arbeit an einer heterogenitätssensiblen Didaktik und an einer Re­vision des Themenkatalogs des Religionsunterrichts, die der wachsenden Bedeutung anderer Religionen und globaler Entwicklungen Rechnung trägt. Unter den Aufgaben des Religionsunterrichts tritt die Plausibilisierung und Veranschaulichung religiös grundierter Lebensführung und -deutung für junge Menschen in den Vordergrund (zu Lasten der vertieften Kenntnis der sogenannten Herkunftsreligion): Religion ist namentlich für junge Menschen eine »Option«55 geworden: nicht mehr, aber auch nicht weniger. Diese Option wächst ihnen zum Teil noch zu, verlangt aber in der Regel eine begründete Entscheidung und, zuvor, vertiefte Information und vergleichende, zur Urteilsbildung verhelfende Auseinandersetzung.

4. Die Pluralität der Referenzwissenschaften


und religionstheologischen Modelle


Die traditionelle Referenzwissenschaft des evangelischen Religionsunterrichts ist neben der Pädagogik bzw. Erziehungswissenschaft die evangelische Theologie. Fakultäten bzw. Institute für Evangelische Theologie stellen in der Regel den organisatorischen Rahmen für den Studiengang »Ev. Religion«; evangelische Theologie bestimmt – quantitativ und qualitativ – die Studienpläne, auch wenn seit Jahren selbstredend religionswissenschaftliche, philosophische, religionssoziologische usw. Wissensbestände einbezogen werden und Religionslehrenden »wissenschaftsmethodische Kompetenz« zu vermitteln ist.56

Unübersehbar ist jedoch, dass sich ein qualitativer Umbruch an­bahnt: Ein Religionsunterricht, der in einem mehrheitlich konfes-sionslosen Umfeld erteilt wird, braucht Lehrende, die sich in der gedanklichen Welt nicht-religiöser Weltanschauungen wahrnehmend und verstehend, analytisch und kritisch souverän bewegen und dies theologisch einordnen können. Ein RUfa 2.0 verlangt so tiefe Kenntnis zumindest der anderen verantwortlich am Religionsunterricht beteiligten Religionen, dass die Religionslehrenden Dialog und Kooperation mit Lehrenden wie Lernenden der anderen Religionen berührungsangstfrei und selbstbewusst suchen können. Und ein konfessionell-kooperativer Religionsunterricht bedürfte eines von Grund auf konfessionsdialogischen Lehramtsstudiums.

Ganz abgesehen davon, dass die Ausbildungsrealität zumeist weit entfernt ist von der Realisierung solcher Zielvorgaben (und – bedenklicher noch – die Rahmenvorgaben, etwa die Anzahl der Credits oder die Begrenztheit des Lehrangebots, deren Realisierbarkeit von vornherein unwahrscheinlich erscheinen lassen), kommt es entscheidend darauf an, angehenden Religionslehrenden nicht nur scheinbar objektives Wissen über die jeweils Anderen an die Hand zu geben (dafür steht in Debatten in der Regel der Begriff »Religionswissenschaft«), sondern sie zum Erkunden gelebter Religion bzw. Weltanschauung, zum Erfahren außerschulischer Dialog- und Widerspruchssituationen, zum Erschließen der Komplexität der jeweiligen Referenzwissenschaften – Katholische Theologie, Judaistik/Jüdische Studien und Islamwissenschaft/Islamische Theologie, Philosophien – zu ermutigen.

Dieser Art von Induktion ist jedenfalls der Vorzug zu geben vor einer deduktiven Herangehensweise, die Religionslehrenden erst sogenannte religionstheologische Modelle an die Hand gibt und sie dann mit dieser ›Brille‹ einzelne Religionen oder auch religiöse Phänomene einzuordnen lehrt – ohne dass sie sich je der Faszinationskraft, der irritierenden Vielfältigkeit etwa des Islams und der da­durch bedingten Verunsicherung aussetzen müssten und könnten (um von den Sprachen, den lebensweltlichen Gegebenheiten, den Ungleichzeitigkeiten des Lebens in Ländern wie Ägypten oder Indonesien ganz zu schweigen). Insofern ist im Lehramtsstudium »Ev. Religion« nicht die Aneignung und Analyse solcher Modelle – sei es die Unterscheidung von Exklusivismus, Inklusivismus und Pluralismus oder das Projekt einer komparativen Theologie, sei es der Trialog oder die Priorisierung eines Weltethos – geboten,57 sondern die Anerkennung des Religionsunterrichts als ›locus theologicus‹, also als eines Ortes, der seinerseits theologische sowie an andere Konfessionen, Religionen bzw. Weltanschauungen zu adressierende Fragen freisetzt und ihre Dringlichkeit ordnet.58 Diese Sichtweise scheint weitaus besser geeignet zu sein, Religionslehrende zur exemplarischen, lebenslangen, unterrichtlich fruchtbaren Be­fassung mit ›Anderen‹ einzuladen (und die strukturelle Überkomplexität des Lehramtsstudium handhabbar zu machen), als die traditionelle Sichtweise des Religionsunterrichts als Ort der Applikation vorgängig erworbener Kenntnisse und Ordnungsmuster.

III Gemeinsame Herausforderungen


In der Sichtung der Rahmenbedingungen schwangen und schwingen bereits Implikationen für religiöse Bildung und Religionspädagogik mit: Die Rahmenbedingungen selbst stellen sich primär als Gegenstand von Beobachtung und Analyse dar, sie sind ihrerseits nicht ohne Weiteres veränderlich – insofern ist Pluralität (in ihren verschiedenen Facetten) als Ausgangslage zu akzeptieren. Die Pluralität etwa der Religionen und der Religionsunterrichte birgt Chancen, aber sie destabilisiert zunächst primär traditionsgeleitete Praxen und Leitvorstellungen religiöser Bildung – insofern ist jetzt und in Zukunft adaptives Lernen des schulischen Religionsunterrichts als System gefragt. Pluralität an sich ist nicht bildsam, sondern komplexitätssteigernd und umso verwirrender, je weniger Kenntnisse, Erfahrungen und Kompetenzen einzelne Menschen zu ihrer Bearbeitung einbringen können – insofern ist angesichts der Pluralitäten Orientierungsfähigkeit, aber auch der Mut zur reflektierten, begründeten und begründbaren Ligatur, kurz: Pluralismusfähigheit, zu fördern und fordern.

Die verschiedenen Modelle evangelischen Religionsunterrichts (s. Abs. I), aber eben auch die vielen anderen konfessions- und religionsverschiedenen Religionsunterrichte (s. Abs. II.1) stehen somit vor gemeinsamen Herausforderungen, wenn sie die Lage (s. Abs. II.3) nicht ausblenden oder gänzlich anders einschätzen.59

– Schulischer Religionsunterricht steht – in welcher Organisationsform und auf der Basis welchen Bekenntnisses auch immer – vor der Herausforderung, die Heterogenität der Schülerinnen und Schüler innerhalb der Lerngruppe, aber auch jenseits der Lerngruppe konstruktiv aufzunehmen.

Die innerhalb der Lerngruppe heterogenen Schülerinnen und Schüler sind – didaktisch formuliert – sowohl Ausgangspunkte als auch Adressaten der zu konzipierenden Lernprozesse; in ihrer Unterschiedlichkeit müssen sie vom Unterricht profitieren können – in Gestalt von Lernerträgen, die im Prinzip mit schulischen Mitteln überprüfbar sind, aber auch in Gestalt eines persönlichen Zugewinns an Identitätsvergewisserung und Verständigungsfähigkeit im Feld der Konfessionen, Religionen und Weltanschau-ungen. Die heterogenen Schülerinnen und Schüler außerhalb der Lerngruppe sind als Mitschüler und peers die faktischen oder gedachten Gesprächspartner der Schülerinnen und Schüler und insofern der erste Resonanzraum religionsunterrichtlicher Erträge. Jede Lesart von Religionsunterricht ist somit didaktisch, thematisch und methodisch gefordert, dieser Heterogenität Rechnung zu tragen.

– Schulischer Religionsunterricht dient, so ist es verschiedentlich formuliert worden, dazu, Schülerinnen und Schüler zur Wahrnehmung ihres Rechts auf Religionsfreiheit (Art. 4 GG) zu befähigen. Er kann es also, gleich welchem Modell er folgt und an welchem Bekenntnis er orientiert ist, nicht dabei bewenden lassen, die für den jeweiligen Religionsunterricht mitverantwortliche Religion, die subjektive Religiosität der Schülerinnen und Schüler oder eine Mehrzahl mehrerer Religionen bloß informativ oder affirmativ zu thematisieren. Vielmehr muss er bildende Kraft entfalten, indem er etwa die Verschiebungen in der religiösen Tektonik unserer Gesellschaft aufklärt, Raum gibt für die Wahrnehmung, Reflexion, Artikulation und Weiterentwicklung der je eigenen religiösen Biographie und zur kritischen Sondierung beiträgt, ob und in welcher Weise die »Option« religiöser Lebensführung und -deutung für die Einzelnen als tragfähig Anerkennung finden kann. Jede Lesart von Religionsunterricht gemäß Art. 7.3 GG ist somit gefragt, mehr als informativer oder affirmativer Unterricht zu sein.

– Schulischer Religionsunterricht ist im Sinne von Art. 7.3 GG res mixta von Staat und Religionsgemeinschaften. Insofern dient er nicht allein der Information über die jeweilige Religionsgemeinschaft, auch nicht allein der kritischen Reflexion auf sie, sondern auch dem Brückenschlag zur gelebten Religion. Er darf und soll Angebote der Lebensdeutung und -führung aus der Perspektive der mitverantwortlichen Religionsgemeinschaft und in deren Raum ›zeigen‹ und erfahrbar machen.60

Dies kann mit Hilfe performativ-didaktischer Elemente innerhalb des Unterrichts geschehen, aber ebenso durch Verweis auf Religion im Schulleben (die von Schülerinnen und Schülern mitgestaltet werden kann) oder aber in Gestalt der Nachbarschaft von Schule und Gemeinde. »Performativ« als didaktische Kategorie meint dabei stets: Erleben und Reflektieren, Innenperspektive und Außenperspektive einnehmen, Gestalt geben und Tragfähigkeit prüfen. Jede Lesart von Religionsunterricht gemäß Art. 7.3 GG bedarf somit performativer Elemente.

– Alle Realisierungsformen von Religionsunterricht als »ordentliches Lehrfach« nach Art. 7.3 GG sind in der Pflicht, schulförmige Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler aufzubauen und so die Legitimität und die Gestaltbarkeit von Religionsunterricht als allgemeinbildendes, »zwar sachlich, nicht aber persönlich obligatorisch[es]«61 Unterrichtsfach zu untermauern.

Unter den skizzierten Bedingungen, die latent die Tragfähigkeit religiöser Bildung im Sinne von Art. 7.3 GG in Frage stellen, tragen Lesarten von Religionsunterricht, die sich in eine Nische – sei es diejenige bloßer Begleitung der Schülerinnen und Schüler, sei es diejenige deduktiver Vermittlung der »Grundsätze« der je eigenen Konfession bzw. Religion – zurückziehen, zur Schwächung, nicht zur Stärkung religiöser Bildung in der Schule bei.

Jede Lesart von Religionsunterricht muss somit den Standards schulischer Pädagogik und schulpolitischer Steuerung Genüge tun.

– Alle Lesarten öffentlich finanzierter und als allgemeinbildend ausgewiesener religiöser Bildung stehen schließlich vor der Herausforderung, ihre Gehalte zu übersetzen.62 Gegenwärtig müssen sie ihre Positionen in drei verschiedenen religiös-weltanschau-lichen Zusammenhängen vertreten: im ökumenischen Dialog zwischen christlichen (oder mutatis mutandis muslimischen oder jü-dischen) Denominationen, im interreligiösen Dialog und im Dia-logmit sogenannten konfessionslosen Menschen.63 Jede Lesart von Re­ligionsunterricht nach Art 7.3.GG setzt somit nicht nur artiku-la-tionsfähige Religionsgemeinschaften als Träger voraus, sondern hat zur Artikulationsfähigkeit zu befähigen.

Welche Gestalt der Religionsunterricht zukünftig nehmen wird, ist nicht absehbar – manche Autoren plädieren für ein religionskundliches Modell, das für alle Schülerinnen und Schüler verbindlich sein kann;64 der Autor dieser Zeilen plädiert auf dem Boden von Art. 7.3 GG für den Ausbau konfessioneller Kooperation und deren Öffnung hin zur Zusammenarbeit mit andersreligiösen Religionsunterrichten, zu realisieren je nach Passung zu den schulischen bzw. regionalen Gegebenheiten.65

IV … und die Theologie?


Die Schilderung von Situation und Formen des Religionsunterrichts erfolgte bislang vor allem im Rückgriff auf den religionspädagogischen Diskurs. Das entspricht zwar der eingespielten disziplinären Aufgabenteilung, soll aber keineswegs signalisieren, dass alle anderen theologischen Disziplinen von der Reflexion auf Religionsunterricht entbunden sind. Vielmehr ist es so, dass Religionspädagogik auf das Gespräch (ebenso) angewiesen ist (wie meines Erachtens die anderen Disziplinen auf Religionspädagogik und Praktische Theologie) – das lässt sich im Blick auf die sachlichen Erfordernisse, die Konstellationen der Lehrerbildung und nicht zu­letzt das Selbstverständnis von Theologie als Wissenschaft zeigen:

– Die angesprochenen didaktischen und sachlichen Fragen verweisen allesamt u. a. auf längere theologische Traditionsgeschichten – das gilt für »Schülerorientierung« und »Identität«, den Um­gang mit »Konfessionslosigkeit« und Atheismus ebenso wie für die Verhältnisbestimmung zu anderen Religionen. Die Pluralitätskonstellationen des Religionsunterrichts sind derart, dass sie theologischer Reflexion in ihrer Binnendifferenzierung wie ihrer synthetischen Kraft bedürfen, um die »Kunstregeln« generieren zu können, derer es sowohl für die Wahrnehmung der Bildungs-(mit)verantwortung der Kirche als auch für das professionelle Handeln von Lehrenden christlicher Religion bedarf.66

– Kaum irgendwo kommt dies deutlicher zur Geltung als in der Organisation und Gestaltung der Religionslehrenden-Bildung. Nicht ohne Grund zielt sie seit 2008 expressis verbis auf den Aufbau »theologisch-religionspädagogischer Kompetenz«67. Die theologische Reflexion der exegetischen, historischen und systematischen Disziplinen ist unerlässlich, nicht nur um der fachwissenschaftlichen Analyse der Topoi des späteren Religionsunterrichts willen, sondern um die theologische Tiefenschicht der im Zuge religionspädagogischer Reflexion wahrgenommenen Herausforderungen zu erreichen und, vor allem, Studierenden auf die Spur dessen verhelfen zu können, was gemeinhin »theologisch denken« genannt wird.

– Allerdings setzt dies voraus, dass die Theologie bzw. ihre verschiedenen Disziplinen jenseits der Religionspädagogik bereit sind, sich auf diese Fragestellungen und deren empirische Wahrnehmung einzulassen, ihre Expertise in den Dienst der Aufklärung und des theologischen Verstehens solcher religionsunterrichtlichen Konstellationen zu stellen (s. o. Abs. II.4) und eben darin den ihr eigenen Charakter als scientia practica68 anzuerkennen bzw. zu bewähren.

Abstract


The article sums up the plurality of Protestant religious education in Germany that has grown since 1990. Thus, RE adapts school and regional characteristics. No less important contextual factors of religious education have pluralized: A majority of denominational or religious varieties of religious education in accordance with Article 7.3 of the Basic Law have come into being; ethics education as a substitute or alternative subject has become more differentiated – and not least the religious-demographic landscape, which plays a role in teaching through pupils and teachers. The author sees the flexibility of religious education as a strength and, anyway, all readings of religious education facing five common challenges. He welcomes the further development of denominational and religious cooperation and emphasizes that the training of teachers for such pluralism-friendly religious education is an overall theol-ogical task.

Fussnoten:

1) In Berlin wird Religionsunterricht seit 1948 (so in West-Berlin) bzw. 1991 (auch in Ost-Berlin) in alleiniger Verantwortung der Kirchen bzw. Religionsgemeinschaften erteilt; seitdem 2006 »Ethik« als Pflichtfach für alle Schülerinnen und Schüler ab Klasse 7 eingeführt wurde, ist Religionsunterricht in der Sekundarstufe I nicht mehr als eine fakultative Ergänzung (»Anmeldefach«) – in der sechsjährigen Grundschule stellt sich die Lage des Religionsunterrichts güns-tiger dar; vgl. Ulrike Häusler, Religion unterrichten in Berlin, in: Martin Rothgangel/Bernd Schröder (Hgg.), Religionsunterricht in den Ländern der Bun- desrepublik Deutschland. Neue empirische Daten – Kontexte – aktuelle Entwicklungen, Leipzig 2020, 71–96.
2) In Bremen wurde nahezu einhundert Jahre lang, von 1919 bis 2014, ein nicht bekenntnisbasierter »Unterricht in biblischer Geschichte auf allgemein-christlicher Grundlage« erteilt. Seit 2014 trägt das Fach den schlichten Namen »Religion« und orientiert sich weithin am Hamburger Weg (s. u.) – mit dem entscheidenden Unterschied, dass sich das Bremer Fach nicht auf Art. 7.3 GG beruft. Vgl. Eva-Maria Kenngott, Religion unterrichten in Bremen, in: Rothgangel/ Schröder 2020 (s. o. Anm. 1), 129–151.
3) Kirchenamt der EKD (Hg.), Identität und Verständigung, Standort und Perspektiven des Religionsunterrichts in der Pluralität, Gütersloh 1994, und dass. (Hg.), Religiöse Orientierung gewinnen. Evangelischer Religionsunterricht als Beitrag zu einer pluralitätsfähigen Schule, Gütersloh 2014.
4) Die Angaben folgen Petra Lenz, Religionskunde (und Religion) in Brandenburg unterrichten, in: Rothgangel/Schröder 2020 (s. o. Anm. 1), 97–128, hier vor allem 107–111 und 115–122. Über die dort benannte Literatur hinaus vgl. etwa Friedrich Schweitzer, LER in Brandenburg – am Ende des Streits? Bilanz und Perspektiven nach der »einvernehmlichen Verständigung«, in: ThLZ 127 (2002), 1139–1146.
5) Kirchenamt der EKD (Hg.), Konfessionell-kooperativer Religionsunterricht. Grundlagen, Standards und Zielsetzungen, Hannover 2018 (EKD-Texte 128), 10.
6) Evangelische Kirche in Deutschland/Deutsche Bischofskonferenz, Zur Kooperation von Evangelischem und Katholischem Religionsunterricht, Bonn/ Hannover 1998.
7) Deutsche Bischofskonferenz, Die bildende Kraft des Religionsunterrichts, Bonn 1996.
8) Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Die Zukunft des konfessionellen Religionsunterrichts. Empfehlungen für die Kooperation des katholischen mit dem evangelischen Religionsunterricht (Die deutschen Bischöfe Nr. 103), Bonn 2016, 8 f. und 36. Die Rede von »erweiterter Kooperation« meint im Unterschied zur punktuellen bzw. im Notfall zur Meidung von Unterrichtsausfall erforderlichen Kooperation die aus theologischen und pädagogischen Gründen grundsätzlich bejahte »Bildung von gemischt-konfessionellen Lerngruppen über einen längeren Zeitraum« (31).
9) Kirchenamt der EKD 1994 (s. o. Anm. 3), 59; vgl. Kirchenamt der EKD 2014 (s. o. Anm. 3), vor allem 45–49.82–84 und 93–102.
10) Kirchenamt der EKD 2018 (s. o. Anm. 5), 13.
11) Einen der jüngsten Überblicke über Entwicklungen geben Konstantin Lindner/Henrik Simojoki, Modelle der konfessionellen Kooperation an Schulen und Hochschulen in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland, in: ZPT 72 (2020), 120–132. Vgl. zudem Bernd Schröder/Jan Woppowa (Hgg.), Handbuch Theologie im konfessionell-kooperativen Religionsunterricht, Tübingen 2021 (im Erscheinen).
12) Im Einzelnen gibt es verschiedene Lesarten der Entwicklung; vgl. etwa Thorsten Knauth, Dialogischer Religionsunterricht für alle (2016), in: www.bibelwissenschaft.de/stichwort/100125, mit Jochen Bauer, Religion unterrichten in Hamburg, in: Rothgangel/Schröder 2020 (s. o. Anm. 1), 153–178.
13) Hinnerk Wissmann, Religionsunterricht für alle?, Tübingen 2019, vor allem. 75–82, Zitat 80.
14) Wissmann 2019 (s. o. Anm. 13), 75.
15) Wilfried Härle, Religionsunterricht unter pluralistischen Bedingungen. Eine kritische Sichtung des Hamburger Modells, Leipzig 2019, XI passim.
16) Jochen Bauer, Religionsunterricht für alle. Eine multitheologische Fachdidaktik, Stuttgart 2019.
17) Die sechs »didaktische[n] Grundsätze« aus dem Jahr 2015 umfassen Schüler- und Quellen-, Authentizitäts- und Wissenschaftsorientierung sowie Dialog- und »religionsspezifische Orientierung« (dokumentiert in Härle 2019 [s. o. Anm. 15], 167–173). Vgl. Interreligiös-dialogisches Lernen. Unterrichtsmaterialien […], hg. von der Akademie der Weltreligionen der Universität Hamburg, dem Pädagogisch-Theologischen Institut der Nordkirche, dem Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung, mehrere Bände, München seit 2014.
18) Dabei kommt es nicht selten zu irregulären Realisierungen von Religionsunterricht – dazu Bernd Schröder, Welche Formen von RU existieren neben dem konfessionellen RU – offiziell und im Graubereich?, in: Andreas Kubik-Boltres u. a. (Hgg.), 100 Jahre Weimarer Reichsverfassung – 100 Jahre Religionsunterricht in der Demokratie, Göttingen 2021 (im Erscheinen).
19) Vgl. Rothgangel/Schröder 2020 (s. o. Anm. 1), passim. Die Dynamiken erhellt der Vergleich zur Lage zehn Jahre zuvor; s. dies. (Hgg.), Evangelischer Religionsunterricht in den Ländern der Bundesrepublik. Empirische Daten – Kontexte – Entwicklungen, Leipzig 2009.
20) Kartographiert wird es jüngst auch im Rahmen der »Evangelischen Bildungsberichterstattung«: Comenius-Institut (Hg.), Evangelischer Religionsunterricht. Empirische Befunde und Perspektiven aus Baden-Württemberg, Niedersachsen und Sachsen, Münster u. a. 2019.
21) Die Gesamtzahl der Schülerinnen und Schüler an allgemein- wie berufsbildenden Schulen in Deutschland lag im Schuljahr 2019/20 bei 10,8 Millionen (davon knapp 2,5 Millionen an berufsbildenden Schulen) – https://www.destatis.de (Zugriff am 15.8.2020).
22) Die Gesamtzahl der Lehrerinnen und Lehrer in Voll- oder Teilzeit an allgemein- wie berufsbildenden Schulen in Deutschland lag im Schuljahr 2019/20 bei 680.000.
23) Grundlage der o. g. Schätzungen sind die auf einzelne Bundesländer bezogenen Angaben in Rothgangel/Schröder 2020 (s. o. Anm. 1).
24) Bernd Schröder, Das Verhältnis von Praktischer Theologie und Religionspädagogik (evangelischer Prägung), in: Praktische Theologie und Religionspädagogik – systematische, empirische und thematische Verhältnisbestimmungen, hgg. von Thomas Schlag und Bernd Schröder, Leipzig 2020 (VWGTh 61), 143–174, hier 147 und 155–157.
25) Exemplarisch sei auf Uta Pohl-Patalong u. a., Konfessioneller Religionsunterricht in religiöser Vielfalt, 2 Bde., Stuttgart 2018/19, verwiesen.
26) Vgl. die Darstellungen von Christian Grethlein und Raimund Hoenen für die Zeit »vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zur Wiedervereinigung« in West und Ost, in: Rainer Lachmann/Bernd Schröder (Hgg.), Geschichte des evangelischen Religionsunterrichts in Deutschland. Ein Studienbuch, Neukirchen-Vluyn 2007, 268–298 und 299–330.
27) Vgl. dazu »Religionspädagogik ökumenisch?« Dokumentation der gemeinsamen Jahrestagung 2014 von GwR und AKRK, in: Theo-web. Zeitschrift für Religionspädagogik 13 (2014), Heft 2, 9 –232 (www.theo-web.de).
28) Wissenschaftsrat, Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Theologien und religionsbezogenen Wissenschaften an deutschen Hochschulen (Drs. 9678-10), Berlin 2010.
29) Verwiesen sei hier nur auf einschlägige Zeitschriften, etwa Hikma. Zeitschrift für islamische Theologie und Religionspädagogik: journal of islamic theology and religious education, Göttingen 1 (2010) ff.
30) Rothgangel/Schröder 2020 (s. o. Anm. 1), 278–280.
31) Die Erklärung wurde in Düsseldorf am 31. Mai 2016 veröffentlicht, zugänglich ist sie etwa unter www.schulministerium.nrw.de/.../religionsunterricht (Zugriff am 10.8.2020).
32) Vgl. Rothgangel/Schröder 2020 (s. o. Anm. 1), 24–26.64.86.193.
33) Vgl. Bernd Schröder, Vernetzung – Konfessionell-kooperativer Religionsunterricht und seine Brücken zu weiteren Konfessionen und Religionsgemeinschaften, in: Konstantin Lindner u. a. (Hgg.), Der RU auf dem Weg in die Zukunft: konfessionell, kooperativ, kontextuell, Freiburg 2017, 297–317.
34) Manfred Pirner, Religion, in: Wolfgang Hallet/Frank G. Königs (Hgg.), Handbuch Bilingualer Unterricht. Content and Language Integrated Learning, Seelze 2013, 324–331.
35) Dazu Grethlein 2007 (s. o. Anm. 26), 284.
36) Christine Reents, Zu den Wurzeln des selbständigen Ethikunterrichts in der deutschen Schulgeschichte, in: Christenlehre 47 (1994), 106–115.
37) Rothgangel/Schröder 2020 (s. o. Anm. 1), 86 f. und 122.
38) Dazu ausführlicher Bernd Schröder, Religions- und Ethikunterricht – eine Fächergruppe? Ein Plädoyer, in: Bernd Schröder/Moritz Emmelmann (Hgg.), Religions- und Ethikunterricht zwischen Konkurrenz und Kooperation, Göttingen 2018, 355–376.
39) Kirchenamt der EKD 1994 (s. o. Anm. 3), 79; vgl. näherhin Schröder 2018 (s. o. Anm. 38), 368–370.
40) Vgl. als Ausnahmen etwa Michael Reuter, Didaktik des Religiösen im Ethikunterricht, Berlin 2014, und Christof Schilling, Bildung im Ethikunterricht: Grundlinien des Schulfaches Ethik in einer pluralen Gesellschaft, Stuttgart 2018, sowie Bernd Schröder, Religions- und Ethikunterricht in der öffentlichen Schule – ein symmetrisches Verhältnis?, in: Werner Haußmann u. a. (Hgg.), EIN-FACH Übersetzen. Theoretische Klärungen, konzeptionelle Bestimmungen und Gestaltungsfragen. FS Manfred Pirner, Stuttgart 2019, 285–294.
41) Vgl. ausführlicher (mit Daten unterlegt) Bernd Schröder, Religionspädagogik angesichts von Konfessionslosigkeit und Religionspluralität: Wahrnehmungen und Herausforderungen, in: Religionspädagogische Beiträge (RpB) 77/2017, 15–24.
42) Zahlen nach Kirchenamt der EKD (Hg.), Gezählt 2020 – Zahlen und Fakten zum kirchlichen Leben, Hannover 2020, 4 f.
43) http://remid.de/info_zahlen/verschiedene/ (Zugriff am 10.8.2020).
44) Bis zum Jahr 2060 wird – bei allen Unwägbarkeiten – eine weitere Forcierung erwartet –; vgl. dazu hier Kirchenamt der EKD (Hg.), Kirche im Umbruch. […]. Eine langfristige Projektion der Kirchenmitglieder und des Kirchensteueraufkommens der Universität Freiburg in Verbindung mit der EKD, Hannover 2019.
45) Vgl. dazu namentlich Kirchenamt der EKD 2014 (s. o. Anm. 3) sowie Friedrich Schweitzer u. a. (Hgg.), Entwurf einer pluralitätsfähigen Religionspädagogik, Gütersloh/Freiburg 2002, und Rudolf Englert u. a. (Hgg.), Welche Religionspädagogik ist pluralitätsfähig? Strittige Punkte und weiterführende Perspektiven, Freiburg 2012.
46) Heinrich Bedford-Strohm/Volker Jung (Hgg.), Vernetzte Vielfalt. Kirche angesichts von Individualisierung und Säkularisierung. Die fünfte EKD-Erhebung über Kirchenmitgliedschaft, Gütersloh 2015.
47) Andreas Reckwitz, Die Gesellschaft der Singularitäten, Berlin 2017.
48) Vgl. etwa Philip Jenkins, The next Christendom. The coming of global Christianity, Oxford/New York 32011, XI.1.6.
49) Ebenso exemplarisch wie wegweisend Henrik Simojoki, Globalisierte Religion. Ausgangspunkte, Maßstäbe und Perspektiven religiöser Bildung in der Weltgesellschaft, Tübingen 2012.
50) Vgl. Bernd Schröder, Praktische Theologie im Zeichen der Internationalisierung!? Eine Skizze, in: ThLZ 126 (2001), 873–890.
51) http://remid.de/info_zahlen (Zugriff am 10.8.2020).
52) Siehe etwa Michael Domsgen/Dirk Evers (Hgg.), Herausforderung Konfessionslosigkeit: Theologie im säkularen Kontext, Leipzig 2014; David Käbisch, Religionsunterricht und Konfessionslosigkeit: eine fachdidaktische Grundlegung, Tübingen 2014; Miriam Rose/Michael Wermke, Konfessionslosigkeit heute: zwischen Religiosität und Säkularität, Leipzig 2014.
53) Kirchenamt der EKD (Hg.), Religiöse Bildung angesichts von Konfessionslosigkeit. Aufgaben und Chancen. Ein Grundlagentext der Kammer der EKD für Bildung und Erziehung, Kinder und Jugend, Leipzig 2020.
54) Vorreiter der Entwicklung ist seit den 1970er Jahren England – vgl. dazu facettenreich Brian Gates (Ed.), Religion and Nationhood, Tübingen 2016. Dort wird derzeit der Übergang vom »multi-faith approach« zur Inklusion von Weltanschauungen diskutiert: Commission on Religious Education: Religion and Worldviews: the way forward. A national plan for RE, final report, London 2018.
55) Dazu Charles Taylor, Ein säkulares Zeitalter, Frankfurt a. M. 2009; und Hans Joas, Glaube als Option, Freiburg 2012.
56) »Theologisch-religionspädagogische Kompetenz« (2008), hier zit. nach Hartmut Lenhard u. a. (Hgg.), Theologisch-religionspädagogische Ausbildung. Dokumente und Texte aus der Arbeit der Gemischten Kommission für die Reform des Theologiestudiums/Fachkommission II (Lehramtsstudiengänge) von 1993–2015, Leipzig 2019, 243–279, hier 271 ff. und 273.
57) Dazu etwa Bernd Schröder, Abrahamische Ökumene? Modelle der theologischen Zuordnung von Christlich-jüdischem und christlich-islamischem Dialog, in: Zeitschrift für Theologie und Kirche (ZThK) 105 (2008), 456–487.
58) Vgl. dazu Norbert Mette/Matthias Sellmann (Hgg.), Religionsunterricht als Ort der Theologie (Quaestiones disputatae 247), Freiburg u. a. 2012; und Karlo Meyer, Grundlagen interreligiösen Lernens, Göttingen 2019.
59) Vgl. Jahrbuch der Religionspädagogik 30 (2014), Religionspädagogik in der Transformationskrise, Neukirchen-Vluyn 2014.
60) Florian Dinger, Religion inszenieren. Ansätze und Perspektiven performativer Religionsdidaktik, Tübingen 2018.
61) Gottfried Adam/Rainer Lachmann, Begründungen des schulischen Religionsunterrichts, in: Martin Rothgangel/dies. (Hgg.), Religionspädagogisches Kompendium, Göttingen 82013, 144–159, hier 150.
62) Im Hintergrund steht Jürgen Habermas, Religion in der Öffentlichkeit. Kognitive Voraussetzungen für den »öffentlichen Vernunftgebrauch« religiöser und säkularer Bürger, in: ders., Zwischen Naturalismus und Religion, Frankfurt a. M. 2005, 119–154.
63) Kirchenamt der EKD 2020 (s. o. Anm. 53), 101 f.
64) So etwa das Votum des britischen Religionspädagogen Robert Jackson (Signposts – Policy and Practice for Teaching About Religions and Non-Religious World Views in Intercultural Education, Strasbourg 2013), der Religionswissenschaftlerin Wanda Alberts (Integrative religious education in Europe: a study-of-religions approach, Berlin u. a. 2007), oder auch des Theologen Hartmut Kreß (Konfessioneller Religionsunterricht oder pluralismusadäquater Ethikunterricht?, in: Zeitschrift für Rechtspolitik 52 [2019], 22–25).
65) Bernd Schröder (Hg.), Religionsunterricht – wohin?, Neukirchen-Vluyn 2014, etwa 193 f. Ulrich Riegel spricht mit ähnlichem Gefälle von einem »reli-gions-kooperativen Religionsunterricht in konfessorisch-dialogischer Perspektive« – Ulrich Riegel, Wie Religion in Zukunft unterrichten?, Stuttgart 2018, 135–182.
66) Bernd Schröder, Religionspädagogik, Tübingen 2012 (2., überarb. Aufl. 2021), 15.
67) »Theologisch-religionspädagogische Kompetenz« (2008), hier zit. nach Lenhard u. a. 2019 (s. o. Anm. 56), 243–279.
68) Vgl. Christian Grethlein, Theologie und Didaktik, in: ZThK 104 (2007), 503–525; und Bernd Schröder (Hg.), Bildung, Tübingen 2021.