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Ausgabe:

Januar/2021

Spalte:

21–36

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Kathy Ehrensperger

Titel/Untertitel:

Jesus der Jude

Beobachtungen zu den jüdisch-christlichen Beziehungen in der gegenwärtigen Forschung



I Einleitung


Die Antwort auf die Frage, ob Jesus von Nazareth der »Christus« bzw. der »Messias« sei, galt im Laufe der Jahrhunderte stets als der maßgebliche Differenzpunkt zwischen Judentum und Christentum. Da Juden die Überzeugung, Jesus von Nazareth sei der in den Schriften verheißene Messias, mehrheitlich ablehnten, attestierte ihnen die christliche Seite vom 2. Jh. an mit immer größerer Entschiedenheit, nicht länger Gottes Volk zu sein. Dieses Verwerfungsurteil fand seinen literarischen Ausdruck vorzugsweise in den Adversos-Judaeos-Schriften der frühen Kirchenväter. Damit verband sich zugleich auch die Frage nach der Schuld am Tode Jesu, die »den Juden« nun den pauschalen Vorwurf des Gottesmordes eintrug. Die negative, auf Abgrenzung bedachte Haltung gegenüber dem Judentum wurde fortan zum festen Bestandteil christlicher Identität, basierend auf dem Verständnis Jesu als des »Chris-tus/Messias«. Ein so verstandenes Christus-Bekenntnis aber geriet schon bald in den Sog eines immer stärker werdenden christlichen Anti-Judaismus, der von Rosemary Radford Ruether1 auf drastische Weise deshalb auch als »die linke Hand der Christologie« beurteilt wurde. Erst nach der Shoah brach sich die Einsicht Bahn, dass die Beziehung zum jüdischen Volk die christliche Identität nicht nur am Rande, sondern in ihrem Kern betrifft, wie kürzlich Bar-bara Meyer formulierte: »Christianity’s inherent relatedness to Ju­daism does not present a lack. Instead, indebtedness describes the historical and theological situation of Christians accurately: Their faith is born into the covenantal relationship between the Jewish people, or the people Israel, and the God of Israel. Christian indebtedness to Judaism does not originate in the Shoah; it originates in Jesus the Jew.«2 Für die neutestamentliche Forschung bedurfte es eines langen Weges, bis sie zu einer positiven Anerkennung des Judeseins Jesu gelangte.3 Doch nach wie vor stellt die Aufgabe, den ererbten Anti-Judaismus im christlichen Selbstverständnis zu überwinden und das christlich-jüdische Gespräch auf Augenhöhe zu führen, eine Herausforderung dar.

Bemühungen um ein neues Verhältnis zwischen Juden und Christen begannen, wenngleich noch zögerlich, schon unmittelbar nach der Shoah. 1947 fand in Seelisberg (Schweiz) eine »Dringlichkeitskonferenz gegen Antisemitismus« statt, an der katholische, protestantische, orthodoxe und jüdische Theologen beteiligt wa­ren. Die auf dieser Konferenz verabschiedeten zehn Thesen betonten unter anderem mit Nachdruck, dass Jesus ebenso wie Maria, die ersten Nachfolger, Apostel und Märtyrer allesamt Juden gewesen seien. Dieser Sachverhalt solle künftig auch im liturgischen, homiletischen und pädagogischen Handeln der Kirchen vermittelt werden.4 Damit verband sich die Hoffnung, zu einer dauerhaften Überwindung des Antisemitismus beitragen zu können. Doch bis diese 1947 formulierten Thesen auch Eingang in die neutestamentliche Forschung fanden, vergingen noch einige Jahrzehnte. Es ist hier nicht der Ort, die historische Jesus-Forschung seit 1945 in ihrer gesamten Breite darzustellen.5 Es genügt festzuhalten, dass sich erst mit dem so genannten »Third Quest for the Historical Jesus« die Einsicht, Jesus und die frühe Christus-Bewegung als Teil des vielgestaltigen Judentums ihrer Zeit zu betrachten, auf breiter Front durchzusetzen begann.6 Völlig neu kam diese Einsicht freilich nicht; christlicherseits war sie bereits von Julius Wellhausen am Ende des 19. Jh.s vertreten worden. Nun aber ging es um die Frage, was eine solche Wahrnehmung für das christliche Selbstverständnis bedeute. Immerhin hatte Wellhausen das Judesein Jesu in seiner Auseinandersetzung mit Adolf von Harnack noch als Argument gegen die These ins Feld geführt, das Wesen des Christentums in der Lehre des historischen Jesus verankern zu können.7

Einen positiven Bezug zum Judesein Jesu fanden jüdische Forscher bereits einige Jahrzehnte vor Wellhausen. Joseph Salvador etwa stellte fest, dass sich die Lehre Jesu in nichts vom Judentum des 1. Jh.s unterschieden habe.8 Mit ihm begann eine »Heimholung Jesu«, die damals vor allem noch auf Vergleichen mit der rabbinischen Literatur basierte.9 Als unterscheidendes Merkmal galt we­der die Lehre Jesu noch sein Lebensweg, sondern allein deren messianische Deutung. Damit postulierte auch die jüdische Jesus-Forschung, dass es die Messias-Frage sei, die Judentum und Christentum voneinander scheide. Den maßgeblichen Differenzpunkt sah man sowohl von christlicher als auch von jüdischer Seite in der Messianität des Juden Jesus.

II Jüdische Jesus-Forschung als Anfragean das Christus-Verständnis


Die Funktion der jüdischen Jesus-Forschung innerhalb des Judentums ist in jüngster Zeit in mehreren Publikationen von Walter Homolka untersucht worden.10 Insbesondere legt Homolka dar, dass die Beschäftigung jüdischer Gelehrter mit Jesus nicht dem Interesse an seiner Messianität geschuldet sei, sondern im Kontext der jüdischen Haskalah verstanden werden müsse. Die »Heimholung Jesu ins Judentum« war im 19. Jh. vor allem mit der Infragestellung christlicher Absolutheitsansprüche verbunden und zielte darauf ab, Raum für Jüdinnen und Juden als gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger innerhalb der christlichen Mehrheitsgesellschaft zu gewinnen.11 Jüdische Jesus-Forschung war demnach von anderen Interessen geleitet als die christliche Rückfrage nach dem historischen Jesus, auch wenn sie mit denselben Methoden arbeitete. Gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jh.s kam es dann auch zu einer Reihe von christlichen Entwürfen, die Jesus und die Jesus-Bewegung konsequent in ihre jüdische Lebenswelt einord-neten – wie etwa bei Albert Schweitzer, der in der jüdischen Apo-kalyptik die Mutter der christlichen Theologie sah.12 Sie blieben zunächst freilich nur eine Randerscheinung. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s begann sich die Situation im deutschsprachigen Kontext durch die Publikationen von Martin Hengel13 und im englischsprachigen durch diejenigen von Ed P. Sanders14 allmählich zu verändern. Sanders wies nach, in welchem Maße das Bild des Judentums in der neutestamentlichen Forschung einer Karikatur glich, und trug damit wesentlich zu einem grundlegenden Um­denken bei. Heute bezweifelt niemand mehr, dass Jesus Jude war; damit ist auch die neutestamentliche Forschung inzwischen dort angekommen, wo sich die jüdische Jesus-Forschung bereits um die Mitte des 19. Jh.s befand. Im Unterschied zur damaligen »Heimholung Jesu« wird die frühe Christus-Bewegung heute jedoch sehr viel genauer im Kontext der vielfältigen jüdischen Traditionen zur Zeit des Zweiten Tempels wahrgenommen – eine Sichtweise, die nicht zuletzt auch durch die Funde von Qumran ausgelöst wurde. Zu­dem hat sich das Forschungsinteresse über die Figur Jesu hinaus auf Paulus15 sowie auf die Christus-Bewegung des 1. Jh.s als ein kollektives Phänomen ausgedehnt. An dieser Arbeit sind auch nicht mehr nur christliche Forscherinnen und Forscher mit ihrem Interesse an den Ursprüngen des Christentums beteiligt, sondern ebenso jüdische Kolleginnen und Kollegen, von denen die Zeit des Zweiten Tempels als Teil ihrer eigenen Geschichte untersucht wird. Institutionell verankert sind solche jüdischen Forschungen zum antiken Judentum vorwiegend an Einrichtungen in Israel und in den USA, nun aber erstmals auch in Deutschland an der »School of Jewish Theology« der Universität Potsdam.16 Damit ist in nuce eine institutionelle Gleichwertigkeit geschaffen, die einen akademischen Diskurs auf Augenhöhe ermöglicht – wie es ihn vor 1945 so noch nicht gab.

Mit der Wahrnehmung Jesu als eines Juden ist eine Gemeinsamkeit gegeben, die auch das jüdisch-christliche Gespräch zu beeinflussen beginnt. Dass Jüdinnen und Juden in Jesus mittlerweile einen der Ihren zu sehen vermögen, wird nicht nur in der jüdischen historischen Forschung, sondern auch in der jüdischen Literatur und der israelischen Kunst deutlich.17 Ob diese Wahrnehmung aber auch zu einer Überwindung antijüdischer Interpretationen neutestamentlicher Texte sowie zu einer Überwindung antijüdischer Tendenzen in der christlichen Theologie führt, bleibt eine offene Frage. Jüdische Jesus-Forschung heute verfolgt, wie schon im 19. Jh., ihre eigenen Interessen. In Bezug auf die christliche Forschung wird sie zur Herausforderung an ihre Ge­sprächspartner. Homolka fragt, was das konkret bedeutet. Inwiefern stellt die »Heimholung Jesu ins Judentum« eine Infragestellung christlicher Universalitäts- und Absolutheitsansprüche dar?18 Hiervon ist vor allem das Verständnis des Christus-Bekenntnisses in der christlichen Systematischen Theologie betroffen, wie das z. B. in dem Sammelband Christologie zwischen Judentum und Chris-tentum. Jesus, der Jude aus Galiläa, und der christliche Erlöser dokumentiert wird.19

In diesem Beitrag geht es jedoch nicht um die Christologie in systematisch-theologischer Perspektive, sondern um die Frage, was eine konsequente Einordnung Jesu in das Judentum der Zeit für seine Deutung als »Christus/Messias« in der neutestamentlichen Forschung bedeutet.

III Die Deutungen Jesu als Christus –

geschichtshermeneutische Fragen


Damit komme ich zu der Ausgangsfrage zurück, ob die Deutungen Jesu als des »Christus/Messias« tatsächlich die entscheidende Trennlinie zwischen Judentum und Christentum markieren. Diese Frage muss im geschichtlichen Rückblick weiter spezifiziert werden: Sind solche Deutungen unter den jüdischen Traditionen der Antike überhaupt vorstellbar, oder stellen sie etwas absolut Neues, noch nie Dagewesenes dar? Wo genau ist der Bruch mit der jüdischen Tradition festzumachen? Beginnt das »Auseinandergehen der Wege« wirklich mit dem Bekenntnis der ersten Nachfolgerinnen und Nachfolger zu Jesus als dem Messias? Darüber wird nach wie vor kontrovers debattiert.20 Die grundlegende Revision des Bildes vom frühen Judentum in der neutestamentlichen Forschung seit Hengel und Sanders hat dazu geführt, das Phänomen von Trennungsprozessen neu zu bedenken21 und die »Christologien« des Neuen Testaments einer kritischen Überprüfung zu unterziehen.

Eine der großen Herausforderungen besteht darin, die neutes-tamentlichen Texte, soweit das möglich ist, in ihrer historischen Situation zu verstehen, d. h. unter Absehung von ihren in den kirchlichen Konzilien festgelegten Deutungen. Auch wenn das ge­schichtshermeneutisch immer nur begrenzt gelingen wird, ist dieser andere Blick bzw. diese andere Perspektive unerlässlich.22

Die Bezeichnung Jesu mit dem Würdetitel »Christus«, also »Ge­salbter/Messias«, bringt in den neutestamentlichen Texten schon zum Ausdruck, dass er im Horizont jüdischer eschatologischer Szenarien verstanden wird. Die Erwartung einer oder mehrerer messianischer Gestalten war um die Zeitenwende Teil unterschiedlicher endzeitlicher Hoffnungen. Sie stellen den Kontext dar, in dem Jesus, seine Botschaft und die Deutung seines Lebens beheimatet sind. Die messianische Deutung Jesu als des »Christus« ge­hört in den Zusammenhang jüdischer Vorstellungen, wie sie sich unter seinen Nachfolgern und Nachfolgerinnen in spezifischer Form verdichteten.

Konsens besteht darüber, dass sich die messianische Deutung von Leben, Tod und Auferweckung Jesu nicht aus seiner historischen Erscheinung ableiten lässt. Die Einordnung des irdischen Jesus in das Judentum zur Zeit des Zweiten Tempels bietet für eine solche Deutung keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr ist die Jesus-Christus-Überlieferung erst aus den Ostererfahrungen seiner Nachfolgerinnen und Nachfolger entstanden. Diese Perspektive prägt demnach auch im Rückblick die entsprechenden Darstellungen, Erzählungen und Worte Jesu vor seiner Kreuzigung. Dahinter führt kein Weg zurück. Deshalb halte ich auch die Unterscheidung zwischen einem im Judentum verwurzelten irdischen Jesus und einer vom Judentum grundlegend zu unterscheidenden messianisch-eschatologischen Deutung seines Todes und seiner Auferweckung für problematisch. Eine solche Unterscheidung macht schon aus methodischen Gründen wenig Sinn, da ja das, was als irdisches Leben Jesu bezeichnet wird, von seinen Anhängerinnen und An­hängern nur aus der Perspektive der Auferweckung und des darin wahrgenommenen Handelns Gottes überliefert wurde.23

In die Darstellung des irdischen Weges Jesu ist die Überzeugung von seiner Messianität bereits eingezeichnet. Wenn also dieses Leben Jesu als ein jüdisches Leben verstanden wird, dann ist es methodisch unmöglich, die Frage der Messianität von ihrer Verortung im Judentum zu trennen. Dann aber muss dieses Gesamtnarrativ mit seinen vielfältigen Deutungen der Messianität Jesu auch als integraler Bestandteil der jüdischen Tradition selbst verstanden werden. Das schließt nicht aus, dass sich die neutestamentliche Forschung auch auf den vorösterlichen Jesus fokussieren könnte, wie das vor allem die jüdische Jesus-Forschung tut. Aber eine Trennung zwischen einem jüdischen Jesus und einem nichtjüdischen oder christlichen Christus ist meiner Auffassung nach neutestamentlich gesehen nicht möglich. Die Verwobenheit der Traditionen, die immer von Ostern her erzählen und deuten, lässt eine entsprechende Trennung nicht zu. Damit ist auch die Suche nach etwas Speziellem im Leben dieses Mannes aus Nazareth, das die Überzeugung seiner Messianität veranlasst haben könnte, obsolet. Als Messias tritt er nicht durch die außergewöhnlichen Umstände seines Lebens in Erscheinung; vielmehr wird sein Leben erst im Lichte der Ostererfahrungen in einem eschatologischen Horizont messianisch gedeutet. Damit argumentiere ich nicht gegen messianische Zuschreibungen oder gegen ein entsprechendes Selbstverständnis Jesu, die möglicherweise erst spät – etwa bei seinem Gang nach Jerusalem – wirksam wurden. Immerhin ist seine Hinrichtung durch die Römer ja ein deutliches Indiz dafür, dass er mit messianisch-eschatologischen Hoffnungen in Verbindung ge­bracht wurde.24 Doch deren Verdichtung und Bestätigung erfolgte vor allem in den Auferweckungserfahrungen seiner Anhänger, was die neutestamentlichen Texte insgesamt widerspiegeln. Wenn die Frage der jüdischen Identität Jesu als des »Christus/Messias« positiv beantwortet wird, muss auch geklärt werden, wo die entsprechenden Texttraditionen zu verorten sind. Wie die Frage der Messianität nicht von der Frage der Identität des so genannten irdischen Jesus getrennt werden kann, kann auch die Frage der Verortung der Texte, die entsprechende Traditionen überliefern, nicht davon getrennt werden. Das aber bedeutet, die neutestamentlichen Texte als Teil jüdischer Geschichte und Tradition im 1. Jh. zu betrachten – in ihrer ganzen Vielgestaltigkeit und Disparatheit. Damit argumentiere ich nicht etwa für einen kulturellen Purismus. Kulturen sind porös. Doch das gilt nicht nur für neutestamentliche Texte, sondern auch für alle jüdischen und anderen Traditionen der Zeit. Auch die neutestamentlichen Texte gehören wie ihre Protagonisten in die Welt des Judentums um die Zeitenwende.25

IV Eschatologische und messianische Vorstellungen im Judentum der Zeitenwende


Jenseits solcher methodischen Überlegungen belegt vor allem die historische Forschung, dass es in der Zeit des Zweiten Tempels ganz verschiedene eschatologische Szenarien und damit verbunden auch eine Vielfalt messianischer Vorstellungen gab. Sie alle tragen zum Verständnis der messianisch-eschatologischen Deutungen Jesu bei. Wenn von Messianismus, messianischen Erwartungen oder Endzeit-Szenarien die Rede ist, dann wird damit zumeist auf literarische Überlieferungen Bezug genommen. Es geht also zu< /span>­nächst um Ideen, Lehren, Hoffnungen und Erwartungen in schriftlich fixierter Gestalt. Inwiefern diese Vorstellungen aber auch in der jüdischen Bevölkerung verbreitet waren und im Alltagsleben reale Gestalt annahmen, lässt sich kaum sagen. John J. Collins ist der Ansicht, dass »interest probably fluctuated with historical circumstances. When interest in messianic expectation arose, however, there was at hand a body of tradition which could be used to articulate it«26. Es gibt eschatologische Szenarien, die Gottes Eingreifen auf direkte Weise vorstellen. Gleichzeitig finden sich aber auch Vorstellungen von verschiedenen Mittlergestalten, die zwischen Himmel und Erde agieren. Das können Retter sein, die eine spezifische Rolle im endzeitlichen Gericht spielen, oder göttliche Attribute wie Logos, Sophia und Doxa, die personifiziert werden, oder idealisierte Gestalten wie Henoch, Jakob und Mose, die als Propheten oder Offenbarer endzeitlicher Ereignisse fungieren. Hinzu kommen priesterliche Figuren wie Melchisedek, königliche Nachkommen Davids wie der in den Psalmen Salomos vorgestellte christos kyrios (PsSal 17.18) oder himmlische Gestalten wie der Menschensohn, die als Gottes Boten vermittelnde oder ausführende Aufgaben übernehmen. Nicht selten erscheinen solche Personifikationen oder Idealisierungen in engelsähnlicher Gestalt; vollends wird auch dem Erzengel Michael eine eschatologische Funktion zugeschrieben.27 Ob und welche Bedeutung die Vorstellung von der Existenz solcher Gestalten im Bereich der Himmel oder in der Nähe Gottes hatten, oder ob sogar von zwei oder mehr Mächten im Himmel gesprochen werden kann, wird heftig debattiert. Ich werde auf diese Frage weiter unten zurückkommen.28

Inwiefern könnten solche jüdischen Vorstellungen für die Entstehung einer messianischen Deutung Jesu relevant gewesen sein? Neuere Ansätze argumentieren, dass die christologischen Bekenntnisaussagen des Neuen Testamentes und damit die gesamte so genannte »hohe Christologie« im Wesentlichen schon in jüdischen Traditionen vorgezeichnet sind. Denn von einer mehr oder weniger uniformen messianischen Idee kann im Judentum nicht die Rede sein – wie Peter Schäfer formuliert: »the different Messianic figures cannot be reduced to a uniform underlying pattern; they are to be described adequately only as the dynamic interaction of various and changing configurations within different historical settings«29. Wenn aber die Diversität des Judentums zur Zeit des Zweiten Tempels anerkannt wird, und wenn sich der Entstehungsprozess des rabbinischen Judentums wie auch des Christentums über mehrere Jahrhunderte hinzog, dann wird es in der Tat schwierig, schon im 1. Jh. eine Trennlinie entlang »christlicher« und »jüdischer« Vorstellungen zu ziehen. Nachdem im Lichte der Qumranfunde zunächst in Frage gestellt worden war, ob es im antiken Judentum überhaupt »Messianismus« oder zumindest verschiedene Messias-Erwartungen gegeben habe, weicht diese grundsätzliche Skepsis inzwischen einer neuen, wenngleich differenzierten Sicht. So haben Peter Schäfer wie auch Martin Hengel, William Horbury, Richard Horsley u. a.30 dafür plädiert, den verengenden Blick auf spezifische Messias-Prädikationen in den Primärtexten aufzugeben zugunsten einer erweiterten eschatologischen Perspektive, in deren Kontext auch messianische Erwartungen allgemeiner Art Raum finden. Das noch im 20. Jh. von christlichen und jüdischen Gelehrten postulierte eschatologische Szenario, das eine Art chronologischer Abfolge der Endereignisse annahm,31 muss angesichts der großen Diversität an Vorstellungen grundsätzlich in Frage gestellt werden. Eine messianisch-eschatologische Kette von Ereignissen (wie z. B. die dem Messias vorangehenden Zeiten des Schreckens bzw. die Geburtswehen seines Kommens, die An­kunft des Elia, das triumphale Erscheinen des Messias selbst, die Sammlung der Zerstreuten, das Hinzukommen der Völker, der Krieg, die Tage des Messias, die Erneuerung der Welt, der Tag des Gerichts, die Auferweckung der Toten und die kommende Welt) ist zwar in einigen literarischen Zeugnissen wie der syrischen Baruch-Apokalypse oder dem 4. Ezra-Buch zu finden. Ein solches Szenario kann aber kaum als die eine und alleinige Vorstellung von den eschatologischen Ereignissen gelten.

Die Vielgestaltigkeit messianisch-eschatologischer Szenarien er­wächst aus einer Interpretation biblischer Texte, die gegenwärtige Erfahrungen zu autoritativen Traditionen in Beziehung setzt. So kommt es in der Zeit des Zweiten Tempels zur Präsentation von Messias-Figuren mit unterschiedlichen Profilen, wie etwa einer Trias von davidischem, priesterlichem und himmlischem Menschensohn-Messias,32 oder einem Quartett von einem davidisch-königlichen, einem priesterlichen, einem prophetischen und einem himmlischen Messias,33 die jedoch auch nur Teil eines insgesamt sehr viel breiteren Spektrums sind.

Eine solche Diversität allein sagt indessen noch nichts Spezifisches über die Bedeutung der damit verbundenen Konzepte aus. Neben messianischen Deutungen autoritativer Texte stehen Aussagen, die unabhängig und eigenständig eschatologische Hoffnungen formulieren. Zudem gab es eine Reihe von Texten, auf die sich messianisch-eschatologische Hoffnungen vorzugsweise bezogen. Ob hinter allen diesen Texten auch konkrete Trägergruppen stehen, lässt sich nur schwer nachweisen. Für Qumran kann das mit guten Gründen angenommen werden,34 für die Literatur des 1. Henochbuches z. B. ist es umstritten.35

Das Lexem »Messias« selbst, wie es in der hebräischen Bibel verwendet wird, bezieht sich dort noch an keiner Stelle auf eine eschatologische Figur.36 Es ist die entsprechende Deutung von Texten, die dieses Lexem nicht verwenden, durch die in kreativer Weise eine Verbindung zwischen allgemeinen eschatologischen Hoffnungen und konkreten messianischen Retterfiguren hergestellt wird.37 Mit dem Rückgriff auf einen Ehrentitel, der in der biblischen Tradition eine Gott zugeordnete Person wie König, Priester oder Prophet bezeichnet, wird die entsprechende Zuordnung eschatologisch neu gedeutet – zu einer Zeit, in der im Judentum bereits keine realen Salbungen mehr stattfanden. Dieser kreative Umgang mit der Tradition ließ neue Variationen eschatologischer Szenarien entstehen. Wesentlich scheint dabei zu sein, dass sich solche Interpretationen, die einer messianischen Figur eine bestimmte Funktion zuschreiben, nicht auf deren Individualität beschränkten. Auch eine Messiasfigur war stets Teil größerer, umfassenderer Szenarien, die Gottes eschatologisches Handeln zugunsten Israels und der Völker vorstellten. In ihrer Diversität lassen sich weder die verschiedenen Messiasvorstellungen noch die damit verbundenen es­chatologischen Szenarien zu einem allgemeingültigen Konzept oder zu einer spezifischen Vorstellung verdichten. Demzufolge ist es auch nicht möglich, die kreativen eschatologischen Deutungen des Geschehens um den Nazarener, inklusive seiner Deutung als »Messias/Christus«, grundlegend von vergleichbaren jüdischen Deutungen zu unterscheiden. Nur wenige dieser kreativen mes-sianisch-eschatologischen Deutungen biblischer Traditionen sind miteinander identisch. Das 1. Henoch-Buch etwa gestaltet diese Hoffnungen in Form der Tiersymbol-Apokalypse; die Vorstellungen der Qumran-Texte von einem königlichen und einem priesterlichen Messias finden sich ausschließlich dort; Philo erachtet die römische Herrschaft als zeitlich beschränkt, ohne dies in eschatologischen Szenarien zu entfalten.38 Dennoch sind auch solche »einmaligen« und in anderen jüdischen Traditionen nicht rezipierten Szenarien gültiger Ausdruck jüdischer Theologie. Es ist deshalb nicht einsichtig, warum ausgerechnet die Varianten messianischer Jesus-Deutungen nicht mehr dem Spektrum frühjüdischer Theologie zugeordnet werden sollten.

V Neutestamentliche messianische Deutungen Jesu als jüdische Deutungen


Die große Diversität messianisch-eschatologischer Vorstellungen und Szenarien lässt eine Gegenüberstellung von jüdischen und neutestamentlichen (im Sinn von »christlichen«) Deutungen Jesu im 1. Jh. als anachronistisch erscheinen. Auch Letztere sind nur im Kontext jüdischer Vorstellungen zu verstehen. Ihr kreatives Format macht sie einmalig nur in der Weise, wie auch viele andere entsprechende Vorstellungen einmalig sind, und führt sie noch nicht zwangsläufig aus dem Judentum der Zeit hinaus.

Die christologischen Reflexionen des Paulus sind nicht etwa im Kontrast zu messianisch-eschatologischen Vorstellungen im antiken Judentum zu verstehen, sondern als Beispiele jüdischer Theologie. Wie schon die Psalmen Salomos versteht auch Paulus den Messias als Davididen, dessen Aufgabe es ist, die Völker zu leiten; so wie Josephus übersetzt auch Paulus die messianischen Deutungen der Schrift in die kulturellen Idiome seiner nichtjüdischen Adressaten; so wie die späteren rabbinischen Erzählungen über Bar Kochba verbindet auch Paulus schon messianische Traditionen und Deutungen der Schrift mit historischen Ereignissen. Mit der Identifizierung solcher Paradigmen aber ist die Frage nach deren Bedeutung noch nicht beantwortet. Sie beginnt hier eigentlich erst.39 Dabei ist eine Unterscheidung zwischen jüdischen und christlichen Vorstellungen und Texten für die in Frage stehende Zeit wenig hilfreich, da sie eine hermeneutische Vorentscheidung aufgrund der späteren geschichtlichen Entwicklungen als er­kenntnisleitend voraussetzt.40 Sie verkürzt die Perspektive auf die neutestamentlichen Texte in der Annahme, dass »Messias« mit »Jesus« gleichzusetzen sei, wodurch die Breite der messianisch-es­chatologischen Diskurse aus dem Blick gerät – es sei denn, dass sie hier und da noch als »Vorläufer« christlicher Vorstellungen in An­spruch genommen werden.

Anstatt jedoch das antike Judentum als Vorläufer des antiken Christentums zu betrachten, sollte das antike Christentum als ein Kapitel in der Geschichte des antiken Judentums gesehen werden. Damit postuliere ich nicht, dass sich das Verständnis Jesu als eines designierten Messias nicht von anderen messianisch-eschatologischen Vorstellungen des Judentums zur Zeit des Zweiten Tempels unterscheide. Aber die neutestamentlichen Texte präsentieren in ihrer Kombination messianischer Attribute, die Jesus zugeschrieben werden, eine spezifische Interpretation messianisch-eschatologischer Texte und Vorstellungen. Sie repräsentieren, was auf alle entsprechenden jüdischen Texte zutrifft: Inspiriert von biblischen Traditionen und deren lebendiger Auslegung drücken sie ihre Hoffnung auf eine Wiederherstellung der Welt durch das Eingreifen des Gottes Israels aus – unter den jeweiligen historischen Um­ständen ihrer Zeit.41

VI Die Debatte um die kultische Verehrung

des Christus


In diesem Zusammenhang kommt auch die Debatte über die kul-tische Verehrung Christi und damit seiner Divinität in den Blick. Inwiefern war die Göttlichkeit, die Jesus als dem Christus im Zuge seiner kultischen Verehrung zugeschrieben wurde, mit dem jü-dischen Monotheismus vereinbar? Und wie sind dabei die Titel »Sohn Gottes« und »Kyrios« zu verstehen? Einer der führenden Exponenten dieser Debatte war Larry Hurtado.42 Im Anschluss an Hengel sah Hurtado bereits eine vorpaulinische kultische Verehrung Christi als gegeben an. Sie verdanke sich auch nicht etwa paganen Einflüssen, sondern sei vielmehr unter den ersten Christus-Nachfolgenden in Judäa und Galiläa entstanden. Im An­schluss an Hurtado fächerte sich dann die Diskussion um eine kultische Verehrung Jesu weiter auf. Insbesondere arbeitete sie sich an der Frage ab, ob damit schon die Grenzen des Judentums überschritten würden. Andrew Chester fasste die verschiedenen Positionen wie folgt zusammen: 1. eine kultische Verehrung Jesu sei der jüdischen Theologie in der Antike vollkommen fremd; 2. eine solche habe sich schrittweise innerhalb jüdischer Kategorien entwickelt, 3. ihr Ursprung liege in der vorpaulinischen Phase der christusgläubigen Gemeinde, 4. sie sei dem Christus-Be­kenntnis schon von Anfang inhärent gewesen und habe keiner weiteren Entwicklung bedurft.43

Zwei Aspekte haben diese Debatte grundlegend bestimmt. Zum einen geht es dabei um die Frage, wie genau die Verehrungspraxis (»devotion«) in der gottesdienstlichen Versammlung zu verstehen ist. Zum anderen geht es darum, wie Monotheismus definiert wird– also darum, ob wir es im 1. Jh. mit einem strikten oder einem flexiblen Monotheismus zu tun haben. Ich wende mich zunächst der zweiten dieser Fragen zu. Unter striktem Monotheismus wird die Vorstellung eines exklusiv einzigen Gottes verstanden, während ein flexibler Monotheismus davon ausgeht, dass es neben dem einen auch weitere, ihm untergeordnete göttliche Wesen gibt, die aber neben Gott keine kultische Verehrung erfahren. Setzt man einen strikten Monotheismus voraus, dann muss die kultische Anrufung Christi mittels Gebet oder Hymnus als Ausdruck seiner göttlichen Verehrung verstanden werden – wie etwa Hurtado argumentiert. Für ihn ist die Tatsache, dass Jesus kultisch verehrt und als »Kyrios« und »Sohn Gottes« angerufen wurde, ein eindeutiger Beleg dafür, dass man ihn auch als Gottheit ansah, d. h. ihm auch Anteil an der Identität Gottes selbst zugestand. Die frühe Verehrung Jesu wird dabei als eine Variante jüdischer Gottesdienst-Praxis angesehen, aufgrund derer Jesus in die Verehrung Gottes mit einbezogen wurde.44 Dies sei konzeptionell durch die Vorstellung von »divine agents« (wie z. B. Logos und Sophia) im frühen Judentum schon vorbereitet gewesen. Auf der anderen Seite wird unter Voraussetzung eines strikten Monotheismus argumentiert, dass genau deshalb eine kultische Verehrung Jesu ausgeschlossen sei, da nur Gott allein kultische Verehrung zukomme.45 So erachtete etwa James D. G. Dunn die gottesdienstliche Verehrung Jesu als auf Gott gerichtet; Gebete und Hymnen seien über Jesus allein auf Gott bezogen gewesen.46

Gegenüber der Position eines strikten Monotheismus argumentiert Paula Fredriksen, dass sich ein solcher für die Antike gar nicht nachweisen lasse; vielmehr müsse von einem flexiblen Mo­notheismus ausgegangen werden. Divinität sei eine Frage von Hierarchien und Abstufungen – mit einer höchsten Gottheit an der Spitze und weiteren göttlichen Wesen und Geistern in absteigenden Abstufungen, die als dieser Gottheit untergeordnet betrachtet werden. So sei auch die jüdische Tradition nicht als monotheistisch in unserem modernen Sinn zu verstehen, sondern als monolatrisch. Im Unterschied zur paganen Umwelt wurde exklusiv nur eine einzige Gottheit, nämlich der Gott Israels, kultisch verehrt.

Da sich aber in diesem kulturellen Milieu die Grenze zwischen menschlichen und göttlichen Größen als porös erwies, war es durchaus vorstellbar, dass Jesus in die Nähe Gottes erhöht wurde, ohne mit Gott selbst identisch zu werden. Eine solche Erhöhung bedeutete zunächst nur eine Statusveränderung, ohne sogleich auch ontologisch verstanden werden zu müssen.47 Ganz ähnlich weist auch Adela Yarbro Collins darauf hin, dass die entscheidende Frage laute, welche Gottheit kultisch verehrt werden solle.48 Was genau aber bedeutete in der Zeit des zweiten Tempels kultische Gottesverehrung? Diese Frage kann meines Erachtens eindeutig beantwortet werden für eine Situation, in der es den Tempel in Jerusalem noch gab. Kultische Verehrung einer Gottheit geschieht in der Antike ausschließlich durch die Darbringung von Opfern.49 Exklusive Gottesverehrung heißt demnach in der jüdischen Tradition, dass Opferrituale nur im Jerusalemer Tempel stattfinden. Nur dort wird der Gott Israels kultisch durch Opfergaben und damit in strengem Sinne gottesdienstlich verehrt. Dennoch konnten auch andernorts wie z. B. in der Synagoge oder im Haus Gebete an Gott gerichtet oder Hymnen gesungen werden. Im Unterschied zu ihren paganen Nachbarn vollzogen Juden dabei jedoch keine kultischen Handlungen. Zugleich riefen Jüdinnen oder Juden auch andere Wesen zwischen Himmel und Erde an, wie z. B. Elia oder verschiedene Engel, aber sie erwiesen ihnen dabei keine kultische Verehrung. Anrufungen und Gebete, die Jesus Christus einbeziehen, können in der gleichen Weise verstanden werden. Sie sind gerade nicht als Erweis seiner Identität mit Gott, sondern als Ehrerbietung gegenüber dem erhöhten Status des Messias zu verstehen – eines Messias, der wiederkommen wird, der mit Ehrentiteln versehen ist, der einen Platz im Himmel hat, der aber von Gott selbst unterschieden bleibt. Nach dieser Interpretation stellt die Erhöhung Jesu Christi wie auch seine Präexistenz die jüdische exklusive Gottesverehrung nicht in Frage, sondern tritt als eine Variante derselben in Erscheinung.

VII Kyrios und Sohn Gottes im politischen Kontext des Imperium Romanum


Auch Ehrentitel wie »Herr« und »Sohn Gottes« stehen, soweit sie in neutestamentlichen Texten verwendet werden und das Verständnis Jesu als des Messias betreffen, nicht außerhalb der jüdischen Traditionen ihrer Zeit. Die Bezeichnung »Sohn Gottes« ist im jüdischen Verständnis ein Zugehörigkeitsbegriff, der auf einen königlichen Protagonisten, eine prophetische Figur oder auch einfach auf ein Mitglied des Volkes Israel bezogen werden kann. Darauf deutet z. B. die Himmelsstimme während der Taufe Jesu durch Johannes hin. Dass eine solche Zuordnung auch blasphemisch klingen kann, wird in der Passionsgeschichte sichtbar – in einem Kontext, der römisch geprägt ist.50 Darin scheint sich eine entsprechende römische Einschätzung widerzuspiegeln, nach der jeweils nur eine lebende Person, etwa der Cäsar, »Sohn Gottes« (divi filius) sein konnte. Die Präsenz römischer Cäsaren und deren Bezeichnung als divi filius wurde lange Zeit für das Verständnis des neu-testamentlichen Befundes als unwesentlich abgetan,51 doch die Tatsache, dass dieser Titel in der Antike nur für die Cäsaren und für Jesus verwendet wurde, liefert einen Hinweis, der nicht übergangen werden sollte. Wird dieser Zusammenhang als relevant erachtet,52 dann muss der Titel »Sohn Gottes« nicht zwingend einmalig sein oder über jüdische Vorstellungen der Zeit hinausgehen.

Es kann sehr wohl angenommen werden, dass hier auch römische Vorstellungen mitschwingen, wenngleich weniger im Sinne einer Genealogie als vielmehr im Sinne einer Analogie.53

Ähnliches lässt sich für den Titel »Kyrios« geltend machen, der in der Regel auf die Septuaginta-Übersetzung für adonai (das Te­tragramm) zurückgeführt wird. Zugleich ist er um die Zeitenwende herum aber auch weit verbreitet für eine männliche Person, die Autorität über andere hat. In der hierarchischen Struktur der römischen Gesellschaft wurde »Kyrios« alltagssprachlich als Anrede von Sklaven gegenüber ihren Besitzern, von gewöhnlichen Bürgern gegenüber Aristokraten oder von Soldaten gegenüber ihren Kommandanten verwendet.54 Mit der Zuschreibung dieses Titels kann deshalb auch ganz einfach ausgedrückt sein, dass die Christus-Nachfolgenden den Messias Jesus als ihre leitende Autoritätsfigur anerkennen. Beide Bezeichnungen weisen noch nicht zwingend die Göttlichkeit Christi aus. Beide Kontexte mit ihren jeweiligen kulturellen Enzyklopädien (der jüdischen, der griechischen und der römischen) werden auch für die frühesten Christus-Nachfolgenden beim Hören der entsprechenden Begriffe mitgeklungen haben. Damit ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass sich unter veränderten Umständen und mit der Übertragung der messianisch-eschatologischen Botschaft in nichtjüdische Kontexte auch diese Begriffe zu verändern begannen. Aber mit Blick auf das Neue Testam ent können die messianischen Deutungen Jesu einschließlich derer, die ihn in die Nähe Gottes rücken, zunächst durchaus noch innerhalb der jüdischen wie auch der griechischen und römischen Tradition verortet werden. Hier gab es ohnehin schon seit Jahrhunderten einen lebendigen Austausch von Vorstellungen, bei dem es zur Übernahme und Adaption religiöser Ideen kam.55 Deshalb sind auch alle jene Deutungen des Christus, die gemeinhin unter der Rubrik einer »hohen Christologie« verhandelt werden, nicht als Bruch mit jüdischen Traditionen zu verstehen. Grenzlinien werden erst in der späteren rabbinischen und christ-lichen Theologie unter dem Vorzeichen neuer Selbstdefinitionen gezogen.56

Vielen dieser Texte und Vorstellungen sind politische Dimensionen inhärent – teils implizit, teils aber auch explizit. Da für die Antike die moderne Unterscheidung von religiösen, politischen oder ökonomischen Dimensionen so noch nicht gegeben ist,57 lässt sich dieser Sachverhalt eigentlich auch erwarten. Denn wenn in messianisch-eschatologischen Texten der Hoffnung Ausdruck ge­geben wird, dass Gott (trotz allem, was in der gegenwärtigen Situation dagegen spricht) die Verantwortung für das gesamte Weltgeschehen trägt, dann hat das durchaus auch politische Implikationen. Messianische Zuschreibungen und Titel, wie sie im Neuen Testament gebraucht werden, fanden deshalb in der antiken Welt einen vielfältigen Nachhall in den kulturellen Codes und Enzyklopädien römischer und griechischer Provenienz. Bezeichnungen wie »Sohn Gottes«, »Retter« oder »Erlöser« sind in einer römisch geprägten Kultur durchaus als implizite Anfragen an die politischen Ansprüche römischer Machthaber zu verstehen. Das muss nicht als direkte Provokation gegen deren kultische Verehrung gerichtet sein, aber die Zuschreibung solcher Titel und Attribute beinhaltet immerhin eine Infragestellung absoluter menschlicher Machtansprüche.

VIII Das Christus-Ereignis als Zeitansage


Die neutestamentlichen Vorstellungen von der Messianität Jesu lassen sich nicht individualistisch verkürzen. Sie versuchen, in Bezugnahme auf die vielfältigen jüdischen Traditionen der Zeit gegenwärtiges Geschehen zu deuten. Die Rechtfertigung des Ge­rechten, der eines gewaltsamen Todes gestorben ist, durch Gott in der Auferweckung wird als der Anfang messianisch-eschatologischer Ereignisse verstanden. Daraus folgen weitere, wie der Zugang von Menschen aus den Völkern zur exklusiven Verehrung des Gottes Israels, die Aufrichtung von Recht und Gerechtigkeit, Gottes Zusage von Lebensraum und Frieden, zusammengefasst in der Erwartung des »Reiches Gottes«. Der Unterschied liegt demnach in der Perspektive auf die Zeit – und was daraus folgt. Das heißt, das entscheidende Moment ist nicht eine so genannt »hohe« oder »niedrige« messianische Deutung oder die Überzeugung, dass in einem Menschen Gottes Gesalbter präsent sei, sondern die daraus abgeleitete Einschätzung der Zeit aufgrund dieser eschatologisch gedeuteten Ereignisse. Die Christus-Nachfolgenden waren davon überzeugt, dass die Auferweckung des einen nur der Anfang wei-terer eschatologischer Ereignisse sei. Für sie war sie bedeutsam nicht als ein individuelles Ereignis, sondern als Indiz ihrer Hoffnung auf die noch folgende Auferweckung aller, die mit dem Eingreifen Gottes zur Errichtung seines Reiches einhergehen würde. Sie bestätigte in ihren Augen Gottes unverbrüchliche Zusage an sein Volk Israel trotz allem, was an geschichtlichen Ereignissen dagegen sprechen mochte, und eröffnete damit auch den Zugang der Völker zu einer gemeinsamen Gottesverehrung. Hier klingen in den neutestamentlichen Texten Vorstellungen an, wie sie z. B. auch in der Tiersymbol-Apokalypse des 1. Henoch-Buches zu finden sind.58 Die Auferweckung Jesu Christi wurde in diesem Sinne nicht als einzigartiges Geschehen verstanden, sondern als das erste in einer Reihe eschatologischer Ereignisse, die auf die Ankunft des Reiches Gottes ausgerichtet waren.59 Die Christus-Bezogenheit dieser Bewegung war damit grundlegend eschatologisch und theozentrisch angelegt und stand nicht im Gegensatz zu dem bleibenden Handeln Gottes an Israel, das auch weiterhin vorausgesetzt wird. Die Überzeugung der Christus-Nachfolgenden, dass sich in Jesus ein eschatologisches Geschehen manifestiert hatte und auch weiterhin ereignen würde, ist wesentlich in seiner kollektiven Dimension für Israel und die Völker zu verstehen.

IX Ausblick


Die »Heimholung Jesu« in das Judentum des 1. Jh.s kann nicht auf den so genannten irdischen Jesus beschränkt werden. Sie umfasst vielmehr das Ganze – und schließt auch die Deutung dieses Jesus als des »Christus/Messias« ein. Ob damit sein eigenes Selbstverständnis getroffen wird oder nicht, ist von nachgeordneter Bedeutung; historisch feststellen lässt es sich ohnehin nicht. Dass aber Nachfolgerinnen und Nachfolger von seiner Messianität überzeugt waren und damit eine Vergeschichtlichung eschatologischer Vorstellungen und Hoffnungen in Gang setzten, ist auch historisch offensichtlich. Die messianisch-eschatologischen Deutun-gen der neutestamentlichen Texte fügen sich in die jüdische Tra-dition ein. Sie sind Teil der Interpretation biblischer Überlieferungen in narrativer oder akklamatorischer Form. So gesehen stellt der Christus-Diskurs der neutestamentlichen Schriften nur eine Variante der messianisch-eschatologischen Diskurse des antiken Judentums dar und ist gerade nicht als Gegenentwurf zu verstehen. Er präsentiert sich nicht uniform, sondern vielfältig. Demzufolge müsste von Christus-Deutungen im Plural gesprochen werden, denn das eine neutestamentliche Christus-Verständnis gibt es nicht.

In der neutestamentlichen Vielfalt der Deutungen wird Eindeutigkeit vermieden – und dadurch auch eine systematische Zuordnung offen gehalten. Diese Offenheit verweist theologisch auf die Nichtfassbarkeit des gedeuteten Geschehens, das der je neuen Interpretation bedarf. Alle Deutungen aber sind letztlich theozentrisch ausgerichtet, da sie Gottes Handeln in Christus voraussetzen. Dieses Handeln Gottes wird als unabgeschlossen verstanden. Mit dem Christus-Ereignis ist noch nicht die Vollendung der Zeiten gekommen, doch es hat im Verständnis derer, die Jesus als den Messias bekennen, bereits jetzt etwas Neues be­gonnen. Noch steht aus, was sein wird, auch wenn in dieser Überzeugung die Gewissheit ausgedrückt ist – wie in anderen jüdischen eschatologischen Interpretationen auch –, dass letztlich al­les Geschehen in Gottes Hand liegt. Die nach innen gerichteten Vergewisserungen und Christus-Bekenntnisse in den neutesta mentlichen Texten sind als Variante jüdischer Tradition nicht im Gegensatz zu anderen jüdischen Traditionen zu lesen. Für die frühen Christus-Nachfolgenden waren sie eine Form jüdischer Theologie, in der sich Gottes Handeln bekundete. Da sich dieses Handeln aber vor allem durch seine Unabgeschlossenheit auszeichnet, ist genau diese Offenheit und Vieldeutigkeit Teil sowohl ihres Gottesverständnisses als auch ihres Christus-Verständnisses. Mit dieser Binnenorientierung entfällt somit die Notwendigkeit, Differenzen zwingend negativ zu besetzen. Eine herabwürdigende Distanzierung anderer um der eigenen Selbstvergewisserung willen erübrigt sich.

Ein Verständnis der Christus-Texte des Neuen Testamentes als Varianten jüdischer Tradition zur Zeit des Zweiten Tempels kann dazu beitragen, das christliche Selbstverständnis neu und frei von Antijudaismen zu formulieren. Die Offenheit und Vieldeutigkeit der auf Christus bezogenen Aussagen dient zudem als Memento, keine dieser Aussagen zu verabsolutieren, weder nach innen und schon gar nicht nach außen. Wenn diese Verstehensoptionen von Leben, Tod und Auferweckung Jesu Teil jüdischer Traditionen waren, dann sind auch die Differenzaussagen als Teil innerjüdischer Kontroversen zu verstehen. So geht es bei der »Heimholung« einer messianischen Deutung Jesu von Nazareth ins Judentum des 1. Jh.s heute auch nicht um die Nivellierung bestehender Unterschiede. Sie sind die Folge einer Geschichte, die sich über beinahe 2000 Jahre erstreckt. Doch über die im 1. Jh. von Juden formulierten Christus-Deutungen sind Christen bleibend mit dem heutigen Judentum verbunden. Ein christliches Selbstverständnis ist ohne diesen Bezug letztendlich nicht vorstellbar. Entscheidend ist dabei der wechselseitige Respekt vor dem bleibend Anderen. Er kann dazu beitragen, die negative Stereotypisierung jüdischer Traditionen im christlichen Selbstverständnis endgültig zu überwinden. Damit ist nicht einfach Gemeinsamkeit zwischen dem heute bestehenden Judentum und Christentum hergestellt. Die Differenz bleibt bestehen. Die Verortung des irdischen Jesus und des ge­glaubten Christus in den jüdischen Traditionen der Antike baut auch noch keine Brücke im jüdisch-christlichen Gespräch. Aber aus dem Zusammenspiel von Gemeinsamkeiten und Unterschieden entsteht ein Raum, in dem das jüdisch-christliche Gespräch nun auf Augenhöhe geführt werden kann.

Abstract


That Jesus was a Jew is widely acknowledged in New Testament scholarship and seems to provide common ground for Jewish-Christian relations. The controversial issue is considered to be constituted by the perception of this Jesus as the »Messiah/Christ«. Traditionally this conviction was considered as constituting the rift which led to the parting of the ways. With a number of aspects of perceptions of Christ in New Testament texts being found in no other Jewish texts, the conviction of Jesus as the Christ evidently was located outside Judaism. However, recent research demon-strates that the perceptions of messianic-eschatological scenarios in Second Temple Judaism was so diverse, that hardly any of these were identical with one another. It is thus not possible to establish a set pattern from which the perceptions found in New Testament texts would have deviated to an extent that they could have been considered to have moved outside Jewish traditions. The interpretations of Jesus as the Christ can thus be seen as variations of Jewish messianic-eschatological perceptions rather than as in opposition to these.

Fussnoten:

1) Rosemary Radford Ruether, Faith and Fratricide. The Theological Roots of Antisemitism, New York 1974; dt. Nächstenliebe und Brudermord. Die theologischen Wurzeln des Antisemitismus, München 1978.
2) Barbara Meyer, The Bible and its Interpretations, 2020, https://bibleinterp.arizona.edu/articles/jesus-jew-and-christianitys-indebtedness-judaism.
3) Wolfgang Stegemann, Jesus und seine Zeit, Stuttgart 2010; Gerd Theißen/ Annette Merz, Der historische Jesus. Ein Lehrbuch, Göttingen 42013.
4) Siehe dazu www.unilu.ch/forschung/aktivitaeten/fokus-forschung/seelisberg-als-wiege-des-religionen-dialogs/.
5) Vgl. Jens Schröter, Zur neueren Jesus-Forschung, ThLZ 139 (2014), 388–406.
6) So Schröter, Zur neueren Jesus-Forschung; Wolfgang Stegemann, Jesus und seine Zeit (s. Anm. 3), 153–382.
7) Christoph Markschies, Adolf von Harnack als Neutestamentler, in: K. Nowak/O. G. Oexle (Hgg.), Adolf von Harnack. Theologe, Historiker, Wissenschaftspolitiker (VMPIG 161), Göttingen 2001, 365–395.
8) Joseph Salvador, Jesus-Christ et sa doctrine, Paris 1838; dt. Das Leben Jesu und seine Lehre, Dresden 1841.
9) Abraham Geiger, Das Judentum und seine Geschichte, Breslau 1864, 159–175; dazu auch Susannah Heschel, Der jüdische Jesus und das Christentum. Abraham Geigers Herausforderung an die christliche Theologie, Berlin 2001.
10) Zuletzt Walter Homolka, Der Jude Jesus. Eine Heimholung, Freiburg i. Br. 2020.
11) Walter Homolka, Jewish Jesus Research and its Challenge to Christology Today, Leiden 2017, 106–111.
12) Albert Schweitzer, Geschichte der Leben Jesu-Forschung (darin: Die Lösung der konsequenten Eschatologie), Tübingen 1906, 327–395.
13) Martin Hengel, Judentum und Hellenismus. Studien zu ihrer Begegnung unter besonderer Berücksichtigung Palästinas bis zur Mitte des 2. Jh.s v. Chr. (WUNT 10), Tübingen 1969, 31988.
14) Ed P. Sanders, Paul and Palestinian Judaism, London 1977. Sanders beschreibt darin das Bild des Judentums in der neutestamentlichen Wissenschaft als eine Karikatur, die in keiner Weise dem jüdischen Selbstverständnis zur Zeit des Paulus entspricht. Vgl. ferner ders., Jesus and Judaism, Philadelphia 1985.
15) Zu diesem Ansatz siehe Mark D. Nanos/Magnus Zetterholm (Eds.), Paul within Judaism. Restoring the first century context to the Apostle, Minneapolis 2015; Kathy Ehrensperger, Die »Paul within Judaism«-Perspektive. Eine Übersicht, in: EvTh 80 (2020) 6, 455–464.
16) Entscheidend ist hierbei die institutionelle Gleichwertigkeit jüdischer, protestantischer und katholischer Theologie an den Universitäten im deutschsprachigen Raum. Jüdische Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen haben in der Regel Lehrstühle inne, die in christlich konfessionellen Fakultäten und Instituten oder in Philosophischen Fakultäten angesiedelt sind. Erst seit 2013 gibt es auch ein eigenständiges jüdisch-theologisches Institut. Siehe dazu Walter Homolka, Zur Institutionalisierung jüdischer Theologie an der deutschen Hochschule, in: Gerhard Krieger (Hgg.), Zur Zukunft der Theologie in Kirche, Universität und Gesellschaft, Freiburg i. Br. 2017, 267–285.
17) Siehe dazu im Detail Homolka, Jesus. Eine Heimholung (s. Anm. 10), 9–23.
18) Walter Homolka, Jewish Jesus Research. Catalyst for a Contemporary Christology?, in: Christian Danz/Kathy Ehrensperger/Walter Homolka (Hgg.), Christologie zwischen Judentum und Christentum. Jesus, der Jude aus Galiläa, und der christliche Erlöser, Tübingen 2020, 17–30.
19) Danz/Ehrensperger/Homolka (Hgg.), Christologie zwischen Judentum und Christentum (s. Anm. 18).
20) Adam H. Becker/Annette Yoshiko Reed (Eds.), The Ways That Never Parted. Jews and Christians in Late Antiquity and the Early Middle Ages (TSAJ 95), Tübingen 2007; Udo Schnelle, Die getrennten Wege von Römern, Juden und Chris­ten. Religionspolitik im 1. Jahrhundert, Tübingen 2019.
21) Daniel Boyarin, Borderlines. The Partition of Judeo-Christianity, Phi-ladelphia 2006; dt. Abgrenzungen. Die Aufspaltung des Judäo-Christentums (ANTZ 10), Leipzig 2012.
22) Siehe z. B. Jens Schröter, Neutestamentliche Wissenschaft jenseits des His-torismus. Neuere Entwicklungen in der Geschichtstheorie und ihre Bedeutung für die Exegese urchristlicher Schriften, in: ThLZ 128 (2003), 855–866.
23) Schröter, Jesus-Forschung, 3.
24) Siehe z. B. Jörg Frey, Continuity and Discontinuity between Jesus and Christ. The Possibility of an Implicit Christology, in: RCatT 36/1 (2011), 69–98.
25) Siehe dazu Kathy Ehrensperger, Paul at the Crossroads of Cultures, London u. a. 2013, 39–62.
26) John J. Collins, Messiahs in Context. Method in the Study of Messianism in the Dead Sea Scrolls, in: Annals for the New York Academy of Sciences 722 (1994), 213–227, hier: 222.
27) Siehe dazu auch Loren Stuckenbruck, Angels and God. Exploring the Limits of Early Jewish Monotheism, in: Loren Stuckenbruck/Wendy Noth (Eds.), Early Jewish and Christian Monotheism, London 2004, 45–70; Samuel Vollenweider, Zwischen Monotheismus und Engelchristologie, in: Ders., Horizonte neutestamentlicher Christologie. Studien zu Paulus und zur frühchristlichen Theologie (WUNT 144), Tübingen 2002, 3–27.
28) Zur Debatte zwischen Daniel Boyarin und Peter Schäfer bezüglich »Two Powers in Heaven« vgl. Daniel Boyarin, The Gospel of the Memra. Jewish Binitarianism and the Prologue to John, in: HTR 94/3 (2001), 243–284; Peter Schäfer, Zwei Götter im Himmel. Jüdische Gottesvorstellungen in der Antike, München 2017. Ein Vorläufer dieser Debatten war Alan Segal, Two Powers in Heaven. Early Rabbinic Reports about Christianity and Gnosticism, Leiden 1977.
29) Peter Schäfer, Diversity in Interaction. Messiahs in Early Judaism, in: Peter Schäfer/Mark R. Cohen (Eds.), Toward the Millenium. Messianic Expectations from the Bible to Waco, Leiden 1998, 15–35, hier: 35.
30) Martin Hengel, Jesus, der Messias Israels. Zum Streit über das »messianische Sendungsbewusstsein« Jesu, in: Messiah and Christos. Studies in the Jewish origins of Christianity (TSAJ 32), Tübingen 1992, 155–176; William Horbury, Messianism among Jews and Christians, London 2003; Richard A. Horsley, Messianic Figures and Movements in First-Century Palestine, in: James H. Charlesworth (Ed.), The Messiah. Developments in Earliest Judaism and Christianity, Minneapolis 1992, 276–295; John J. Collins/Adela Yarbro Collins, King and Messiah as Son of God, Grand Rapids, MI 2008.
31) Emil Schürer, Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi, Leipzig 1886–1889, 417–465; Joseph Klausner, Der jüdische Messias und der christliche Messias, Zürich 1943; Gershom Scholem, Zum Verständnis der messianischen Idee im Judentum, Zürich 1960.
32) Siehe dazu Matthew Novenson, The Grammar of Messianism, Oxford 2017, 35.
33) John J. Collins, Scepter and Star. The Messiahs of the Dead Sea Scrolls and Other Ancient Literature, New York 1995, 18.
34) Daniel Stökl Ben Ezra, Die Texte vom Toten Meer und das antike Judentum, Tübingen 2016, 239–266.
35) Kathy Ehrensperger, The Pauline ἐκκλησίαι and Images of Community in Enoch Traditions, in: Gabriele Boccacini/Carlos Segovia (Eds.), Paul the Jew: Rereading the Apostle as a Figure of Second Temple Judaism, Minneapolis 2016, 183–216; jetzt auch in: Dies., Searching Paul. Conversations with the Jewish Apostle to the Nations. Collected Essays (WUNT 429), Tübingen 2019, 111–136.
36) Novenson, Grammar (s. Anm. 32), 34–65.
37) Gerbern Oegema, Der Gesalbte und sein Volk. Untersuchungen zum Konzeptualisierungsprozess der messianischen Erwartungen von den Makkabäern bis Bar Koziba, Göttingen 1994.
38) Zu Philo siehe Katell Berthelot, Philo’s Perception of the Roman Empire, in: Journal for the Study of Judaism 42 (2011), 166–187.
39) Siehe Novenson, Grammar (s. Anm. 32), 11.
40) Siehe dazu die Arbeit und die Publikationen des von Gabriele Boccaccini initiierten Enoch-Seminars: Gabriele Boccaccini/Carlos A. Segovia (Hgg.), Paul, the Jew (s. Anm. 35); Loren T. Stuckenbruck/Gabriele Boccaccini (Hgg.), Enoch and the Synoptic Gospels. Reminiscence, Allusions, Intertexualtiy, Atlanta 2016; Jason M. Zurawski/Gabriele Boccaccini (Hgg.), Second Temple Jewish Paideia in Context, Berlin 2017; Benjamin E. Reynolds/Gabriele Boccaccini (Hgg.), Reading the Gospel of John’s Christology as Jewish Messianism. Royal, Prophetic, and Divine Messiahs, Leiden 2018.
41) Dazu Loren Stuckenbruck, Messianic Ideas in Apocalyptic and Related Literature of Early Judaism, in: Stanley Porter (Ed.), The Messiah in the Old and New Testaments, Grand Rapids, MI 2007, 90–113.
42) Larry Hurtado, One God, One Lord. Early Christian Devotion and Ancient Jewish Monotheism, Philadelphia 1988; ders., Lord Jesus Christ. Devotion to Jesus in Earliest Christianity, Grand Rapids 2003; ders., How on Earth Did Jesus Become a God?, Grand Rapids 2005.
43) Andrew Chester, High Christology – Whence, When and Why?, in: Early Christianity 2 (2011), 22–50. Siehe auch ders., Messiah and Exaltation. Jewish Messianic and Visionary Traditions and New Testament Christology (WUNT 207), Tübingen 2007.
44) Hurtado, One God, One Lord (s. Anm. 42), 100–114.
45) Maurice Casey, Lord Jesus Christ. A Response to Professor Hurtado, in: JSNT 27/1 (2004), 83–96. Casey ist zudem der Ansicht, dass auch die nichtjüdischen Adressaten der Paulus-Briefe den erhöhten Status Jesu als Hinweis auf seine Göttlichkeit verstanden hätten.
46) James D. G. Dunn, Did the First Christians Worship Jesus? The New Tes-tament Evidence, Louisville 2010, 33–37.
47) Paula Fredriksen, Mandatory Retirement. Ideas in the Study of Christian Origins Whose Time Has Come to Go, in: David B. Capes/April D. DeConick/ Helen K. Bond/Troy Miller (Eds.), Israel’s God and Rebecca’s Children, Waco, TX 2007, 25–38; dies., Christus und das Reich Gottes – oder Paulus, der Diasporajude und der christliche Erlöser, in: Danz/Ehrensperger/Homolka (Hgg.), Christologie zwischen Judentum und Christentum (s. Anm. 18), 81–107.
48) Adele Yarbro Collins, The Worship of Jesus and the Imperial Cult, in: Casey C. Newman/James R. Davila/Gladys S. Lewis (Eds.), The Jewish Roots of Chris-tological Monotheism. Papers from the St. Andrews Conference on the Historical Origins of the Worship of Jesus, Waco, TX 2017, 234–257.
49) John Scheid, Quand faire, c’est croire. Les rites sacrificiels des Romains, Paris 2005; dazu Stuckenbruck, der im Bezug auf die gottesdienstliche Verehrung von Engeln festhält, »… it becomes useful to distinguish between ›veneration‹ and ›worship‹, the former referring to honorific reverence, even praise towards an angel or angels in the language of the worshipping community, while ›worship‹ is organized in practice and expresses itself in sacrifice.« (in: Angels and God [s. Anm. 27], 69) Ähnlich weisen John J. und Adela Yarbro Collins darauf hin, dass Proskynese zwar eine gottesdienstliche Haltung ausdrücken kann, ebenso aber auch die Verehrung einer hohen menschlichen Autorität; siehe Adela Yarbro Collins/John J. Collins, King and Messiah as Son of God. Divine, Human, and Angelic Figures in Biblical and Related Literature, Grand Rapids 2008, 212.
50) Bruce Winter, Divine Honours for the Caesars. The First Christians Responses, Grand Rapids 2015; Laura J. Hunt, Jesus Caesar. A Roman Reading of the Johannine Trial Narrative (WUNT 2/506), Tübingen 2019.
51) So auch von Larry Hurtado, Lord Jesus Christ. Devotion to Jesus in Earliest Christianity, Grand Rapids 2003, 75–76.102–103; Martin Hengel, Der Sohn Gottes. Die Entstehung der Christologie und die jüdisch-hellenistische Religionsgeschichte, Tübingen 1975.
52) So eine ganze Reihe von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen wie Adela Yarbro Collins, Warren Carter, Mary Rose d’Angelo, Craig Evans, Jörg Frey, Helmut Koester, Peter Oakes, Angela Standhartinger, Samuel Vollenweider und viele andere mehr.
53) Vgl. dazu die Monographie von Michael Peppard, The Son of God in the Roman World. Divine Sonship in its Social and Political Context, Oxford 2011.
54) Albert Harrill, Paul the Apostle. His Life and Legitimacy in their Roman Context, Cambridge 2012, 88.
55) Siehe dazu die ausgezeichnete Analyse von Tessa Rajak, Translation and Survival. The Greek Bible of the Ancient Jewish Diaspora, Oxford 2009.
56) Dazu z. B. Peter Schäfer, Die Geburt des Judentums aus dem Geist des Christentums, Tübingen 2010.
57) Carlin Barton/Daniel Boyarin, Imagine No Religion. How Modern Abstractions Hide Ancient Realities, New York 2016.
58) Siehe dazu Ehrensperger, The Pauline ἐκκλησίαι (s. Anm. 35), 183–216; jetzt auch in: Dies., Searching Paul. Conversations with the Jewish Apostle to the Nations. Collected Essays (WUNT 429), Tübingen 2019, 111–136.
59) Siehe dazu auch Fredriksen, Christus und das Reich Gottes (s. Anm. 47), 81.