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Ausgabe:

Dezember/2020

Spalte:

1161–1176

Kategorie:

Aufsätze

Autor/Hrsg.:

Gabriele Metzner

Titel/Untertitel:

»Haus in der Zeit«1
Ein vorläufiger Blick auf die neue Ordnung gottesdienstlicher Texte und Lieder (OgTL 2018/19)


Einleitung



Für die Predigt am Sonntag, dem 1. September 2019, dem 11. Sonntag nach Trinitatis, wird in der Reihe I der OgTL 2018/19 Kapitel 23 des Hiobbuches vorgeschlagen, ein neuer Text, der sich bisher in noch keiner Ordnung gottesdienstlicher Texte und Lesungen be­fand. Welche Reaktionen löste er aus?
Die Pfarrerin einer kleinen Gemeinde in Thüringen schaut in die alte Ordnung der Predigttexte und wählt danach als Predigttext die vertrauten Worte der alten Reihe IV (Galater 2,16–21 – Gerechtigkeit allein aus Glauben). Ihre Begründung: Für die Beschäftigung mit dem Text aus dem Hiobbuch, für den es noch wenig Vorbereitungsliteratur gibt, bräuchte sie mehr Zeit2
Eine Gruppe von Pfarrerinnen und Pfarrern im Entsendungsdienst gestaltet eine Textcollage zu Abschnitten aus Hiob 23 (17 Verse). Im Gottesdienst wird außerdem eine junge Frau getauft. Durch die Form der Predigt wird es möglich, Bezüge zum Gedenktag des Kriegsbeginns vor 70 Jahren und zur Taufgesellschaft herzustellen.
Ein Pfarrer aus Berlin predigt über einen Vers (Hiob 23,13): »Doch er hat’s beschlossen, wer will ihm wehren? Und er macht’s, wie er will.« Der Prediger entscheidet sich, den Kontext, in dem der Vers steht, zu vernachlässigen.
Ein Vikar nutzt den Predigttext, um die Gemeinde exegetisch in das Hiobbuch einzuführen. Er begründet seine Entscheidung mit dem Hinweis, dass Texte aus dem Hiobbuch in der neuen Ordnung häufiger vorkommen und er der Gemeinde Hilfestellung zum Verständnis geben muss.
Eine Pfarrerin in Halle schaut bei der Vorbereitung auf den Gottesdienst in den Teil III der OgTL 2018/19 und bedient sich aus gegebenem Anlass (1.9. – Erinnerung an den Beginn des 2. Weltkriegs) aus dem Themenfeld »Frieden«. Sie predigt über einen der dort vorgeschlagenen Texte (Epheser 2,11–22 »Er ist unser Friede«) und gestaltet den Gottesdienst liturgisch als Friedensgebet.
Genau 40 Jahre nach dem Erscheinen der letzten, groß angelegten Neuordnung gottesdienstlicher Texte und Lieder am 1. Advent 1978 (Ordnung der Lese- und Predigttexte – OLP 1978) wurde am 1. Advent 2018 in der Schlosskirche der Lutherstadt Wittenberg die neue Ordnung gottesdienstlicher Texte und Lieder (OgTL) eingeführt. Diese Neuordnung betrifft allerdings nicht nur die alttestamentliche Lesung, die Epistel, das Evangelium und weitere Predigttexte, sondern auch den Wochenspruch, den Wochenpsalm, das Wochenlied und den Hallelujavers. Ihr geht ein langer Prozess verschiedener Entwürfe seit 1978 voraus, die entweder verworfen, mehr oder weniger ignoriert oder weiterentwickelt wurden.
So gilt wohl auch hier, was der legendäre Fußballtrainer Sepp Herberger 1964 bemerkte: »Nach dem Spiel ist vor dem Spiel«. Perikopenordnungen haben ihre Zeit – und ihre Haltbarkeitsdauer war, geschichtlich gesehen, zuweilen erstaunlich kurz. Darum stellt sich die Frage nach dem Standpunkt, von dem aus der Blick auf die neue Ordnung erfolgt. Nach dem Spiel – das hieße, die Ergebnisse zu sichern und den Gebrauch empirisch und hermeneutisch zu reflektieren und zu analysieren. Vor dem Spiel – richtet den Blick schon auf die nächste Revision und arbeitet mit den Ergebnissen weiter.
Für beide points of view ist es heute noch zu früh. Ein Kirchenjahr mit der neuen Ordnung ist gerade mal vorbei, so dass gegenwärtig lediglich die ersten Erfahrungen in den sozialen Netzwerken und der Predigtliteratur zu finden sind. Eine Aufgabe der nächsten Jahre wäre es, diese und weitere Erfahrungen systematisch auszuwerten.
Darum soll es – nach einem kurzen Einblick in geschichtliche und praktisch-theologische Zusammenhänge – an dieser Stelle wesentlich um einen Spielbericht gehen, eine Reportage der Neuordnung gottesdienstlicher Texte und Lieder, die nach dem Spiel – also mit der Neuordnung 1978 – begann und mit der Einführung 2018 endete. Erste Erfahrungen mit der neuen Ordnung werden einfließen.

I Voraussetzungen der Neuordnung

1. Grundsätzliche Überlegungen


Die 40 Jahre, in denen die Ordnung der Lesungen und Predigttexte von 1978 Gültigkeit hatte, waren keine Wüstenzeit. Im Blick auf die vorgeschlagenen Predigttexte und Lesungen wurden diese, das er­gab eine empirische Studie der Universität Leipzig,3 sogar als sinnvoll und hilfreich für die Gottesdienst- und Predigtpraxis angesehen. 96 % der Befragten hielten eine solche Ordnung generell für sinnvoll (71 % auf jeden Fall sinnvoll; 25 % eher sinnvoll), über 80 % unterstützten die geltende sechsreihige Ordnung, nur 9 % der Befragten wünschten sich eine umfassende Überarbeitung.4 Etwa zwei Drittel der Befragten sprachen sich für einen Veränderungsbedarf »mit Augenmaß« aus,5 der sich besonders auf die Epistelreihe und die Vermehrung von alttestamentlichen Texten bezog. Der Veränderungswille lag unter den drei befragten Gruppen (Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker, Prädikantinnen und Prädikanten, Pfarrerinnen und Pfarrer) bei den Pfarrerinnen und Pfarrern am höchsten6 und zeigte sich insgesamt in der Bremischen Evangelischen Kirche und der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz am stärksten7
Die Frage, ob es überhaupt wieder eine Ordnung geben sollte, stand allerdings bei den Mitgliedern der Liturgischen Konferenz nicht auf der Agenda, ganz im Unterschied zu älteren homile-tischen Lehrbüchern, in denen die freie Wahl eines Predigttextes noch eingehend besprochen wurde.8 Das Thema findet sich dagegen in der jüngeren Fachliteratur, vor allem nach 1958,9 nur am Rande oder gar nicht.
Wiederbelebt hat die Alternative einer freien Textwahl allerdings der Münsteraner Praktische Theologe Christian Grethlein.10 Er stellt die Diskussion um die Revision der OLP von 1978 in den Kontext umfassenderer, kirchentheoretischer Überlegungen und kritisiert einerseits den Sonderweg der Evangelischen Kirche in Deutschland, die bei ihrem sechsreihigen Leseplan bleiben wolle und sich (wie 1978) nicht an der katholischen Ordo lectionum missae (OLM) von 1969 orientiere, die auch in vielen US-amerikanischen Kirchen und auch international von lutherischen Kirchen rezipiert wurde. Andererseits kritisiert er die »obrigkeitlich«11 bestimmte, einseitig historisch ausgerichtete12 Textauswahl, die sich einer le­bensweltlichen Anknüpfung weitgehend verschließe. Er plädiert deshalb zunächst für eine sorgfältige »Analyse des kirchlichen, po­litischen, kulturellen, gesellschaftlichen und theologischen Kontextes […] innerhalb dessen in heutigen Gottesdiensten aus der Bi­bel gelesen wird.«13 Er schlägt vor – ähnlich der Revision von Lehrplänen an Schulen –, Pfarrkonvente einer Region zu beauf-tragen, die Auswahl der Lesungstexte für eine bestimmte Zeit zu erarbeiten. Das bedeute einerseits eine Abwendung von zentralis-tischen Entscheidungsmustern, andererseits die inhaltliche Profilierung des Pfarrberufs.14 Dieser Prozess hätte gleichzeitig Auswirkungen auf die Kirchenreform, denn Pfarrerinnen und Pfarrer müssten für die Auswahl der Texte »in engem Kontext zu den Menschen ihrer Umgebung stehen, also ihre Sorgen und Hoffnungen kennen.«15
Nun schließt dieses Vorgehen noch keine freie Textauswahl jedes Predigers, jeder Predigerin ein, denn auch solche Predigttext- und Lesepläne – wozu es auch bei der Anknüpfung an die (nur) dreireihige Ordnung der OLM käme – wären Ergebnisse eines Konsenses. Doch das Anliegen, Evangelium mit biblischen Texten zu kommunizieren, die eine Relevanz haben für Menschen einer Region, in der die Texte mehr als die bisher vorgesehenen zu ihnen sprechen, macht Christian Grethlein hier zu Recht stark. Deshalb wird zuzeigen sein, inwiefern diese Aspekte bei der Erarbeitung der OgTL 2018 eine Rolle gespielt haben und auch berücksichtigt wurden.

2. Alt und doch neu


Die Frage, ob eine Ordnung von vorgegebenen Lesetexten eine alte oder eine neue Sache ist, kann doppelt beantwortet werden: Alt ist sie, anknüpfend an die Praxis der Tora-Lesung in der Synagoge. Denn es gab von Anfang an Lesungen im christlichen Gottesdienst, wahrscheinlich als lectio continua, bis zum Beginn des Gottesdienstes.16 Die Sonntage waren noch nicht durch verordnete Lesungen geprägt. Erst allmählich, wahrscheinlich mit Beginn des sich herausbildenden Osterfestes im 3. Jh. und etwas später des Weihnachtsfestes, wurden dazu Lesungen aus dem Neuen Testament gewählt. Die ersten Listen mit Epistel- und Evangelientexten begegnen im 5., dann im 7. Jh. Sie entwickelten sich weitgehend unabhängig voneinander. Es bildeten sich eine Evangelien- und eine Epistelreihe heraus, deren Texte (abgesehen von den hohen Festen) jedoch nicht aufeinander bezogen waren. Diese hat über die Jahrhunderte, die Evangelienreihe im deutschen landeskirchlichen Bereich bis heute (!), im katholischen Bereich bis zum 2. Vatikanischen Konzil, den Lese- und Predigtkanon bestimmt. Martin Luther nutzte diese Ordnung nun nicht nur für die Lesungen, sondern entnahm ihr den Predigttext. Er sah den Nutzen von Perikopenordnungen u. a. darin, zu verhindern, dass »eyn iglicher predigen wird was er will, und an stat des Euangelii und seyner auslegunge widderumb von blaw endten gepredigt wird«17, und er wollte damit auch Schwärmern und Sektierern wehren. Neben der Reihe von Texten zu den Sonn- und Festtagen gab es daneben in den Wochengottesdiensten Reihenpredigten über ganze biblische Bücher und über Texte des Katechismus.
Zu Luthers Zeiten, als sonntags in der Früh über die Epistel, am Vormittag über das Evangelium und am Nachmittag über einen alttestamentlichen Text gepredigt wurde, war eine Vielfalt der Texte für den Prediger gegeben. Auch mit dem Rückgang der Tagzeitengebete blieb die Tradition, im Hauptgottesdienst über das Evangelium zu predigen, noch lange erhalten. Die Sonntage erhielten durch das Evangelium ihre Prägung. Das durch die Reformation angestoßene Interesse an Texten für die Predigt führte erst allmählich dazu, dass entsprechende Ordnungen entstanden. In der Zeit des Pietismus und der Aufklärung standen allerdings die freie Textauswahl oder regional beschränkte Textlisten im Vordergrund der Predigtvorbereitung.
Erst die Zeit der Restauration ließ den Wunsch nach einer allgemein gültigen Ordnung wachsen. Das hatte einerseits kirchenpolitische Gründe, war die Eisenacher Kirchenkonferenz doch im Jahr 1852 dazu einberufen worden, den Protestantismus in Deutschland zu stärken und zu einen. Doch auch die bisherige Beschränkung auf nur zwei Textreihen für die Predigt wurde zunehmend als Problem empfunden. Die erste Perikopenordnung von 1896, verabschiedet auf der Eisenacher Kirchenkonferenz (1890/1896), brachte den Prozess von Vorschlägen und Empfehlungen zu einem Ab­schluss und eine kirchenoffizielle Ordnung hervor, die von den meisten deutschen Landeskirchen übernommen wurde.18 Sie bestand aus fünf Reihen – der altkirchlichen Evangelien- und Epistelreihe, zwei weiteren Reihen aus Evangelien und Episteln und einer alttestamentlichen Reihe.
Erstaunlich neu, also gerade einmal 124 Jahre alt, sind demnach Perikopenordnungen im heutigen Sinn. Darum ist die Frage be­rechtigt, welchen Nutzen die evangelische Kirche – namentlich die Evangelische Kirche in Deutschland mit ihren Gemeinden19 – von einer Perikopenordnung hat:
Ohne die Frage bis ins Letzte beantworten zu wollen, spricht zu­nächst einmal für eine Perikopenordnung, dass Texte und Lieder konstitutiv für die Gottesdienste einer Gemeinde sind. Abfolge und Auswahl von Texten und Liedern geben ihnen eine Struktur, damit Menschen im »Haus in der Zeit« wohnen können. Dadurch erlebt die Gemeinde Jesu Christi den Jahreslauf in der Beziehung zum Herrn der Kirche und durch eine gültige Ordnung in allen landeskirchlichen Gemeinden verbunden mit Menschen in anderen Regionen Deutschlands. Die Kriterien für die ausgewählten ( perikopein – ausschneiden) und zusammengestellten (ordnen) Texte und Lieder liegen somit auf verschiedenen Ebenen. Sie sind historischer Natur, unterliegen theologischen und hermeneutischen Entscheidungen, haben Anteil an liturgischen und homiletischen Erkenntnissen der Gegenwart und berücksichtigen damit auch pastoraltheologische und kybernetische Überlegungen. Gesellschaftliche Themen spielen ebenso eine Rolle wie Phänomene der Gegenwartskultur. Diese vielschichtigen Auswahlprozesse der Texte und Lieder sind das Ergebnis vieler Beratungsprozesse, die allesamt das Ziel haben, die feiernde Gemeinde im Glauben zu stärken. Insofern liegt in den Konsultationsprozessen allein schon der Wert einer Ordnung, die verantwortungsvoll mit dem biblischen Zeugnis und den Gemeinden und der Gestaltung ihrer Gottesdienste umgeht.

II Stationen auf dem Weg zur Neuordnung 2018

1. Eine verbindliche Ordnung


Die Perikopenordnung der Eisenacher Kirchenkonferenz von 1896 erwies sich als erstaunlich haltbar.20 Vor allem bedingt durch die beiden Weltkriege und den Kirchenkampf dauerte die Neuordnung der gottesdienstlichen Texte bis in die 1950er Jahre. Inzwischen waren den Fest- und Feiertagen, beeinflusst und inspiriert u. a. durch die Berneuchener Bewegung,21 ein Thema mit Wochenspruch, Wo­chen­psalm und Wochenlied zugeordnet worden. Die 1958 erarbeitete Neuordnung mit nun schon sechs Reihen wurde durch die Revision 1978 ersetzt.22 Als wichtigstes Kriterium der Revision galt, innerhalb der Texte eines Sonntags Kohärenz und Konsonanz zu erzeugen. So schärfte die Revision der Reihen von 1978 einzelne Proprien und nahm auch größere Eingriffe in die Evangelien- und Epistelreihe vor. Aus den Reihen III bis VI wurde ein Text aus dem Alten Testament23 zum festen Lesungstext für den Gottesdienst ausgewählt.
Neben den kirchenoffiziellen Verlautbarungen nach 1978 gab es zahlreiche Vorschläge bzw. Ergänzungen zur geltenden Ordnung, die zum Teil in den Revisionsprozess eingeflossen sind. Einerseits handelte es sich dabei um alternative Perikopenordnungen, andererseits um konkrete Einzelvorschläge oder Predigtreihen, die die geltende Ordnung ergänzen bzw. profilieren sollten:

2. Die Aufnahme von Continua-Texten (1985)


Die alte Tradition der Bahnlesung aufnehmend schlägt Klaus-Peter Jörns24 vor, die Continua-Texte der 1978er Ordnung, die neben den regulären sechs Reihen standen, in den Predigtplan mit aufzunehmen. Er rät, diese wichtigen Texte aus dem Hiob- und Jonabuch aus ihrem Schattendasein herauszuführen. Sein Plädoyer fand nun einen späten Niederschlag in der neuen Perikopenordnung 2018. Kam bisher nur ein Text in der regulären Ordnung vor, finden sich nun an fünf Sonntagen Lesungs- bzw. Predigttexte aus dem Hiobbuch; aus dem Jonabuch sind es statt einem Text nun drei Ab­schnitte und der Vorschlag, daraus eine Predigtreihe zu gestalten (1. bis 3. Sonntag nach Trinitatis).

3. Das Thema der Geschlechtergerechtigkeit (1995)


Unter dem Eindruck, dass die geltende Perikopenordnung die Lebenswirklichkeit von Frauen und Männern und das Thema der Geschlechtergerechtigkeit zu wenig aufnimmt, stellten Sabine Ahrens, Ulrike Eichler und Martina Gerlach aus der Westfälischen Kirche eine Alternativreihe vor.25 Die Eingangsartikel kritisieren das Gewicht der Tradition und Restauration im Blick auf bisherige Versuche, »für alle Gemeinden und GottesdienstbesucherInnen zu sprechen« und auf diesem Hintergrund Ordnungen zu schaffen.26 Der Entwurf wurde – wenigstens zur Hälfte (1. Sonntag der Passionszeit bis 6. Sonntag nach Trinitatis) – von der Kirchenleitung der Westfälischen Kirche den Gemeinden als Alternativreihe empfohlen. Interessanterweise stehen darin 38 Texte aus dem Alten Testament 24 Texten aus dem Neuen Testament gegenüber. Zudem finden sich in zwei Kirchenjahreszeiten Textvorschläge zu Reihenpredigten über Abschnitte aus den Büchern Ester27 und Ruth.
Das Thema der Geschlechtergerechtigkeit spielte auch in der Revisionsarbeit eine gewichtige Rolle. Insgesamt sieben Texte der Westfälischen Ordnung aus dem Alten Testament haben es als neue Texte auch in die OgTL (2018) geschafft, wenn auch an kirchenjahreszeitlich anderen Orten. Um zwei Beispiele zu nennen: Die Geschichte von der unerwarteten Verheißung an Hagar (1Mose 16,1–16) wird in diesem Entwurf für den Sonntag Judika gewählt, in der OgTL (2018) ist sie (neuer) Predigttext am Sonntag Misericordias Domini. Sprüche 8,22–31 (die Weisheit spielt vor Gott) wird als Text für Pfingstsonntag vorgeschlagen, das neue Lektionar sieht ihn für den Sonntag Jubilate (Reihe I) vor.

4. Der Revisionsvorschlag der LLK von 1995


Im selben Jahr (1995) nahm die damalige Lutherische Liturgische Konferenz (LLK)28 eine Revision29 vor, weil »Auswahl, Abgrenzungen und Einordnungen vieler Perikopen in zahlreichen Zuschriften an unsere Konferenz und in homiletischen Veröffentlichungen angefragt wurden.«30 Außerdem, so heißt es im Vorwort, vermissten die Rezipientinnen und Rezipienten wichtige biblische Texte und hielten andere für entbehrlich. Bis 1997 gingen dazu Stellungnahmen aus den Gemeinden ein. Aufgrund anderer Projekte kam der Prozess nicht in Gang und der Vorschlag verschwand in der Schublade. Denn zu dieser Zeit wurde ein Evangelisches Gottesdienstbuch (1999) vorbereitet, nachdem gerade erst das neue Evangelische Gesangbuch (je nach Landeskirche 1993–96) eingeführt worden war. Die Abstimmung mit einer neuen Perikopenordnung zu synchronisieren, erschien als ein Unterfangen, das nicht geleistet werden konnte.
Allerdings gab es mit der Einführung des Gottesdienstbuches doch einige wenige Veränderungen der Ordnung von 1978: für den Sonntag vom Verlorenen (3. Sonntag nach Trinitatis), den Israelsonntag, den Erntedanktag und den Vorletzten Sonntag des Kirchenjahres.31 Viele der Kriterien, die bei der Revisionsarbeit ab 2010 maßgeblich waren, spielten hier schon eine Rolle:32

– Bisher unterrepräsentierte Texte der biblischen Überlieferung sollten Eingang finden, Häufungen, Dubletten und Überschneidungen vermieden werden.

– Der Anteil alttestamentlicher Texte sollte wesentlich erhöht werden.

– Biblische Texte, die die Geschlechtergerechtigkeit und die Glaubenswelt von Männern und Frauen thematisieren, sollten verstärkt vorkommen.

– Auch die Frage der Durchmischung der Reihen, die für die OgTL (2018) entschieden wurde, spielte schon eine Rolle. Besonders sollte die als schwierig empfundene Epistelreihe aufgelöst werden.

– Gedacht wurde auch schon an die Nachjustierung des Kirchenjahres. Zum Beispiel beinhaltete der Vorschlag, die Trinitatiszeit in Sonntage nach Trinitatis, nach Johannis und nach Michaelis aufzuteilen – korrespondierend zum natürlichen Jahreskreis, der sich in das späte Frühjahr bzw. den Vorsommer, die Sommerzeit und den Herbst gliedert. Dieser Vorschlag wurde in der OgTL nicht umgesetzt.

Im Rückblick bot dieser gescheiterte Versuch einer Neuordnung die Möglichkeit, über Grundfragen einer neuen Perikopenordnung weiter nachzudenken:33

– Sollte die evangelische Kirche in einer Art »deutschen Provinzialität« an den altkirchlichen Perikopenreihen festhalten und damit den ökumenischen Anschluss an den Gebrauch der Texte im Gottesdienst in der katholischen Kirche und der innerevangelischen Ökumene verlieren oder sollte sie die Bewahrung der altkirchlichen Evangelienreihe und den Textreichtum, der sich aus sechs Reihen ergibt, als den höheren Wert ansehen?

– Soll das Evangelium Rector der Texte und Lieder bleiben oder gibt es alternative Zugänge zur Profilierung eines Sonntagspropriums?

– Wie lässt sich die Anzahl von Texten aus dem Alten Testament erhöhen, ohne dass Einseitigkeiten bestimmter theologischer Aussagen entstehen?

– Welche Kriterien zur Abgrenzung eines Textes sind anzulegen (perikopein)?

– Welche Auswirkungen hätte eine Mischung der sechs Reihen?

– Wie stehen die kirchliche Zeitordnung und die lebensweltlich empfundenen und begangenen Feierzeiten zueinander? Inwiefern sollen sie einander entsprechen oder ergänzen?

5. Aufbrüche in Kirchenjahr und Liturgik –

ein kritischer Blick auf die Perikopenordnung (2003/2004)


Mehrere Beiträge in den Veröffentlichungen der »Arbeitsstelle Gottesdienst« der Jahrgänge 2003 und 200434 setzten sich kritisch mit Fragen der OPL (1978) auseinander und stellten »Probebohrungen«35 an einzelnen, herausgehobenen Orten des Kirchenjahres an: Gerade an den gesellschaftlich stärker wahrgenommenen Fest- und Erinnerungszeiten des Kirchenjahres werden Spannungen zwischen den kirchenjahreszeitlich geprägten und theologisch reflektierten Proprien zu den jahreszeitlich bestimmten Erwartungen der Menschen deutlich. Aufgegriffen wurden Texte und Bräuche im Umfeld von Halloween, Allerseelen und Totensonntag (Christian Trappe),36 die Frage der Profilierung des letzten Sonntags im Kirchenjahr (Bettina Naumann),37 die Spannungen, die in der Weihnachtszeit (Matthias Morgenroth)38 und in der Liturgie des Jahreswechsels (Kristian Fechtner) aufbrechen.39 Lydia Laucht beschreibt ihr – auch biographisch beeinflusstes – Unwohlsein beim Gebrauch der Passionstexte im Frühling.40 Hier wünscht sie sich, ergänzende Texte, die die Sehnsucht von Frauen und Männern nach der Begegnung mit Gott thematisieren, aufzunehmen.
Wie wäre es, Aspekte des Halloweenbrauchs in den kirchlichen Festkalender zu integrieren und gleichzeitig das Gedenken der Verstorbenen zu profilieren?41 Aus einer anderen Perspektive, aber ähnlich fokussiert auf ein Totengedenken, wäre die Vorrangstellung des Propriums vom »Gedenktag der Entschlafenen«42 vor dem »Ewigkeitssonntag« denkbar. Dafür sprächen Ergebnisse einer Umfrage bei sächsischen Pfarrerinnen und Pfarrern, die das Gedächtnis der Toten als den inhaltlichen Schwerpunkt am letzten Sonntag des Kirchenjahrs setzen. Darüber hinaus böte sich auch die Möglichkeit, an die Erwartungen der Konfessionslosen anzuknüpfen.
Ähnlich ließe sich die Auswahl der Texte am Heiligabend und zum Jahreswechsel lebensweltlich besser verknüpfen. So sei das Evangelium für den Silvesterabend im Revisionsvorschlag von 1995 mit seiner gegenwartsbezogenen Ausrichtung43 eine gute Alternative zum noch gültigen Evangelium (Lukas 12,35–40) mit seinem apokalyptischen Hintergrund.
Namhafte praktische Theologen entwickelten weitreichende Prognosen, wenn etwa Karl-Heinrich Bieritz mutmaßt, dass »bei einer kommenden Reform radikale Lösungen« anstehen.44 Er kritisiert vor allem den Gebrauch von »Eintagsfliegen« angesichts heutiger Gottesdienstteilnahme, die als wöchentliche eben nicht mehr vorauszusetzen ist, und wünscht sich ein »Elementares Kirchenjahr«.45 Roman Roessler, damaliger Herausgeber der Predigtstudien, ermutigt zu einem Probelauf eines neuen Perikopenplans. Vier Reihen hält er dabei für ausreichend, um die wirklich predikablen Texte in den Vordergrund zu rücken. Psalmen sollten im Predigtplan nicht fehlen und sehr häufig vorkommende Texte, z. B. aus dem Hebräerbrief, oder einen Teil der neutestamentlichen Wundergeschichten verdrängen. Außerdem wäre ein thematisch orientierter, an den Themen der Menschen ausgerichteter Textplan hilfreich für Predigerinnen und Prediger.46

6. Die ganze Bibel zu Wort kommen lassen (2009)


Die Konferenz Landeskirchlicher Arbeitskreise Christen und Juden (KLAK) veröffentlichte 2009 ein neues Perikopenmodell mit dem Anspruch, Die ganze Bibel zu Wort kommen (zu) lassen.47 Es wirkte in dieser Zeit auch insofern sensationell, als es sich einerseits anschlussfähig an die gültige Ordnung zeigte, zum anderen den Anteil alttestamentlicher Texte so sehr erhöhte, dass diese nun gegenüber den Texten des Neuen Testaments in der Überzahl waren. Dieser große Wurf brachte die Diskussion um das Gefüge des Propriums eines Sonntags und hinsichtlich der gewünschten Anreicherung mit alttestamentlichen Texten weit voran. Die neue Ordnung sollte der Perikopenordnung von 1978 an die Seite gestellt werden. Jedem Sonn- und Feiertag wurde neben Evangelium und Epistel ein Text der Tora, der Propheten und der Schriften zugeordnet. Der Umfang der einzelnen Perikopen war weit gefasst mit der Empfehlung, für die Predigt Textabschnitte auszuwählen. Dahinter stand das Anliegen, den Zusammenhang in den Blick zu nehmen.48 Die theologische Arbeit am Gottesdienst sollte auch dadurch gefördert werden, dass Predigerin und Prediger nun nicht mehr einem vorgegebenen Leseplan für den Gottesdienst folgen, sondern die Lesungen aus den fünf Teilen von der Predigtlesung her erarbeiten.
Die Frage, welche Texte als Lesungstexte einem Sonntag ihr Profil verleihen, stellte die Evangelien- und Epistelreihe auf den Prüfstand. Es konnte somit auch geschehen, dass zwei oder drei alttestamentliche Texte im Gottesdienst gelesen werden. Am Beispiel des Sonntags Trinitatis49 wird deutlich, wie tiefgreifend die hermeneutischen Überlegungen die Textauswahl beeinflussten: Der oft trinitarisch beanspruchte Text Jesaja 6 (Thronvision) wurde zugunsten des monotheistischen Textes Jesaja 44,1–8(9–20) auf den 14. Sonntag nach Trinitatis verschoben (der offene Himmel). Der Aaronitische Segen (Numeri 6,22–27) rückte zugunsten des Schma Jisrael (Deuteronomium 6,4–9) auf den 4. Sonntag nach Epiphanias und machte damit einem Text Platz, der die Einheit Gottes betont. Bemerkenswerterweise haben es beide Änderungen nicht in die Perikopenrevision von 2018 geschafft.
Zurückhaltender zeigte sich die Arbeitsgruppe hinsichtlich der Reihenordnung. Variante 1 hieß, in der jeweiligen Reihe der OLP (1978) zu bleiben und in einem Kirchenjahr nur über Toratexte oder wiederum über Episteltexte zu predigen. Variante 2 sah ein rotierendes Prinzip vor, bei dem von Sonntag zu Sonntag die Textbereiche wechselten.50

7. Gottesdienst von Monat zu Monat (2009)


Zur gleichen Zeit, in der das Modell der KLAK erschien, stellte die Liturgische Konferenz der EKD 2009 (ganz im Sinne von Karl-Heinrich Bieritz, s. o. unter 2.e) ein Projekt der Elementarisierung gottesdienstlicher Texte und Lieder für Gemeinden vor, die sich im Monatsrhythmus zu Gottesdiensten treffen. Gottesdienst von Mo­nat zu Monat – Elementares Kirchenjahr versammelt Kerntexte und -lieder, die sich auf kirchen- und jahreszeitliche Themen beziehen. Jede Festzeit (Weihnachtszeit, Passion und Ostern und Pfingsten) und jeder Monat weist drei Motive bzw. Themen auf, denen Texte (jeweils Altes Testament, Epistel, Evangelium) und Lieder zugeordnet sind. Ausgangspunkt ist die Frage, wie Menschen in Gemeinden die Abfolge der Proprien erleben, wenn in der jeweiligen Kirche nur einmal pro Monat Gottesdienst ist. Auch für Gottesdienste in Krankenhäusern, Schulen oder Alteneinrichtungen sollte sich dieser Versuch bewähren, um »quantitativ zu verdichten, ohne dabei qualitativ an Substanz zu verlieren.«51

III Die Neuordnung der Texte und Lieder –

Perikopenrevision mit Maß und

Problembewusstsein52


Die oben erwähnte empirische Studie des Leipziger Liturgiewissenschaftlichen Instituts mit seinem damaligen Leiter Wolfgang Ratzmann, die in Zusammenarbeit mit der Abteilung Religions- und Kirchensoziologie der Universität Leipzig unter der Federführung von Gert Pickel53 erarbeitet wurde, darf als eines der Startsignale und als Wegweiser für die Neuordnung der Texte und Lieder bezeichnet werden. Eine moderate Revision sollte es werden. Das kann als wesentliches Ergebnis der wissenschaftlichen Fachtagung vom 30. April bis zum 2. Mai 2010 mit 75 Mitgliedern aus dem wissenschaftlichen und kirchenleitenden Bereich bezeichnet werden. Ein Prozess sollte in Gang kommen, der sich einem interessierten Publikum öffnet und zunächst auf ein Probelektionar hinarbeitet. Mit den Rückmeldungen zu dessen Gebrauch wäre dann die neue Ordnung zu erarbeiten. Prozessbegleitend veröffentlichte die Li­turgische Konferenz54 Beiträge zu ausgewählten Themen der Neuordnung, berichtete aus den Ausschüssen und reflektierte erste Erfahrungsberichte. Die kirchliche Öffentlichkeit konnte Anteil nehmen und sich informieren. Zwei Probelektionare für die Ad­vents- und Trinitatiszeit (2012 und 2013) und der Erprobungsband von 2014 für das gesamte Kirchenjahr ermöglichten eine rege Beteiligung durch die Gemeinden.55
»Maßvolle Revision« hieß das Leitwort, das über dem 2010 eingeläuteten Prozess stand und die Erarbeitung der nun geltenden Ordnung bestimmte.56 Maßvoll, das hieß, die alte Ordnung sollte wiedererkennbar sein. Es blieb also bei sechs Reihen und drei Lesereihen. 82 % aller Texte der Ordnung von 1978 kommen 2018, wenn auch an zum Teil anderer Stelle, wieder vor. Michael Meyer-Blanck stellt in seinem Schlussplädoyer der Wuppertaler Tagung (2010) die grundlegenden und praktischen Aufgaben vor:57 Neben anderen wichtigen Aspekten für die weitere Arbeit entgegnete er der von manchen Seiten geäußerten Kritik, die Texte seien zuweilen für die Gemeinde schwer verdaulich und führten Predigerinnen und Prediger zu hermeneutischen Verrenkungen.58 Auch fremd erscheinende Texte, so betont er, hätten die Chance, durch die Predigt erschlossen zu werden und ihr Potential zu zeigen.59
Der umfangreiche Erprobungsband wurde 2014 an die Gemeinden gegeben.60 Da er – wie schon die Probehefte zur Advents- und Trinitatiszeit (2012/13) – online gestellt wurde und das Zentrum für evangelische Predigtkultur der EKD in Wittenberg Predigthilfen für neue Texte zur Verfügung stellte,61 wurden der interessierten Öffentlichkeit leicht zugängliche Beteiligungsmöglichkeiten geboten. Welchen Stellenwert die Transparenz beim Prozess der Neuordnung der Texte und Lieder hatte, zeigte sich auch in der übersichtlichen und umsichtigen Darstellung der einzelnen Proprien. In den evangelischen Gemeinden und in der Aus-, Fort- und Weiterbildung kam so ein Prozess in Gang, der Lust darauf machte, sich mit den Proprien der einzelnen Sonn- und Feiertage auseinanderzusetzen. Folgende Neuerungen gab es:

– Die Zahl der alttestamentlichen Texte wurde von etwas weniger als einem Fünftel auf ein Drittel erhöht.

– Biblische Bücher, Textgattungen und Themen wurden in größerer Breite ausgewählt, lehrhafte Texte verringert und die Häufung einseitiger theologischer Themen minimiert. Narrative Texte, die in Kunst und Literatur oder auch im Religionsunterricht eine Rolle spielen, bekamen breiteren Raum. Das lässt sich besonders an der Erweiterung der Hiobtexte beobachten, aber auch an der Aufnahme von biblischen Erzählungen wie dem Kampf Jakobs am Jabbok (1Mose 32,23–32, Reihe V) am Sonntag Quasimodogeniti oder der Rettung Moses (2Mose 2,1–10, Reihe VI) am Christfest I.

– Eine wesentliche Neuerung stellte der Vorschlag der Durchmischung der Reihen dar, um einer »Eintönigkeit«62 innerhalb eines Predigtjahres entgegenzuwirken.

– Psalmen sind im Unterschied zur vorigen Ordnung nun auch Predigttexte. Das wurde im Vorfeld der »moderaten Revision« durchaus kontrovers diskutiert. In einem Kommentar zur Ordnung von 1958 heißt es, dass Psalmen aufgrund ihres »komplexen Inhalts« nur selten für die Predigt taugen. Es sei aber »im höchsten Grade wünschenswert«, dass über Psalmverse gepredigt werde.63 Der Erprobungsband schlägt nun sieben Proprien vor,64 in denen der Psalm des Sonntags auch einer der Predigttexte ist. Für diese Entscheidung spricht auf jeden Fall, dass Psalmverse ohnehin schon Teil des Gottesdienstes sind. Sie erscheinen nach der Ordnung des Evangelischen Gottesdienstbuchs im Eingangsteil (1999), im Liturgischen Kalender des Evangelischen Gesangbuchs (1993) und sind im Lektionar abgedruckt.65 Für den Gebrauch von Psalmtexten in der Predigt spricht ihre Relevanz in der Kasual- und Seelsorgepraxis der Gemeinde. Als generationenübergreifende Zeugnisse der persönlichen Frömmigkeit sind sie vielfach angeeignet und memorierbar und werden nun an besonders geprägten Fest- und Gedenktagen in die Predigtreihe aufgenommen.66

– In keinen Bereich der Ordnung von 1978 wurde so stark eingegriffen wie in den der Wochenlieder.67 Sie hatten, trotz einiger Änderungen der ursprünglichen Liste, ihren Schwerpunkt im Liedgut des Reformationsjahrhunderts und des konfessionellen Zeitalters (16./17. Jh.). Sie prägten und prägen bis heute das gottesdienstliche und gemeindliche Leben, die Kasualien und die Kirchentage, die Seelsorge und die Ökumene. Sie haben sich zum Kulturgut entwickelt, das von den Menschen in Auswahl genutzt und geschätzt wird. Dennoch wird mit ihnen – im Unterschied zu den Texten eines Sonntags – freier umgegangen. Sei es, dass sie nach Meinung der Verantwortlichen für den Gottesdienst als schwer singbar eingeschätzt, sei es, dass sie aus theologischen Gründen für problematisch gehalten werden. Mit der Einführung des neuen Gesangbuchs in den Landeskirchen ab 1993 und den regionalen Ergänzungsbänden68 wurde deutlich, dass die Praxis des Gemeindesingens mehr neuere Lieder kannte, als im Stammteil des Evangelischen Gesangbuchs aufgeführt waren. Da mit dem Plan für das neue Perikopenbuch (2018) auch schon die Revision des Evangelischen Gesangbuchs und des Gottesdienstbuchs in den Blick kam, war der Veränderungsbedarf bei den Wochenliedern umso größer. Viele alte, selten gesungene Lieder sind verschwunden. Die konzeptionellen Grundentscheidungen im Probeentwurf legten fest, dass bekannte, gern gesungene Lieder den Vorzug erhalten sollten. An kaum einer Frage der Revision, so ein Prozessbeobachter, waren die Emotionen so stark wie bei der, welche Lieder zum »Klangraum« des Gottesdienstes gehören sollten.69 In etwa einem Drittel sind nun Lieder aus der zweiten Hälfte des 20. und der ersten Hälfte des 21. Jh.s vertreten. Jeder Sonntag hat zwei gleichrangige Wochenlieder zur Auswahl. In der Regel ist eines davon ein neueres.70 Beachtenswert ist auch die hohe Anzahl an Liedern in der von der Arbeitsgemeinschaft für ökumenisches Liedgut erarbeiteten Fassung.

– Der Weihnachtsfestkreis erhält durch den 2.2. (Lichtmess) einen Abschluss, so dass es immer einen 1. bis 3. Sonntag nach Epiphanias geben wird. Abhängig vom Ostertermin wird dies zu mehr oder weniger Sonntagen vor der Passionszeit führen.71

– Im Teil II (Fest- und Gedenktage) sind weitere hinzugekommen: der Tag der Maria Magdalena (22.7.), der Tag der Enthauptung Johannes des Täufers (29.8.), der Martinstag (11.11.), der Nikolaustag (6.12.), der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus (27.1.) und der Gedenktag der Novemberpogrome (9.11.).

– Eine neue Reihe »Themenfelder« (Teil III) trug dem Wunsch nach einer lebensweltlich verankerten Textsammlung Rechnung. Den darin enthaltenen neun (Erprobungsband 2014) bzw. fünfzehn (OgTL 2018) Themenfeldern wurden biblische Texte zugeordnet.72

– Die »architektonische« Metapher des »Textraums«73 wird durch den an die Musik angelehnten Begriff des »Klangraums« erweitert. Jeder Text soll so dem »Klangbild eines Sonn- oder Feiertags einen weiteren Akzent verleihen können.74 Ob wegen dieser Metaphorik die Änderungen am Sonntag Kantate am weitesten reichen? Gleich drei neue Texte bestimmen das Proprium: Das bisherige Evangelium75 (Heilandsruf, Matthäus 11,25–30) wird Predigttext am 2. Sonntag nach Trinitatis und durch die »jubelnden Jüngern und schreienden Steinen« (Lukas 19,37–40) ersetzt. Statt des Danklieds der Erlösten (Jesaja 12,1–6, jetzt 14. Sonntag nach Trinitatis) wird Davids Harfenspiel (1Samuel 16,14–23) zur alttestamentlichen Lesung. In Reihe II tritt mit 2Chronik 5,2–5(6–11)12.14 ein neuer Text auf. Neben dem bisherigen Wochenlied (EG 302 Du, meine Seele, singe) wird als zweites »Ich sing dir mein Lied« vorgeschlagen.

IV Erste Erfahrungen


Dass es sich tatsächlich um eine moderate Revision handelte, merkten vor allem diejenigen, die sich nun aktiv mit dem »Entwurf zur Erprobung« (2014) auseinandersetzten. Wer beispielsweise die Reihe IV erprobte, stieß erst am Letzten Sonntag nach Epiphanias (1.2.2015) mit 2Mose 34,29–35 auf einen »neuen« Text, der bis dahin Marginaltext76 war. Der nächste neue Vorschlag tauchte erst am Sonntag Kantate mit 2Chronik 5,2–5(6–9)10(11)12.14 auf. Zu Trinitatis war mit Johannes 14,7–14 ein Text vorgeschlagen, der mit anderem Zuschnitt (1–13) bis dahin zum Tag der Apostel Philippus und Jakobus des Jüngeren (3.5.) gehörte und daher eher selten gepredigt wurde.
Die schon in der OLP (1978) unter den Continua-Texten vorgeschlagene Jona-Reihe wurde nun in den Entwurf integriert, so dass in der Reihe IV an drei Sonntagen hintereinander die Texte Jona 1(–2), Jona 3 und Jona 4 gepredigt werden konnten. Zwei weitere Texte standen den Predigerinnen und Predigern als »Neuerscheinungen« in Reihe IV noch zur Verfügung: einmal Hebräer 13,1–6 am 7.  Sonntag nach Trinitatis und Markus 8,1–9 am Erntedankfest.77 Auch wenn der Anteil der »neuen« Texte78 beispielsweise in den Erprobungsreihen II und III etwas höher lag,79 zeigt der Befund doch, wie behutsam in den vorliegenden Bestand eingegriffen wurde.
Beeindruckende neue Texte stammen vor allem aus dem Alten Testament. Hier besonders zu nennen ist am Sonntag Jubilate der Textvorschlag in der Reihe III aus Sprüche 8,22–36, der sowohl mit der alttestamentlichen Lesung (1Mose 1,1–4a[4b–25]26–28[29–30] 31a[31b]; 2,1–4a) als auch der Epistel (Apostelgeschichte 17,22–34) einen Klangraum erzeugt. Mit 1Mose 32,23–32 am Sonntag Quasimodogeniti (Reihe I) steht endlich wieder ein Text im Programm, der 1978 aus den regulären Reihen entfernt und zum Marginaltext geworden war. Für diesen Text, wie für viele andere, vor allem narrative und schöpfungstheologische Texte des Alten Testaments, gilt, dass sehr viele frömmigkeits- und kulturprägende Perikopen begegnen (z. B. die Rettung des Mose, die Königin von Saba, Belsazars Gastmahl, Davids Spiel auf der Leier vor Saul)80, die bisher in den Marginaltexten verschwunden waren.
Interessant ist der Blick auf die Auswahl der apokryphen Texte. Offensichtlich sollte der Versuch unternommen werden, apokryphe Texte in einer gewissen Breite einzufügen, waren doch zwölf apokryphe Texte in den Erprobungsband gelangt und fünf zu den »Weiteren Texten«. Als einziger apokrypher Text hat es nun Jesus Sirach 35,16–22a am Sonntag Rogate in Reihe III81 der OgTL (2018) geschafft, alle anderen82 finden sich nun wieder unter den »Weiteren Texten«.83
Die letzten Zeilen dieses Ausblicks fallen in die Zeit zwischen dem 4. und 5. Sonntag der Passionszeit 2020, mitten hinein in die Zeit der Corona-Krise, in der soziale Abstinenz zur höchsten Form der Zuwendung wird. Kirchliches Leben, Gottesdienste und An­dachten finden medial im Fernsehen oder Radio oder digital im Internet statt.
Für welche Texte und Lieder entscheiden sich die Gemeinden und ihre Predigerinnen und Prediger? Ein Pfarrer des Kirchenkreises Wittenberg stellt eine Andacht zu einem in diesen Tagen häufig zitierten Bibelvers (Römer 12,12: Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet) zur Verfügung.84 Ein an­derer konzipiert eine Hausandacht für den Sonntag Judika und nimmt das Evangelium des Sonntags (Markus 10,35–45) als Grundlage seiner Predigtgedanken. Ein weiterer Kollege wählt für sein Gottesdienstvideo das Proprium für Judika und stellt erstaunliche Bezüge zum vorgeschriebenen Predigttext Hebräer 13,12–14 her. Im Rahmen des ökumenischen Fernsehgottesdienstes in Berlin, der aufgrund der Corona-Krise im rbb85 ausgestrahlt wird, predigt der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz Christian Stäblein über die Geschichte von der Auferweckung des Lazarus (Johannes 11). Ob er in den Teil III des Perikopenbuchs86 (anlassbezogene Texte) geschaut hat? Dort finden sich unter der Rubrik Leben/Lebenslauf Texte zum biblischen Verständnis von Gesundheit und Krankheit,87 Unter dem Thema Schöpfung sind biblische Texte zur Erfahrung im Chaos und bei Katastrophen gesammelt.
In das »Haus in der Zeit«88 sollen Menschen eintreten, sich zu Hause fühlen und den frischen Anstrich, andere Zimmereinteilung und neues Material entdecken. Dafür ist in den nächsten Jahrzehnten Zeit.

Abstract


On 1st Advent 2018 the new order of worship texts and hymns for the Evangelical Church in Germany was officially introduced in the Wittenberg Castle Church. It replaces the previous order of reading and sermon texts from 1978 and is the result of an exten-sive consultation process of experts and interested lay people lasting almost ten years. The article sheds light on the process of a – accord-ing to its own understanding – moderate revision. Changes have been made primarily by enriching the six reading and sermon series with Old Testament texts, so that now almost one third of the texts are from the Old Testament; previously it was only just over one sixth. The mixture of biblical texts in the series takes up a frequently expressed criticism of the old order, which referred to a certain monotony when in a church year only the epistle text (series II) or only the gospel (series I) was to be preached. Most changes were made to the plan of the weekly hymns, which now usually contains a hymn from the end of the 20 th or the beginning of the 21st century.

Fussnoten:

1) Dieses Bild verwendet Karl-Heinrich Bieritz für die »Ausgestaltung« des Kirchenjahrs. Karl Heinrich Bieritz, Ein Haus in der Zeit, Kirchenjahr und weltliches Jahr, in: Ders., Zeichen setzen, Beiträge zu Gottesdienst und Predigt, Stuttgart u. a. 1995, 177–187.
2) Ähnlich beschreibt Pfarrer Markus Wächter seine Vorbereitung auf den 1. Sonntag nach dem Christfest am 29.12.2019 (Reihe II) zu Hiob 42,1–6 im Deutschen Pfarrerblatt (Predigtimpulse, 11/2019, 632): »Denn welcher Gemeindepfarrer hat in den Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr Zeit und Kraft, diesen tiefgründigen Text zu bearbeiten? Nach meiner Meinung sollte diese Perikope auf einen anderen Sonntag im Kirchenjahr gelegt werden.«
3) Empirische Studie zur Perikopenordnung, Abschlussbericht, epd-Dokumentation Nr. 44, Frankfurt am Main 2010.
4) A. a. O., 39.43.
5) A. a. O., 43.
6) A. a. O., 44.
7) A. a. O., 45.
8) Wolfgang Trillhaas, Evangelische Predigtlehre, München 1935. In seiner Einführung in die Predigtlehre (Darmstadt 21980) tritt er noch stärker als in seiner Predigtlehre für die freie Textwahl ein. Otto Haendler, Die Predigt, Berlin 21949; Karl Barth, Homiletik, Zürich 1966; Dietrich Bonhoeffer, Finkenwalder Homiletik 1935–1939, in: Ders.: Gesammelte Schriften 4, hrsg. v. Eberhard Bethge, München 1961, 237–289.
9) 1958 erschien ein gegenüber der Ordnung der Eisenacher Kirchenkonferenz 1896 weithin akzeptiertes, sechsreihiges Perikopenmodell.
10) Christian Grethlein, Was gilt in der Kirche? Perikopenrevision als Beitrag zur Kirchenreform, Leipzig 2013.
11) A. a. O., 150.
12) A. a. O., 56.
13) Ebd.
14) A. a. O., 158.
15) A. a. O., 159.
16) Vgl. ausführlich u. a. bei Wilfried Engemann, Einführung in die Homiletik, Tübingen/Basel 2011 (2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage), 336–342, und Karl-Heinrich Bieritz, in: Perikopenordnung in der Diskussion, Arbeitsstelle Gottesdienst 2-2014, 4–25.
17) Martin Luther, Deutsche Messe von 1526, in: Weimarer Ausgabe 19, 95.
18) Diese Ordnung wurde in den einzelnen Landeskirchen ergänzt oder auch verändert.
19) In Freikirchlichen Gemeinden ist die freie Textwahl üblich.
20) Auch heute gibt es noch freie Gemeinden, die sie verwenden (z. B. die Evangelisch-Lutherische Brüdergemeinde in Alzey).
21) Diese nach dem 1. Weltkrieg gegründete (1922) geistliche Erneuerungsbewegung strebte eine Reform der Kirche durch Liturgie sowie seelsorgliche und geistliche Begleitung an.
22) Reihe I: Evangelien; Reihe II: Epistel; Reihe III und V: Evangelien und alttestamentliche Texte; Reihe IV und VI: Episteln und alttestamentliche Texte.
23) Häufig gab es nur einen alttestamentlichen Text in den Reihen I–VI.
24) Klaus-Peter Jörns, Predigtmeditationen zu Continuatexten: Markuspassion – Hiob – Jona, Göttinger Predigtmeditationen, Beiheft 1, Göttingen 1985.
25) »Und schuf sie als Mann und Frau.« Eine Perikopenreihe zu den Lebenswirklichkeiten von Frauen und Männern für die Sonn- und Feiertage des Kirchenjahres, hrsg. v. Sabine Ahrens, Ulrike Eichler und Martina Gerlach, Gütersloh 1995.
26) A. a. O., 23.
27) Texte aus dem Buch Ester fanden weder 1978 noch 2018 Eingang in die Ordnung.
28) Sie wurde 2001 in die Liturgische Konferenz (LK) umbenannt.
29) Ordnung der Lesungen und Predigttexte, Revisionsvorschlag 1995, 2 Bände, Hannover 1995.
30) A. a. O., Band 1, 2.
31) Vgl. Christian Trappe, Der Reformversuch von 1995, in: Auf dem Weg zur Perikopenrevision. Dokumentation einer wissenschaftlichen Fachtagung, hrsg. v. Kirchenamt der EKD, Amt der UEK, Amt der VELKD, Hannover 2010, 143–151: 144.
32) Ordnung (Anm. 29), Band 1, 4–6.
33) Vgl. die Kritik aus dem Stellungnahmeverfahren. Christian Trappe, Der Reformversuch (Anm. 31), 146–148.
34) Informations- und Korrespondenzblatt der Gemeinsamen Arbeitsstelle für gottesdienstliche Fragen der EKD (GAGF, Hrsg.), Lutz Friedrichs (Redakteur), Heft 03/2003 (Aufbrüche in Kirchenjahr und Liturgik) und Heft 02/2004 (Perikopenordnung in der Diskussion).
35) Aufbrüche (Anm. 34), 03/2003, 3.
36) Aufbrüche (Anm. 34), 03/2003, 38–44.
37) Tod oder Ewigkeit, in: Aufbrüche (Anm. 34), 03/2003, 45–50.
38) Wir Christkinder, in: Aufbrüche (Anm. 34), 03/2003, 51–55.
39) »Der du die Zeit in Händen hast«, in: Aufbrüche (Anm. 34), 03/2003, 56–62.
40) Passion im Frühling mit Leidens-Perikopen, in: Aufbrüche (Anm. 34), 03/2003, 63–66.
41) Aufbrüche (Anm. 34), 44.
42) In der Ordnung von 1978 nur in Teil III (Besondere Tage und Anlässe), versehen mit dem Hinweis in Teil I, dass der Gedenktag der Verstorbenen im Früh-,Predigt- oder Vespergottesdienst oder am Vortag (wo es üblich ist) begangen werden kann.
43) Lukas 12,22–32 (Jesu Rede vom falschen und rechten Sorgen), Aufbrüche (Anm. 34), 61 f.
44) Karl-Heinrich Bieritz, Auf dass die Stimme Gottes nicht verstumme, in: Heft 02/2004 (Perikopenordnung in der Diskussion, Anm. 34), 4–25: 24.
45) Vgl. unter 2.g).
46) Roman Roessler, Was lange währt …, in: Heft 02/2004 (Perikopenordnung in der Diskussion, Anm. 34), 57–63: 60–63.
47) Die ganze Bibel zu Wort kommen lassen. Ein neues Perikopenmodell. Zeitschrift für Kirche und Judentum, Jahrgang 92, Sonderheft 2, Hannover 2009.
48) A. a. O., 3.
49) A. a. O., 49.
50) Ebd.
51) Gottesdienst von Monat zu Monat. Elementares Kirchenjahr, Hannover 2009, Einführung, 1. Auch digital unter www.liturgische-konferenz.de/ download/Elementares_Kirchenjahr.
52) Titel des Vortrags und Aufsatzes von Michael-Meyer Blanck, Eindrücke aus der Schlussdiskussion, in: Auf dem Weg (Anm. 31), 283–294.
53) Vgl. Anm. 3 und Gert Pickel/Wolfgang Ratzmann, Gesagt wird – Eine empirische Studie zur Rezeption der gottesdienstlichen Lesungen, in: Auf dem Weg (Anm. 31), 95–109.
54) Zeitschrift der Liturgischen Konferenz für Gottesdienst, Musik und Kunst, 1-2012; 2-2015; 2-2017; 2-2018, Hannover.
55) Enthalten waren entsprechende Rückmeldebögen.
56) Vgl. dazu auch die diesen Ansatz unterstützenden Beiträge von Hans-Joachim Eckstein, Geschrieben steht – Biblisch-theologische und exegetische Gesichtspunkte für eine Reform der Lese- und Predigtperikopen, in: Auf dem Weg (Anm. 31), 45–76, und von Alexander Deeg, Gehört wird – Homiletische und liturgische Gesichtspunkte für eine Reform der Lese- und Predigtperikopen, in: Auf dem Weg (Anm. 31), 77–94.
57) Ders., 289–294. ((Worauf bezieht sich das? Auf Deeg?))
58) Vgl. z. B. Roman Roessler, Gravamina gegen die geltende Ordnung der Predigttexte, in: Auf dem Weg (Anm. 31), 135–142; Martin Dutzmann/Karlheinz Potthoff, Der vorgeschlagene Predigttext, in: Perikopenordnung in der Diskussion (Anm. 34), 53–56.
59) Vgl. hierzu den Eröffnungsvortrag von Ulrich H. J. Körtner, Gegeben und bezeugt – Systematisch-theologische und rezeptionsästhetische Gesichtspunkte für eine Reform der Lese- und Predigtperikopen, in: Auf dem Weg (Anm. 31), 15–43: 41: »Gegenüber den biblischen Texten gibt es unterschiedliche Abwehrstrategien, die keineswegs ein Indiz für die Antiquiertheit oder Obsoletheit der Texte sind, sondern für unsere Abwehrhaltung gegenüber der Wahrheit ihrer Botschaft, die doch der Welt eine Torheit und ein Skandalon ist und bleibt.« Birgit Weyel erweitert diesen Gedanken aus homiletischer Sicht: Predigten würden nicht besser, wenn die Texte vermeintlich lebensnäher und anschaulicher sind. Denn Lebensnähe und Anschaulichkeit zu erzeugen sei die hermeneutische Aufgabe des Predigers, der Predigerin. Birgit Weyel, Statement einer Prozessbeobachterin, in: Auf dem Weg (Anm. 31), 275–278.
60) Hrsg. im Auftrag der Kirchenämter von EKD, UEK und VELKD, Hannover 2014 (632 Seiten).
61) www.stichwortp.de.
62) Entwurf zur Erprobung (Anm. 60), 15.
63) A. a. O., Ausschuss Umfeld der Perikopen, Psalmen im Gottesdienst, in: Perikopenreform, Empfehlungen aus der Liturgischen Konferenz, Liturgie und Kultur, 45–49: 46 f.
64) Psalm 24 war auch schon als Predigttext für das Probelektionar in der Adventszeit (2012) enthalten.
65) Aufgrund ihrer Herkunft stimmen sie nicht immer überein und führen dann zur Verwirrung. Es gibt sie als die alten Introitus-Psalmen, als eigene Psalmenreihe der Perikopenordnung von 1958, als revidierte Reihe von 1978, die sich im Evangelischen Gesangbuch (1993) unter Nr. 954 wiederfindet.
66) Z. B. 1. Advent – Psalm 24; Totensonntag – Psalm 90,1–14(15–17), Ewigkeitssonntag – Psalm 126; Aschermittwoch – Psalm 51,1–14(15–21), Reformationstag – Psalm 46; Ostersonntag – Psalm 118.
67) Vgl. ausführlicher zur Herkunft von Wochenlied und Wochenspruch: Irene Mildenberger, Eine kleine Geschichte des Wochenspruchs, in: Liturgie und Kultur, Zeitschrift der Liturgischen Konferenz für Gottesdienst, Musik und Kunst, Hannover 1/2012, 50–54; Stephan Goldschmidt, Singende Kirche, in: Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie, 57. Band, Göttingen 2018, 179–201: 181 f.
68) »Singt von Hoffnung« (2013, Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens); »Singt Jubilate« (2012, Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz); »Kommt, atmet auf« (2011, Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern) u. a.
69) Vgl. Stephan Goldschmidt, Singende Kirche (Anm. 67), 181.
70) Für die 32 Lieder, die nicht im Stammteil des EG stehen, gibt es ein Extraheft. Der Probeentwurf von 2014 sah an manchen Sonntagen noch drei Wochenliedvorschläge vor, in der OgTL sind es nun pro Sonn- und Feiertag zwei.
71) Diese nehmen die Proprien der bisherigen Sonntage nach Epiphanias auf.
72) Bisher orientierten sich die Themen im Teil III an einem Anlass. Um die Rezeption der Themenfelder zu erweitern, gehen bisherige Anlässe in Themenfelder auf (zur Begründung vgl. Alexander Deeg, Neue Speisen am Tisch des Wortes, in: Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie, 57. Band, Göttingen 2018, 11–40: 37). Ganz neu eingefügt sind die Themenbereiche Bildung, Liebe/Leben in Beziehungen, Leben/Lebenslauf. Inspirierend sind die umfänglichen Textsammlungen der Bibel. Leider sind den Themenfeldern, im Unterschied zum Teil II, keine Lieder an die Seite gestellt.
73) Vgl. Michael Meyer-Blanck, Perikopenrevision mit Maß und Problembewusstsein, in: Auf dem Weg (Anm. 31), 291.
74) Entwurf zur Erprobung (Anm. 60), 22. Vgl. auch die Erläuterungen dazu in: Alexander Deeg/Andreas Schüle, Die neuen alttestamentlichen Perikopentexte, Exegetische und homiletisch-liturgische Zugänge, Leipzig 2018, 47 f.
75) Nur an neun Sonn- und Festtagen sieht die neue Ordnung eine Änderung des Evangeliums vor: An den Weihnachtstagen werden sie untereinander getauscht (Christnacht Lukas 2 statt Matthäus 1; Christfest I hat Johannes 1 statt Lukas 2, Christfest II hat Matthäus 1 statt Johannes 1). 3. Advent wechselt von Matthäus 11,2–6(7–10) zu Lukas 1,67–79; 4. Advent von Lukas 1,(39–45)46–55(56) zu Lukas 1,26–38(39–56); Altjahresabend von Lukas 12,35–40 zu Matthäus 13,24–30; Reminiscere von Markus 12,1–12 zu Johannes 3,14–21; Kantate von Matthäus 11,25–30 zu Lukas 19,37–40; Exaudi von Johannes 15,26–16,4 zu Johannes 16,5–15; Pfingstmontag von Matthäus 16,13–19 zu Johannes 20,19–23; 24. Sonntag nach Trinitatis von Matthäus 9,18–26 zu Markus 1,21–28.
76) Statt der Marginaltexte gibt es nun für die Sonn- und Feiertage jeweils »Weitere Predigttexte außerhalb der Predigtreihen«.
77) Die Geschichte von der Speisung der 4000 sollte das bisherige Evangelium des Erntedankfests Lukas 12 (13–14)15–21 (alternativ Matthäus 6,25–34) ablösen und hat dies in der OgTL (2018) auch geschafft. Sie steht nun in Reihe II.
78) Gemeint sind damit alle Texte, die in der OLP von 1978, Teil I, noch nicht oder im Bereich der Marginaltexte vorkamen.
79) Jeweils zwölf neue Texte.
80) A. a. O., Ausschuss Alttestamentliche Texte, Überlegungen und Empfehlungen zur Perikopenrevision, in: Perikopenreform (Anm. 63), 1-2012, 7–23: 16.
81) Als Alternative dazu ist Daniel 9,4–5.16–19 aufgeführt.
82) Drei Texte aus apokrypher Weisheit, zwei Texte aus dem Buch Tobit, acht weitere Texte aus Jesus Sirach. Jesus Sirach 36,13–19 war in der OLP (1978) zweiter Predigttext in der Reihe IV neben Jesaja 62,6–12 am 10. Sonntag nach Trinitatis.
83) Immerhin gab es in der OLP (1978) 24 apokryphe Marginaltexte.
84) Aus dem Predigttext der Reihe I zum 2. Sonntag nach Epiphanias.
85) Rundfunk Berlin Brandenburg, 29.3.2020, Kirche Maria Regina Martyrum.
86) Das Perikopenbuch, Hannover 2018, Einführung, XXVIII.
87) A. a. O., 732.
88) S. Titel dieses Aufsatzes.