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Ausgabe:

November/2020

Spalte:

1125–1127

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Knapp, Damaris

Titel/Untertitel:

… weil von einem selber weiß man ja schon die Meinung. Die metakognitive Dimension beim Theologisieren mit Kindern.

Verlag:

Göttingen: V & R Unipress 2018. 362 S. m. 21. Abb. = Arbeiten zur Religionspädagogik, 68. Geb. EUR 50,00. ISBN 978-3-8471-0869-6.

Rezensent:

Friedrich Schweitzer

Diese von Petra Freudenberger-Lötz betreute Kasseler Dissertation ist mit der Frage nach Metakognitionen einem Thema gewidmet, das in der Religionsdidaktik – im Unterschied zu anderen Fachdidaktiken und der Pädagogischen Psychologie – noch wenig Aufmerksamkeit gefunden hat. Mit Metakognitionen sind im didaktischen Bereich solche Reflexionsprozesse gemeint, die sich auf das (eigene) Lernen sowie auf die Steuerung des Lernens durch den Lernenden selbst beziehen. Sie werden heute deshalb als besonders wichtig angesehen, weil sie das Lernen optimieren und die Selbständigkeit von Kindern und Jugendlichen stärken können.
Die elf Kapitel des Buches von Damaris Knapp lassen sich un­schwer im Sinne von zwei Hauptteilen verstehen: Die ersten fünf Kapitel beschreiben einen Rahmen im Sinne des Verständnisses von Unterricht im Horizont des Theologisierens mit Kindern und des Konstruktivismus, die übrigen sechs Kapitel beziehen sich auf eine qualitativ-empirische Untersuchung, bei der die Frage nach Metakognitionen im Zentrum steht. Im Umfang sind die beiden Hauptteile mit jeweils gut 150 Seiten in etwa gleich lang.
In der Einleitung (13–22) wird in das Forschungsinteresse der Vfn. eingeführt. Den Auftakt bildet die Feststellung: »Wenn Kinder über ihr Lernen nachdenken, kommt dabei ihre je eigene Sicht darauf zum Ausdruck.« (13) Darauf werde in der Religionsdidaktik noch zu wenig geachtet, was insofern nachteilig sei, als Kinder auch gemäß Bildungsplan »Verantwortung für ihr eigenes Lernen« übernehmen sollen, was wiederum voraussetze, »dass Kinder selbst über ihr Lernen Bescheid wissen, es beobachten, einschätzen, beurteilen und schließlich kontrollieren können« (14). Deshalb will die Vfn. in ihrer empirischen Studie prüfen, was Kinder in dieser Hinsicht »mitbringen«. Darüber hinaus soll geklärt werden, »was das Theologisieren zur Förderung reflexiver und metakognitiver Fä­higkeiten beitragen kann« (15). Konkretisiert wird dies durch vier Leitfragen, die sich darauf beziehen, wie Kinder von ihrem »Lernen und Können« sprechen, wie sie sich ihr Lernen erklären, welche kognitiven Strategien dabei in ihrer Sicht eine Rolle spielen und was sich daraus als Aufgabe für das Theologisieren mit Kindern ergibt (20 f.).
Die drei daran anschließenden Kapitel beschreiben dann das von der Vfn. vertretene Verständnis des Theologisierens mit Kindern im Sinne eines didaktischen Ansatzes (23–56), den lerntheoretisch-konstruktivistischen Horizont, in dem sie ihr Verständnis verortet (57–114), sowie die Bedeutung von »Kommunikation als Grundlage für Verstehen und Verständigung« (115–138). Diese Ka­pitel dienen einer Zusammenfassung der entsprechenden Diskussionen sowie zugleich einer weiterführenden Begründung der These, dass Kinder nicht nur selbständig über religiöse Inhalte oder Themen reflektieren können – was ja die Grundthese aller Kindertheologie ist –, sondern dass sie auch imstande sind, über ihre eigenen Lernprozesse nachzudenken (49). Weiterführend sind auch die Hinweise auf die Bedeutung der Lerngruppe und damit des sozialen Zusammenhangs, in dem sich entsprechende Lernprozesse im Sinne des Theologisierens jeweils vollziehen (130 ff.).
Eigene Akzente setzt dann vor allem das Kapitel »Perspektiven auf das Lernen von Kindern« (139–168), besonders dort, wo es um die Selbststeuerung des Lernens geht (149 ff.) und damit schließlich auch um das zentrale Thema der »metakognitiven Dimension des Lernens« (154 ff.). Allerdings – und für dieses Buch dann doch überraschend – wird hier nur sehr knapp auf die inzwischen recht breite Diskussion über Metakognitionen und Didaktik in anderen Disziplinen eingegangen. Es bleibt bei einigen Hinweisen auf die entsprechende Diskussion vor allem in der Pädagogischen Psychologie. Es wäre durchaus spannend gewesen, zu erfahren, was hier in anderen Fachdidaktiken derzeit diskutiert wird, und zu prüfen, was daraus für die Religionsdidaktik vielleicht zu lernen wäre.
Der zweite Teil des Buches dient dann der Darstellung des eigenen Forschungsprojekts. Durchgeführt wurden Einzelinterviews, Kreisgespräche und Gruppendiskussionen (197 ff.), wobei das Setting bewusst unterrichtsnah gehalten wurde (den Rahmen bildete eine Unterrichtseinheit zum Thema Trinität, Klasse vier Grundschule, bei der insbesondere mit einer Lernlandschaft gearbeitet wurde (216). Die Auswertung erfolgte mit der Grounded Theory (vgl. 227 ff.).
Als zentrales Ergebnis wird beschrieben, wie Kinder ihr Lernen in »zwei Spannungsfeldern« verorten: »1. Lernen im Spannungsfeld zwischen dem eigenen Handeln/Tun und dem darauf bezogenen Denken/Konstruieren«; »2. Lernen in der Auseinandersetzung mit sich selbst und mit anderen« (248). Den Kindern – so zeigen diese Befunde eindrücklich – kann also durchaus bewusst werden, wie wichtig sowohl das eigene Tun (für die Kinder: besonders im Unterschied zu Lesen und Schreiben), aber auch der Austausch mit anderen ihr Lernen unterstützen. Auf diese Bedeutung des Austausches mit anderen verweist auch der Buchtitel (die eigene Meinung kenne man ja schon). Die Vfn. verschweigt auch nicht, dass ihre Untersuchung aufgrund ihrer Anlage nicht zu Erkenntnissen im Blick auf die regulierende Funktion von Metakognitionen führt bzw. führen kann (301). Hier liegt eine Grenze dieser Untersuchung, die gerade im Blick auf die Bedeutung von Metakognitionen beachtet werden muss.
Im letzten Kapitel wird dann ausführlich auch über mögliche Konsequenzen für den Religionsunterricht reflektiert (303–336). Hervorgehoben wird hier vor allem die Notwendigkeit, Kinder auch etwa beim Theologisieren stärker zur Reflexion auf ihre eigenen Lernprozesse zu ermutigen. Umgekehrt wird gezeigt, wie gerade dieser religionsdidaktische Ansatz das Nachdenken über das eigene Lernen unterstützen kann.
Insgesamt beeindruckt diese gut lesbare Arbeit durch eine sorgfältige Darstellungsweise und einen stringenten Aufbau. Das Hauptverdienst kann darin gesehen werden, ein Bewusstsein für die Bedeutung der Reflexion auf eigene Lernprozesse auch schon im Kindesalter geweckt zu haben. Insofern verdient diese Arbeit Be­achtung in Forschung und Praxis gleichermaßen.
Zwei Grenzen der Arbeit sind freilich ebenfalls auch am Ende noch einmal zu nennen: Es leuchtet nicht ohne Weiteres ein, dass sich die Vfn. so stark auf die religionsdidaktische Diskussion be­grenzt, wenn ihr Thema – die Metakognitionen – doch in benachbarten Disziplinen, sei es die Pädagogische Psychologie oder seien es andere Fachdidaktiken – derzeit große Aufmerksamkeit findet. Die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachdidaktiken (auch im Sinne der sogenannten Allgemeinen Fachdidaktik) wird gerade in der Gegenwart sonst stark geschätzt.
Die Pointe der Aufmerksamkeit auf Metakognitionen im Religionsunterricht liegt am Ende genau dort, wo die Anlage der vorliegenden Untersuchung noch nicht hinreicht, nämlich bei der (Selbst-)Regulation des Lernens im Sinne des Erwerbs von Strategien, die von den Kindern (und später den Jugendlichen) bewusst eingesetzt werden können. Dazu werden weitere Untersuchungen erforderlich sein, die in der vorliegenden Arbeit freilich eine wichtige Grundlage finden.