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Ausgabe:

November/2020

Spalte:

1133–1144

Kategorie:

Aufsätze

Autor/Hrsg.:

Christoph Markschies

Titel/Untertitel:

Eine sehr besondere Dogmengeschichte aus der alten DDR
Der »nach-harnacksche« Entwurf von Wolfgang Ullmann

Wolfgang Ullmann kennen jedenfalls die, die die Jahre der politischen Umbrüche Ende der achtziger Jahre und nach der deutschen Wiedervereinigung bewusst erlebt haben, als engagierten Kämpfer aus der Friedens- und Bürgerbewegung der alten DDR.1 Man erinnert sich vielleicht an ihn aufgrund seines Einsatzes für eine neue Verfassung im wiedervereinigten Deutschland und wegen einzelner Auftritte am Runden Tisch, in der frei gewählten Volkskammer, im Bundestag und schließlich im Europaparlament. Bevor Ullmann sich aber so in der Politik engagierte, wirkte er seit 1954 als Pfarrer in Sachsen und ab 1964 als Dozent für Kirchengeschichte an zwei kirchlichen Hochschulen der alten DDR, die bis zur fried-lichen Revolution nicht so heißen durften: bis 1978 am Katechetischen Oberseminar in Naumburg, danach am Sprachenkonvikt in Ost-Berlin.
Am Sprachenkonvikt war Ullmann gerade wegen seiner sehr originellen Ideen und seines sehr freundlichen Diskussionsstils ein beliebter akademischer Lehrer, der auch von Studierenden außerhalb seines engeren Schülerkreises geschätzt wurde.2 Wie einige der Studenten und Dozenten des Sprachenkonvikts – Thomas Krüger, Markus Meckel oder Richard Schröder wären zu nennen – übernahm Ullmann im Zuge der Umwälzungen 1989 politische Verantwortung, verließ seine kirchlichen wie akademischen Ämter und gehörte zu den evangelischen Theologen, die den Prozess des Zusammenwachsens der beiden deutschen Staaten mehr oder weniger nachhaltig gestalteten. Stefan Steinlein, seit 2017 Chef des Bundespräsidialamtes und Doktorand von Ullmann, ist einer der Letzten dieser Gruppe, die noch in herausgehobener politischer Verantwortung stehen.
Als Kirchenhistoriker war Ullmann im Westen nur Eingeweihten bekannt, weil er bis Anfang der achtziger Jahre die DDR nicht zu (Kongress-)Reisen ins »nichtsozialistische Ausland« verlassen durfte und ihm zeitweilig Kontakte zu westlichen Kollegen überhaupt untersagt waren. Ich erinnere mich noch genau, wie überrascht ich war, im Mai 1996 von ihm einen Vortrag zu den theologischen Voraussetzungen der Geschichtsschreibung von Leopold Ranke in dessen Geburtsstadt Wiehe an der Unstrut mit dem schönen Zitat »Die Wahrheit ist nie trostlos« als Titel zu hören.3 Ich wollte damals mit Jenaer Studierenden anlässlich einer Tagung der örtlichen Ranke-Gesellschaft die frühen Lebensumstände des be­rühmten Historikers kennenlernen und hatte nicht erwartet, von einem engagierten grünen Politiker ein flammendes Plädoyer für eine Form der Geschichtsschreibung zu hören, die zu meinen Studienzeiten im bundesrepublikanischen Westen als blanker, wenn nicht naiver Positivismus galt. Dieses Vorurteil räumte Ullmann bereits in den ersten Minuten seines mit charakteristischer, hoher Stimme in dezentem Sächsisch vorgetragenen Referates ab.
Zu Lebzeiten sind von dem Kirchenhistoriker Ullmann aufgrund der bekannten Einschränkungen für Publikationen von Dozierenden kirchlicher Hochschulen der alten DDR nur wenige Fachaufsätze zu Origenes sowie der Rezeption von Kirchenvätern in der Reformationszeit und vor allem Rezensionen patristischer Fachpublikationen in der »Theologischen Literaturzeitung« publiziert worden.4 Im seinem Nachlass befinden sich aber einige um­fangreiche Manuskripte, die meist im Zusammenhang mit Vorlesungen und anderen Lehrveranstaltungen entstanden sind, zu Lebzeiten unpubliziert blieben und nun durch seinen Sohn, den Musikwissenschaftler Jakob Ullmann, veröffentlicht werden.5 Die gewichtigste Veröffentlichung aus diesem Material ist gerade er­schienen – eine »Geschichte von Dogma und Bekenntnis der Kirche« in drei Bänden mit über 1500 Seiten mit dem griechisch-deutschen, vom Herausgeber formulierten Haupttitel »Εἷς ὁ Θεός – Der Eine Gott«6. Ullmann hatte die Arbeit an diesem monumentalen Werk in den achtziger Jahren begonnen und wollte nach dem Ende seiner Tätigkeiten als Abgeordneter 1999 wieder zur Arbeit am Manuskript zurückkehren. Als er 2004 starb, war das Werk nach wie vor unvollendet; es wurde jetzt in diesem fragmentarischen Zustand gedruckt. Allerdings hat der Herausgeber immer wieder erläuternde Anmerkungen, längere Passagen mit Quellentexten sowie Übersetzungen griechischer und lateinischer Texte beigefügt – Ullmann war ein vorzüglicher Kenner der klassischen alten Sprachen und konnte sich gar nicht vorstellen, dass schon seine Studierenden in Naumburg und Berlin-Mitte die antiken wie mittelalterlichen Texte meist nicht wie er offenbar mühelos im Original lesen konnten. Nicht nur diese ehemaligen Studierenden werden für die nun hinzugefügten Übersetzungen dankbar sein.7
Um das vorliegende dreibändige Werk verstehen zu können, muss man sich seine Entstehungskontexte in der alten DDR klarmachen: In der Dogmengeschichte von Ullmann fehlen die allermeisten jener viel diskutierten Sekundärliteraturtitel aus den Debatten, die seit meiner Studienzeit die westdeutsche und internationale Diskussion prägten. Dagegen ist der Forschungsstand seiner eigenen Studienzeit 1948 bis 1954 an der (West-)Berliner Kirchlichen Hochschule und in Göttingen sehr deutlich präsent.8 Dieses Ungleichgewicht liegt aber nur zum Teil an der Tatsache, dass der Autor seit dem Mauerbau neuere Sekundärliteratur nur eingeschränkt zur Kenntnis nehmen konnte, denn das Sprachenkonvikt besaß die mit Abstand beste theologische Bibliothek der DDR.9 Ullmann war, wie auch der erwähnte Vortrag über Ranke in Wiehe zeigte, im umfassenden Sinne des Wortes modenresistent und machte sich seinen ganz eigenen Reim auf das, was er las (und er las sehr viel). Man tut ihm sicher kein Unrecht, wenn man ihn als ebenso originellen wie aphoristischen Denker charakterisiert, der es vor allem liebte, unbekannte Positionen oder Personen in die Debatte einzuführen, die seiner Ansicht nach zu Unrecht vernachlässigt waren. Außerdem wollte Ullmann nicht nur eine Dogmengeschichte für Studierende schreiben, sondern angesichts des Fehlens von Überblicks- und Lehrbüchern auf diesem Gebiet etwas vorlegen, was auch von Pfarrern und interessierten Gemeindegliedern gelesen werden konnte. Die vielen neuen oder ergänzten Fußnoten, die Jakob Ullmann dem Werk seines Vaters beigegeben hat, zeugen von der Hoffnung, dass die Veröffentlichung ähnliche Funktionen auch noch Jahrzehnte danach erfüllen möge. Die Entstehungsgeschichte der drei Bände erklärt aber auch, dass die Dar stellung auf einen Kollegen vom Fache gelegentlich sehr breit wirkt und er die meiste neuere Sekundärliteratur in den Fußnoten schmerzlich vermisst sowie deren Berücksichtigung im Gang der Argumentation. Stattdessen liest man nahezu auf jeder Seite originelle Beobachtungen eines Gelehrten, der sich lange mit den Quellen beschäftigt hat, die er analysiert, und der seinem eigenen Urteil mehr vertraut als dem der meisten seiner Fachkollegen aus Vergangenheit und Gegenwart.
Die Dogmengeschichte von Ullmann ist unvollendet – es fehlen geplante Kapitel zu Bekenntnissen und bekenntnisähnlichen Texten des 20. Jh.s wie der Theologischen Erklärung von Barmen und der Basisformel des Ökumenischen Rates der Kirchen sowie Bemerkungen zum konziliaren Prozess an der Jahrtausendwende. Trotzdem wird klar, dass hier ein Kirchen- und Theologiehistoriker des 20. Jh.s nichts weniger versucht hat als einen Gegenentwurf zum monumentalen, ebenfalls dreibändigen »Lehrbuch der Dogmengeschichte« von Adolf Harnack.10 Im Gegensatz zu dessen These, dass in der europäischen Neuzeit das Dogma überall und auch im nachtridentinischen Katholizismus zurückgetreten sei (die Orthodoxie blendete der im Zarenreich geborene und akademisch sozialisierte Harnack bekanntlich aus), betont Ullmann die bleibende Bedeutung der die Christenheit verbindenden, ökumenischen Kraft des christlichen Bekenntnisses und damit des Dogmas. Diese herauszustellen, hat er bereits in seiner akademischen Abschiedsvorlesung am Sprachenkonvikt anlässlich des endgültigen Wechsels in die Politik 1990 als die eigentliche »nach-harnacksche Aufgabe« charakterisiert.11 Insofern verschiebt sich der Akzent der Dogmen- und Theologiegeschichte auf eine Geschichte des Bekennens und der Bekenntnisse, obwohl Ullmann seinen Zugang pointiert »Dogmengeschichte« nannte und in einem einleitenden langen Abschnitt eine solche Geschichte zu schreiben als »kirchengeschichtliche und ökumenisch-theologische Aufgabe« beschreibt (Bd. I, 23–51). Dabei machte Ullmann keinen Hehl daraus, dass sich seine Akzentuierung dieser Aufgabe Impulsen von Karl Barth verdankte, dessen pointierte Infragestellung der zeitgenössischen Theologie zu Beginn der zwanziger Jahre er in einem klassischen, aber nicht unproblematischen Narrativ mit der Erschütterung verglich, die durch die Ablösung des geozentrischen Weltbildes am Beginn der Neuzeit aufgekommen sein soll (24). So wie Barth in den zwanziger Jahren den Theologen Harnack überwunden glaubte, sah Ullmann in den achtziger Jahren den Historiker Harnack in dessen Diagnose über das Ende des Dogmas bei den Kirchen der Reformation falsifiziert – durch die Synode von Barmen 1934 und die Anfänge des Ökumenischen Rats der Kirchen 1948 in Amsterdam (26 f.). Ullmann wiederholte aber nicht einfach nur eine be­stimmte, von Barth geprägte Optik auf die Theologiegeschichte, sondern verstand Dogma als kritische Kraft gegen säkularisierte Heilslehren und politische Pseudo-Apokalyptik (34). Gerade bei sol chen Passagen merkt man, wie sehr die Erfahrungen des widerständigen Zeitgenossen Ullmann vor und nach 1989 seine Darstellung implizit prägen und man bis zu einem gewissen Grade es bei den drei Bänden auch mit dem Vermächtnis einer sehr spezifischen Persönlichkeit und ihrer Lebensgeschichte zu tun hat.
Ullmann positionierte seine Dogmengeschichte in einer Debattenlage des 20. Jh.s, in der durchaus schon sehr pointiert Alternativen zu Harnack in Gestalt einer reinen Theologiegeschichte oder einer Bekenntnisgeschichte vorgelegt worden waren.12 Er rezipierte die für diese Debattenlage charakteristischen zentralen Unterscheidungen von Dogma und Theologie, von zeitgebundenem Be­kenntnis und seinem davon differenten Sachgehalt sowie von im Wortlaut festem Symbol und freier regula fidei. Ullmann nahm allerdings nicht mehr wirklich die Debatten der neueren und neuesten Forschung zu den altkirchlichen Bekenntnissen in den letzten Jahrzehnten des 20. Jh.s zur Kenntnis, die in Deutschland vor allem durch die Heidelberger Kirchenhistoriker Hans Freiherr von Campenhausen, Adolf Martin Ritter sowie dessen Schüler Wolfram Kinzig und Markus Vinzent vorangetrieben wurden.13 Analoges wird man für die Passagen zur mittelalterlichen Theologiegeschichte und zu den reformatorischen Bekenntnissen fest-halten müssen. Nur dort, wo Ullmann selbst Forschungsbeiträge vorgelegt hatte (vor allem zur Aneignung antiker Theologen bei Thomas Müntzer und Martin Luther14), bekommen die entsprechenden Abschnitte Tiefenschärfe. Allerdings fragt man sich, warum der Autor – wenn ihm schon das altkirchliche Dogma als bleibende Herausforderung so wichtig gewesen ist – dann beispielsweise nicht ausführlicher auf die Disputationen von Martin Luther eingegangen ist, in denen dieser sich ausführlich mit der antiken und mittelalterlichen Trinitätstheologie auseinandergesetzt hat,15 sondern sich vor allem mit dem begnügt hat, was Karl Holl und seine Schüler für Luthers »Hauptschriften« hielten.
Außerdem ist die Dogmengeschichte von Ullmann doch nicht so stark nach Harnack positioniert, wie der Verfasser selbst glaubte, der die Entstehung altkirchlicher Dogmen gern eher von biblischen Texten Alten wie Neuen Testaments herleiten wollte als aus philosophischen Debattenlagen und Problemen: Er verbindet nämlich wie bereits Harnack das Format dogmatischer Sätze der antiken Christenheit mit philosophischen Lehrsätzen.16 Der charakteristische Unterschied zu Harnack besteht lediglich darin, dass er in diesen Sätzen auch noch in der Gegenwart »verifizierbare und entscheidbare Sätze« sehen möchte. Die »wahre Geschichte des Dogma ist« also bei ihm nicht wie bei Harnack (und schon bei David Friedrich Strauss, der diesen Satz bekanntlich geprägt hat) »seine Kritik«17, oder lediglich seine Interpretation18. Wolfgang Ullmann versteht unter der wahren Geschichte des Dogmas eine Auseinandersetzung mit seiner Wahrheit vor dem Hintergrund in christlicher Theologie positional gefasster Religion (wie er mit Be­zug auf den polnischen, in der Schweiz lehrenden Dominikaner Joseph Maria Bocheński [1902–1995]19 formuliert). Diese Position beschreibt Ullmann als eine »Lehre vom Wort Gottes«, was besagen soll, dass »Jesus Christus als das eine Wort Gottes die einzige zugelassene Objektsprache über Gott ist, zu der alles andere Reden von der Bibel metasprachlichen Charakter hat« (Bd. I, 50). Dieser Gedanke wird im weiteren Verlauf gleichsam antitotalitär gewendet: Die Herrschaft Jesu Christi relativiert alle irdischen Macht- und Herrschaftsansprüche, seien sie wissenschaftstheoretischer, ökonomischer oder politischer Natur. Im Grunde ist bereits am Ende der Prolegomena klar, dass es sich um eine Dogmengeschichte handelt, die vor dem Hintergrund »der methodischen und historischen Implikationen des von Karl Barths ›Kirchlicher Dogmatik‹ formulierten Programms einer Theologie« argumentieren will. Allerdings ist auch deutlich, dass es sich hierbei um eine sehr eigenwillige, für die Herangehensweise des Autors charakteristische Rezeption von Barth handelt – Ullmann glaubte, das Programm der »Kirchlichen Dogmatik« sei »erstmalig präzise dargestellt worden« von dem russischen Literaturwissenschaftler Sergej Sergejewitsch Averincev (1937–2004) in einem Lexikonartikel einer sowjetischen marxistischen Enzyklopädie des Jahres 1970.20
Die nunmehr nach so vielen Jahren veröffentlichte Dogmengeschichte beginnt nach den referierten ausführlichen Prolegomena mit einem langen Kapitel zum Apostolischen Glaubensbekenntnis (Bd. I, 52–135). Da dieses Kapitel für die Arbeitsweise von Ullmann sehr charakteristisch ist und damit erlaubt, Chancen und Probleme seines opus magnum präzise in den Blick zu nehmen, konzentriere ich mich im Folgenden vor allem auf diesen Abschnitt, referiere aber zunächst kurz den weiteren Inhalt: Der erste Band enthält noch ein langes Kapitel »Das Dogma von Nicaea und das Bekenntnis von Konstantinopel« (Bd. I, 136–537), das im zweiten Band fortgesetzt wird (Bd. II, 7–399). Hier finden sich einzelne Unterabschnitte, die eher in eine ausführliche Theologiegeschichte des 3. und 4. Jh.s gehören, beispielsweise zu »Ergebnissen und Folgen der philosophischen und theologischen Gnosisdiskussion« (169–199) und zu Leben, Werk und Theologie des Origenes (199–261). Der dritte Band enthält einen Abschnitt zu den mittelalterlichen Voraussetzungen der Reformation (Bd. III, 7–144) und behandelt dann die Bekenntnisse der Reformation, vor allem die Confessio Augustana und den Heidelberger Katechismus (Bd. III, 145–471). Der Abschnitt schließt mit einem knappen Überblick über »innerevangelische Konkordien der Neuzeit«, der von den Abendmahlsgesprächen des 16. Jh.s nur das Marburger Religionsgespräch und die Wittenberger Konkordie erwähnt,21 um dann sofort ins 20. Jh. zum Arnoldshainer Abendmahlsgespräch, dessen unmittelbarer Vorgeschichte und zur Leuenberger Konkordie zu springen (Bd. III, 471–481). Die wichtigen innerevangelischen Verständigungen innerhalb der alten DDR, die vor einiger Zeit noch einmal in einem eigenen Band zusammengestellt wurden, finden merkwürdigerweise keine Erwähnung.22 Die Abschnitte zur Theologischen Erklärung der Bekenntnissynode in Barmen und zur Basisformel des Ökumenischen Rates der Kirchen sind, wie gesagt, Fragment geblieben; der Herausgeber druckt die Theologische Erklärung wie auch den anderen Bekenntnistext ab und dazu Stichworte für die erläuternden Kapitel und einen Schlussabschnitt des ganzen Werkes (Bd. III, 482–537). Hier wird neben der bereits angesprochenen grundlegenden Orientierung an einer Sicht der jüngeren Theologiegeschichte in der Tradition von Karl Barth deutlich, dass Ullmann offenbar das Judentum und jüdische Exegese wie Theologie anders und neu berücksichtigen wollte: Es fallen die Namen von Benno Jacob (dessen Genesis-Kommentar aus dem Jahre 1934 im Jahre 2000 nachgedruckt wurde)23, Eugen Rosenstock-Huessy und Franz Rosenzweig, ohne dass man aus den knappen Notizen ersehen kann, wie genau sich Ullmann eine Neugestaltung christlicher Theologie in Auseinandersetzung mit diesen jüdischen Denkern vorstellte. Sicher ist nur, dass er (darin Barth deutlich zuspitzend) bereits in Schleiermacher den Repräsentanten eines »Kryptomarcionitismus« sah, der in Harnacks »Marcion«, den Ullmann als einen systematisch-theologischen Entwurf von Rang ernstnahm, zur Vollen-dung gekommen sei (Bd. III, 511).24 Gegen Marcion, Schleier-macher und Harnack wollte er nicht nur beide Teile der Heiligen Schrift gleichermaßen ernst nehmen durch eine Art »Gesamt-exegese der Bibel Alten und Neuen Testaments« in Fortschreibung der Tradition des Origenes (dazu Bd. I, 219–223), sondern auch das altkirchliche Dogma nicht bloß für eine Ausdrucksform einer überwundenen Epoche der Christenheit ansehen. An dieser Stelle wird noch einmal deutlich, dass Ullmann eine »Dogmengeschichte nach Harnack« vorlegen wollte, die stärker von einer lange im Osten wie im Westen verbreiteten Polemik gegen die Theologie Schleiermachers und Harnacks geprägt war, als von einer intensiven Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Forschungsstand zu den Bekenntnissen, die im Mittelpunkt der ausgeführten wie skizzierten Kapitel stehen sollten. Natürlich repristiniert das Werk nicht einfach eine nach dem Ersten Weltkrieg entstandene Polemik gegen das, was man als »Vorkriegstheologie« empfand; vor allem in den nachgelassenen Fragmenten und Skizzen zeigt sich Ullmann als Zeitgenosse von Debatten der letzten Jahre des 20. Jh.s. Der Berliner Kirchen- und Theologiehistoriker repräsentiert hier eine ge­genüber staatlichen Machtansprüchen und jeder Form von Staatskirchentum kritische, mit den Themen Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung die Bewegung des konziliaren Prozesses ernst nehmende widerständige Strömung von Kirche und Theologie der alten DDR.
Ein so umfangreiches Werk, wie es hier aus dem Nachlass veröffentlicht wurde, kann man auf knappem Raum weder ausführlich darstellen noch kritisch besprechen. Ich habe mich daher, wie gesagt, auf die Passagen zum Apostolischen Glaubensbekenntnis aus dem ersten Band konzentriert; der hier erkennbare Befund ist aber für das ganze Werk repräsentativ. Ullmann tritt einem im ganzen Werk als eigenständiger Denker entgegen, der ohne große Rücksicht auf den Forschungsstand sehr ungewöhnliche Ansichten ausführlich zu begründen versucht: Während die klassische, neuere und auch neueste Erforschung des Apostolikums25 nach textlichen Vorformen und Spuren redaktioneller Überarbeitungen suchte und sucht (darin dem textgeschichtlichen Modell der Bibelwissenschaften über Traditions- und Redaktionsgeschichte folgend), vertrat Ullmann abweichend von der gesamten Forschungsdiskussion im 20. Jh. eine extreme Frühdatierung des Bekenntnisses. Er hielt es für weitestgehend aus einem Guss entstanden. Auch wenn Ullmann einleitend zunächst die Textgeschichte des Apostolikums vom sogenannten Romanum bis hin zum frühmittelalterlichen textus receptus dieses Symbols so referierte, wie sie sich beispielsweise noch in dem viel verwendeten, auch für die DDR nachgedruckten Standardwerk des Oxforder Patristikers Johan Norman D avidson Kelly (1909–1997) findet, und sich um ausführliche Be­schreibung der jeweiligen Textzeugen bemühte (Bd. I, 54–68),26 konzentrierte er sich im Fortgang auf die »Christologie des ›Ro­manum‹ als dogmengeschichtliches Problem« (76–86). Das entspricht seinem erwähnten, auf Jesus Christus als »das eine Wort Gottes« konzentrierten theologischen Ansatz einer nach-harnackschen Dogmengeschichte. Damit fehlen aber viele für die Debatte um den Ursprung des sogenannten Romanum wichtige Texte und Zusammenhänge, beispielsweise die Tauffragen als eine mögliche Vorstufe eines deklaratorischen Taufbekenntnisses oder die im Wortlaut freien sogenannten κανὼν τῆς πίστεως- bzw. regula fidei-Formulierungen.27 Ullmanns Ansatz führt zu nichts weniger als einem neuen »Anlauf zur Einordnung des ›Romanum‹ in die Dogmengeschichte der frühen Kirche« (85). Im Zuge dieser neuen Einordnung der ältesten uns textlich greifbaren Grundform des Apostolikums verwirft Ullmann die Differenzierung von traditionsgeschichtlichen Schichtungen im Text des Apostolikums durch Harnack, Holl und Lietzmann und kehrt zu Ferdinand Kattenbusch zurück,28 weil er praktisch den ganzen zweiten christologischen Artikel als ursprünglichen, einheitlichen römischen Text aus dem 2. Jh. verstehen möchte. Allerdings geht er auch über Kattenbusch hinaus, wenn er beispielsweise die Zeile πιστεύω […] καὶ εἰς Χριστὸν Ἰησοῦν, υἱὸν αὐτοῦ τὸν μονογενῆ, τὸν κύριον ἡμῶν in toto für Teil der Urform des späteren Apostolikums erklärt. Kattenbusch nahm, weil er eine schlichte, von Ullmann zu Recht als philologisch waghalsig kritisierte Athetese eines τόν postulierte, als ursprüngliche Fassung an: καὶ εἰς Χριστὸν Ἰησοῦν, τὸν υἱὸν αὐτοῦ, τὸν μονογενῆ κύριον ἡμῶν, während Harnack, Holl und Lietzmann das Prädikat μονογενής insgesamt für sekundär hielten.29 Nachdem durch die jüngste Forschung immer deutlicher geworden ist, dass das sogenannte Ro­manum wie alle anderen textlich normierten individuellen und kollektiven Bekenntnisse aus dem 4. Jh. stammt und wie auch die allermeisten anderen Texte in einer Art Baukastensystem aus älteren Formeln zusammengesetzt wurde,30 wirken die Passagen von Ullmann heute stark veraltet. Sie waren es aber leider auch schon in den achtziger Jahren des 20. Jh.s, als ihr Autor sie verfasste. Gleiches gilt für den Versuch, die komplexe und umstrittene Geschichte des zweiten großen Bekenntnisses, des sogenannten Nicaeno-Constantinopolitanum, aufzuhellen (Bd. I, 140–537). Hier hätte man auf die ausführliche Debatte verweisen müssen, die am Ende des 20. Jh.s unter anderem zwischen Luise Abramowski, Wolf-Dieter Hauschild, Adolf Martin Ritter und Reinhard Staats ausgetragen wurde.31 Natürlich reicht es auch nicht aus, die Einseitigkeiten der Harnackschen und nach-Harnackschen Rekonstruktionen des trinitätstheologischen Streits im 4. Jh. hellsichtig herauszustellen (wie Ullmann dies schon in seiner Abschiedsvorlesung von 1990 am Sprachenkonvikt tat)32, wenn man andere Einseitigkeiten wie die Bezeichnung der homöischen Theologen als »Arianer« in der Tradition des Athanasius einfach fortsetzt und mit der Rede von einer »origenistischen Mittelpartei« die Modellierung von Konflikten nach der Terminologie des Frankfurter Paulskirchen-Parlamentes. Ullmann, der ausführlich über Origenes gearbeitet und publiziert hat,33 hielt durchaus zutreffend den alexandrinischen Universalgelehrten für einen zentralen Anstoß der Auseinandersetzungen um die Trinitätstheologie im 4. Jh. (Bd. I, 434–457). Aber weder war ihm das Schwanken des Origenes zwischen eher subordinierenden und dezidiert antisubordinatianischen Modellen in seiner Konzeption von drei göttlichen Hypostasen deutlich (das auch die Auseinandersetzungen im 4. Jh. noch stark prägte),34 noch beschrieb er Anknüpfung an den Neuplatonismus und Absetzung von ihm genügend präzise.35 Dazu fehlte Ullmann eine Kenntnis der neu-eren Textausgaben von neuplatonischen Schriften eines Proclus, Jamblich oder Marius Victorinus und einschlägiger Sekundärliteratur; lediglich Plotin wird ein ausführlicher Abschnitt gewidmet (Bd. I, 261–321).
Die Dogmengeschichte von Ullmann ist nicht streng chronologisch gegliedert: Im erwähnten Abschnitt über das Apostolikum werden nicht nur knapp die spätantiken und frühmittelalterlichen Ergänzungen und Verwendungen des sogenannten Romanum erklärt, sondern auch der Umgang mit dem Text in der Reformationszeit und in der Neuzeit (Bd. I, 110–135). Der Abschnitt schließt mit einer Darstellung der »Wiederentdeckung der ökumenischen Bedeutung des Apostolicum« (133–135).36 Ullmann versuchte of­fenbar ursprünglich, anhand von maßgeblichen Bekenntnistexten Längsschnitte durch die Theologiegeschichte von den Anfängen bis in die unmittelbare Gegenwart vorzulegen. Damit nahm er be­wusst in Kauf, dass einzelne Abschnitte (wie die Passagen zum Nicaeno-Constantinopolitanum) außerordentlich lang ausfielen, während andere Abschnitte (wie die zu den reformatorischen Be­kenntnisschriften) sehr knapp lediglich auf zwei Bekenntnisse aus sehr viel umfangreicheren Korpora eingehen und diese Auswahl auch nirgendwo richtig begründet wird.
Trotzdem lohnt die Lektüre der drei umfangreichen Bände für Fachleute, denn immer wieder finden sich auch sehr anregende Beobachtungen zu Texten und Theologumena. Ich expliziere das wiederum am ersten Hauptabschnitt zum Apostolikum: Ullmann beschreibt beispielsweise in einem kleinen Abschnitt die Geschichte der Vorstellung von der traditio evangelii, der Weitergabe der Christusbotschaft, und wendet sich nebenbei gegen die Vorstellung, das antike Christentum sei eine Buchreligion gewesen (72). Ullmanns Abschnitt »Die theologische Aussage des ›Romanum‹« (Bd. I, 94–110) kann man mit Gewinn in der Tradition des »canonical reading« als Versuch lesen, die kanonisch gewordene Gestalt des sogenannten Romanum aus dem 4. Jh. in den Zusammenhang der theologischen Tradition zu stellen. Es wird sehr viel disparates Material zum Vergleich beigebracht wie beispielsweise biblische Passagen, akrostichische Auslegungen von Christustiteln und Passagen aus Werken des 2. bis 4. Jh.s. Der Ertrag einer solchen bewussten Verschleifung von Unterschieden und energischen Zusammenschau ist dann auch vergleichsweise knapp zu formulieren: »Die theologische Aussage des ›Romanum‹ wird auf diesem Hintergrund so klar wie man es nur wünschen kann. Gottes uneingeschränktes Herrschen über das All wird geschichtlich offenbar und relevant, indem das Ebenbild Gottes, der Sohn, sich als unser Herr erweist« (Bd. I, 98 f.).
Dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung besteht die Gefahr, dass die Leistungen der theologischen Wissenschaft in der alten DDR längst vergessen sind oder eher marginalisiert werden. Das geschieht oft unwillkürlich, weil vielen Nachgeborenen gar nicht mehr bekannt ist, unter welch schwierigen Bedingungen vor allem (aber natürlich nicht nur) an den kirchlichen Hochschulen die Freiheit der Wissenschaft in einem totalitären Staat hochgehalten wurde und wie viel nach wie vor Beachtliches geforscht sowie tapfer gelehrt wurde. Im Foyer der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität stehen zwei Büsten von Bonhoeffer und Schleiermacher – und man muss den Eindruck gewinnen, dass es sich um zwei Heroen einer bedeutenden Fakultät mit einer ruhmreichen zweihundertjährigen Geschichte handelt. Spannungen und Brüche der »Hauptstadtfakultät« werden eher nicht erkennbar.37 Dass es einmal eine Ausbildungsstätte namens »Sprachenkonvikt« gab,38 ist vielen, die dieses Foyer durchqueren, überhaupt nicht bewusst. Wenn das Urteil der Nachgeborenen über die alte DDR gerechter ausfällt und nicht durch Stereotypen oder Unkenntnis geprägt wird, hätte Ullmann das gefallen: Er hat sich leidenschaftlich für Gerechtigkeit gegenüber Lebenden und Toten eingesetzt.
Nun wird man Wolfgang Ullmann mit seinen ebenso originellen und vom Forschungskonsens abweichenden Einfällen wie seiner aphoristischen Form ihrer Darstellung aber nicht als repräsentativ für das Sprachenkonvikt nehmen dürfen; er blieb dort aus vielerlei Gründen ein Solitär, der viele anregte, aber auch viele zum Widerspruch provozierte. Natürlich kann man fragen, ob sich an­gesichts solcher bewusster Widerständigkeit eines Autors gegenüber zeitgenössischen Forschungskonsensen der Abdruck eines unvollendeten Lehrbuchs lohnt, dessen Bearbeitung im Grunde vor dreißig Jahren abgebrochen wurde. Da es nun mit großem Fleiß und Zuschüssen mehrerer evangelischer Kirchen zum Druck befördert wurde, hilft es dabei, sich an eine ebenso charakteristische wie eigenständige Stimme der Theologie eines untergegangenen Staates zu erinnern und sie im Diskurs präsent zu halten. Fachleute können sich durch die aphoristischen Querdenkereien davor bewahren lassen, sich allzu behaglich in den Forschungskonsensen unserer Tage einzurichten. Wer nicht vom Fache ist, sollte aber – das muss man leider so deutlich sagen – nicht versuchen, sich anhand dieser drei Bände die Bekenntnisgeschichte des Christentums zu erarbeiten. Es handelt sich in vielfacher Hinsicht um ein Werk für Fortgeschrittene.

Fussnoten:

1) In Auswahl: W. Ullmann, Demokratie – jetzt oder nie! Perspektiven der Gerechtigkeit, hrsg. v. W. Bürger u. M. Weichenhan, München 1991; Ders., Verfassung und Parlament. Ein Beitrag zur Verfassungsdiskussion, Berlin 1992; Ders., Zukunft Aufklärung. Eine Bestandsaufnahme nach dem Ende der Utopien, Berlin/Zepernick 1995, sowie B. Malek, »Ich werde nicht schweigen«. Gespräche mit Wolfgang Ullmann, Berlin 1991. – Den Nachlass im Besitz der Robert-Havemann-Gesellschaft erschließt: Findbuch zum Bestand Nachlass Wolfgang Ullmann, bearb. v. T. Krone, Berlin 2007 (http://docplayer.org/34896236-Nachlass-wolfgang-ullmann.html; letzter Zugriff am 6.7.2020).
2) Ich danke sehr herzlich Heidelore und Matthias Köckert sowie Wolf Krötke für Gespräche, die ich zur Vorbereitung dieses Beitrags mit ihnen führen durfte.
3) Der Vortrag wurde publiziert: W. Ullmann, »Die Wahrheit ist nie trostlos«. Zu den theologischen Voraussetzungen der Geschichtsschreibung Rankes, in: »Ich habe immer gedacht, daß der Historiker alt werden muß«. Vorträge und Reden zur Festwoche anläßlich des 200. Geburtstages, Mai 1996, Schriftenreihe des Ranke-Vereins in Wiehe, 2, Itzehoe 1996, 70–78.
4) Für die Aufsätze vgl. unten Sp. 1142 mit Anm. 33; aus den Rezensionen vgl. besonders: W. Ullmann, Rez. P. Nautin, Origène. Sa vie et son œuvre, Paris 1977, in: ThLZ 107 (1982), 355–358; Ders., Rez. W. A. Bienert, Dionysius von Alexandrien. Zur Frage des Origenismus im dritten Jahrhundert (PTS 21), Berlin/New York 1978, in: JbAC 25 (1982), 184–186; Ders., Rez. D. Pazzini, In principio era il Logos. Origene e il prologo del vangelo di Giovanni (StB 64), Brescia 1983, in: ThLZ 111 (1986), 127 f.; Ders., G. Sgherri, Chiesa e Sinagoga nelle opere di Origene (SPM 13), Mailand 1982, in: ThLZ 111 (1986), 455 f.; Ders., Rez. Origeniana Quarta, Die Referate des 4. Internationalen Origeneskongresses in Innsbruck, 2.–6. September 1985 (IThS 19), Innsbruck/Wien 1987, in: ThLZ 114 (1989), 895–900; Ders., Rez. Origeniana Sexta. Origène et la Bible/Origen and the Bible, éd. par G. Dorival et A. Le Boulluec (BEThL 118), Leuven 1995, in: ThLZ 122 (1997), 341–344.
5) W. Ullmann, Ordo Rerum. Die Thomas Müntzer-Studien, hrsg. v. J. Ullmann, Berlin 2005.
6) Ullmann, Wolfgang: Εἷς ὁ Θεός – Der Eine Gott. Die Geschichte von Dogma und Bekenntnis der Kirche. 3 Bde. Hrsg. v. J. Ullmann. Würzburg: Königshausen & Neumann 2020. 1526 S. Geb. EUR 148,00. ISBN 978-3-8260-6739-6.
7) Mindestens das Fachpublikum wird allerdings bedauern, dass die Erläuterungen des Herausgebers meist dem weltweiten Netz und seinen Angeboten entnommen sind, aber Zitate antiker Autoren meist nicht in den handelsüblichen kritischen Ausgaben nachgewiesen sind. Wie man »Johannes Chrysostomus, Philipper-Homilie 6c« finden kann (W. Ullmann, Εἷς ὁ Θεός – Der Eine Gott I, 45, Anm. 42), wäre beispielsweise eines präziseren Hinweises wert gewesen.
8) Diese Zeit wurde am 11.11.1954 abgeschlossen durch Ullmanns von Hermann Dörries (1895–1977) betreute ungedruckte Dissertation: W. Ullmann, Die psychologische Trinitätslehre Augustins als theologische Voraussetzung der mittelalterlichen Ethik, Diss. theol. masch., Göttingen 1954 (in der Bibliothek der Vereinigten Theologischen Seminare Göttingen unter der Signatur Diss 54.88 zugänglich). – Seinen Doktorvater hat Ullmann in einem respektvollen, aber nicht unkritischen Aufsatz ausführlicher gewürdigt: Wort und Stunde oder Ereignis und Epoche? Rückblick auf 30 Jahre kirchengeschichtlicher Arbeit, in: ThLZ 101 (1976), 241–252.
9) Heute finden sich die Bestände dieser einmaligen Bibliothek mit ihren rund 50.000 Bänden als »Fachbibliothek für Kirchen- und Kulturgeschichte« in der einstigen Brandenburger Bischofsburg in Ziesar (www.burg-ziesar.de/ de/index.php?uid=54; letzter Zugriff am 6.7.2020).
10) Adolf von Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte, 3 Bde., Darmstadt 2015 (um ein Vorwort erweiterter reprographischer Nachdruck der 4., neu durchgearbeiteten u. vermehrten Aufl., Tübingen 1909); im unpaginierten Vorwort von Ch. Markschies zum ersten Band die wichtigste Sekundärliteratur [1–12, vor I].
11) W. Ullmann, Prolegomena zu einer Dogmengeschichte nach Harnack, in: Der Wahrheit Gottes verpflichtet. Theologische Beiträge aus dem Sprachenkonvikt Berlin für Rudolf Mau, hrsg. v. M. Köckert, Berlin 1993, 220–250 (laut der Angaben im Findbuch zum Nachlass wurde der Vortrag unter dem Titel »Prolegomena zu einer nachharnackschen Dogmengeschichte. Der kirchlichen Hochschule Berlin zum Abschied (29.6.1990)« vorgetragen). – Auf diesen Beitrag haben »westdeutsche« Kirchen- und Dogmenhistoriker kaum reagiert, vgl. aber A. M. Ritter, Vorwort, in: Carl Andresen, E. Mühlenberg, A. M. Ritter u. M. A. Schmidt, Die christlichen Lehrentwicklungen bis zum Ende des Spätmittelalters (= Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte, Bd. 1, Göttingen 21999, durchgesehene Neuaufl.), bearb. v. A. M. Ritter, Göttingen 2011, XIII–XXXIX: XXII–XXIV.
12) W. Ullmann, Εἷς ὁ Θεός – Der Eine Gott I, 39, Anm. 26 und 27, sind genannt H. Dörries, Das Bekenntnis in der Geschichte der Kirche, Göttingen 21947, sowie E. Schlink, Die Struktur der dogmatischen Aussage als ökumenisches Problem, in: Ders., Schriften zu Ökumene und Bekenntnis, Bd. 1: Der kommende Christus und die kirchlichen Traditionen. Nach dem Konzil, mit einer biographischen Einleitung v. J. Eber hrsg. u. m. e. Register versehen v. K. Engelhardt, Göttingen 2004 (= Der kommende Christus und die kirchlichen Traditionen. Beiträge zum Gespräch zwischen den getrennten Kirchen, Göttingen 1961), 24–79.
13) Ein sehr knapper Überblick in Gestalt von wenigen Literaturhinweisen: H. Freiherr von Campenhausen, Das Bekenntnis im Urchristentum, in: ZNW 63 (1972), 210–253 = Ders., Urchristliches und Altkirchliches. Vorträge und Aufsätze, Tübingen 1979, 217–272; W. Kinzig, Ch. Markschies u. M. Vinzent, Tauffragen und Bekenntnis. Studien zur sogenannten Traditio Apostolica, zu den Interrogationes de fide und zum Römischen Glaubensbekenntnis (Arbeiten zur Kirchengeschichte, 74), Berlin/New York 1999; W. Kinzig, Neue Texte und Studien zu den antiken und frühmittelalterlichen Glaubensbekenntnissen (Arbeiten zur Kirchengeschichte, 132), Berlin/Boston 2017; Ders., Das Apostolische Glaubens-bekenntnis. Leistung und Grenzen eines christlichen Fundamentaltextes (Hans-Lietzmann-Vorlesungen, 17), Berlin/Boston 2018; Ch. Markschies, On Classifying Creeds the Classical German Way: ›Privat-Bekenntnisse‹ (›Private Creeds‹), in: Studia Patristica 63. Papers presented at the Sixteenth International Conference on Patristic Studies held in Oxford 2011, ed. by M. Vinzent, Vol. 11: Biblica, Philosophica, Theologica, Ethica, Leuven u. a. 2013, 259–271; A. M. Ritter, Noch einmal: »Was hat das Nicaeno-Constantinopolitanum (C) mit dem Konzil von Konstantinopel zu tun?«, in: Theologie und Philosophie 68 (1993), 553–560; M. Vinzent, Der Ursprung des Apostolikums im Urteil der kritischen Forschung (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte, 89), Göttingen 2006, sowie L. Westra, The Apostles’ Creed. Origen, History. And Some Early Commentaries (Instrumenta Patristica, 43), Turnhout 2002.
14) Ullmann, Ordo rerum (s. o. Anm. 5), in der ThLZ eher kritisch besprochen von E. Wolgast: ThLZ 132 (2007), 675 f.; vgl. aber auch Ullmann, Zur Auseinandersetzung Anselms von Canterbury mit der trinitätstheologischen Terminologie Augustins, in: Philologus 123 (1979), 75–79.
15) Hinweise auf Quellentexte und Sekundärliteratur bei Ch. Markschies, Luther und die altkirchliche Trinitätstheologie, in: Martin Luther – zwischen den Zeiten. Eine Jenaer Ringvorlesung, hrsg. v. Ch. Markschies u. M. Trowitzsch, Tübingen 1999, 37–85.
16) Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte I, 17.
17) D. F. Strauss, Die christliche Glaubenslehre in ihrer geschichtlichen Entwicklung und im Kampfe mit der modernen Wissenschaft dargestellt, Bd. 1, Tübingen/Stuttgart 1840, 71. Harnack kritisiert in seiner knappen Geschichte der Dogmengeschichtsforschung (Ders., Lehrbuch der Dogmengeschichte I, 36, Anm. 2) Strauss scharf: »er hat, ohne es zu merken, seine eigene Methode der Betrachtung ad absurdum geführt«. – Für weitere Details vgl. M. Basse, Die dogmengeschichtlichen Konzeptionen Adolf von Harnacks und Reinhold Seebergs (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte, 82), Göttingen 2001, 123–146.
18) So fasst Ullmann die Position von Bernhard Lohse zusammen: Vgl. Ders., Was verstehen wir unter Dogmengeschichte innerhalb der evangelischen Theologie, in: KuD 8 (1962), 27–45 = Ders., Evangelium in der Geschichte, Bd. 2: Studien zur Theologie der Kirchenväter und zu ihrer Rezeption in der Reformation, aus Anlass des 70. Geburtstags des Autors hrsg. v. G. Borger u. a., Göttingen 1998, 15–35.
19) J. M. Bocheński, Logik der Religion, übers. v. A. Menne, Köln 1968. – Bei aller Sympathie für die Einsichten der Religionskritik des 19. und 20. Jh.s, die Ullmann vor allem in den Prolegomena seiner Dogmengeschichte ausdrückt, schließt er sich der sehr viel grundsätzlicheren Kritik von Religion bei Karl Barth nicht an, die im Sprachenkonvikt vor allem durch seinen systematischen Kollegen Wolf Krötke präsent gehalten wurde, vgl. Ders., Der Mensch und die Religion nach Karl Barth (Theologische Studien, 125), Zürich 1981.
20) S. Averincev, Art. teologij, in: Filosofskaja enciklopedija Bd. 5, Moskau 1970, 197–199. Zu dem von Ullmann vollständig abgeblendeten Hintergrund der einschlägigen Artikel P. Ehlen, The New Soviet Philosophical Encyclopedia. I. New Attitudes of Soviet Philosophers toward Theology, in: Studies in Soviet Thought 12 (1972), 381–390.
21) Die vielen reformierten Bekenntnisse und die Lehrdebatten des konfessionellen Zeitalters fehlen weitestgehend, vgl. die Reihe »Reformierte Bekenntnisschriften« (hg. im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland von H. Faulenbach u. E. Busch, Neukirchen-Vluyn 2002) und z. B. Die Debatte um die Wittenberger Abendmahlslehre und Christologie (1570–1574), hrsg. v. I. Dingel (Controversia et Confessio, 8), Göttingen 2008.
22) Rechtfertigung und Kirchengemeinschaft. Die Lehrgespräche im Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR, hrsg. v. W. Hüffmeier, Leipzig 2006.
23) B. Jacob, Das Buch Genesis, hrsg. in Zusammenarbeit m. d. Leo Baeck Institut, Stuttgart 2000 (erweiterter und kommentierter Nachdruck der Ausgabe Berlin 1934).
24) Allerdings spricht er in seiner Abschiedsvorlesung durchaus von einem »Mut zu ehrlichen Konsequenzen gegen das Alte Testament als Teil des biblischen Kanons der Kirche« bei Schleiermacher und Harnack (Prolegomena zu einer Dogmengeschichte nach Harnack, 241).
25) Zu dieser Gliederung der Forschungsgeschichte: Ch. Markschies, Art. Apostolicum, in: Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 1, Tübingen 41998, 648 f.
26) J. N. D. Kelly, Early Christian Creeds, London/New York 32006 (die 2. Aufl. von 1972 als: Altchristliche Glaubensbekenntnisse. Geschichte und Theologie, übers. v. K. Dockhorn unter Mitarbeit v. A. M. Ritter, Göttingen 1972). – Das Buch wurde in ThLZ 101 (1976), 274–276, von Heinrich Kraft rezensiert.
27) Alle diese Texte sammelt in großer Ausführlichkeit und textlicher Präzision Wolfram Kinzig: Faith in Formulae. A Collection of Early Christian Creeds and Creed-related Texts, ed. and annotated by W. Kinzig, translated by W. Kinzig with the Assistence of Ch. M. Hays, 3 Vols., Oxford 2017.
28) F. Kattenbusch, Das Apostolische Symbol. Seine Entstehung, sein geschichtlicher Sinn, seine ursprüngliche Stellung im Kultus und in der Theologie der Kirche. Ein Beitrag zur Symbolik und Dogmengeschichte, Bd. 1: Die Grundgestalt des Taufsymbols, Leipzig 1894; Bd. 2: Bedeutung und Verbreitung des Taufsymbols, Leipzig 1900; vgl. H. Deuser, Dass und inwiefern es »glaublich« sei. Ferdinand Kattenbuschs historisch-systematische Theologie, in: ZThK 92 (1995), 54–70.
29) So Kattenbusch, Das Apostolische Symbol (s. o. Anm. 28), Bd. 2, 585–595.
30) Vinzent, Der Ursprung des Apostolikums (s. o. Anm. 13), 312–329, und vorher schon bei W. Kinzig u. M. Vinzent, Recent Research on the Origin of the Creed, in: Journal of Theological Studies 50 (1999), 535–559: 555 f.
31) Vgl. die gute Zusammenfassung bei V. H. Drecoll, Wie nizänisch ist das Nicaeno-Constantinopolitanum? Zur Diskussion der Herkunft von NC durch Staats, Abramowski, Ritter und Hauschild, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 107 (1996), 1–18. – Bei Ullmann finden sich a. a. O., Bd. II, 321, nur sehr knappe Voten, beispielsweise gegen die Sicht von Ritter und dessen Rekonstruktion des Konzilsverlaufs (und die Annahme einer Nachsynode in Konstantinopel 382 n. Chr.), aber ohne rechte Begründung. Auf S. 307–312 werden aus der neueren Debatte über das Nicaeno-Constantinopolitanum lediglich die Positionen von Ritter (nach dessen Dissertation: Das Konzil von Konstantinopel und sein Symbol. Studien zur Geschichte und Theologie des II. Ökumenischen Konzils [FKDG 15], Göttingen 1965) und Staats (Das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel. Historische und theologische Grundlagen, Darmstadt 1996) herausgegriffen und zurückgewiesen.
32) Ullmann, Prolegomena zu einer Dogmengeschichte nach Harnack (s. o. Anm. 11), 228 f., wo er vom Zerrbild »einer Professorendiskussion um die Bedeutung zweier griechischer Termini« (228; sc. οὐσία bzw. ὑπόστασις) spricht. – Einen ähnlichen Eindruck wie Ullmann gewann auch ich als junger Habilitand, als ich mich Anfang der neunziger Jahre in diese antike Debatte und die dazugehörige Forschungsdiskussion einzuarbeiten begann, und meine eigenen Beiträge verraten gelegentlich noch die Eierschalen dieser Sicht: Ch. Markschies, Alta Trinità Beata. Gesammelte Studien zur altkirchlichen Trinitätstheologie, Tübingen 2000.
33) W. Ullmann, Gnostische und politische Häresie bei Celsus, in: Theologische Versuche II, hrsg. v. J. Rogge u. G. Schille, Berlin 1970, 153–158; Ders., Die Bedeutung der Gotteserkenntnis für die Gesamtkonzeption von Celsus’ Logos alethes, in: StPatr XIV/3: Papers presented to the Sixth International Conference on Patristic Studies held at Oxford, 1971, ed. by E. A. Livingstone (TU 117), Berlin 1976, 81–88; Ders., Der Beitrag des Kelsos und des Origenes zur Platon-Interpretation, in: Theologische Versuche VIII, hrsg. v. J. Rogge u. G. Schille, Berlin 1977, 77–84; Ders., Die Beziehungen von Trinitätstheologie und Christologie im 6. Buch von Origenes’ Johannes-Kommentar, in: Origeniana secunda. Second colloque international des études origéniennes (Bari, 20–23 septembre 1977), textes rassemblés par H. Crouzel et A. Quacquarelli, Rom 1980, 165–176; Ders., Hermeneutik und Semantik in der Bibeltheologie des Origenes, dargestellt anhand von Buch X seines Johannes-Kommentars, in: StPatr XVII: Papers delivered at the Eighth International Conference on Patristic Studies, Oxford, 3–8 September 1979, ed. by E. A. Livingstone, Oxford 1982, 966–977; Ders., Die Sophia-Lehre des Origenes im 1. Buch seines Johanneskommentars, in: StPatr XVI/2: Papers presented to the Seventh International Conference on Patristic Studies held in Oxford 1975, ed. by E. A. Livingstone (TU 129), Berlin 1985, 271–278; Ders., Exodus und Diabasis. Origenes »Über das Passa« als Beispiel christlicher Auslegung des Alten Testaments, in: BThZ 6 (1989), 234–244; Ders., Logos und Sophia in der Trinitätslehre des Origenes, in: Dissertatiunculae criticae. Festschrift für Günther Christian Hansen, hrsg. v. Ch. F. Collatz u. a. Würzburg 1998, 353–366.
34) In seiner Rez. der »Origeniana Sexta« (s. o. Sp. 1134 mit Anm. 4) weist Ullmann den Begriff »Subordinatianismus« für die Trinitätstheologie des Origenes zurück: ThLZ 122 (1997), 343. In seiner Rez. der »Origeniana Quarta« (s. o. Sp. ### mit Anm. 4) lehnt er ebenso entschieden die auf Harnack und Zahn zurückgehende Differenzierung zwischen »Alt-« und »Jungnizänern« und die Rekonstruktion des trinitätstheologischen Streits als Debatte zwischen einer Ein- und einer Drei-Hypostasen-Theologie ab: ThLZ 114 (1989), 899 f. Da Ullmann aber die für diese Rekonstruktion basalen Schlüsseldokumente der Synodalgeschichte des 4. Jh.s nur in Auswahl behandelt – der Tomus ad Antiochenos von 362 n. Chr. wird beispielsweise einmal kurz im Zusammenhang einer Rekonstruktion der Theologie des Athanasius erwähnt (Bd. II, 206; inzwischen ist er mustergültig ediert: Athanasius Werke 3. Bd. 1. Tl. Dokumente zur Geschichte des arianischen Streites, hrsg. v. H. Ch. Brennecke u. a., 4. Lfg., Berlin/Boston 2014, 592–604 [Dok. 69.2]), aber nicht ausführlich interpretiert –, kommen nur einzelne theologische Entwürfe wie ebender des Athanasius in den Blick. Und wieder bleibt Ullmann Zahn und Harnack zugleich verpflichtet, wenn er das Bekenntnis von Nicaea auf das Stichwort »Wesensidentität« (Bd. II, 137) bringt.
35) Hier wäre hilfreich gewesen: H. Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele. Das Problem der dritten Hypostase bei Origenes, Plotin und ihren Vorläufern (BHTh 84), Tübingen 1994; inzwischen ist die Diskussion fortgeschrieben bei M. Edwards, Origen Against Plato (Ashgate Studies in Philosophy & Theology in Late Antiquity), Aldershot 2002, 47–86.
36) Bemerkenswerterweise fehlt bei Ullmann eine kritische Note gegenüber dem Apostolikum, wie sie Wolfram Kinzig (Das Apostolische Glaubensbekenntnis [s. o. Anm. 13], 25 f.) im Blick auf den »völligen Ausfall der biblischen Ethik« im Bekenntnis formuliert; er schließt daher auch mit einem Vorschlag für eine entsprechende zusätzliche Passage bei der liturgischen Verwendung (a. a. O., 26).
37) Bonhoeffer wurde allerdings in einer konzertierten Aktion des Dekans (Erich Seeberg), von Studierenden und dem zuständigen Ministerium aus der Privatdozentur entlassen und war niemals ordentlicher Professor der Fakultät, sondern wurde nur als Student stark von ihr und insbesondere von den Kirchenhistorikern Harnack und Holl sowie dem Systematiker Reinhold Seeberg geprägt. – D. Wendebourg, Dietrich Bonhoeffer und die Berliner Universität, in: BThZ 23 (2006), 285–312. Zur Nachkriegsgeschichte vgl. W. Krötke, Die Theologische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin 1945–2010, in: Geschichte der Universität Unter den Linden 1810–2010. Bd. 6: Selbstbehauptung einer Vision, hrsg. v. H.-E. Tenorth, Berlin 2010, 47–87.
38) R. Mau, Das Sprachenkonvikt 1950–1991, in: BThZ 9 (1992), 107–118, sowie W. Krötke, Profil des Berliner Sprachenkonvikts, in: ZThK 107 (2010), 123–168.