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Ausgabe:

Juli/August/2020

Spalte:

648–655

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Leppin, Volker, Strohm, Christoph, Wolf, Hubert, Wieczorek, Alfried, u. Stefan Weinfurter [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Die Päpste und ihr Amt zwischen Einheit und Vielheit der Kirche. Theologische Fragen in historischer Perspektive. Wissenschaftliche Publikation zur Ausstellung »Die Päpste und die Einheit der lateinischen Welt. Antike – Mittelalter – Renaissance«.

Verlag:

Stuttgart: Verlag Schnell & Steiner 2017. 304 S. m. 31 Abb. = Die Päpste, 4. Geb. EUR 29,95. ISBN 978-3-7954-3090-0.

Rezensent:

Markus Wriedt

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Schneidmüller, Bernd, Weinfurter, Stefan, Matheus, Michael, u. Alfried Wieczorek [Hrsg.]: Amt und Herrschaft in Antike, Mittelalter und Renaissance. Wissenschaftliche Publikation zur Ausstellung »Die Päpste und die Einheit der lateinischen Welt. Antike – Mittelalter – Renaissance«. Stuttgart: Verlag Schnell & Steiner 2016. 504 S. m. 95 Abb. = Die Päpste, 1. Geb. EUR 39,95. ISBN 978-3-7954-3087-0.
Matheus, Michael, Schneidmüller, Bernd, Weinfurter, Stefan, u. Alfried Wieczorek[Hrsg.]: Die Päpste der Renaissance. Politik, Kunst und Musik. Wissenschaftliche Publikation zur Ausstellung »Die Päpste und die Einheit der lateinischen Welt. Antike – Mittelalter – Renaissance«. Stuttgart: Verlag Schnell & Steiner 2017. 424 S. m. 69 Abb. = Die Päpste, 2. Geb. EUR 29,95. ISBN 978-3-7954-3088-7.
Zimmermann, Norbert, Michalsky, Tanja, Wieczorek, Alfried, u. Stefan Weinfurter [Hrsg.]: Die Päpste und Rom zwischen Spätantike und Mittelalter. Formen päpstlicher Machtentfaltung. Wissenschaftliche Publikation zur Ausstellung »Die Päpste und die Einheit der lateinischen Welt. Antike – Mittelalter – Renaissance«. Stuttgart: Verlag Schnell & Steiner 2017. 320 S. m. 88 Abb. = Die Päpste, 3. Geb. EUR 29,95. ISBN 978-3-7954-3089-4.


Mit insgesamt vier wissenschaftlichen Tagungen zwischen 2014 und 2016 haben die Herausgebenden der vorliegenden Beitragssammlungen sich »auf die lange Einheit der lateinischen Welt und ihre[r] kulturellen Prägekräfte« im Umfeld der 500. Wiederkehr der Reformation Martin Luthers zurückbesonnen. Damit ist die Programmatik sowohl der Ausstellungen im Reiss-Engelhorn-Mu­seum Mannheim wie auch der wissenschaftlichen Beschäftigung vorgegeben. Die für etliche Protestanten der Gegenwart immer noch identitätsstiftende Ablehnung der römisch-katholischen Kirche, ihres universalen Geltungsanspruches und insbesondere der Institution des Papsttums gibt einen nicht zu übersehenden Orientierungspunkt des großen Sammelwerkes ab. Eine Beschäftigung mit diesen Kulturphänomenen jenseits der kontroverstheologischen Zuspitzung ist offenbar kaum möglich. Hinzu kommt die im Einleitungskapitel von Bernd Schneidmüller behauptete Kontinuität des Papsttums über »fast 2000 Jahre« (13). Hier wird eine Verbindungslinie postuliert, die in den folgenden Beiträgen nur bedingt bestätigt, vor allem aber insgesamt als historiographische Referenz doch hätte diskutiert werden müssen.
Sei es, wie es sei: Die Institution des Papsttums kann in einer langen, wechselvollen Geschichte rekonstruiert werden. Wer sich diesem Unterfangen stellt, sieht sich zahlreichen Herausforderungen gegenüber. Neben die Frage der ununterbrochenen Kontinuität des Amtes wie auch seiner behaupteten Primatsrechte stellen sich auch Probleme der historischen Verifizierbarkeit theologiegeschichtlich und teilweise auch dogmatisch behaupteter Facetten seiner Manifes-tation: Lehr- und Jurisdiktionsprimat, die lückenlose Abfolge seit apostolischer Zeit (Petrus), die Wechselfälle, denen das Amt und seine Inhaber in der langen Geschichte unterworfen waren, wie auch die zuweilen nur schwer zu leistende Trennung von Person und Amt zählen gewiss dazu. Die fundamentale Infragestellung des Papstamtes durch die Reformation wird in allen Bänden implizit und explizit thematisiert. Gleichwohl sind erhebliche und nicht minder grundstürzende Infragestellungen auch bereits in den vorausgehenden Jahrhunderten zu berücksichtigen.
Insgesamt überwiegt, auch in den nichttheologischen Beiträgen, die römisch-katholische Sicht. Damit stellt sich ein gravierendes historiographisches Problem: Sind die Jahrhunderte vor der abendländischen Kirchenspaltung im Zeitalter der Reformation als ge­meinsame Geschichte zu begreifen, oder werden die Differenzierungen des 16. Jh.s als fundamentaler Bruch der abendländischen Kircheneinheit interpretiert, in deren Verlauf sich die protestantischen Kirchen, nicht zuletzt aufgrund ihrer antikatholischen und antipapalistischen Positionierung, von dem römischen Mainstream abgespalten haben? Die Beantwortung dieser Frage ist keine Kleinigkeit und wirft lange Schatten auf das zusammengestellte Grundlagenwerk zur Papsttumsgeschichte.
Das Unternehmen, eine Zusammenarbeit verschiedener Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen, besteht aus einer Ausstellung wichtiger Exponate der Papsttumsgeschichte und der Dokumentation der oben erwähnten vier wissenschaftlichen Konferenzen. Die Rezension beschränkt sich auf eine knappe Würdigung der Konferenzbände und lässt die Ausstellung einmal außen vor. Freilich sind die vier Bände reich und in der Regel farbig illus-triert. Sie erlauben so einen Blick in die Mühen der Ausstellungsmacher. Sie ermöglichen allerdings auch die Lektüre der Aufsätze ohne persönlichen Besuch der Ausstellung.
Band 1 beschreibt das Amt und (die) Herrschaft in Antike, Mittelalter und Renaissance. Die Herausgeber, ein Theologiehisto-riker, zwei Historiker und der Ausstellungsdirektor, arbeiten das thematisch weite und in einem historischen Raum von bald 1500 Jahren verortete Sujet gemeinsam ab. Nach einer sehr allgemeinen, freilich auch konfessionell positionierten Einführung von Bernd Schneidmüller werden 21 Beiträge in vier sachlichen Zusammenhängen in chronologischer Abfolge präsentiert.
Hugo Brandenburg erörtert im II. Abschnitt: »Petrus der Fels: Archäologische Befunde und Zeichen des frühen Kultes« die historischen Artefakte, die den Aufenthalt, den Märytertod und die Bestattung des Apostels Petrus in Rom belegen. Trotz aller historischen Versatzstücke sind es letztlich die apostolische Tradition und der Primatsanspruch der Sedes Apostolica seit dem 2. Jh., welche die herausragende Stellung Roms und seines Bischofs begründen. Pikanterweise ist es ein protestantischer Kronzeuge historischer Wissenschaft, Adolf von Harnack, der zum Gewährsmann dieses Indizienurteils wird. (73) Brandenburg betont die fraglose Anerkennung dieses Anspruches von der Antike über pagane Schriftsteller bis hin in die Zeit des frühen Mittelalters und das dafür gesammelte Wissen vor allem der lateinischen Tradition. Auf die Kontinuität der Grablegen der römischen Bischöfe verweist auch Sible de Blaauw, wenn er die Gräber der frühen Päpste dokumentiert. Auch wenn er das Petrusgrab als »vermeintlich« (77) bezeichnet, ist ihm, fußend auf den Überlegungen von Jean-Charles Picard (1969) und Michael Borgolte (1989), die (spät-)antike Tradition als Brücke zwischen der apostolischen Zeit und dem Mittelalter die Kontinuität der Grablegen archäologisch und kunsthistorisch ein Anliegen. Carola Jäggi untersucht Petrusbilder in der frühchristlichen Kunst. Sie vermag zu rekonstruieren, dass der fraglose Anspruch des römischen Bischofs auf die Nachfolge des Apostels und damit den Vorrang vor allen anderen Kirchen erst unter Leo I. in der Mitte des 5. Jh.s künstlerisch bzw. bildnerisch manifest wird (118 f.). Dieser Beitrag wird ergänzt durch die Analyse der römischen Inschriften von der Spätantike bis ins hohe Mittelalter von Sebastian Scholz. Er rekonstruiert bis in das 12. Jh. hinein das zunehmend ausdifferenzierte Bild des Papstes als eines Heiligen, durch das möglicher Widerspruch gegen diese Institution im Ansatz erstickt würde. Wie wenig diese Strategie später aufging, zeigen die nachfolgenden Untersuchungen zur Krise des Papsttums im Mittelalter. Gleichwohl wird deutlich, wie die Inschriften aktiv an der Festigung eines Papstbildes beteiligt waren, die für Widerspruch und Kritik wenig Raum ließ.
Teil III. ist mit »Etappen und Strategien der Emanzipation« überschrieben. Hierbei geht es augenscheinlich um die Trennung der in den Reichsteilen Ost- und Westroms beheimateten Kirche und den sich dann auf den lateinischen Westen konzentrierenden Primatsanspruch des römischen Bischofs. Hartmut Leppin beginnt mit einer Skizze der Entwicklungen des lateinischen Patriarchen im Westen und des griechischen Kaisers im Osten. Er konstatiert eine »vielleicht kontraintuitive Asymmetrie zwischen den beiden Gestalten, die sich zunächst aus der eigenartigen Inkongruenz zwischen kirchlicher und politischer Organisation ergab.« (160) Er macht weiterhin deutlich, dass die Festigung des Primatsanspruches immer wieder durch die Rückbindung theologischer Aussagen an das Zeugnis des Heiligen Geistes angefochten war. Dennoch verstanden es die Vertreter der Institution, sukzessive den Lehrprimat durchzusetzen und sich dabei auch einmal über den Kaiser zu erheben. Die Reichsteilung ermöglichte darüber hinaus, dass sich das Papsttum des Westens als der Kontinuitätswahrer der römischen Kaiserwürde von jeglichen Weisungsansprüchen des Ostens emanzipiert. Darauf geht auch Florian Hartmann in seinem Beitrag zur spannungsvollen Positionierung der Cathedra Petri zwischen den Machtansprüchen des westlichen und östlichen Imperiums ein. Agostino Paravicini Bagliani fragt nach dem procedere von Papstbeisetzung und Wahl eines neuen Bischofs von Rom. Er stellt die Entwicklung der institutionalisierten Ordnungen in die Spannung von Flexibilität und Kontinuität. Zu Ersterer zählt der Wandel der Papstwahlgremien und der jeweilige Ort der Wahl. Zu Letzterer gehört sodann die Bedeutung des Ortes für die Amtseinsetzung, die vatikanische Basilika sowie der Kreis der Wählenden. Bagliani deutet nur an, wonach man fragen möchte: die Einschnitte dieser Prozeduren im Mittelalter – man denke an die Probleme des Papsttums im 10. und 11. Jh. – während des Papstschismas und des Exils in Avignon. Auf die Rolle der Könige und damit das spannungsvolle Wechselverhältnis von imperium und sacerdotium vom 9. bis zum 12. Jh. konzentriert sich die Darstellung von Gerd Althoff. Er vermag eine sich immer stärker durchsetzende Rolle der Päpste als Kontrolleure der weltlichen Macht zu rekonstruieren, die allerdings bis zum Investiturstreit einerseits von gelingender Zusammenar-beit, andererseits auch von schroffer Konkurrenz gekennzeichnet war. Mit dem 11. Jh. setzen sich dann geradezu »revolutionär« (214) der päpstliche Jurisdik-tionsprimat und die Behauptung seiner Vormachtstellung durch. Diese Entwicklung sieht er als Bruch, nicht als konsequente Weiterentwicklung mittelalterlicher Vorstellungen. Auf die Papstbildnisse auf liturgischen Gegenständen geht Irmgard Siede in ihrem Beitrag zum Codex Aureus aus Speyer ein. Sie vermag zu zeigen, dass hinter der Ansammlung von Abbildungen ein liturgisches Interesse steht: die Kommemoration der Bischöfe und Päpste.
Der vierte Teil des Bandes wendet sich sodann der päpstlichen Vollgewalt und dem universalen Anspruch der Amtsträger zu. In sieben Beiträgen wird die im Hochmittelalter wahrzunehmende Entwicklung zur päpstlichen Universalmonarchie rekonstruiert. Dazu werden unterschiedliche Gruppen, die den päpstlichen Machtanspruch repräsentieren, sowie Medien und Institutionen geschildert. Jochen Johrendt skizziert die Verdichtung und Monetarisierung päpstlicher Herrschaft bis zum Ausgang des 13. Jh.s, wobei es gleichermaßen um den Aufbau der kurialen Administration wie auch die Beschaffung der dafür erforderlichen Finanzmittel geht. Claudia Zey nimmt die Ämter der päpstlichen Boten und Legaten zum Anlass, über die Distribution und Präsenz päpstlicher Macht zu reflektieren. Lotte Kéry fragt nach den legalistischen Begründungen des päpstlichen Führungsanspruches im Kirchenrecht. Bemerkenswert ist ihre Conclusion, dass das mittelalterliche Kirchenrecht eine eigenständige Größe neben dem Papsttum darstellte, der sich auch das Papsttum unterzuordnen hatte. Stefan Burkhardt fragt nach der Bedeutung des Papsttums für die mediterrane Meereswelt und weist den Begriff einer Thalassokratie (315) oder auch den Gedanken einer päpstlichen Seemacht zurück. Die Krisen des Papsttums im Hochmittelalter greift Viola Skiba in ihrem Beitrag auf. Der Aufbruchsstimmung des 12. Jh.s folgt gleichsam als Höhepunkt der Reformbemühungen das vierte Laterankonzil, in dessen Rechtssetzung die vielfältigen Reformanliegen kanalisiert und eingehegt werden konnten. Eng damit verbunden ist der Siegeszug des Ablasses durch die päpstliche Jurisdiktion, wie er von Ètienne Doublier rekonstruiert wird. Die Gestaltung des Ablassinstituts erweist sich als ein multifunktionales Instrument der Kontinuität, das von den Päpsten teilweise virtuos eingesetzt wurde. Damit geht die Stärkung der Bettelorden einher, wie auch die gesteigerte Exklusivität der Kirche als heilsvermittelnde Instanz. Auch der Ablass trägt damit zur exklusiven Herrschaft des Papsttums und heilsvermittelnden Funktion der durch es repräsentierten Kirche bei. Christian Jaser zieht einige Linien dieser Überlegungen im Blick auf die päpstliche Generalexkommunikation aus. Dabei untersucht er die Verhältnisbestimmung von kirchenrechtlicher Innovation und zeremoniellem Handeln. Mit berechtigter kulturwissenschaftlicher Fragestellung vermag er die kontroverse Wahrnehmung dieses exklusiven Machtinstruments zu rekonstruieren. Zugleich wird deutlich, dass für dessen Durchsetzung bestimmte Konjunkturen erforderlich sind. Damit leitet er über zu der reformatorischen Infragestellung der Legitimität der Generalexkommunikation, die Luther zwar publizistisch in einmaliger Breite vorgetragen hatte, die sich aber auf Vorläufer aus dem Spätmittelalter durchaus berufen kann.
Damit beginnt der fünfte Teil der Aufsatzsammlung des ersten Bandes: »Aufstieg aus den Anfechtungen«. Er wird eingeleitet durch den Beitrag von Karl Ubl, in dem die Debatten über die päpstliche Souveränität zur Zeit Bonifatius’ VIII. am Ende der Periode der hochmittelalterlichen Inszenierung des päpstlichen Machtanspruches skizziert werden. Sie entzünden sich an der Frage nach dem Simonieverdacht gegenüber dem höchsten Repräsentanten der Universalkirche und verlaufen in mehreren Strängen. Sie können grob in der Spannung von transparenter Theoriebildung und dem Streben nach Legitimität des Papsttums im Konsens des Volkes rekonstruiert werden. Claudia Märtl greift noch einmal den großen Finanzbedarf der Kurie des 15. Jh.s auf und fragt nach den diesbezüglichen Reformdiskursen. In der geistlich-weltlichen Doppelrolle der Päpste sieht sie den Grund für die Verbindung einander widerstrebender Bemühungen um finanzielle Konsolidierung und ungebremste Vermögensschöpfung. Dieser Beitrag endet mit einem Zitat aus Luthers Adelsschrift, der seinen Finger in die offene Wunde am Leib Christi, den die Kirche repräsentiert, legte. Jürgen Dendorfer fragt nach Funktion und Ausgestaltung des Machtzuwachses für die Kardinäle. Der Pontifikat Pius’ II. wird zum Wendepunkt der Geschichte der Kardinäle, insofern diese danach sich über die korporativen Beschränkungen der monarchischen Papstgewalt hinwegsetzten und so zum Niedergang der Institution beitrugen. Ein kunstgeschichtlicher Beitrag von Ulrich Pfisterer mit der Zusammenfassung seiner monographischen Behandlung des Themas schließt diesen Abschnitt mit einer Analyse des Assoziationsraumes der Sixtinischen Kapelle.
Der Band schließt mit einem Resümee von Stefan Weinfurter zur »Mühsal der Päpste«. Er skizziert den weiten Bogen der im vorliegenden Band dokumentierten Forschungen und positioniert sich als historiographischer Sachwalter einer verständnisvollen Würdigung der Geschichte des lateinischen Papsttums, auch wenn er nicht alle reformatorischen Anfragen der folgenden Jahrhunderte damit ausgleichen kann.
Den Herausforderungen der reformatorischen Infragestellung be­gegnet Band 2 der Dokumentation zum Thema des Renaissancepapsttums: Die Päpste der Renaissance. Politik, Kunst und Musik. Zunächst erläutert Michael Matheus den Forschungsstand und weitere Perspektiven der Beschäftigung mit diesem Thema. Der Band ist nachfolgend in sieben Teilkapitel aufgegliedert.
Der erste Teilabschnitt erörtert mit einem Beitrag von Klaus Herbers das Weltverständnis der Päpste vor dem Hintergrund der Entdeckungen Mittel- und Lateinamerikas sowie der zunehmenden Erschließung des Weltenrunds. Bemerkenswert erscheint der Schluss des Beitrages, indem der Autor einerseits auf die gute Vorbereitung der Kurie für die Welterweiterungen des 15. und 16. Jh.s verweist, dies aber unter dem Eindruck der reformatorischen Identifikation des Papsttums mit dem Antichristen in Deutschland nur höchst ambivalent wahrgenommen wurde.
Drei Beiträge erörtern im zweiten Teilabschnitt die Kunst am päpstlichen Hof: Arnold Nesselrath erläutert die historiographische Potenz von päpstlich in Auftrag gegebenen Kunstwerken. Johannes Röll fragt nach der Botschaft der Papstgrabmäler im 15. Jh. und vermag bei aller Opulenz in den Denkmälern des 16. Jh.s eine – durch die Reformation? – provozierte doppelte Rückwendung zur Vergangenheit sowohl in der Person des Dargestellten als auch in der Darstellung selbst zu erkennen (92). Auf das Musikschaffen und dessen zeremonielle Bedeutung im 15. Jh. verweist Adalbert Roth in seinem Beitrag. Dessen fast schon apologetischer Schluss (107) greift über den Berichtszeitraum des Aufsatzes hinaus und lässt die in Leo X. als Reformpapst gesetzten Hoffnungen in einem noch deutlicheren Licht erscheinen.
Das Thema der kurialen Finanzen wird im dritten Abschnitt »Papstfinanz« in zwei Beiträgen erörtert. Luciano Palermo erläutert die Finanzgestaltung in Verbindung mit einer umfassenden Kirchenreform im 15. Jh., die allerdings die heftige Anfeindung durch die spätere Reformation nicht abwenden konnten. Umso interessanter die Abschlussformulierung, nach der die kirchlichen Finanzen und ihre Administration im Wesentlichen denen der europäischen Territorialmonarchien entsprach. Aufgrund der hohen Effektivität der Finanzverwaltung wurde dann allerdings Rom zu einer der ersten Adressen in Europa für staatliche Investitionen. Andreas Rehberg untersucht das kontroverstheologisch hochbrisante Ablassinstitut um 1500, mit dem Ergebnis, dass der Ablass weder durch die Reformation von 1517 unmittelbar abgestellt noch im Kunstschaffen protestantischer Räume gänzlich ausgeblendet wurde.
Der vierte Abschnitt wendet sich der Renaissancekultur in der Kurie zu. Richard Sherr untersucht die Funktion und Ausstattung der päpstlichen Chöre, Claudia Märtl die materielle Kultur in der Frührenaissance und Birgit Studt die Anwesenheit von Humanisten in der Kurie. Märtl lässt deutlich erkennen, dass es eine Wechselbeziehung zwischen kurialem Selbstverständnis und dessen theologischer Reflexion einerseits und den humanistischen Wissensbeständen und Repräsentationsformen andererseits gibt. Inwieweit es sich dabei um »neue Wertesysteme und Wissensordnungen« handelt (227 f.), wäre allerdings gesondert zu behandeln.
Der fünfte Abschnitt behandelt sodann die sozialgeschichtlichen Fragestellungen der Renaissancestadt Rom. Arnold Esch rekonstruiert die wirtschaftliche Entwicklung Roms im 15. Jh. und Anna Esposito die nicht immer spannungsfreien Wechselwirkungen zwischen den Päpsten und Gruppen der römischen Bevölkerung und ihren Institutionen. Anna Modigliani skizziert urbane Strategien in der Nutzung des öffentlichen Raumes und die Ausrichtung des Wechselverhältnisses von Papsttum, Kurie und städtischen Institutionen des Bürgertums. Das sechste Kapitel nimmt nun die mit dem Reforma-tionsgeschehen konfrontierten bzw. verbundenen Traditionen, Brüche und Transformationen auf. Johannes Helmrath setzt mit einer Skizze über die Entwicklungen des Verhältnisses zwischen Papst und Konzil zwischen 1409 (Pisa) und dem V. Lateranum (1512–1517) ein. Dabei kommt zunächst ein höchst widersprüchliches Bild zutage. Er vermag dabei die unterschiedlichen Reformströmungen zu erläutern wie auch die Schwierigkeit, in die das Legitimationsbestreben des Papsttums unter dem Eindruck der ersten reformatorischen Kritik Martin Luthers geriet. Dabei streicht er völlig berechtigt heraus, dass die Engführung der kurialen Reformen auf Momente der Gegenreformation als einer Reaktion auf die deutschen Forderungen zu kurz greift. Es gibt spätmittelalterliche Reformmaßnahmen, die durchaus erfolgreich und ohne reformatorische Intervention ins Werk gesetzt werden konnten. Auf die Kritik am Renaissancepapsttum und der es beherbergenden Stadt geht Michael Matheus in seinem Beitrag ein. Der umfangreiche Beitrag von 51 Druckseiten zeigt das breite Spektrum von kritischen Äußerungen, die das Reformbestreben von Kurie und Papsttum nicht monokausal auf die Reformation beziehen lassen. Sein Beitrag macht deutlich, dass diese Engführung historiographisch nicht angemessen ist.
Volker Leppin sammelt sodann auch Quellen zur Stellung des Papsttums aus dem Spätmittelalter, die eine breite Reformströmung in höchst unterschiedlicher Ausformung erkennen lassen. Die auseinanderstrebende Kritik am Papsttum und zugleich das Bemühen um eine Stärkung dieser Institution zeigen deutlich, dass Luthers Anfragen zum einen von theologisch anderer Qualität, vor allem aber nicht monokausal aus diesen Bewegungen abgeleitet werden kann. Das Votum von Kurt Kardinal Koch erweitert die historiographische Aufarbeitung des Themas um einen aktuellen ökumenischen Akzent, der allerdings über eine Einladung zum gemeinsamen Gespräch über den Bischof von Rom und sein Amt nicht hinausgeht.
Mit Thesen zum Renaissancepapsttum von Volker Leppin, Christoph Strohm und Günther Wassilowsky im siebten Abschnitt des Bandes wird dieses Gesprächsangebot aufgenommen. Freilich fehlt die Dokumentation des tatsächlichen Gespräches zwischen den konfessionell geschiedenen Repräsentanten der deutschen Reformationsgeschichtsschreibung, so dass zunächst nur die Thesen stehen bleiben. Sie problematisieren Terminologie, Zugangsweisen und konfessionell bedingte Einseitigkeiten, lassen aber noch keine zukünftige Konvergenz erkennen.
Der dritte Band der Sammlung geht chronologisch noch einmal zurück und fragt nach Formen päpstlicher Machtentfaltung zwischen Spätantike und Mittelalter. Er ist erkennbar unter dem Einfluss kulturwissenschaftlicher Fragestellungen und dem Kulminationspunkt der Debatten im Ereignis der Reformation zusammengestellt und füllt die bestehende Lücke, die theologie- und kirchenhistorische Beiträge in der Regel zwischen dem 5. und 13. Jh. lassen. Es geht um I. Raum und Performanz, II. Repräsentationen päpstlicher Ordnung sowie III. um das Wechselverhältnis von politischer Durchsetzung und diplomatischer Streitschlichtung.
Der erste Abschnitt fügt vier Beiträge zusammen. Vladimir Ivanovici untersucht die prestigebildenden Maßnahmen des römischen Bischofs im 5. Jh. mit dem Ergebnis, dass die Vertreter der Kirche jede Möglichkeit der Konsolidierung päpstlicher (bischöflicher?) Macht nutzen. Antonella Ballardini widmet sich der prächtigen Inszenierung der Öffnung der Heiligen Pforte von Johannes VII. bis zu den Renaissancepäpsten. Manuela Gianandrea untersucht die Rolle von Papst Silvester in den Selbstdarstellungen des römischen Papsttums vom 6. bis zum 12. Jh., in denen er mehr und mehr zur historischen Projektionsfläche aktueller kirchenpolitischer Überlegungen transformiert. Galliano Ciliberti fragt schließlich nach der Rolle von Musik und Liturgie bei päpstlichen Zeremonien im Mittelalter. Er sieht diese in der umfassenden Verbindung theologischer, architektonischer, emotionaler und liturgischer Elemente zu einer allegorischen Abbildung der Eintracht (90).
Der zweite Abschnitt besteht aus sechs Beiträgen, die nach den Repräsentationen päpstlicher Ordnung fragen. Erik Thunø fragt nach der Machtrepräsentation in den schriftlich fixierten Papsturkunden, Anschlägen oder auch Inschriften auf Monumenten. Norbert Zimmermann untersucht Inhalte und Intentionen bildlicher Kunst in den im Frühmittelalter gestalteten Sakralräumen. Alessando Taddei fragt in der Mitte des 7. Jh.s nach dem Verhältnis von Papst Theodor zu den Künsten. Lucrezia Spera untersucht die durch archäologische Funde mögliche Neudeutung der institutionellen Wende im 8. Jh. Guilia Bordi rekonstruiert die Papstabbildungen in S. Maria Antiqua im 8. Jh. und verweist auf die beeindruckende Brückenfunktion Papst Johannes’ VII. zwischen den Kulturen des griechischen Osten und des lateinischen Westen. Dieter Blume untersucht schließlich die Antikenrezeption im Selbstverständnis der Kurie und liest diese durchaus als Konkurrenzentwurf zu den Entwicklungen am Kaiserhof Friedrichs II. in Süditalien.
Der Erschließung reicher Quellenbestände zur aktiven Gestaltung politischer Prozesse widmet sich der dritte Hauptteil des Bandes. Roald Dijkstra und Dorine van Espelo untersuchen die Legitimation der päpstlichen Autorität zwischen Spätmittelalter und frühem Mittelalter auf der Basis der Verehrung des Petrusgrabes, die freilich erst seit dem 4. Jh. nachweisbar ist. Donatella Nuzzo untersucht die Veränderungen der kirchlichen Strukturen im genannten Zeitraum. Bernhard Jussen fragt mit einer tiefgreifenden Begriffsanalyse nach den Gegenständen der Verhandlungen zwischen den Päpsten und den fränkischen Herrschern. Er erkennt im Wandel der Semantiken einen tiefgreifenden Indikator für die fortschreitende Trennung des Politischen und des Religiösen. Auf die materiale Kultur von Textilgeschenken im späten 13. Jh. richtet Christiane Elster ihre Aufmerksamkeit und vermag zu zeigen, dass sie als »vielgestaltige Akte symbolischer Kommunikation mit beziehungsstiftender Funktion« (306) gedeutet werden können. Alle Beiträge dieses – und leider nur dieses – Bandes enthalten einen bibliographischen Anhang mit der verwendeten Literatur.
Wer nun im vierten Band der Sammlung eine Fortschreibung der historischen Linien über die Frühe Neuzeit bis in die Gegenwart erhofft hat, sieht sich getäuscht. Nach drei Bänden stärker historisch orientierter, interdisziplinärer Arbeit wendet sich der ab­schließende den »theologischen« Fragen zu. Freilich zeigt schon ein oberflächlicher Blick in das Inhaltsverzeichnis, dass noch einmal einige historisch anmutende Fragestellungen mit dem Schwerpunkt im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit verfolgt werden und sich tatsächlich nur zwei der insgesamt zwölf Beiträge mit Fragestellungen zur Moderne unabhängig vom Faktum der Kirchenspaltung beschäftigen.
Der erste Abschnitt ist überschrieben »Zum Wesen des päpstlichen Amtes« und enthält zwei Aufsätze des dogmenhistorisch interessierten, leider vor Jahresfrist verstorbenen Freiburger Dogmatikers Peter Walter und des katholischen Kirchenhistorikers Günther Wassilowsky. Walter fragt nach den theologischen Grundlagen, mithin der Rezeptionsgeschichte der einschlägigen Bibelworte zur Begründung des Papstamtes und zieht die Linien dann tatsächlich bis in die Moderne aus, näherhin bis zum 2. Vaticanum. Sein Urteil fällt differenziert aus, insofern er dogmatisch dem Papsttum durchaus die Fähigkeit zur Zusammenhaltung der Weltkirche zubilligt, dies aber in der historischen Perspektive nicht verifizieren kann. Nicht minder kritisch fällt der Beitrag von Wassilowsky aus, der im Fokus behaupteter Reformwilligkeit die Vertreter des Papsttums knapp systematisiert Revue passieren lässt. Sein Fazit lässt wie schon bei Walter ein ambivalentes Urteil erkennen: Immer wieder war es die Kontinuitätsfiktion, welche innovativen oder reformerischen Initiativen die Spitze nahm und sie nicht selten im Ansatz erstickte.
Der zweite Teil ist überschrieben mit »Päpste und Welt« und sucht das spätmittelalterliche Renaissancepapsttum im Kontext der Herrschaftsgeschichte dieser Zeit zu rekonstruieren. Bernd Schneidmüller vertritt die diskussionswürdige These, dass die fortschreitende Trennung des Politischen von der Sphäre des Kirchlichen nicht von außen an die Kurie herangetragen wurde, sondern vielmehr die autonome Macht des Politischen innerhalb der päpstlichen Administration entwickelt wurde und damit indirekt aus dem Mittelalter den Weg zu künftigen Säkularisierungen wies (71). Michael Matheus warnt vor einer vorschnellen Abgrenzung der kurialen Politik vom Alten Reich, mithin einer seit dem 13. Jh. manifesten Abgrenzung von Kurie und Reich zugunsten der Entwicklungen der Reformation zu Beginn des 16. Jh.s. Er plädiert für eine differenziertere Wahrnehmung der langfristigen Entwicklungen und lehnt kurzfristige Kausalitätsmuster ab.
Drei Beiträge zum spätmittelalterlichen bzw. frühneuzeitlichen Papsttum beinhaltet der dritte Abschnitt unter dem Titel »Päpste und Kirchenverständnis«. Volker Leppin referiert akademische Debatten über das Papsttum im 13. Jh., in denen wie dann später noch einmal im 15. Jh. radikal unterschiedliche Papstkonzeptionen eines papalistischen Ansatzes wie etwa von Aegidius Romanus mit denen ein relativierendes Verhältnis zur politischen Macht favorisierenden Haltungen der Franziskaner aufeinanderprallen (135). Auf die Problematik der konziliaristischen Vorstellung einer Rollenverteilung zwischen Papst und Konzil verweist Thomas Prügl in seinem Beitrag. Die mögliche Kontrolle durch das Konzil wurde freilich von den Päpsten als Einschränkung ihrer Machtfülle und als Drohkulisse verstanden, wodurch die vielfältigen Ansätze zu einer schiedlich-friedlichen Balance zwischen beiden Institutionen verdrängt wurden. Klaus Unterburger fragt schließlich nach der Rolle des Papsttums in der Religiosität der frühen Neuzeit. Er sieht die Entwicklungen unter den Bedingungen der konfessionellen Systemkonkurrenz auf eine Spiritualisierung und eine glaubensgemäße Aneignung der dogmatischen Aussagen über den Bischof von Rom abzielen. Deren Spätwirkung wäre für das gegenwärtige Papsttum durchaus ein vielversprechender Ansatz zu einer modernitätstauglichen Reform.
Zwei weitere Beiträge in einem weiteren vierten Teil von Karl Pinggéra und Christoph Strohm beleuchten das Papsttum aus dem Blickwinkel der östlich-orthodoxen Kirchen und des Protestantismus. Im ersten Beitrag werden Optionen für eine ökumenische Annäherung zwischen Ost und West ausgelotet, denen wohl auch die mangelnde Wahrnehmung der religiösen Vielfalt des christlichen Ostens auf westlicher Seite entgegensteht. Strohm beleuchtet sein Thema aus kirchenrechtlicher Sicht und erkennt die ambivalenten Folgen einer Zurückdrängung kanonischer Autoritäten zugunsten des weltlichen Rechtes. – Im fünften Abschnitt finden sich zwei Beiträge zum Themenkomplex »Papsttum und Moderne« von Hubert Wolf und Mariano Delgado. Wolf trägt vier Thesen der ambivalenten Beziehung zwischen dem Papsttum und den säkularisierenden Herausforderungen der Moderne vor. Delgado versucht sich an einer visionären Perspektive, wonach der »Petrusdienst« – der in der interkonfessionellen Ökumene bevorzugte Terminus, mit dem der klassische Begriff »Papsttum« ersetzt werden sollte – zu einem einigenden Band der Weltchris-tenheit werden könnte.
Alle Bände enthalten über die Beiträge hinaus reiche Literaturangaben zur weiterführenden Beschäftigung mit dem jeweiligen Thema. Register und Abbildungsverzeichnisse erschließen die Bände individuell. Auf ein Gesamtregister wurde wohl aus pragma-tischen Gründen verzichtet. Insgesamt stellen die vier Bände ein schlechthin unhintergehbares Konvolut interdisziplinärer Annäherungen an ein Phänomen vor allem der lateinischen Christenheit des Westens dar. Der letzte Band verlässt den historischen Referenzrahmen und bietet eine in den meisten Beiträgen repräsentierte, allerdings auch sattsam bekannte theologische und theologiehistorische Positionierung. Ist es zu viel verlangt, hier subtilere, weil differenziertere dogmatische Überlegungen wie auch eine ökumenische Vision für den Umgang mit dem selbst unter starken Transformationen sich verändernden Papsttum zu wünschen? Allerdings muss dies kein Mangel sein, sondern vielmehr die allen Beiträgen inhärierende Aufforderung zur weiteren Beschäftigung mit dem Papstamt in interdisziplinärer wie interkonfessioneller Perspektive.