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Ausgabe:

Juni/2020

Spalte:

512–514

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Mati, Uroš

Titel/Untertitel:

Body and Frames of War in New Kingdom Egypt. Violent Treatment of Enemies and Prisoners.

Verlag:

Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 2019. XIV, 390 S. m. Tab. u. S. I–XXIX m. Abb. = Philippika, 134. Kart. EUR 92,00. ISBN 978-3-447-11302-1.

Rezensent:

Stefan Bojowald

Die hier zu besprechende Publikation geht auf die Münsteraner Doktorarbeit von Uroš Mati zurück. Sie setzt sich mit der Beziehung zwischen Gewalt und Körpern von Feinden und Kriegsgefangenen im ägyptischen Neuen Reich auseinander.
Die Einleitung führt allgemein in den Gegenstand der Arbeit ein. Die Gewalt hängt für M. immer mit deren sozialem Kontext zusammen (2). Das nächste Kapitel klärt über Forschungsziele und Probleme auf. Das erste Ziel liegt in der Suche nach dem Verhältnis zwischen bestimmten Behandlungen und deren Tätern oder Opfern (5). Das zweite Ziel spürt der Frage der textlichen und bildlichen Belegung der Praktiken nach (5). Das dritte Ziel besteht in der Ergründung von Parallelen zwischen der Behandlung von Kriminellen und verdammten Toten in der Unterwelt (5). Das darauffolgende Kapitel macht mit Material, Methode und theoretischem Hintergrund bekannt. Das Hauptmaterial stammt aus schriftlichen und bildlichen Belegen für die gewaltsame Behandlung von Feinden und Kriegsgefangenen aus königlichen und privaten Quellen (7). Anschließend wird die Forschungsgeschichte rekapituliert.
Im nächsten Kapitel steht Folter im Mittelpunkt. Das Stehenlassen der assyrischen Gesandten in der Sonne wird als erstes Beispiel diskutiert (20–23), das kaum hierhin gehört. Die Käfighaltung von Gefangenen, für die es eine einzige Darstellung gibt, folgt als nächstes Beispiel (23–25). Das Schlagen und Belästigen schließt sich als nächstes Beispiel an, dessen frühester Neue Reichs-Beleg im memphitischen Grab des Haremhab zu finden ist (25). Das folgende Kapitel bezieht Verstümmelungen mit ein. Die Brandmarkung wird an den Beginn der Reihe gestellt (31–35). Das Abschneiden von Augen und Ohren, das im Neuen Reich nur auf der Amada-Stele von Merenptah erscheint, wird behandelt (35). Das Handabschneiden, dessen früheste bildliche Darstellung unter Ahmose datiert, gesellt sich als nächstes Beispiel hinzu (40). Das Abschneiden der Phalli kommt zur Sprache, das im Neuen Reich nur unter Me­renptah und Ramses III. auftaucht (55). Der libysche Ursprung des Wortes »qrn.t« »Phallus« wird immerhin für möglich gehalten (57). Das Kopfüberhängen wird als letztes Beispiel erörtert (65–71).
Im anschließenden Kapitel rücken Beispiele für die Hinrichtung in den Fokus. Die Strangulation, die nur in den Gräbern des Djehuti (TT 11) und Montuherkhepesef (TT 20) auftritt, eröffnet die Reihe (73). M. versteigt sich zu der kühnen Behauptung, dass die strangulierten Nubier als »retainer sacrifice« dienten (75). Die Enthauptung, die im Neuen Reich ein königliches Vorrecht war, folgt auf dem nächsten Platz (77). Das Pfählen wird als nächstes Beispiel analysiert, dessen frühester Beleg unter Ramses II. zu beobachten ist (91). Das Verbrennen, das nur in der Memphisstele von Amenophis II. und der Amada-Inschrift von Merenptah attestiert ist, bildet den Abschluss (100). Die Bemerkungen zum Feuer als Bild für den König (101–102) wirken eindeutig deplatziert. Das nächste Kapitel handelt vom Skelettbefund der Opfer. Der Abstecher ins Tell el-Daba der Zweiten Zwischenzeit (127) ist unnötig, zumal er die historische Obergrenze der Arbeit überschreitet. Im Anschluss werden »frames of war« im Neuen Reich betrachtet. Die Jagd wird zuerst mit Krieg in Zusammenhang gebracht (133–138). Als Nächstes wird der geschlechtsspezifische Aspekt von Gewalt zu erhellen versucht (139–149). Die Interpretation von Kinderopfern aus den belagerten Festungen auf den Schlachtbildern wird richtigerweise abgelehnt (143). Die Religion als Triebfeder von Kriegen wird ebenfalls erwähnt (149). Im folgenden Kapitel werden Körper als Objekt von Gewalt thematisiert, während das nächste Kapitel zu Körpern als Medium von Gewalt vordringt. Die Behandlung von Feinden und Kriegsgefangenen durch den König oder durch Soldaten muss voneinander unterschieden werden (167). Eine Zusammenfassung schließt sich an (199–206).
Am Ende folgt eine Liste der Dokumente. Die Texte werden in hieroglyphischer Form, Transliteration und Übersetzung präsentiert. Die Daten werden u. a. mit Informationen zu archäologischem Kontext und Alter angereichert. Der einzige substantiellere Hinweis auf das Handabschneiden durch den König steht auf einer von Amenophis III. zwischen Assuan und Philä errichteten Stele geschrieben (243). Die Übersetzung »How pleasing is your traverse to Thebes« (277) ist in »How pleasing is your traverse to victorious Thebes« zu vervollständigen. In der Transliteration ist vor »Rbw« »Libyen« (279; ähnlich 295) die Genetivpartikel »n« zu ergänzen. Die Amada-Inschrift ist als besterhaltenes nubisches Monument zur Verherrlichung des Sieges Merenptahs über die Aufständischen in Wawat zu sehen (282). Die Interpretation der Gefangenen als Vieh (284) beruht wohl auf einem Missverständnis.
Das Buch schließt mit Bibliographie (311–373), Indizes (375–390) und Plates (I–XXIX).
Als Fazit ist festzuhalten: Die Übersetzungen dürfen zumeist als korrekt gelten, die Transliterationen genügen voll und ganz den Ansprüchen. Der Text klebt aber zu oft an Marginalitäten, etwa was den Gebrauch von Waffen bei der Tötung (2), Zitate aus älteren Texten in jüngeren Texten (9), die Beziehung der Amarnareligion und assyrischen Gesandten (20), die archäologischen Reste des Standortes der Gesandten (21), die Körpergröße der Schasuspione (29) und die Brandmarkung des jüngeren Bruders eines Schildträgers (32) betrifft. M. gelangt zum Teil zu merkwürdigen Schlüssen, wie z. B. beim angeblich gleichen Kulturniveau von Folter und Tötung auf der einen Seite und Pflege der Kranken und Bestattung der Toten auf der anderen (2). Die Exkurse zu Verstümmelungen von Götterfeinden (37) und Enthauptungen im eisenzeitlichen Großbritannien und im mittelalterlichen Bulgarien (86) etc. haben nichts mit dem eigentlichen Thema zu tun. Die Lektüre ist so nur einschränkend zu empfehlen.