Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

April/2020

Spalte:

356–358

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Kappes, Michael, Link-Wieczorek, Ulrike, Pemsel-Maier, Sabine, u. Oliver Schuegraf [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Basiswissen Ökumene. 2 Bde. Bd. 1: Ökumenische Entwicklungen – Brennpunkte – Praxis. Bd. 2: Arbeitsbuch mit Materialien.

Verlag:

Paderborn: Bonifatius Verlag; Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2019. 865 S. Kart. EUR 58,00. ISBN 978-3-89710-721-2 (Bonifatius); 978-3-374-05245-5 (EVA).

Rezensent:

Stefan Dienstbeck

Praktische Ökumene und ökumenische Theologie führen an theologischen Forschungseinrichtungen oftmals ein Schattendasein oder ergänzen das dogmatische Angebot mehr als es zu bereichern. Zusätzlich werden Ökumenedokumente häufig nur schleppend rezipiert, so dass theoretische Schritte extrem langsam in die Praxis von Gemeinde und Schule vordringen.
Das Doppelwerk »Basiswissen Ökumene« richtet sich entsprechend an ein theologisch geschultes Publikum, das zwar grundsätzlich Ahnung von dogmatischen Zusammenhängen hat, sich jedoch zusätzlich ökumenisch informieren möchte: »Studierende und Lehrende an theologischen Einrichtungen, Religionslehrkräfte […] Multiplikatoren […] und schließlich alle an ökumenischen Fragen Interessierte.« (Bd. 1, 15) Hierzu lässt sich der erste Band als theoretisches Grundlagenwerk auch ohne den Materialband lesen und benutzen. Wer darüber hinaus für den Religionsunterricht und Universität oder für Fortbildungen sowie Gemeindepädagogik Praxismaterial benötigt, findet dieses entsprechend und in gleicher Abfolge wie im ersten Band in Band 2. Diese Abstimmung ist gut gelungen. Ebenso überzeugt das Fachwissen aller Autorinnen und Autoren des Bandes. Die Verfasserschaft ist bewusst ökumenisch gehalten, so dass die Kapitel jeweils von Spezialistinnen und Spezialisten verschiedener Konfessionen übernommen werden, was dem Band Abwechslung und fachliche Stärke verleiht. Wie bei jedem Kooperationswerk müssen manche Doppelungen in Kauf genommen werden, die im Theorieteil noch als willkommene, lehrhafte Wiederholung gewertet werden können, im Materialband jedoch teils etwas verwundern. So finden sich beispielsweise zwei unterschiedliche »Stammbäume der Konfessionen« (vgl. Bd. 2, 65 und 92). Hier hätte redaktionell ein stimmigerer Aufbau erzeugt werden können.
Inhaltlich ist der Zugriff sehr weit angelegt: Die ersten vier Kapitel präsentieren eine grundsätzliche Wissensbasis und können als Voraussetzung für die weiteren Diskussionen gelesen werden (Ökumenische Bewegung, Kirchenspaltungen in Ost und West, Konfessionskunde sowie kulturelle Besonderheiten in den Konfessionen). Fachleute werden in diesen Kapiteln nicht viel Neues finden; für Einsteiger sind die Einführungskapitel jedoch unverzichtbar und zudem verständlich aufbereitet. Auch für die Verwendung in Schule und Gemeinde dürften die Texte geeignet sein. Gleiches gilt für das fünfte Kapitel, das die gemeinsamen christlichen Grundüberzeugungen wie etwa den Glauben an Jesus Christus, die Bedeutung der Bibel sowie der gemeinsamen Taufe darlegt. Nach dieser grundsätzlichen Einführung schließen sich in loser Folge wichtige Themen gebiete ökumenischer Kontroverse an, die zunehmend weniger theoretisch und dafür praxisrelevanter werden. Exemplarisch herausgegriffen seien die Kapitel zur Sakramentenlehre sowie zu Eucharistie und Abendmahl im Speziellen, die Problematik konfessionsverschiedener Ehen, das Verständnis von der Kirche, ökumenisch veranstalteter Religionsunterricht sowie ökumenische Ge­meindepraxis. Hier hätte eine Gruppierung der Themen noch einen präziseren Überblick geben können, zumal die Sakramenten- und die Abendmahlsthematik relativ theoretisch und grundlegend ge­halten sind, wohingegen die Praxiskapitel – zum Beispiel zum Religionsunterricht – sehr speziell und in diesem Fall auf den deutschen Raum beschränkt Darstellung finden. Warum bei der breiten Verfasserschaft das Sakramenten- und Abendmahlskapitel vom selben Autor stammt, sei als Anfrage gestellt, auch wenn dies der Qualität keinen Abbruch schafft, wohl aber andere Perspektiven und Schwerpunktsetzungen hätte ermöglichen können. Gerade die Kapitel 6 bis 14 sind von stark unterschiedlicher Zugangsart und verraten – zum Beispiel beim Thema »Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung« – doch stark die jeweilige Position der Autorinnen und Autoren. Dies ist kein Negativum, für einen Einführungsband allerdings etwas inhomogen.
Warum einem Thema wie dem kirchlichen Amt trotz dessen andauernder Brisanz kein eigenes Kapitel gewidmet wird, muss als Anfrage an das Buchkonzept gestellt werden. Umso lobenswerter ist die Aktualität der Themen: So werden ethische Fragestellungen, solche zur Liturgie und Gemeindepraxis ebenso eingebracht wie kulturelle und friedensethische Perspektiven. Auch der derzeit wohl drängendste Themenkomplex, wie mit dem immensen Auf- und Anstieg charismatischer und neopentekostaler Gemeinschaften umzugehen ist, wird angesprochen und problematisiert. Somit rückt die oftmals zentraleuropäische Perspektive dann erfreulicherweise doch in einen globalen Rahmen.
Für ein Lehrwerk vorbildlich bietet der Band zu jedem Kapitel kommentierte Literaturempfehlungen an, die sich zumeist am aktuellen Stand orientieren und Möglichkeiten für Lehrende und Lernende bieten, sich in ein Themengebiet vertieft einarbeiten zu können. Gleiches gilt für die grau hinterlegten Kästen, die – zusammen mit Stichworten am Seitenrand – das Wichtigste zusammenführen und auf einen Blick anbieten. Wäre dieses sehr gute, augenfällige Konzept noch einheitlicher von allen Autorinnen und Autorne umgesetzt worden – manchmal stehen Kästen voran, manchmal als Fazit nach –, gäbe es hier keinen Raum für Verbesserung mehr. Vermisst wird allerdings ein Sachregister, das gerade zu wichtigen Lemmata außerordentlich hilfreich sein könnte für alle diejenigen, die mit den ökumenischen Fragestellungen noch nicht so tief vertraut sind und denen sich daher nicht unmittelbar er­schließt, wo weitere Informationen gefunden werden könnten.
Der zweite Band ist ausgesprochen hilfreich für alle, die Informationen zur Ökumene weitergeben wollen oder müssen. Je nach Autorin oder Autor finden sich hier fertige Arbeitsblätter und Landkarten oder Schaubilder und Quellentexte, die zudem teils auch online abgerufen werden und somit unkompliziert Verwendung finden können. Die Qualität der Aufbereitung ist stets gut – ob Material für den eigenen Bedarf tatsächlich aufgegriffen werden kann, hängt jedoch selbstverständlich vom eigenen Einsatzzweck ab. Anregungen und kurze Zusammenfassungen bietet der zweite, in Farbe gehaltene Band jedoch sehr facettenreich. Zudem werden weitere ergänzende Texte und Erklärungen bereitgehalten, die dadurch den zweiten Band auch ohne den Theorieband verwendbar macht, auch wenn nur der zweite Band für sich wenig hilfreich ist.
Einführungen in Ökumene oder Konfessionskunde finden sich einige. Die vorliegenden zwei Bände ermöglichen Neulingen jedoch einen einfachen und vor allem breiten Zugang, wie ihn bisher noch kein anderes Werk dieser Art erreicht. Der Fokus liegt eindeutig auf der ökumenischen Praxis, wenngleich die basalen theoretischen Grundlagen vorzüglich gestaltet sind. Das anvisierte Lesepublikum ist dabei explizit im Einsteigerbereich auszumachen. Wer schon Ahnung von Ökumene hat, wird wenige Neuerungen kennen lernen, aber dennoch ein sehr gutes Nachschlagewerk mit aktuellen Daten zur Hand haben.