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Ausgabe:

April/2020

Spalte:

327–329

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

[Christianson, Gerald]

Titel/Untertitel:

Nicholas of Cusa and Times of Transition. Essays in Honor of Gerald Christianson. Ed. by Th. M. Izbicki, J. Aleksander, and D. Duclow.

Verlag:

Leiden u. a.: Brill 2019. 376 S. m. 5 Abb. = Studies in the History of Christian Traditions, 188. Geb. EUR 171,00. ISBN 978-90-04-37526-0.

Rezensent:

Harald Schwaetzer

Gerald Christianson wird mit diesem Band anlässlich seines 85. Geburtstags gewürdigt. Herausgegeben von seinen cusanischen Weggefährten Izbicki und Duclow sowie vom aktuellen Sekretär der Amerikanischen Cusanus-Gesellschaft, enthält der vorliegende Band Beiträge zu Cusanus und seiner Zeit, die einen bunten Strauß von Gaben für den Jubilar bieten; allerdings ist der Band thematisch geordneter und etwas einheitlicher, als es sonst bei Festschriften zuweilen zu begegnen pflegt.
Die internationale Cusanus-Gemeinschaft kann für diese Würdigung nur dankbar sein und sich ihr anschließen. Gerald Christianson ist von 1992 bis 2007 Vizepräsident und von 2007 bis 2009 Präsident der Amerikanischen Cusanus-Gesellschaft gewesen. So ist er über Jahrzehnte mitverantwortlich für die rege Forschungsarbeit der amerikanischen Kolleginnen und Kollegen. Erwähnt sei nur der gemeinsam mit Bellitto und Izbicki herausgegebene Band »Introducing Nicholas of Cusa. A Guide to a Renaissance Man« (2004), der einiges zur internationalen Verbreitung des Cusanischen Denkens und Wirkens beigetragen hat.
Der Band beginnt mit einer warmen und zugleich biographisch wie akademisch gut gezeichneten Laudatio der Herausgeber, die den Jubilar als Forscher, Lehrer, Menschen und Theologen würdigen. Dann folgen zwei Teile, der erste mit historischen, der zweite mit philosophisch-theologischen Beiträgen.
In dieser Besprechung ist es nicht möglich, auf alle Beiträge einzeln einzugehen, aber es sei doch hervorgehoben, dass die Amerikanische Cusanus-Gesellschaft sehr geeint und repräsentativ in diesem Band vertreten ist. Wenn auch einige Aufsätze jenseits des Cusanischen Feldes liegen, so verdient der Band insgesamt doch den ihm verliehenen Titel.
Der historische Teil verschreibt sich zum einen schwerpunktmäßig Fragen der Reformkonzilien und zum anderen dem Thema »Von Cusanus zu Luther«. Flanagin diskutiert (abseits der cusanischen Themen) die Frage nach dem erlaubten Tyrannenmord am Beispiel der Pariser Auseinandersetzung im 15. Jh. (ausgelöst durch die Ermordung Ludwigs durch Johann von Burgund 1407). Er hebt hervor, wie einschränkend Gersons Position in dieser Auseinan-dersetzung war. Wenn auch ein echter Pazifismus im 15. Jh. nicht denkbar gewesen sei, so setze Gerson doch sehr strenge Bedingungen für einen erlaubten Tyrannenmord: die Unbestreitbarkeit und Bekanntheit der Tyrannei, die Beschränkung der Täter auf Amtspersonen mit legitimer Autorität und die notwendige Ausrichtung auf einen besseren Zustand des Staates nach dem Tyrannenmord. Izbicki untersucht in seinem Beitrag die Ablässe, die Cusanus auf der Legationsreise gewährte, und liefert eine mustergültige Übersicht; zugleich hebt er hervor, dass sich Cusanus der Probleme des Ablasses deutlich bewusst war. Monfasani stellt in seinem Aufsatz des Cusanus Bemühungen um ein Ge­spräch mit dem Islam in eine Reihe mit weiteren prominenten Renaissancedenkern wie Gregor von Trapezunt, die dasselbe Anliegen teilten; insgesamt konstatiert er eine Wirkungslosigkeit dieser Versuche. Eine neue Perspektive auf die »Cribratio alkorani« des Cusanus bietet Il Kim, der dieses Werk des Cusanus methodisch wie inhaltlich »in the light of Christian Antiquarianism« liest, also von dem metho-dischen Handwerkszeug der Entdeckung und Aneignung der An­tike – eine fruchtbare Perspektive. Zwei weitere Beiträge widmen sich Cusanus und Luther.
Der zweite Teil der philosophisch-theologischen Beiträge schließt hier unmittelbar an. Casarella und Alesksander widmen je einen Beitrag der Problematik des Glaubensbegriffs bei Cusanus, bevor Ziebart eines der dahinterliegenden Probleme, Cusanus und der Nominalismus, in den Blick nimmt. Eine feinsinnige Studie bietet Brient mit seinen Überlegungen zu Zeit und Ewigkeit im Konzept der nicht-zeitlichen Zeit (eine Bestimmung des Menschen nach Cusanus in »De aequalitate«) vor dem Hintergrund neuplatonischen Denkens eines Jamblich und Proklos. Die beiden folgenden Beiträge widmen sich zentralen Theoremen des Cusanus: Albertson diskutiert das Konzept der Schau in »De visione Dei« vor dem Hintergrund von »De docta ignorantia« und »De mente«, Millers schönes Thema lautet »The Metaphor of Light and the Light of Metaphor in Nicholas of Cusa«. Duclow greift das Thema der Münze und des in ihr geprägten Abbildes auf. Er stellt Cusanus’ Deutung in den Horizont der Tradition und hebt die Originalität der Bild-Anthropologie hervor. McGinn widmet sich einem recht we­nig behandelten cusanischen Text: der »Coniectura de ultimis diebus«. Curriculum Vitae und ausgewähltes Schriftenverzeichnis des Ge­ehrten sowie ein kleiner Index beschließen den Band.
Die Gattung einer Festschrift ist unter systematischen Gesichtspunkten immer schwierig. Doch darf man in diesem Falle sagen, dass die Kolleginnen und Kollegen der Amerikanischen Cusanus-Forschung wertvolle Einzelbeiträge geliefert haben, so dass hier zwar kein thematisch geschlossener Sammelband vorliegt, aber eine Sammlung von »Essays in Honor of Gerald Christianson«, die auch dem anderen Protagonisten, Nikolaus von Kues, alle Ehre machen.