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Ausgabe:

März/2020

Spalte:

203–204

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Abele, Andreas

Titel/Untertitel:

Jeremias Drexel SJ: Iulianus Apostata Tragoedia. Edition, Übersetzung und Kommentar.

Verlag:

Berlin u. a.: De Gruyter 2018. XVI, 866 S. m. 2 Abb. u. 2 Tab. = Frühe Neuzeit, 219. Geb. EUR 149,95. ISBN 978-3-11-059498-0.

Rezensent:

Raphael Brendel

In den Jahren 1606 bis 1608 verfasste der Jesuit Jeremias Drexel (1581–1638) ein bislang kaum erforschtes Drama über Kaiser Julian, das von Andreas Abele in seiner leicht überabeiteten Tübinger Dissertation (2016) erstmals überhaupt in einer wissenschaftlichen Edition vorgelegt wird. Die Gliederung entspricht dem üblichen Schema: Vorwort (IX–X), Abkürzungsverzeichnis (XV–XVI), Einleitung (1–176), Edition und Übersetzung (177–415), Kommentar (417–739), Verzeichnisse (741–866).
Die Einleitung informiert zuverlässig über die Grundzüge der Rezeptionsgeschichte der Figur Julians (3–21), das auf Basis bislang unberücksichtigter Quellen rekonstruierte Leben und Werk Drexels (22–45), den geistesgeschichtlichen Hintergrund seines Juliandramas (46–121) – ein wesentlicher Faktor ist die Auseinandersetzung mit dem Neustoizismus des Justus Lipsius –, dessen Beurteilung aus dramentheoretischer Sicht (122–166) und die enthaltenen Plagiate (167–176). Hier wird auch eine Vielzahl meist neulateinischer Passagen abgedruckt und in Übersetzung geboten.
Text und Übersetzung erfassen neben dem Dramentext die anlässlich der Aufführung gedruckte Perioche. Die Bemerkungen zu Edition und Übersetzung (184–187) sind wohlüberlegt und bezeugen neben der eigentlichen Durchführung die Fähigkeiten A.s, Anlass zu wesentlicher Kritik besteht nicht. Der Edition sind drei Apparate beigegeben: Zu Beginn jeder Szene werden der deutschsprachige Teil der Perioche und die direkten (antiken und modernen) Quellen Drexels geboten. Der zweite Apparat enthält Similien aus der lateinischen Literatur und der dritte Apparat ist der textkritische.
Die Vielzahl der Einzelergebnisse des Kommentars kann hier nicht angemessen gewürdigt werden. Die Bemerkungen sind primär philologisch und an der Verortung des Werkes in seiner Zeit interessiert und somit eine wertvolle Fundgrube für jede Erforschung dieser Themenkomplexe. Der Nutzen für Althistoriker und Spätantikeforscher ist nicht ganz so groß (zumal viele wichtige Informationen bereits dem Quellenapparat zu entnehmen sind), aber auch für diese Nutzergruppe finden sich immer wieder wertvolle Partien oder wenigstens eine nützliche Sammlung aktueller Literatur. Im Einzelnen seien drei besonders interessante Abschnitte hervorgehoben: S. 509–510 (748–758) zur Lektüre und Verwendung der Historia Augusta durch Drexel; S. 552–554 (1080) wird die Fantasiesprache, die bei Drexel das Persische darstellen soll, sprach- und literaturwissenschaftlich analysiert; S. 633 (1832) zu einer Quelle Drexels für einen in der Antike nicht belegten Götterbei-namen.
Die Verzeichnisse sind unterteilt in Listen der zitierten anti-ken und mittelalterlichen Quellen (743–753), der frühneuzeitlichen Handschriften und Drucke (755–758), der Sekundärliteratur (759–799), ein Register der zitierten Quellenpassagen (801–831), Bibelstellen (833–835), Namen (839–848), Orte (849–851) und Sachen (853–866). Gesondert hinzuweisen ist auf das Verzeichnis der Formen, die im antiken Latein nicht vorkommen, aber im Neulatein üblich sind (837).
A. beweist eine hervorragende Kenntnis der zeitgenössischen Kontexte des Dramas. Auch mit den antiken und spätantiken Hintergründen hat er sich gut vertraut gemacht, auch wenn an einigen Stellen durchscheint, dass seine Kenntnisse hier im Detail nicht ganz so ausgeprägt sind. So setzt er beispielsweise die in ihrer Da­tierung umstrittene 18. Rede des Libanios ohne weitere Diskussion in das Jahr 365 (4), führt die unwissenschaftlichen Werke von Re­nucci und Giebel als wesentliche Stimmen im Rahmen des Überblicks zu Julian in der modernen Forschung an (17) und übergeht bei der Auflistung der Personen des Dramas, dass Sallustius eben nicht einfach der gleichnamige Prätorianerpräfekt Galliens (422) ist, sondern bis ins spätere 19. Jh. keine Klarheit über die Trennung von dieser Person und dem (fast) gleichnamigen Prätorianerpräfekten des Ostens unter Julian bestand, so dass beide immer wieder miteinander verwechselt oder als eine Person angesehen wurden.
Entsprechend sind einige Punkte im Kommentar zu korrigieren: Procopius wurde nicht 326 geboren und am 26. Mai hingerichtet (422), richtig sind das Jahr 325 und der 27. Mai; die Ernennung zum Nachfolger durch Julian ist zudem wohl unhistorisch. Die Darstellung der Morde nach dem Tod Konstantins an den »Oppositionellen« (442), die »einen Herrschaftsanspruch formulierten« (456), ist falsch. Konstantins Name Flavius soll keine Verbindung zur flavischen Dynastie (69–96) konstruieren, wie S. 489–490 (556) behauptet wird. Die Abschaffung der Kreuzigungsstrafe in der Spätantike (S. 536 [966–967]) hatte auch, aber nicht nur christliche Motive. Gegen die auf S. 593 (1409) konstatierte Unechtheit des Arsakiosbriefs existieren gewichtige Gegenargumente. Die Selbststilisierung Konstantins als christusgleich, wie sie auf S. 657 (2024–2025) angeführt wird, ist weder gesichert noch geht sie, da sie erst in Zusammenhang mit seinem Begräbnis greifbar wäre, sicher auf ihn selbst zurück. Eher einer der seltenen Druckfehler ist die auf S. 495 (591) erfolgte Datierung vom Tod des Constantius in das Jahr 362, wozu auch die unterschiedlichen Tagesangaben zur Erstaufführung (41, dort auch Anm. 73) und der auf S. 186 erfolgende Querverweis auf S. 8 (richtig wäre S. 5) gehören.
Einige mögliche Anknüpfungen Drexels an antike Schriften von oder über Julian sind bei A. nicht berücksichtigt: Die Bemerkung zur Abfassung von De cruce ferenda in drei Tagen (34) erinnert an Julian Or. 5 (178D) und Or. 6 (203B). Die Trübung von Julians Fähigkeiten durch »Wölkchen und Nebelschwaden«, seinen christlichen Glauben (522, S. 239), könnte auf den bei Rufinus 10,35 belegten Ausspruch des Athanasios zurückgehen. Vorbild für den »Schnee des Nordens« (909, S. 269) ist vielleicht Mamertinus 13,3. Julian als »Mörder des christlichen Heeres« (2531, S. 397) geht sicher auch auf Hieronymus (S. 707), mehr aber auf Gregor von Nazianz Or. 5,13 zurück. S. 579–580 (1310) zu Löwe und Fuchs wäre als Beleg Iul. Caes. 323B zu ergänzen. Zu 1994 (S. 354) wäre noch zu bemerken, dass die Stärke des Heeres (65000) auf Zosimos 3,13,1 zurückgeht, was nur aus dem für einzelne Passagen einer Szene nicht immer praktischen Quellenapparat hervorgeht; (nicht nur) hier wäre eine Kommentarnotiz hilfreich gewesen. Zu 2498–2500 (S. 702) hätte notiert werden sollen, dass Drexels Julian, dessen Panzer durchbohrt wird, im Gegensatz zum historischen Julian steht, der bei seiner Verwundung keinen Panzer getragen hat.
Entscheidend für die Beurteilung von A.s Buch werden die Stellungnahmen von Historikern der Neuzeit und der Geschichte des Theaters sein, wozu sich der Rezensent kein Urteil anmaßen will. Aus althistorischer Perspektive jedoch handelt es sich um ein nützliches und gelehrtes Werk, das als Erstlingswerk weit über dem Durchschnitt steht und ein wenig beachtetes Kapitel zur Rezeptionsgeschichte in exzellenter Weise zugänglich macht