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Ausgabe:

Januar/2020

Spalte:

146–148

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Klenk, Cordula

Titel/Untertitel:

Religiöse Elternbildung. Perspektiven für junge Eltern in der Erwachsenenbildung.

Verlag:

Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer 2018. 346 S. m. 2 Tab. = Praktische Theologie heute, 153. Kart. EUR 49,00. ISBN 978-3-17-034459-4.

Rezensent:

Hanna Roose

Die Dissertation der Pastoralreferentin Cordula Klenk ist an der Theologischen Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt bei Ulrich Kropac entstanden. Mit ihrer Studie möchte sich K. nicht in die vorhandenen Bildungsprogramme der Katho-lischen Kirche einreihen, sondern einen neuen Fokus setzen. Die Eltern sollen nicht als (zu schulende) Vermittlungsagenten religiöser Bildung an ihren Kindern betrachtet werden, sondern kommen als Menschen in den Blick, die mit der Geburt des ersten Kindes eine biographisch einschneidende Erfahrung machen. Diese Erfahrung – so die These – macht sie in besonderem Maße empfänglich für religiöse Deutungsangebote. Die Studie ist daher im Bereich der Erwachsenenbildung verortet und zielt sowohl auf eine theoretische Grundlegung dieser so zugeschnittenen religiösen Erwachsenenbildung als auch auf eine kritische Sichtung und Modifikation bestehender Bildungsangebote.
K. nähert sich ihrer Themenstellung über begriffliche Klärungen (1. Kapitel). Sie bestimmt »religiös« als Beziehungsgröße zwischen einem operationalen Begriff von Religion (nach Erich Feifel) und Dimensionen von Religiosität (nach Ulrich Hemel; 1.1). An­schließend (1.2) beleuchtet K. biographische Krisen im Lebenslauf als »Impetus der (religiösen) Identitätsentwicklung« (32). »Bildung« dimensioniert K. in Anlehnung an Kropac kognitiv, ästhetisch und praktisch (1.3). Beim Begriff von Elternschaft und Familie (1.4) folgt K. Michael N. Ebertz und bestimmt Familie als Eltern-Kind-System (einschließlich Mutter-Kind-System und Vater-Kind-Sys-tem). K. versteht Familie unabhängig von Ehe. Sie bezieht Geschiedene, Wiederverheiratete und Alleinerziehende ausdrücklich mit ein und bestimmt Familie auch unabhängig davon, ob die Kinder leiblich sind oder nicht (73). K. beschränkt die Zielgruppe auf junge (auch werdende) Eltern, bei denen die Geburt des ersten Kindes nicht länger als drei Jahre zurückliegt.
Im zweiten Kapitel konturiert K. ihr Verständnis religiöser Er­wachsenenbildung als Rahmen für religiöse Elternbildung. Nach weiteren terminologischen Klärungen (2.1) skizziert K. historische, strukturelle und organisatorische Grundlagen religiöser Erwachsenenbildung (2.2). Wichtig ist dabei ihre Scharnierfunktion zwischen Kirche und Gesellschaft (2.2.5). K. analysiert zentrale Dokumente zur religiösen Erwachsenenbildung seitens der katholischen Kirche (2.3) und schließt sich in ihrer (kritischen) Bewertung katholischer Leitbilder zur Erwachsenenbildung Matthias Sellmann an, der fünf Charakteristika benennt, die diese Leitbilder in großer Übereinstimmung aufweisen: Sinnstiftung als Ziel, krisenhafte Moderne als Hintergrund, Deduktion des Sinnes aus dem christlichen Menschenbild, Vorgegebenheit des Sinns als di­daktisches Modell und Erwachsenenbildung als Stabilisator des Gemeinsinns (136–140). In einem Zwischenfazit (2.4) favorisiert K. demgegenüber ein dialogisches Modell, bei dem junge Eltern begleitet und in Auseinandersetzung mit christlichen Deutungsangeboten auf Sinnsuche gehen. Hinsichtlich des wissenschaftstheoretischen Status religiöser Erwachsenenbildung innerhalb der praktischen Theologie thematisiert K. krisenorientierte (Blasberg-Kuhnke/Erika Schuchardt), biographieorientierte (Judith Könemann) und empowermentorientierte (Ute Rieck) Konzepte (2.5). Diese Orientierungen bezieht sie (2.6) auf Aspekte erwachsener re-ligiöser Identität: Fragmentarität, Biographie und Transformation (175).
Das umfangreiche dritte Kapitel umfasst Analysen und Konkretionen religiöser Elternbildung. In den ersten drei Unterkapiteln thematisiert K. das Bedingungsgefüge religiöser Elternbildung: Junge Eltern befinden sich »unter Druck« (3.1). Gleichzeitig be­schäftigen sich junge Eltern während der Schwangerschaft und nach der Geburt des ersten Kindes vermehrt mit religiösen Fragen (3.2). K. bezieht sich hier auf die Studien von Regina Sommer und Christoph Müller zu Taufgesprächen. Abschließend bestimmt K. die Familie als zentralen religiösen Lernort (3.3). Besondere Bedeutung misst sie dabei der impliziten »Familienreligiosität« (Ebertz) zu, die mit institutionellen Religionsformen in Verbindung treten kann. In der Auseinandersetzung mit dem kirchlichen Familienbild (der Familie als Hauskirche) entkräftet K. den Vorwurf der Überforderung (Jörn Hauf), indem sie das Bild auf die implizite Familienreligiosität bezieht.
Kritisch sieht K. die Enge des kirchlichen Familienbegriffs, in-sofern er die Ehe der Familie vorordnet und damit nichteheliche Gemeinschaften aus dem Familienbegriff exkludiert. Im vierten Unterkapitel setzt sich K. mit drei unterschiedlichen Bildungsangeboten für Eltern bzw. Erwachsene auseinander, indem sie sie auf ihre Krisen-Orientierung, ihre Biographie-Orientierung und ihre Empowerment-Orientierung hin befragt. »Kess-erziehen« ist stark an den Grundbedürfnissen der Kinder ausgerichtet und zielt weniger darauf, Eltern dazu anzuregen, das Ereignis der Geburt des ersten Kindes religiös zu reflektieren. Die »Elternbriefe du + wir« lassen die biographische und die dialogische Dimension zu kurz kommen. Mit dieser Kritik schafft K. die Voraussetzung für ihre Weiterentwicklung der dialogischen Elternseminare »Eltern stärken«. K. profiliert dieses Mo­dell, das ursprünglich nicht in der religiösen Erwachsenenbildung angesiedelt ist, indem sie u. a. auf das Leitbild einer »Erwachsenentheologie« als einer Theologie von, mit und für Erwachsene (Friedrich Schweitzer) rekurriert, die sich im gemeinsamen (theologischen) Gespräch ausdifferenziert.
Die Studie bietet mit ihrem sehr stringenten Aufbau eine gut nachvollziehbare theoretische Grundlegung für die religiöse Bildung junger Erwachsener. K. bezieht in dieser Grundlegung überzeugend unterschiedliche Theorieangebote aufeinander. Die Ab­grenzung von Ansätzen, die Eltern (älterer Kinder) primär als Vermittlungsagenten in den Blick nehmen und die damit verbundene Hinwendung zu dem eigenen Ansatz bei jungen Eltern, die durch die Geburt des ersten Kindes besonders empfänglich für religiöse Fragen und Deutungsangebote sind, finde ich einleuchtend und vielversprechend. Indem K. ihre Zielgruppe auf junge Eltern be­schränkt und werdende Eltern mit einbezieht, löst sie diesen An­satz ein. Trotzdem verspielt K. m. E. einen Teil des Potentials, den ihr Ansatz bietet, indem sie die Eltern-Kind-Konstellation auf le­bende Kinder, die bei den Eltern aufwachsen, beschränkt. Sie exkludiert damit Eltern, deren Kinder beim anderen Elternteil aufwachsen, zur Adoption freigegeben werden, die in betreuten Einricht ungen versorgt werden müssen, tot zur Welt kommen oder vor Vollendung des vierten Lebensjahres sterben. Auch diese Eltern erleben das einschneidende Erlebnis der Geburt des ersten Kindes, auch bei ihnen ist zu erwarten (und vielleicht noch in gesteigertem Maß), dass sie sich mit religiösen Fragen beschäftigen. Durch den nicht thematisierten Ausschluss dieser Gruppen rückt die Arbeit doch wieder stärker in »bekannte Fahrwasser«, in denen die religiöse Haltung der Eltern derart in den Blick kommt, dass sie »immer auch auf die religiöse Sozialisation von Kindern einwirkt« (79). Die Fokussierung auf »Erwachsenentheologie« entspricht dann jedoch wieder dem eigentlichen Ansatz.