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Ausgabe:

Januar/2020

Spalte:

127–129

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Ohly, Lukas

Titel/Untertitel:

Arbeitsbuch Systematische Theologie. Techniken – Methoden – Übungen.

Verlag:

Tübingen: Narr Franck Attempto 2019. 251 S. = UTB 5128. Kart. EUR 22,99. ISBN 978-3-8252-5128-4.

Rezensent:

Alexander Dietz

Lukas Ohly, apl. Professor für Systematische Theologie an der Universität Frankfurt, möchte mit dem vorliegenden Werk ein Übungsbuch für Theologiestudierende vorlegen, damit diese die Systematische Theologie als »Handwerk« (9) zu behandeln lernen. Da es »keine Sondermethodik des systematisch-theologischen Ar­gumentierens« gebe, hätte er das Buch auch »Methodenlehre des geisteswissenschaftlichen Argumentierens« (11) nennen können, so O. Tatsächlich trifft die letztgenannte Titelalternative den Charakter des Buches besser als der tatsächliche Titel.
Es handelt sich um eine Einführung in die Logik und in wissenschaftliches Arbeiten, wie sie für Studienanfänger aller Fachbereiche und Disziplinen sinnvoll und wünschenswert wäre. In diesem Sinne hat O. einen tatsächlichen Bedarf identifiziert und mit seinem Buch dankenswerterweise eine Lücke geschlossen. Mit Systematischer Theologie hat das Werk allenfalls indirekt zu tun, indem die Beispielsätze in den zahlreichen Übungsvorschlägen aus systematisch-theologischer Fachliteratur stammen. Da sie je­doch nach rein formalen Gesichtspunkten bearbeitet wer-den sollen, hätten sie ebenso gut auch aus einer anderen theologischen Disziplin oder einer anderen Wissenschaft entnommen werden können.
Das Buch gliedert sich in 15 Kapitel, die sich inhaltlich als Einleitung (Kapitel 1–2), Einführung ins wissenschaftliche Arbeiten (Kapitel 3–8 und 13–15) sowie Einführung in die Logik (Kapitel 9–12) charakterisieren lassen. Das Anspruchsniveau steigert sich kapitelweise und reicht von niedrig (z. B. »Wie liest man einen Text?«, 41, »Was tun, wenn Ihnen keine Fragen einfallen?«, 79) bis hoch (z. B. »Arten von Gründen«, 87, »Was sind Zirkelschlüsse und Äquivozitäten?«, 153). Didaktisch ist das Werk ausgezeichnet auf bereitet. Einführungstexte, Beispiele, Merksätze, Übungen und Lösungen werden durch Piktogramme und Rahmen kenntlich gemacht. Die Übungen machen etwa ein Drittel des Umfangs aus. Hier hat O. mit außerordentlichem Fleiß ausgewählte Beispielsätze aus der systematisch-theologischen Fachliteratur formal analysiert und tatsächliche oder vermeintliche Schwächen detailliert erläutert. Bei der Auseinandersetzung mit den Übungen können sicherlich nicht nur Studierende, sondern auch Lehrende Freude entwickeln.
Die Erwartungen, die mit dem Titel des Buches und auch in der Einleitung geweckt werden, wo davon die Rede ist, dass angehende Religionslehrer und Pfarrer lernen sollen zu begründen, »warum man bestimmte Inhalte glauben soll« oder »warum es plausibel ist, Gott im eigenen Leben zu erwarten« (15), können jedoch angesichts der Fokussierung auf allgemein formale Gesichtspunkte nicht erfüllt werden. Zur kritischen Auseinandersetzung mit Texten werden ausschließlich formale Kriterien behandelt. Dadurch droht die vorgefertigte Meinung zum inhaltlichen Maßstab zu werden (vgl. 219). Inhaltliche – und damit tatsächlich systematisch-theologische– Kriterien (z. B. aus Schrift oder Bekenntnis) kommen nicht vor. Außerdem wird die spitzfindige formale Analyse von teils aus dem Zusammenhang gerissenen Beispielsätzen mitunter dem theologischen Anspruch der jeweiligen Autoren nicht gerecht. Als Beispiel sei der Kommentar zu Karl Barths Aussage »Der Christ ist der Christus« genannt: Hier zeige »sich eine Unterdifferenzierung zwischen ›Christus‹ und ›Christ‹« (68). Ebenfalls problematisch ist aus Sicht des Rezensenten, dass O. im Rahmen der logischen Auseinandersetzung mit Beispielsätzen unter der Hand klare inhalt-liche Positionen zu systematisch-theologischen Fragen bezieht, die dadurch für den Leser den Anschein alternativloser Wahrheiten erhalten. Dies fällt bei umstrittenen Fragen aus der Bioethik oder Sexualethik natürlich besonders auf (z. B. »der Mensch, der durch Eingriffe in die Keimbahn entstanden ist«, ist »deshalb nicht in seiner Menschenwürde verletzt worden«, »weil es ihn sonst nicht gäbe«, 234).
Als »Arbeitsbuch Systematische Theologie« kann das vorlie-gende Werk nicht völlig überzeugen, dafür als »Methodenlehre des geisteswissenschaftlichen Argumentierens« umso mehr. Es hilft nichts, wenn Lehrende immer wieder über schwache Studienleistungen aufgrund fehlender Kompetenzen im wissenschaftlichen Arbeiten und logischen Denken klagen. Diese Kompetenzen müssen eingeübt werden, um »Ordnung ins Denken zu bringen« (62). Dazu bietet das vorliegende Buch gute Möglichkeiten. Leider kommen wichtige Inhalte, wie die Geltungskraft von Gründen (81) oder Kategoriefehler (167), im Theologiestudium nicht verpflichtend vor. Insofern muss O.s Werk eine breite Wirkung gewünscht werden. Zwar ist die Beherrschung der Logik noch keine hinreichende Bedingung, um ein guter Systematischer Theologe zu werden, aber eine notwendige allemal.