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Ausgabe:

Januar/2020

Spalte:

65–66

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Grünstäudl, Wolfgang, Poplutz, Uta, u. Tobias Nicklas [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Der zweite Petrusbrief und das Neue Testament.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2017. VI, 357 S. = Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, 397. Lw. EUR 139,00. ISBN 978-3-16-154892-5.

Rezensent:

Theo K. Heckel

Der Band sammelt 14 Beiträge, die auf eine 2014 an der Bergischen Universität Wuppertal abgehaltene Tagung zurückgehen. – Die Be­standsaufnahme zum 2Petr eröffnet nach einer Einführung Jörg Frey zu hermeneutischen Problemen, die der 2Petr hervorruft (9–36). Das Problem der Pseudepigraphie des Briefes und theologische Linien stellt Frey hier auf Englisch vor. In seinem Kommentar ist fast alles auf Deutsch zu lesen (ThHK 15/II, 2015; Rez. A. Gerdmar ThLZ 142 [2017], 623 f.). Frey geht mit Grünstäudls Monographie »Petrus Alexandrinus« (WUNT II 353, 2013) davon aus, dass 2Petr die ApkPetr voraussetze. Diese These soll ein in der Einführung angekündigter Band eigens beleuchten (1, Anm. 2), der mittlerweile er­schienen ist (Frey u. a. [Hrsg]: 2Peter and the Apocalypse of Peter. Towards a new perspective, Biblical interpretation series 174, Lei den 2019). In diesem wie im vorzustellenden Band meldet u. a. Fos­ter Bedenken gegen diese These an. Die Rede von einer neuen Perspektive der Auslegung des 2Petr halte ich für etwas zu vollmundig.
Robert Wall ergänzt in seinen Beitrag seine kanonischen Lektüren der katholischen Briefe (37–51). Nach Wall wollte der 2Petr nie ohne den 1Petr gelesen werden. 2Petr setze ein Gegengewicht gegen Interpretationsmöglichkeiten des 1Petr. So betone 2Petr z. B. die Bedeutung des erhöhten mächtigen Retters. Die Gegengewichte des 2Petr seien bedeutsam und führten zu dessen Kanonisierung. Derartige Thesen erinnern an Darwins Theorie der Artenauswahl und bleiben letztlich zirkulär.
Matthias Berghorn geht der Frage nach, ob 2Petr das MtEv voraussetze, und bleibt skeptisch (55–74). In 2Petr 1,17 sieht er die größte Nähe zur matthäischen Verklärungsgeschichte. Eine mögliche Abhängigkeit des 2Petr von Joh erwägt er nicht. Sehr wahrscheinlich spielt 2Petr 1,14 auf Joh 21,18 an (Th. K. Heckel, NTD 10, 149 f.). Da 2Petr 3,1 sich auf (Brief-)Literatur bezieht, dürfte auch 2Petr 1,16–18 seine Verklärungstradition nicht aus außersynoptischen Traditionen geschöpft haben, wie Berghorn erwägt, sondern wie Joh 21 das MtEv voraussetzen.
Michael Kok prüft, ob der 2Petr eine Abhängigkeit vom MkEv erkennen lasse (75–88). Nach Kok kenne 2Petr zwar das MtEv, gegenüber einer Kenntnis des MkEv bleibt er aber skeptisch. Dass das im MtEv fast vollständig zitierte MkEv aus wenigen Anspielungen kaum sicher nachzuweisen ist, überrascht wenig. Der Verfasser des 2Petr kennt die durch einen Presbyter bei Papias zitierte kirchliche Petrus-Markus-Tradition entweder nicht oder lässt von dieser kirchlichen Tradition nichts erkennen (86–88). Diese kirchliche Tradition folge der Linie, die den Apostel als illiterat darstelle (vgl. Apg. 4,13), 1Petr wie 2Petr dagegen gehen von einem literaten weil (brief)schreibenden Apostel aus (88). Der Aufsatz macht neugierig auf Koks ausgiebig zitierte Monographie zum Thema (M. Kok: The Gospel on the Margins. The Reception of Mark in the Second Century, Minneapolis 2015).
Marida Nicolaci betrachtet ein christologisches Spezialthema (89–111). Wie sonst nur das JohEv verwende 2Petr das Wortpaar Herrlichkeit (gr. dóxa) und Wertschätzung (gr. timé), um die Würde des Sohnes zu bezeichnen.
Martin G. Ruf vergleicht das Petrusbild der Petrusreden der Apg mit dem des 2Petr (113–131). Apg wie 2Petr mühen sich um ein Petruskolorit, zeigen dabei aber nur vereinzelte Übereinstimmungen.
Tobias Nicklas untersucht die Paulusrezeption im 2Petr (133–150). Insgesamt zeige der 2Petr keinen direkten Einfluss irgendeines Paulusbriefes. 2Petr 3,15 f. versuche, einen bereits anerkannten Paulus vorsichtig zu korrigieren. Nicklas’ weitere Vermutungen zu einem Ort des 2Petr nach der ApkPetr bleiben spekulativ.
Karl Matthias Schmidt vergleicht 2Tim und 2Petr (151–178). Beide Briefe stilisieren sich als Abschiedsbriefe. Wenn einer der Briefe dabei Ideen des anderen übernommen habe, dann eher 2Tim 3,1 von 2Petr 3,3.
Paul Foster stellt den 2Petr in den Kreis weiterer pseudopetrinischer Schriften (179–201). 2Petr sei weder abhängig von ActPetr, EvPetr, KerygmataPetri, EpPetr (NHC 8/2) noch von ApkPetr (gegen Grünstäudl).
Christian Blumenthal geht der textkritisch umstrittenen Stelle 2Petr 3,6 nach (205–229). Nach ihm hat Nestle-Aland in der 27. Aufl. den Ausgangstext von 2Petr 3,6 besser wiedergegeben als die hier veränderte 28. Aufl. bzw. die Editio Critica Maior.
Thomas J. Kraus geht dem Etikett »asianischer Stil« nach, das gerne dem 2Petr angehängt wird (231–253). Dieses Etikett sei eine leere Worthülse und könne umfassende Stilanalysen nicht ersetzen. Kraus verschweigt höflich, dass seine Monographie dieses Desiderat gut füllt (T. J. Kraus: Sprache, Stil und historischer Ort des zweiten Petrusbriefes, WUNT II 136, Tübingen 2001; Rez. T. Fornberg, ThLZ 127 [2002], 1303–1305).
Uta Poplutz stellt die positive Lot-Tradition im 2Petr als Sonderfall der Überlieferung heraus (255–278).
Wolfgang Grünstäudl thematisiert das Inspirationsverständnis des 2Petr (279–303). Seine Antworten nehmen vielfach Voten der päpstlichen Bibelkommission auf. Der Beitrag nimmt den 2Petr mehr zum Ausgangspunkt für grundsätzliche theologische Fragen denn als exegetischen Bearbeitungsraum.
Marcus Sigismund bespricht für Interessierte die neuzeitliche Rückübersetzung des 2Petr ins Hebräische durch Elias Hutter (305–327). Da 2Petr unstrittig originär griechisch verfasst wurde, kann der Kreis der am 2Petr Interessierten an diesem Aufsatz ohne allzu große Verluste vorübergehen.
Indizes zu Stellen, Autoren und Schlagworten erschließen den Band. Am 2Petr besonders interessierte Spezialisten werden in mehreren Aufsätzen erhellende Anregungen finden.