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Ausgabe:

März/2000

Spalte:

303 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Bredero, Adriaan H.

Titel/Untertitel:

Christenheit und Christentum im Mittelalter. Über das Verhältnis von Religion, Kirche und Gesellschaft. Aus dem Niederl. von Ad Pistorius.

Verlag:

Stuttgart: Steiner 1998. 293 S., 1 Abb. gr.8. Kart. DM 76.-. ISBN 3-515-07183-0.

Rezensent:

Matthieu Arnold

Dieser Sammelband enthält zehn (z. T. unveröffentlichte) Aufsätze von Adriaan H. Bredero, emeritierter Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Freien Universität Amsterdam.

Nr. 1 (9-50) "Religion und Kirche in der mittelalterlichen Gesellschaft", auf einer 1985 für Studenten geschriebenen Originalfassung beruhend, analysiert die Beziehungen zwischen Kirche und Gesellschaft im Mittelalter - von der frühen Christianisierung bis zum 15. Jh.

Das Buch endet mit einer pointierten Arbeit über "Judenfeindlichkeit im Mittelalter" (222-258; Original 1984, 1986 für den Nachtrag; methodisch wichtig ist es, dass B. jedem Versuch gegenüber, Parallelen zwischen dem Mittelalter und der Neuzeit herzustellen, sehr misstrauisch ist: "gegen Veröffentlichungen von Historikern, die sich auf theologische Stellungnahmen der Vergangenheit ohne Berücksichtigung deren kontextueller Zusammenhänge beziehen" (226) spricht er seine Bedenken aus. Der sehr interessante Nachtrag, "Die Juden im Spätmittelalter: Der Anteil der Theologie an ihrer Diffamierung" macht uns auch vor der Gefahr des Anachronismus aufmerksam; so erhält z. B. ein Brief Bernhard von Clairvaux (1147), der "für unsere Normen judenunfreundlich ist" (254), in seinem Originalkontext eine ganz andere Bedeutung: "Bernhard aber nahm sie damit zu seiner Zeit gegen Exzesse in Schutz, die im Rahmen der Predigtkampagne für den Zweiten Kreuzzug vom Volk zu erwarten waren" (ebd.).

Fragen der Methode und der Mentalitätsforschung behandeln auch die Nr. II, "Gegen ein mentales Mißverstehen des Mittelalters (51-70; Orig. 1976): dieser Aufsatz versucht zu verstehen, wie die Menschen des Mittelalters Zeit begriffen und erlebten, indem er u. a. die Bedeutung von Worten wie "moderni" und "antiqui" im 12. Jh. betrachtet, und Nr. IV, "Der Gottesfriede der Bischöfe. Markierung eines gesellschaftlichen Umschwungs?" (90-108; Orig. 1980). Aufsatz Nr. III, "Jerusalem im Westen" (71-99; basiert z. T. auf einem Artikel von ... 1966), ist jetzt durch die umfangreiche Forschung von A. Dupront, auf die er nicht hinweisen konnte, z. T. überholt.

Im Rahmen dieser Rez. können wir nicht jeden von den Aufsätzen V bis IX besprechen, die von dem breiten Forschungsfeld des Vf.s zeugen. Einige davon widmen sich dem Monachismus: V. "Das Verhältnis zwischen Zisterziensern und Cluniazensern im 12. Jahrhundert" (109-123; Orig. 1981); IX. "Die Anfänge der franziskanischen Bewegung und die Heiligsprechung ihres Gründers" (200-221; Orig. 1988); andere behandeln die Verhältnisse zwischen Kircheninstitution und Volksglaube: VI. "Heiligenverehrung und Heiligkeit" (124-159; z. T. Orig. 1978 u. 1981). VII. "Ketzerei und Kirchenreform" (160-180; Orig. 1983): Nr. VIII bezieht sich auf die Figur des Petrus Abälard (181-199) und ist eine Überarbeitung der Abschiedsvorlesung des Vf.s.

Mit diesem Band verdeutlicht B., dass es keine leichte Aufgabe ist, sich den Menschen der Vergangenheit zu nähern, zeigt uns aber zugleich Wege, die uns in die mentale Welt des Mittelalters führen. Dass er sich dem Mittelalter widmet, heißt nicht, dass B. nicht auch ab und zu erwähnenswerte Thesen in Bezug auf die Reformation wagt: "Am heftigsten und radikalsten hat sich die Reformation den Mißbräuchen im Volksglauben und der versagenden Kirchenführung widersetzt" (50).

Eine umfangreiche Bibliographie (259-280), die sowohl englische als auch französische, deutsche und niederländische Literatur behandelt, und zwei Register (Personen u. Orte, 281-286; Sachregister, 286-293) schließen das wichtige Buch ab.