Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Oktober/2019

Spalte:

1060–1061

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

John, Stanley J. Valayil C.

Titel/Untertitel:

Transnational Religious Organization and Practice. A Contextual Analysis of Kerala Pentecostal Churches in Kuwait.

Verlag:

Leiden u. a.: Brill 2018. 208 S. = Global Pen-tecostal and Charismatic Studies, 27. Kart. EUR 49,00. ISBN 978-90-04-35586-6.

Rezensent:

Friedemann Burkhardt

Über zweieinhalb Millionen Menschen im Emirat Kuwait, etwa Zweidrittel der Bevölkerung, kamen ins Land in Folge von Arbeitsmigration aus Indien, Ägypten, Bangladesch, Sri Lanka, Pakistan, Syrien, Iran, Europa, Nord- und Südamerika und Australien. Etwa 700.000 Migranten bilden die Diaspora der südindischen Region Kerala. Neben dem Islam mit 77 Prozent macht das Christentum mit 17 Prozent die zweitgrößte Religionsgruppe in Kuwait aus. Die vorliegende Monographie von Stanley John gewährt einen Einblick in das Leben und die Gemeindepraxis der etwa 7.500 in Kuwait lebenden Angehörigen pentekostaler Kirchen aus Kerala. Stanley J. Valayil C. John, Assistant Professor für Intercultural Studies und Direktor der Graduate School of Mission am Alliance Seminary in Nyack, NY, verleiht mit der Veröffentlichung als Band 27 der Reihe Global Pentecostal and Charismatic Studies verschiedenen seiner seit 2016 publizierten Forschungsartikel ein fundiertes Rahmenwerk. Es handelt sich um die für den Druck überarbeitete, 2014 vom Asbury Theological Seminary, Wilmore, KY, angenommene Ph.D.-Dissertation Networks, Agents, and Mission: Transnational Religion of Kerala Pentecostal Churches in a Context of Temporary Economic Migration to Kuwait.
Das Buch stellt im einleitenden Kapitel sein zentrales Thema vor: die Organisation und Praxis des Glaubens von Diasporagemeinden pentekostaler Kirchen aus dem südindischen Kerala in Kuwait unter den Bedingungen zeitlich befristeter wirtschaftlicher Migration. Damit verknüpft J. die These, dass die kontextbedingte Vulnerabilität migratorischen Lebens der Organisation und Praxis des Glaubens die transnationale Ausrichtung gibt. Die in diesem Zug vorgenommene Bestimmung des Leitbegriffs Transnationalität wird später exkurshaft vertieft und definiert als »the ways in which migrant communities maintain relations with their countries of origin« und »the phenomenon of multiple belongings in separate geographic contexts« (63). Die Untersuchung stützt sich auf 36 teilnehmende Gottesdienstbeobachtungen und 35 Interviews mit Gemeindeleitern in etwa 20 Kirchen. Den historiogra phischen Theorierahmen bildet das Konzept der World Chris-tianity, aus dessen Sicht J. an anderer Stelle westliche Ansätze pentekostaler Kirchengeschichtsdarstellung kritisiert (87–90). Der Li­teraturüberblick identifiziert die Erforschung des religiösen Lebens pentekostaler Migrationsgemeinden in der arabischen Golfregion als Desiderat.
Die Forschungsergebnisse werden in zwei Teilen mit je drei Ka­piteln präsentiert. Teil I beschreibt den Kontext der pentekostalen Kirchen aus Kerala in Kuwait, beginnend mit der Vorstellung der Ergebnisse der demographischen Untersuchung des migratorischen Kontextes in Kapitel 2. Dieser zeichnet sich durch eine große Diversität der in Kuwait lebenden Migranten aus Kerala aus sowie durch eine enorme Häufung von differenziert dargestellten Vulnerabilitätsfaktoren im Migrationsalltag als Folge gezielter Exklusionspolitik und vor Ort bestehender Dominanzstrukturen. Kapitel 3 beschreibt das besondere Phänomen befristeter Wirtschaftsmigration. Es entfaltet sich zwischen den Polen eines transnationalen Proletariats mehrheitlich männlicher ungelernter Arbeitskräfte mit einer Aufenthaltsdauer von etwa zwei Jahren und einer hochqualifizierten Diaspora-Elite mit einer etwa siebenjährigen Verweildauer. Die zeitliche Befristung des Aufenthalts, ohne jede Aussicht ein Bleiberecht und volle Zugehörigkeit zu erlangen, prägt das Leben der Migranten und setzt der kirchlichen Arbeit einen engen Rahmen. In Kapitel 4 wird das Christentum, sowohl im arabischen Golf als Aufnahmeregion als auch in Kerala als Herkunftsland, unter historischen und kirchenkundlichen Gesichtspunkten beschrieben.
Teil II stellt die transnationale religiöse Organisation und Praxis der pentekostalen Kirchen in Kuwait aus drei Perspektiven vor: Kapitel 5 identifiziert fünf kirchliche Netzwerktypen im Kontext der pentekostalen Kerala-Diaspora in Kuwait und zeigt ihre transnationale Ausrichtung als Möglichkeit, die Verbundenheit mit der Heimat zu organisieren. Das kirchliche Personal steht im Fokus von Kapitel 6. Kapitel 7 enthält eine ethnographische Analyse und beschreibt die transnationale Glaubenspraxis. Abschließend (Kapitel 8) werden die gewonnenen Einsichten ausgeführt, kirchliche Herausforderungen aufgezeigt und Impulse für die Entwicklung der pentekostalen Kerala-Diaspora in Kuwait formuliert.
Insgesamt stellt die Studie eine wertvolle Pionierarbeit dar, um die Wissenslücke über die Rolle christlicher Kirchen in der transnationalen Migration des Mittleren Ostens zu schließen. Für ähnlich gelagerte Forschungen bietet das Buch wertvolle Impulse. Dazu gehören differenzierte aus der Analyse erarbeitete Kategorisierungen und Typisierungen. Von großem Nutzen bei der thematischen Erschließung des Inhalts ist das ausführliche Register. Für die Identifizierung der zahlreichen abgekürzten Namen von Kirchen wäre ein Abkürzungsverzeichnis hilfreich gewesen.