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Ausgabe:

September/2019

Spalte:

870–871

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Krämer, Sabine

Titel/Untertitel:

Die Vergöttlichung von Privatpersonen. Untersuchungen zu persönlichen Glaubensvorstellungen und Erinnerungskultur im Alten Ägypten. Die Persönlichkeiten des Alten Reiches.

Verlag:

Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 2019. XVI, 499 S. u. 40 S. m. Abb. = Philippika, 120. Geb. EUR 98,00. ISBN 978-3-447-11007-5.

Rezensent:

Stefan Bojowald

Die Publikation umfasst die überarbeitete Version der 2015 an der Philipps-Universität Marburg eingereichten Dissertation von Sabine Krämer. Das Thema ist die ägyptische Verehrung verstorbener Privatleute, wobei der zeitliche Schwerpunkt auf dem Alten Reich liegt. Der Aufbau der Studie orientiert sich an folgendem Schema:
In Kapitel 1 werden kurz die Zielvorgaben des Werkes skizziert. In Kapitel 2 wird der theoretische Rahmen abgesteckt. Die Ausführungen zum griechisch-römischen Heroenkult (3–8) entbehren zwar nicht eines gewissen Interesses, haben aber nichts mit dem eigentlichen Thema zu tun. Die Beschreibung der Rolle von Heroen in ozeanischen, mesopotamischen, afrikanischen, chinesischen und nordamerikanischen Kulturen (9–10) schweift ebenfalls zu sehr vom Hauptgegenstand ab. Der Kommentar zu christlichen, islamischen, buddhistischen und hinduistischen Heiligen (11–17) hat in einem solchen Buch ebenfalls wenig zu suchen.
In Kapitel 3 wird die Forschungsgeschichte rekapituliert, deren Wurzeln bis an das Ende des 19. Jh.s zurückreichen, und in Kapitel 4 wird über Götter und Zwischenwesen in Ägypten gehandelt. Die Ach-Mächte können als eigenständige Klasse von Wesen neben den Göttern gelten (46).
In Kapitel 5 wird auf den Begriff »Vergöttlichung« in der altägyptischen Sprache eingegangen. Die Bezeichnung »göttlich« wurde im Alten und Mittleren Reich vorrangig auf den Toten oder Teile dessen Wesens angewandt (49). In Kapitel 6 steht die Person des Imhotep im Zentrum. Das einzige sicher zuschreibbare Denkmal an Imhotep liegt in der Statuenbasis Kairo Ägyptisches Museum JE 49889 vor (53). Die Idealisierung des Imhotep setze spätestens in der 2. Zwischenzeit mit der fiktiven Autorschaft einer Weisheitslehre ein (57). In Kapitel 7 wird die Person des Djedefhor erörtert. Die einzige zeitgenössische Quelle für Djedefhor repräsentiert dessen Grab G 7210/20 auf dem Friedhof G 7000 bei Gize (59). Die Zerstörungen der Reliefs der Opferkapelle sind laut der Vfn. – durchaus vertretbar – nicht als Spuren einer damnatio memoriae, sondern als Vorbereitungen für Neubestattungen zu verstehen (63). Der Name des Djedefhor taucht posthum in Quellen des Alten Reiches auf (64). Die Stele des »Ḫ3« liefert den einzigen Beleg für das Verb »dw3« »verehren« in Bezug auf Privatleute (72). Im Mittleren Reich tritt Djedefhor als Autor einer Weisheitslehre auf (73). In Kapitel 8 wird der Fokus auf die Person des Rawer gerichtet. Die Aufnahme in diese Reihe begründet die Vfn. mit der Tatsache, dass ihm eines der größten Privatgräber des Alten Reiches gehörte und er über 100 Statuen besaß (97). Die relativ große Zahl der Gräber von Totenpries-tern in der Umgebung seiner Mastaba könnte für einen langen Totenkult sprechen (137). In Kapitel 9 wird die Aufmerksamkeit auf die Person des Ptahhotep gelenkt. Die posthume Verehrung des Ptahhotep spiegelt sich vor allem in der Autorschaft der ihm zugeschriebenen Weisheitslehre wider (166). Das Fehlen von Personennamen mit dem Element »Ptahhotep« ruft eventuell leichte Zweifel an dessen Vergöttlichung hervor (167). In Kapitel 10 wird die Person des Isi zur Sprache gebracht. Die lange Dauer des Totenkultes des Isi geht aus dem späteren Ausbau der Kultstelle im Osten der Mastaba hervor (191). Der Fall des Isi stellt das erste Beispiel für die Vergöttlichung von verstorbenen Privatleuten aus der Provinz überhaupt dar (285). Der Höhepunkt des Isi-Kultes zeichnet sich in der 13. Dynastie ab (286).
In Kapitel 11 wird der Akzent auf die Person des Kagemni gesetzt. Der Mann wurde im Altertum nicht zum Autor, sondern zum Adressaten einer Weisheitslehre gemacht (349). Die Bildung von Personennamen mit dem Bestandteil »Kagemni« oder »Gemni«, deren Dauer sich von der 6. bis zur frühen 12. Dynastie er­streckt, kann als Indiz für dessen lang gepflegtes Andenken dienen (349). In Kapitel 12 wird die Person des Mehu in den Vordergrund gerückt. Der Totenkult des Mehu lässt sich mindestens zwei Generationen nachweisen, der die Basis für eine lang währende posthume Verehrung bildete (374). In Kapitel 13 wendet sich der Blick der Person des Heqaib zu. In der Person des Heqaib ist das prominenteste Beispiel für die Verehrung privater Persönlichkeiten des Alten Reiches zu finden (431). Die Verehrung ist vom Ende der 6. Dynastie bis in die erste Hälfte der 17. Dynastie dokumentiert (431). In der 11. Dynastie wurde ihm auf Elephantine in der Nähe des Satet-Tempels ein eigenes Heiligtum gebaut (432). In Kapitel 14 kommt es zur Auswertung. Die verehrten Personen rekrutierten sich aus dem Kreis der obersten Gesellschaftsschicht (439). Der besondere Status drückt sich in außergewöhnlich langem Totenkult (439), Zuschreibung literarischer Werke (440) und wirklich göttlichem Charakter (441) aus. In Kapitel 15 fügt sich die Bibliographie an (449–483), und beendet wird der Band durch Regis-ter (485–499) und Abbildungen (1–40).
Das abschließende Urteil des Rezensenten lautet: Das Buch ist durchaus interessant zu lesen. Die Argumente werden größtenteils schlüssig vorgetragen. Der Sinn der Einbeziehung der archäologischen Denkmäler wird allerdings nicht immer klar. Die Vfn. verirrt sich zum Teil auf Nebenkriegsschauplätze, worauf bereits oben hingewiesen wurde.