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Ausgabe:

Juli/August/2019

Spalte:

807–809

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Held, Marcus

Titel/Untertitel:

Gabe der Analogie. Phänomenologische Erkundungen zu einer theologischen Denkform.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2017. 390 S. = Theologie – Kultur – Hermeneutik, 23. Kart. EUR 48,00. ISBN 978-3-374-05130-4.

Rezensent:

Kristian Geßner

Marcus Held widmet sich in der überarbeiteten Fassung seiner an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität Mainz angenommenen Dissertationsschrift der Aufgabe, die im Gottesgedanken enthaltene Relation zwischen Mensch und Gott mit Hilfe der »Analogie der Gabe« neu zu bestimmen. Die Diskussion um den Analogie-Begriff wird beherrscht von der Auseinandersetzung zwischen Erich Przywara und Karl Barth. H. möchte mit seiner Arbeit aber sowohl den Einspruch gegen die Analogia entis als auch den Vorwurf der natürlichen Theologie umgehen (12). Vielmehr soll Analogie als »kalkulierte Absurdität der Gabe« verstanden werden, um das »Wie des Verhältnisses der Selbst- und Gotteserkenntnis zu beschreiben« (ebd.).
H.s Buch gliedert sich in vier Teile. Im ersten Teil wird der Problemhorizont des Begriffs Analogie abgesteckt. Er bietet einen Überblick über die verschiedensten Konzeptionen des Analogiebegriffs und arbeitet kritisch auf die Hauptthese hin: »Ohne Analogie gibt es keine sachgemäße Rede von Gott.« (26) Hier klingt aber schon das zweite Hauptanliegen H.s an: Die Analogie muss aus gabentheologischer Perspektive rekonzeptualisiert werden (ebd.). Das Geben Gottes in der Gabe müsste so, auch im Hinblick auf das Sakrament, neu durchdacht werden. Für H. dient hier die Phänomenologie, namentlich die Gabe-Phänomenologie Jean-Luc Marions, die Lebensphänomenologie Michel Henrys und die Sprachphänomenologie Marc Richirs, als Instrumentarium der angestrebten Untersuchung.
Der zweite Teil der Arbeit ist als »Phänomenologisches Zuspiel« betitelt und bietet als Erstes einen guten Überblick über die Konzeptionen der neueren französischen Phänomenologie und zeigt die Offenheit der Philosophen für theologische Konzepte und Sprache. Allerdings wird ein Vorwissen der klassischen Phänomenologie vorausgesetzt. H. spitzt im Folgenden den Gabebegriff durch die drei genannten Philosophen zu. Anhand der Analysen Henrys bestimmt H. Gabe als Gabe des Lebens, da Gott der »Name für das Leben, welches sich gebe, ohne darin von etwas Drittem abhängig zu sein« werde (94). Für das Sakrament bedeute dies dann, dass dort sich der Zugang zum Leben eröffne. Das Ich werde im Sakrament abgeschafft und durch ein »Mir« für den Moment der Gabe ersetzt (115–116). Durch die Analysen Marions erscheint die Gabe nun als Gabe der Offenbarung. Die Möglichkeit sei der Herrschaftsbereich des Menschen und die Unmöglichkeit der Herrschaftsbereich Gottes. Gott erscheine in der Offenbarung in einem Zwischenraum, nämlich dort, wo etwas möglich scheine. H. kommt somit zu der Zuspitzung, dass das was erscheine, sich auch gebe. Marion spreche hier von »gesättigten Phänomenen« und gerade das Sakrament sei der Möglichkeitsraum der Erfahrung gesättigter Phänomene der Offenbarung der Gabe. Gesättigt sei die Analogie, weil sie immer wieder neu sei, sich hingebe und der Mensch sich gänzlich hingeben müsse. Gott überschreite seine Un-Möglichkeit, indem Wirklichkeit werde, die der Mensch im Sakrament erfahre. Der Mensch müsse sich aber der Sprache Gottes hingeben, da er diese nicht beherrsche. Das Sakrament eröffne somit einen Raum des Zwischen (156.171–173). Nun werden die Analysen Richirs eingeführt und die Sprache der Gabe wird verhandelt. Wahrhafte Ereignisse würden eine radikale Neuheit mit sich bringen, sodass sie zu einer spontanen Sinnbildung führen würden: Erfahrung und Ausdruck derselben würden zusam mengehören. Die in der Analogie sich artikulierende Erfahrung dränge somit von sich aus dazu, sprachlich erfasst zu werden. In der Analogie würden sich nun das Sprachgeschehen und das Seinsgeschehen verbinden und durch die Analogie zur Erscheinung ge­bracht werden. Sie beschreibe, wie das Ereignis des Seins im Denken zur Sprache komme. Sie sei die Gebung von Sinn und Existenz. Dies ließe sich jeweils im Sakrament erfahren (191.195–196.213). Als Zu­sammenfassung des phänomenologischen Zuspiels kann H. dann resümieren: »Analogie ist als Gabe (Marion) des Lebens (Henry) in der Sprache (Richir), in der sich ein Geschehen der Selbstvermittlung und Selbstmitteilung des Unendlichen an das Endliche und des Endlichen an das Unendliche vermittelt und sich gibt [als] die sich entfaltende Dialektik von Entwurf und Reflexion.« (213) Sie bringe den Menschen für Gott und Gott für den Menschen in Erscheinung. Diesen Teil schließen zehn Thesen zum Phänomenologischen Zu­spiel der Analogie ab.
Im sich anschließenden dritten Teil werden theologische Re-Lektüren vorgenommen. H. bietet einen detaillierten Überblick über die Konzeption der Analogia entis bei Erich Przywara und arbeitet heraus, dass dieser, trotz aller Abgrenzung zur Phänomenologie, sie doch als Instrument verwendet. Durch einen Durchgang durch die Theologie Barths kommt H. zu dem Schluss, dass aus der Analogia fidei Barths auch eine Analogie der Gabe aus der Perspektive der Gotteserkenntnis herausgearbeitet werden könne. Bei Barth sei dies eine »Gabe der Anerkennung«, die die »Gabe des Seins« sei, in der »sich Gott dem Menschen durch die Hingabe des Menschen an Gott in seinem Werk und Wirken zu erkennen« gebe (274). Durch Jüngel kann H. nun beschreiben, dass ohne die Analogie kein verantwortliches Reden von Gott möglich sei. Das Verstehen des Glaubens sei aber gleichzeitig schon an die Sprache geknüpft. Jedes sprachliche Moment bewege sich schon im Horizont der Analogie. Gottes Nähe werde in der Sprache selbst konkret. Gott bediene sich selbst der Analogie, da er sie durch sein Kommen ermögliche. Ebenso greift er den Einwand Pannenbergs auf, dass die Entsprechung des menschlichen Wortes zu Gott sich erst am Ende der Zeiten entscheiden werde. Gott bleibe weiterhin nur Problemhorizont, da das Wort »Gott« schon die Nichtobjektivierbarkeit beinhalte. Der Gottesgedanke sei somit nur mittelbar zugänglich durch menschliche Selbst- und Welterfahrung (320–326).
Im vierten Teil fasst H. seine Thesen noch einmal zusammen. Analogie und Gabe würden eine ähnliche Grundstruktur aufweisen. Durch Selbstmitteilung und Selbstvermittlung von Menschen und Gott erweise sich Selbstwerdung durch Selbstempfängnis. Die Analogie der Gabe beschreibe somit ein Erschließungsverfahren im Gott-Mensch-Verhältnis. Herausgearbeitet werde dabei die Dezentrierung des Ichs des Menschen und der Ort Gottes jenseits des Seins, was durch die Analogie verdeutlicht werde. Im »Wir« dieses Verhältnisses werde die Analogie zur Wahrheit, Freiheit und Sein in der Selbstmitteilung und der Selbstvermittlung von Gott und Mensch durch die jeweilige Gabe und Hingabe. Dies sei besonders auf das Sakrament hin zu denken, da dieses selbst das Phänomen sei, das es erhellen wolle (368–369).
Dem Lesenden wird ersichtlich, warum sich H. auf die ausgewählten Philosophen und Theologen bezieht, um sein Konzept der Gabe der Analogie zu entwickeln. Jedoch wäre es für den Rezipienten einfacher, wenn nicht jedes der vorgestellten Konzepte und deren Unterthemen bis zum Deutschen Idealismus oder Thomas zurückgeführt werden würde. Durch die Fülle der gebotenen In­formationen fällt es dem Lesenden schwer, die gerade behandelte Fragestellung im Blick zu behalten. Im Vergleich zu den anderen Teilen dieses Buches fällt der vierte Abschnitt ausgesprochen kurz aus. Eine Weiterführung und Aufzeigung von Anknüpfungspunkten anderer Disziplinen an dieses Konzept wären wünschenswert gewesen. Ein großes Manko für das gesamte Buch stellen die (teilweise sinnentstellenden) Rechtschreib- und Auslassungsfehler dar.
Es bleibt diesem Buch zu wünschen, dass die Anknüpfungspunkte, die es bietet, besonders im Bereich der Systematischen und der Praktischen Theologie in den entsprechenden Debatten aufgegriffen werden. Gerade die Sakramentalität und die immer wieder aufscheinende Bildtheologie scheinen sich hierfür zu eignen.