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Ausgabe:

Juli/August/2019

Spalte:

774–776

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Vetus Latina. Die Reste der altlateinischen Bibel. Nach Petus Sabatier neu gesammelt u. hrsg. v. d. Erzabtei Beuron unter d. Leitung v. R. Gryson. Bd. 19: Evangelium secundum Iohannem. Fasc. 2: Jo 4,49–9,41. Hrsg. v. P. H. Burton, H. A. G. Houghton, R. F. MacLachlan, D. C. Parker.

Verlag:

Freiburg i. Br.: Herder 2013. 360 S. Kart. EUR 238,00. ISBN 978-3-451-00319-6.

Rezensent:

Heinrich Holze

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Vetus Latina. 55.–60. Bericht der Stiftung. 44.–49. Forschungsbericht des Instituts. Hrsg. v. R. Gryson. Freiburg i. Br.: Verlag Herder 2011–2017.
Vetus Latina. Die Reste der altlateinischen Bibel. Nach Petrus Sabatier neu gesammelt u. hrsg. v. d. Erzabtei Beuron unter d. Leitung v. R. Gryson. Bd. 6,2: Esra I. Hrsg. v. B. Gesche. Fasc. 3: 5,7–7,3. Freiburg i. Br.: Verlag Herder 2012. 80 S. Kart. EUR 64,00. ISBN 978-3-451-00303-5; Fasc. 4: 7,3 – Schluss. Freiburg i. Br.: Verlag Herder 2016. 116 S. Kart. EUR 92,00. ISBN 978-3-451-00304-2.
Vetus Latina. Die Reste der altlateinischen Bibel. Nach Petus Sabatier neu gesammelt u. hrsg. v. d. Erzabtei Beuron unter d. Leitung v. R. Gryson. Bd. 11,2: Sirach (Ecclesiasticus). Pars Altera. Fasc. 1: Sir 25,1–28,24. Hrsg. v. A. J. Forte. Freiburg i. Br.: Verlag Herder 2016. 80 S. Kart. EUR 64,00. ISBN 978-3-451-00646-3.
Vetus Latina. Die Reste der altlateinischen Bibel. Nach Petus Sabatier neu gesammelt u. hrsg. v. d. Erzabtei Beuron unter d. Leitung v. R. Gryson (Fasc. 1–5) / Th. J. Bauer (Fasc. 6–10). Bd. 17: Evangelium secundum Marcum. Hrsg. v. J.-C. Haelewyck. Fasc. 1–10. Freiburg i. Br.: Verlag Herder. Fasc. 1: Introduction. 2013. Fasc. 2: Introduction (fin); Mc 1,1–43. 2013. Fasc. 3: Mc 1,44–4,15. 2013. Fasc. 4: Mc 4,15–6,16. 2015. Fasc. 5: Mc 6,17–8,11. 2015. Fasc. 6: Mc 8,11–9,46. 2016. Fasc. 7: Mc 9,47–11,14. 2017. Fasc. 8: Mc 11,14–13,5. 2018. Fasc. 9: Mc 13,6–14,43. 2018. Fasc. 10: Mc 14,44– fin. 2018. Fasc. 1–9: je 80 S. Kart. je EUR 64,00. Fasc. 10: 128 S. Kart. EUR 96,00. ISBN 978-3-451-00586-2 (Fasc. 1); 978-3-451-00587-9 (Fasc. 2); 978-3-451-00588-6 (Fasc. 3); 978-3-451-00589-3 (Fasc. 4); 978-3-451-00590-9 (Fasc. 5); 978-3-451-00591-6 (Fasc. 6); 978-3-451-00592-3 (Fasc. 7); 978-3-451-00594-7 (Fasc. 8); 978-3-451-00247-2 (Fasc. 9); 978-3-451-00596-1 (Fasc. 10).


Unter dem Begriff der Vetus Latina wird die Gruppe der lateinischen Bibeltexte, die in den ersten Jahrhunderten des Christentums verbreitet waren, zusammengefasst. An ihnen lässt sich erkennen, dass sich die lateinische Sprache gegenüber dem Griechischen immer stärker durchsetzte, wobei sich zunächst kein einheitlicher Text herausschälte, sondern unterschiedliche Übersetzungen nebeneinander bestanden. Das 1945 von Bonifatius Fischer gegründete Vetus Latina-Institut der Erzabtei Beuron arbeitet an der wissenschaftlichen Edition dieser Bibelübersetzungen. Über den Zeitraum 2011–2017 informieren die Jahresberichte der Stiftung und die Forschungsberichte des Instituts. Vom Fortgang der Editionsprojekte zeugen die Lieferungen zu Esra und Sirach sowie zum Markus- und Johannesevangelium. Die Vorbereitungen zur Edition der Bücher Tobit und Judith, des Matthäus- und Lukasevangeliums, der Apostelgeschichte sowie der Briefe des Paulus an die Gemeinden in Rom, Korinth und Galatien wurden weitergeführt. Zur Untersuchung der Rezeption der Vetus Latina wurden von der Stiftung Projekte zur Jesajaauslegung des Haymon von Auxerre sowie zum Kommentar der Johannesoffenbarung des Beatus Liebanensis angestoßen.
Unter der Leitung von Bonifatia Gesche, Schwester in der Benediktinerabtei Mariendonk bei Saarbrücken, konnte die 2008 begonnene Edition des altlateinischen Textes des Buches Esra zum Ab­schluss gebracht werden. Die anzuzeigenden Lieferungen 3 und 4 (Freiburg 2012/2016) setzen bei Kapitel 5, Vers 7 ein und reichen bis zum Schluss des Esra-Buches. Hinweise zur Edition bietet die Einleitung zur ersten Lieferung (2008), auf die hier nochmals verwiesen wird. Darin erläutert die Herausgeberin die verwickelte Überlieferungsgeschichte der Esra-Bücher. Sie besteht darin, dass in der Septuaginta zwei Esra-Bücher überliefert sind, von denen jedoch das eine keine hebräische Vorlage hat. In der Vetus Latina wird es als »Esra I« bezeichnet. Hieronymus kennt in seinen Schriften jedoch nur ein kanonisches Esra-Buch, das dem zweiten Esra-Buch der Septuaginta entspricht und darum als »Esra II« bezeichnet wird. Esra I wurde deswegen in die Pandekten des frühen Mittelalters und die Bibelhandschriften der karolingischen Zeit nicht aufgenommen. Die vorliegende Edition bietet neben dem Text der Septuaginta vier Typen der lateinischen Texte: die älteste Version der in Europa verbreiteten Übersetzung, eine überarbeitete Version dieser Übersetzung, die davon abhängige jüngste Version des lateinischen Textes sowie einen nicht näher zu bestimmenden afrikanischen Text.
Das Editionsprojekt zum Buch Sirach wurde mit einer Lieferung zu den Kapiteln 25,1 bis 28,24 weitergeführt. Roger Gryson, Leiter des Vetus Latina-Instituts, vergleicht die Editionsarbeiten, die bereits 1987 begonnen wurden, in seinem Vorwort mit der 40-jährigen Wanderung des Volkes Israel durch das Rote Meer. Verzögerungen traten ein durch das Ableben der beiden Gründungsmitglieder des Vetus Latina-Instituts, Bonifatius Fischer († 1997) und Hermann Josef Frede ( †1998). An ihre Stelle traten unter der Leitung von Anthony Forte und der beratenden Mitwirkung von Walter Thiele jüngere Mitarbeiter. Sie haben, wie der Herausgeber betont, die Edition weitergeführt und damit deren »Überleben« in schwieriger Lage gesichert. Freilich liegt, wie ein Blick auf die verbleibenden Kapitel des Buches Sirach zeigt, noch die Hälfte des Weges vor den Herausgebern. Ihnen ist ein guter Fortgang der Arbeiten zu wünschen.
Das Projekt zur Edition des Markusevangeliums kann als Er­folgsgeschichte des Vetus Latina-Instituts bezeichnet werden. In nicht mehr als fünf Jahren ist es dem an der katholischen Universität von Löwen lehrenden Jean-Claude Haelewyck gelungen, den altlateinischen Text des Markusevangeliums vollständig zu edieren. Einleitend werden die der Edition zugrundeliegenden Textzeugen vorgestellt, die altlateinischen Manuskripte, ihr Umfang, ihr Zustand und andere Aspekte. Entstanden sind sie zwischen dem 4. bis 12. Jh., die meisten lassen sich in das 5. Jh. datieren. In geographischer Hinsicht ist auffallend, dass die Mehrzahl der Manuskripte aus Italien (Trento, Vercelli, Verona, Napoli, Torino) kommt, nur wenige stammen aus anderen Regionen wie Nordafrika, dem Balkan, Frankreich und Irland. In dem editorischen Apparat werden diese Textzeugen dem griechischen Text der Septuaginta gegenübergestellt, um die lateinischen Übersetzungen vergleichen zu können. Darüber hinaus werden drei lateinische Markuskommentare herangezogen, der Tractatus in Marci Evangelium von Hieronymus, eine in Irland entstandene Expositio Evangelii secundum Marcum sowie die Expositio in Marci Evangelium des Beda Venerabilis, da diese auf altlateinischen Texten beruhende Abweichungen von der Vulgata erkennen lassen. Außerdem werden Zitate der altlateinischen Bibel, die sich bei Augustin finden, angeführt. Präzise und detailliert benennt der Herausgeber die sprachlichen Merkmale der der Edition zugrundeliegenden Textzeugen und erstellt dazu lange Listen mit dem Vokabular, den charakteristischen Formulierungen und den Worten, die Bezüge zum griechischen Urtext erkennen lassen. In seiner Analyse kommt er zu dem Schluss, dass der Ursprung der altlateinischen Versionen des Markusevangeliums in Nordafrika zu suchen ist, zwar noch nicht bei Tertullian, wohl aber im 3. Jh., wobei die Schriften Cyprians eine wichtige Quelle darstellen. Die Rezeption der Vetus Latina auf europäischem Boden erfolgte über Italien. Sie lässt sich an Manuskripten des 4. Jh.s aufzeigen, auch wenn der Überlieferungsweg »dans cette nébuleuse européenne« (111) offen bleibt. Der Einfluss des Vulgata-Textes auf die Vetus Latina lässt sich an verschiedenen Textzeugen nachweisen und erklärt sich aus der Evangelienrevision des Hieronymus. Ein Verzeichnis aller herangezogenen Manuskripte und deren Fundorte schließt sich an. Im Hauptteil folgt die Edition des altlateinischen Textes des Markus-Evangeliums, die im Druckbild wie folgt aussieht: Im oberen Teil der Seite steht der rekonstruierte Text der altlateinischen Bibel. Außerdem wird der griechische Text als Ausgangstext der Übersetzung und der Text der Vulgata abgedruckt. Dazwischen stehen die altlateinischen Texte. Im kritischen Apparat werden alle Übersetzungen, die der Handschriften wie auch der Zitate bei den Kirchenvätern, erklärt. Außerdem werden in einem Zeugenapparat Zitate und Anspielungen auf den betreffenden Vers angeführt.
Die Arbeit an der Edition des altlateinischen Textes des Johannesevangeliums wurde mit der zweiten Lieferung fortgesetzt (Freiburg 2013). Sie umfasst die Kapitel 4,49 bis 9,41 und wird herausgegeben vom Institut für Textforschung an der Universität Birmingham unter der Leitung von P. H. Burton, H. A. G. Houghton, R. F. MacLachlan und D. C. Parker. In der Textdarstellung bildet der in Nestle-Aland erschlossene griechische Text mit allen Textvarianten, zu denen sich lateinische Entsprechungen finden, den Ausgangspunkt. Diesem Text wird die lateinische Überlieferung mit ihren insgesamt 49 vorhandenen Manuskripten der altlateinischen Überlieferung zugeordnet. Ein ausführlicher Apparat mit den patristischen Zitationen erschließt den Text. In seiner Einführung zur 1. Teillieferung (2011) hatte der Herausgeber der Vetus Latina, Roger Gryson, auf die Schwierigkeit aufmerksam gemacht, dass die indirekten Verweise und Anspielungen aufgrund ihrer Fülle nicht vollständig erfasst werden konnten. Man habe sich deswegen entschieden, nur die expliziten Zitationen im Apparat zu erwähnen. Der Fortgang der Arbeiten ist, wie die vorliegende Teillieferung zeigt, erfreulich. Man darf die Fertigstellung dieses zentralen neutestamentlichen Textes in den nächsten Jahren erwarten.