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Ausgabe:

Juli/August/2019

Spalte:

750–752

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Marzouk, Safwat

Titel/Untertitel:

Egypt as a Monster in the Book of Ezechiel.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2015. XVI, 289 S. = Forschungen zum Alten Testament. 2. Reihe, 76. Kart. EUR 79,00. ISBN 978-3-16-153245-0.

Rezensent:

Michaela Bauks

Diese Dissertation von Safwat Marzouk (Princeton Theological Seminary; 2012) ist ein Beitrag zur mythischen Sprache im Kontext der Fremdvölkerorakel des Ezechielbuchs. Sie ist auf das Ägyptenbild fokussiert, ein Volk, das geradezu als Verkörperung des »Chaoskampfes« JHWHs gilt und dem sieben Orakel in Ez 29–32 gewidmet sind. Ägyptens Pharao verkörpert das mit diesem Kampf verbundene Monster (29,2–3; 32,1–2), welches zerteilt wird (32,4–6) bzw. dessen Reste am Ende des Kampfes im Nil zurückbleiben (29,8–12).
Der Vf. warnt vor einer undifferenzierten Anwendung des sogenannten Chaoskampfmotivs. Hier unterscheidet er in urzeitliche Anspielungen oder Welterhaltungsmotivik (Ps 93), Beschreibung göttlicher Übermacht (z. B. Hi 7,12) oder auch Exodusanspielungen (Ex 15; Jes 51,9–10). Doch drängt er zur Vorsicht bezüglich des voreiligen Schlusses, die Trias Ägypten – Exodus – Chaosmacht, wie es die Auslegung von Jes 51 nahelegt, auch in den Ezechieltexten vorauszusetzen. S. E. entspricht die kosmische Sprache in Ez 29–32 nicht der Exodusthematik, sondern zielt vielmehr auf die theologische Beschreibung Ägyptens als eines Liebhabers, der Israel von seiner Bindung zu Gott abzubringen droht (vgl. Ez 20; 23). Damit dreht sich das Chaoskampfmotiv bei Ezechiel nicht um die Zerstörung urzeitlicher oder historischer Mächte, sondern thematisiert ein »religiöses Chaos«, das Ägypten im Zuge der spätvorexilischen Bündnispolitik und drohender Inkulturation in Juda gestiftet hat. Ägypten ist also nicht zitiert als ein erinnerter Feind ( memory of the exodus), sondern als Verbündeter und zur Rebellion gegen Gott anstiftende Macht, der sich dem Gerichtsplan Gottes mit Babylon als göttlichem Instrument entgegenstellt. Die Bildsprache dringt nicht auf die Zerstörung Ägyptens, sondern ruft zur (religiösen) Abgrenzung und Identitätssicherung auf (22–44).
Im zweiten Kapitel entwickelt der Vf. eine Art kulturgeschichtliche »Monster-Theorie« unter Aufnahme forschungsgeschichtlicher Positionen: »Describing the monster as a hybrid and abnormal presupposes a structural workview of binary opposites« (46), indem Ordnung – Chaos; Bekanntes – Unbekanntes; Normales – Abnormes, kurzum das »Andere« zum Eigenen in Opposition rückt und in der Figur des Monsters verkörpert wird. Der abnorme Körper eines Monsters kann einerseits die Transgression von Normen versinnbildlichen (54; vgl. M. Douglas), und andererseits eine Doppelstruktur von »Ich« und dem »Anderen« ausbilden, die beide letztlich in ein direktes Verhältnis zueinander setzt (60 f.; R. Girard). Monster stehen somit nicht nur für Grenzen und das verwerflich Andere, sondern die Gesellschaft thematisiert in ihnen auch einen Teil von sich selbst (»monstrifies part of itself«; 67). Auf der Grundlage dieses Instrumentariums untersucht der Vf. insbesondere drei altorientalische »Chaoskampftexte« (En ūma eliš, Baal-Zyklus, Re und Apophis), um diese ausgehend von F. Wiggermann auf ihre binären Oppositionen zu untersuchen, aber deren Strukturen letztlich (und richtig) mit M. Smith als viel komplexer auszuweisen. Sein besonderes Interesse gilt dem Topos des Zerstückelns des Monsters in diesen Texten, welches (1.) die Herrschaftserrichtung des Hauptgottes, (2.) die Schwäche des Chaos trotz Aufbegehrens und (3.) eine Mahnung für diejenigen enthält, die gegen die durch den Hauptgott eingerichtete Ordnung rebellieren (109). In den zitierten Texten verschwinden die Monster nämlich nicht (hier wäre Ti āmat in Enūma eliš aber eine Ausnahme, die nicht ausreichend gewürdigt ist; s. 191–200). Sie werden also nicht vollends vernichtet, sondern bewahren eine Teilfunktion in der gewährten Ordnung, indem sie immer wieder in Erscheinung treten. Diese Einsicht wendet der Vf. schließlich auf die Belege in Ez 20 und 23 an (158–179), mit dem Ziel zu erklären, warum das Ezechielbuch Ägypten als Monster (bzw. Abschaum [abject], s. Titel von Kapitel 5) präsentiert: Pharaos bzw. Ägyptens Verkörperung begegnen in einem mythischen Wesen (insbes. tanîm/tanîn), dessen Aufenthaltsort der Nil ist und das seiner königlichen Aufgabe bzw. Propaganda (Löwe) nicht entspricht, sondern als ein domptiertes Chaoswesen begegnet (Ez 32,1–3; vgl. Hiob 40 f.). Der anhaltende chaotische Charakter ist in der Bildsprache der Promiskuität (Ez 16,26; 23,20), des verwundeten Körpers (Ez 30,21) oder des anfälligen Weltenbaums (31,1–9) dargestellt, der auch die umliegenden Bereiche oder Gegenden befällt. So sind Kampf und Zerstückelung dieses Monsters die folgerichtige Konsequenz, deren Bericht aber auch die Funktion hat (vgl. M. Foucault), Schrecken zu verbreiten gegenüber denen, die die Ordnung des Souveräns (nämlich Gottes) nicht respektieren: »The monster’s dismembered body [= Egypt] proclaims a message of terror. Through the defeat and the dismemberment of the body of the monster, the mutilated body proclaims a message of horror and terror to those who consider opposing YHWH.« (180) Das Erschlagen des Monsters wird bereits zu Beginn festgestellt (Ez 29,4–5; vgl. 32,3–6) und erinnert darin an Psalmentexte, die den Chaoskampf im Zuge der creatio continua verwenden (»Ezekiel treats Pharaoh as a monster that lies in the Nile and perpetues chaos. YHWH’s incomparable power enables the prophet to represent the body of Pharaoh and therefore his identity as a monster of chaos«, 179). Zudem hat das göttliche Eingreifen kosmische Konsequenzen, indem der Nil austrocknet (29,9–10) und das Land in Dunkelheit fällt (32,7–8). Besondere Aufmerksamkeit evoziert in der struktu-ralistisch argumentierenden Analyse folgende Aussage, dass »YHWH’s punishment upon the body of the monster and the body of the cosmos does not simply proclaim YHWH’s sovereignty, but also announces death as Egypt’s fate, which signals YHWH’s subjugation and harnessing the power of chaos that Egypt represents in the life of Israel« (180). Strukturelle Ähnlichkeit prägt m. E. auch die (priesterschriftliche) Plagen- und Exoduserzählung, wenn diese zwar Gotteserkenntnis für beide »Völker« vorsieht, Ägypten aber erst im Zuge der – übrigens ebenfalls anteiligen – Vernichtung (nämlich Pharaos mit Streitmacht) vorhält. Zwar ist die »Monstrosität« Ägyptens hier nicht so offensichtlich in mythischer Sprache geschildert, doch bliebe wenigstens zu untersuchen, ob die narrative Funktion Ägyptens – anders als es der Vf. insinuiert (s. 10–12.20–29) – mit der im Ezechielbuch nicht doch einen Vergleich wert ist. Inwieweit es im Ezechielbuch vorrangig um geopolitische Minimisierung (214 ff.) oder um mythologische Marginalisierung (217 ff.) geht, bleibt für den Vf. als literarisch vorgegebenes Spannungsfeld offen.
Die in ihren Untersuchungen weniger detail-exegetisch als kultur- und religionsvergleichend vorgehende Studie überzeugt in ihrer Grundstruktur und Geschlossenheit. Manchmal ist sie etwas redundant, enthält viele zusammenfassende Passagen, die vorher bereits Dargelegtes, und dies mehrfach, wiederholen. Doch das mag für die »diagonal« Lesenden auch von Vorteil sein. Ärgerlicher sind eine Reihe von Fehlern und Doppelungen im Anmerkungsteil (so z. B. die zweifache Zitierung des vollständigen Titels von Mary bzw. Mark [sic!] Wakeman in Anm. 8 und 21) sowie die etwas aleatorisch wirkenden Register (so ist z. B. im Sachregister der Hauptabschnitt zu Tannin [156–165] neben wenigen aufgeführten Einzelbelegen nicht erwähnt). Dennoch bleibt überaus lobend hervorzuheben, dass die Studie zu der Problematik der Rede des Chaos­kampfes äußerst erhellende Einsichten vermittelt und diese am Ezechielbuch beispielhaft vertieft.