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Ausgabe:

Juli/August/2019

Spalte:

718–720

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Hutter, Manfred [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Der Buddhismus III. Ostasiatischer Buddhismus und Buddhismus im Westen.

Verlag:

Stuttgart: Kohlhammer Verlag 2018. 493 S. m. 1 Tab. = Die Religionen der Menschheit, 24.3. Kart. EUR 114,00. ISBN 978-3-17-028364-0.

Rezensent:

Tobias Schuckert

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Hutter, Manfred [Hrsg.]: Der Buddhismus II. Theravāda-Buddhismus und Tibetischer Buddhismus. Stuttgart: Kohlhammer Verlag 2016. 504 S. = Die Religionen der Menschheit, 24.2. Kart. EUR 112,00. ISBN 978-3-17-028497-5.


Die beiden von dem Bonner Professor für Vergleichende Religionswissenschaft Manfred Hutter herausgegebenen Bände bilden die späte Fortsetzung der von Heinz Bechert im Jahr 2000 gestarteten dreibändigen Gesamtdarstellung des Buddhismus (Bd. 1: »Der indische Buddhismus und seine Verzweigungen«) in der Reihe »Die Religionen der Menschheit«. Krankheit und Tod des ur­sprünglichen Herausgebers im Jahr 2005 verhinderten die Durchführung des ursprünglich geplanten Konzepts. Über die dadurch nötig gewordenen Veränderungen in der Aufteilung und Darlegung des überreichen Materials, die sich auch an den jeweiligen Arbeitsfeldern und Herkunftsdisziplinen der neu zu gewinnenden Mitarbeiter orientierten, informiert die knappe Einleitung (Bd. 2, 13–16) des Herausgebers der Bände 2 und 3. Am Ende des dritten Bandes verspricht er in seinem abschließenden Resümee (»Gesellschaftliche Aufgaben des Buddhismus in der modernen Welt«, Band 3, 465–473), dass die Beiträge der drei Bände dem Leser die rund 2500 Jahre alte Geschichte des Buddhismus näherbringen können.
Nach Abschluss des Projekts lässt sich sagen, dass dieses Versprechen von der ersten bis zur letzten Seite gehalten wird. Die vorliegenden – nach 18-jähriger Pause erschienenen – Bände enthalten eine Sammlung von Studien zu Geschichte, Entwicklungen und soziologischen Einflüssen der jeweiligen regionalen Erscheinungsform(en) des Buddhismus, dabei dem Vorbild des ersten Bandes folgend. Entsprechend konzentrieren sich die Autoren der einzelnen Beiträge in ihrer Darstellung stets auf ein Land, beziehungsweise auf eine spezielle Region, wobei in Bd. 2 zusätzlich differenziert wird: Der erste Teil behandelt die regionalen Formen des Therav āda-Buddhismus (in je eigenen Kapiteln zu Sri Lanka, Birma, Bangladesh, im gegenwärtigen Indien, Thailand und Laos, Kambodscha, Malaysia und Indonesien); ein zweiter Teil be­schreibt »Die Verbreitung des tantrischen Buddhismus« (mit Kapiteln zu Tibet, Bhutan und dem mongolischen Buddhismus). Der dritte und letzte Teil des ersten Bandes behandelt den »Buddhismus in Zentralasien als Schnittstelle zu Ostasien« (mit nur einem Kapitel zu den »türkischen Völkern in Zentralasien«).
Der dritte Band hat im Wesentlichen zwei Teile. Der erste über »Buddhismus in Ostasien« wird von den beiden Beiträgen des Basler Sinologen Stephan Peter Bumbacher über »Buddhismus in China« (15–174) und des Marburger Religionswissenschaftlers Mi-chael Pye »Entwicklung und Vielfalt des japanischen Buddhismus« (229–376) dominiert. Im Vergleich dazu fallen die Beiträge von Trang-Dai Vu, »Buddhismus in Vietnam« (175–198), und »Bud-dhismus in Korea« (199–228) des Bochumer Religionswissenschaftlers Jörg Plassen eher kurz aus. Pyes Beitrag bietet gründliche Einblicke in das Leben und die Lehre einzelner Reformatoren innerhalb der rund 1400-jährigen Geschichte des japanischen Buddhismus und geht relativ detailliert auf die spezifischen Lehren der einzelnen Schulen ein. Er erläutert zudem Inhalt und Aufbau verschiedener Sutren, wie z. B. das Lotus Sutra (253–255), welche den Buddhismus in Japan maßgeblich bestimmen. Daneben kommen aber auch die gesellschaftlichen Anpassungen zur Sprache, die nötig waren, um den buddhistischen Einfluss im religiösen Wettbewerb um die Gunst der Menschen zu behaupten. Dazu gehört u. a. der in Japan selbst durchaus kritisch gesehene sogenannte »Beerdigungsbuddhismus«, welcher Teil der Kommerzialisierung des japanischen Buddhismus ist (369, vgl. dazu auch G. J. Tanabe, The Heresy in Orthodox Buddhist Funerals, in: M. Walter-Namba und J. I. Stone [Hrsg.], Death and the Afterlife in Japanese Buddhism, Honolulu 2008, 325–348).
Den zweiten Teil und damit zugleich den Abschluss des dritten Bandes bildet der Beitrag des Luzerner Religionswissenschaftlers Martin Baumann, »Geschichte und Analyse der Anpassung und Etablierung des Buddhismus in Ländern außerhalb Asiens« (379–464). Dieser ist insofern bemerkenswert, da er sich, anders als die vorigen Kapitel, nicht auf ein Land beziehungsweise eine Region konzentriert, sondern in gewissem Maße eine Einführung in »Global Buddhism« bietet. Baumann stellt dazu den Buddhismus zunächst als eine missionarische Religion dar, die schon im 17. Jh. versuchte, Einfluss in Europa zu gewinnen, was letztlich aber nie gelang (vgl. die angeführten Zahlen, 439). Erfolgreicher war dagegen die Ausbreitung in Nord- und Südamerika aufgrund der identitätsstiftenden Wirkung des Buddhismus als Religion der asiatischen Migranten nach Amerika in verschiedenen Wellen im 20. Jh. Diese brachten den Buddhismus mit und etablierten und adaptierten ihn vor allem an der amerikanischen Westküste, wo in Ka-lifornien neue buddhistische Zentren entstanden. Aber selbst da, wo der Buddhismus eine »Amerikanisierung« (Bd. 3, 409) erfuhr, lässt sich aufgrund der großen Zahl japanischer Einwanderer vor dem Pazifikkrieg eine bleibende Nähe besonders zum japanischen Buddhismus nicht übersehen.
Baumanns Artikel legt eigentlich einen anderen Untertitel für Band 3 nahe. Da der Begriff »Westen« schon an sich mehr Fragen aufwirft als präzise Hinweise gibt, wäre in Anlehnung an die anderen Beiträge »Buddhismus außerhalb Asiens« möglicherweise der treffendere Titel gewesen.
Es ist jedoch grundsätzlich sehr zu begrüßen und eine Stärke dieser Bände, dass sie nicht ausschließlich Beiträge zu Ländern enthalten, von denen man dies sowieso erwartet hätte, wie Japan, Tibet oder Thailand, sondern eben auch z. B. über den Theravāda-Buddhismus in Bangladesch (Bd. 2, 99–122) durch den französischen Orientalisten Jacques P. Leider. In diesem hauptsächlich muslimisch geprägten Land bilden die 1,2 bis 1,4 Millionen Buddhisten inmitten der 156 Millionen mehrheitlich muslimischen Bangladescher eine verschwindende Minderheit, die zum Überleben auf Hilfe von außen angewiesen ist. Daran wird auch deutlich, wie schwierig es ist, von dem Buddhismus zu sprechen. Jedes Land, jede Region hat eigene buddhistische Strömungen und Schulen hervorgebracht, wie zum Beispiel die im 13. und 14. Jh. florierende Bambuswald-Schule in Vietnam, die von der in Deutschland als Vietnamesischlehrerin arbeitenden Trang-Dai Vu vorgestellt wird (Bd. 3, 181–183), oder die von Michael Pye beschriebenen japanischen Schulen, die während der Kamakura-Zeit (1185–1333) entstanden sind (Bd. 3, 307–311).
Herausragendes Kennzeichen der beiden Bände ist die disziplinäre Bandbreite der Autoren. Neben Religionswissenschaftlern sind Soziologen, Historiker und Ethnologen vertreten. Dadurch entsteht zwar eine gewisse Uneinheitlichkeit, weil jeder Beitrag unterschiedlich aufgebaut ist und je nach Fachrichtung des Verfassers die Schwerpunkte setzt, aber die Vorteile dieser Multiperspektivität, die gelegentlich auch über den Buddhismus selbst hinausgeht, überwiegen deutlich. So findet sich z. B. im Kapitel der beiden Religionswissenschaftler Lauren Drover und des Herausgebers Manfred Hutter zum »Buddhismus in Sri Lanka« (Bd. 2, 19–60) eine Darstellung von Reliquien als Ausdruck von »gelebter Frömmigkeit« (49). Die Autoren beschreiben u. a. die »interreligiöse« Reliquie des Fußabdrucks Buddhas auf dem Adam’s Peak, der auf Buddhas dritten Besuch auf der Insel zurückgeführt wird. Hindus sehen darin dagegen den Fußabdrucks Shivas, Muslime verehren ihn als Fußabdruck Adams (und Evas), die nach ihrer Vertreibung aus dem Paradies nach Sri Lanka kamen. Für Christen handelt es sich um den Fußabdruck des Apostels Thomas, des ersten christlichen Missionars der Insel, d. h. alle vier Religionen verknüpfen diese Reliquie »mit einem entscheidenden Ereignis« ihrer jeweiligen Frühzeit (51).
Lehrmäßige Entfaltungen und philosophische Fragen des Bud-dhismus treten stärker zurück zugunsten der Frage, wie der Bud-dhismus die Geschichte eines Landes prägte und inwieweit es dadurch zu Veränderungen innerhalb der lokalen buddhistischen Tradition gekommen ist. Im Vordergrund steht die identitätsstiftende Rolle des Buddhismus, etwa durch Beschreibungen von Festen im Jahreskreislauf, der Einfluss auf Sterbe- und Totenriten, aber auch auf antikoloniale Bewegungen und Identitätspolitik der Gegenwart. Die einzelnen Beiträge liefern über die historische Darstellung hinaus durchaus auch ein kritisches Bild vom Buddhismus in den dargestellten Ländern. So wird an verschiedenen Stellen die Spannung diskutiert, die zwischen dem philosophischen Bud-dhismus und dem Buddhismus als Alltagsreligion besteht (s. o. zum »Beerdigungsbuddhismus«). Ein weiteres Beispiel ist Hutters Abschnitt über »Die Einbettung vor-buddhistischer Geister in die Religion« (Bd. 2, 178–180) in seinem Kapitel über »Buddhismus in Thailand und Laos«. Vorbuddhistische Rituale für Gesundheit und gute Ernten wurden zu Teilen der »kleinen« Traditionen, die im alltäglichen Leben gutes Karma vermitteln sollen, und haben so zur Buddhisierung des Gebietes beigetragen.
Die »nicht immer geradlinige [...] Entstehungsgeschichte« dieses Werkes macht sich u. a. an den Bibliographien der einzelnen Kapitel bemerkbar. Vielfach wird nur wenig aktuelle Literatur aus den 2010er Jahren genannt. Weiter ist zu bedauern, dass nur wenig Literatur aus den dargestellten Ländern selbst erwähnt wird. Zudem finden sich bis auf den Beitrag von Trang-Dai Vu keine Beiträge von Autoren aus dem jeweiligen Land.
Abgesehen davon sind die beiden Bände für alle, die an der Geschichte, Entwicklung und dem Einfluss des Buddhismus in den verschiedenen Ländern interessiert sind, eine unverzichtbare und hilfreiche Einführung, die auch Nichtspezialisten einen fundierten Zugang ermöglicht. Sie sind darum nicht nur für Studierende und Lehrende der Religionswissenschaft empfehlenswert, sondern für alle, die sich intensiver mit den genannten Ländern und ihrer buddhistischen Kultur sowie deren Auswirkungen auf die gesellschaftliche, soziale und politische Gegenwart vertraut machen wollen.