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Ausgabe:

Juli/August/2019

Spalte:

714–716

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Bremmer, Jan N.

Titel/Untertitel:

Maidens, Magic and Martyrs in Early Christianity. Collected Essays I.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2017. XVIII, 501 S. = Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, 379. Lw. EUR 169,00. ISBN 978-3-16-154450-7.

Rezensent:

Christoph Auffarth

Der erste Band der collected essays zeigt Jan N. Bremmer als den international gefragten Gelehrten, der als Kenner der antiken »klassischen« Kultur und der (vor allem außerkanonischen) christlichen Kultur die beiden wechselseitig erläutert und als Religionswissenschaftler das frühe Christentum als antike Religion befragt und darstellt.
Begonnen hat er, wie er seine intellektuelle Biographie in der Einleitung (VII–XIII) vorstellt, mit Kommentaren zu den Märtyrerakten (fünf Aufsätze notiunculae martyrologicae ge­meinsam mit Jan den Boeft 1981–1995, nicht aufgenommen), vor allem zur Passio Perpetuae et Felicitatis, zu der er einen umfassenden Kommentar mit Edition und Übersetzung als Buch veröffentlicht hat: Perpetua’s passions. Multidisciplinary approaches to the Passio Perpetuae et Felicitatis, Oxford 2012. Teil IV mit sechs Aufsätzen (349–467) beschäftigt sich mit diesem wichtigen Text, u. a. mit der Himmelsvorstellung und der Leiter, die hinaufführt.
Dieses Thema, Jenseitsreise und Endzeitvision, bildet den Ab­schnitt III Apocalypses and Tours to Hell (269–345). Der Satz im apostolischen Glaubensbekenntnis, früher »niedergefahren zur Hölle« wiedergegeben, heute »hinabgestiegen in das Reich des Todes«, kanonisch nur in 1Petr 3,19 angedeutet, wird hier umfangreich in der Apokalypse des Petrus kontextualisiert. Während Martha Himmelfarb 1983 den jüdischen Kontext herausarbeitete, findet B. eine Mi­schung, in der auch Griechisches (Orphisches) enthalten ist.
Teil II enthält zehn Aufsätze zu den Apostelakten und zu den Pseudo-Klementinen, beruhend auf den Tagungen der Groninger theologisch-religionswissenschaftlichen Fakultät mit der Budapester Fakultät. Zu jedem der sechs Bände, die dabei entstanden sind, zu Johannes-, Andreas-, Petrus-, Paulus und Thekla-, Thomas-Akten und Pseudo-Klementinen, hat B. einen Beitrag beigesteuert und die meisten herausgegeben. Hier ist die Nähe zum ›griechischen Roman‹ eine wichtige Brücke. Mit zunehmender Kenntnis von Sprache, Onomastik und Intertextualität sind die ersten drei genannten Akten nach Bithynien zu lokalisieren (X; Kapitel 7–11; zusammenfassend Kapitel 14). Hier hat B. auch seine früheren Ansichten für diese Sammlung, wo er weitergekommen ist, korrigiert, die Aufsätze überarbeitet und die Literatur nachgetragen.
Nicht nur auf einzelne Texte fokussiert sind die Aufsätze des Religionswissenschaftlers im ersten Teil: Hier steht im Vordergrund die Erkenntnis, dass es vor allem Frauen waren, die das Christentum zuerst angenommen haben. Dies gilt besonders auch für die Oberschicht, und als finanzielle Spenderinnen für die meist armen Gemeinden wichtig, die Witwen. Daneben der Aufsatz (mein Favorit) über Lukians Biographie des Peregrinus, der eine Zeitlang eine christliche Gemeinde führte und dafür eigene Evangelien schrieb (65–80). Lukian hat hier sicher religionskritisch übertrieben, aber seine Biographie ist nicht fern von historisch belegten Personen. Zu B.s Antrittsvorlesung in Groningen zurück führt der Aufsatz über die Zähmung der Prophetie im frühen Christentum (81–95). Die Selbstbezeichnung als Christiani im ersten Kapitel (3–12) be­herrscht – wie alle anderen Aufsätze – meisterhaft die Forschung und kommt zu einem überzeugenden Ergebnis.
Wie gewohnt hat der Verlag Mohr Siebeck herausragende Qualität geliefert. Ein 32-seitiger Index von Namen, Orten, Textstellen, Fadenheftung, Leineneinband, alles ausgezeichnet. Hier findet sich wissenschaftliche und verlegerische Qualität bestens vereint. B.s Aufsätze zum antiken Christentum, hier der erste Band (der zweite wird zu seinem 75. Geburtstag vorliegen), zusammen lesen zu können, ist ein großer Gewinn. Antike und Christentum nicht als Gegensatz, sondern Christentum als eine antike Religion auftreten zu sehen, die in der Sprache, den Metaphern, den Medien, den literarischen Formen die klassischen Typen aufnimmt, kann der große Gelehrte meisterhaft belegen.