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Ausgabe:

Juni/2019

Spalte:

646–647

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Tappenbeck, Christian R.

Titel/Untertitel:

Das evangelische Kirchenrecht reformierter Prägung. Eine Einführung.

Verlag:

Zürich: Theologischer Verlag Zürich 2017. 186 S. Kart. EUR 29,90. ISBN 978-3-290-17909-0.

Rezensent:

Cla Reto Famos

Christian Tappenbeck behandelt das evangelisch-reformierte Kirchenrecht in der Schweiz mit einem Ausblick auf die Situation bei den evangelischen Freikirchen. Diese Schrift schließt nicht nur eine bedeutende Lücke im evangelischen Kirchenrecht, sondern setzt einen eigentlichen Meilenstein für dessen Weiterentwicklung. Ursprünglich hervorgegangen aus einem Beitrag in einem 2010 erstmals und 2018 in zweiter Auflage erschienenen, aber in dieser Zeitschrift nicht besprochenen Buch des Freiburger Pro-fessors René Pahud de Mortanges über verschiedene religiöse Rechtssysteme (jüdisch, muslimisch, römisch-katholisch und evangelisch-reformiert), stellt sich dieser Überblick nun in einer eigenständigen Monographie dar. Berücksichtigt sind alle kirchenrechtlichen Gesetzgebungen in der Schweiz und die aktuelle Literatur.
Dieses Buch eröffnet einem breiten Publikum den Zugang zum evangelischen Kirchenrecht – einem juristischen Bereich, der we­gen seiner Fraktionierung, seiner Eigenständigkeit und der nicht leicht zu fassenden kantonalen Gesetzgebung für viele nur schwer zugänglich ist und deshalb auch in der Fachdiskussion oft etwas im Schatten stand. Das Buch teilt sich auf in einen allgemeinen Überblicksteil und einen besonderen Vertiefungsteil.
Der erste Teil besteht aus vier Kapiteln. Nach einem Grundlagenkapitel zum Selbstverständnis des evangelischen Kirchenrechts, das aus einer reformierten Ekklesiologie abgeleitet wird, stellt T. die Rechtsquellen und die historische Entwicklung des evangelischen Kirchenrechts in der Schweiz dar. Danach folgt ein Kapitel über die Rechtspflege und Rechtsfortbildung. Und schließlich werden die wichtigsten Regelungsmaterien dargestellt (Gottesdienst, Sakramente, Konfirmation, Trauung, Bestattung, Seelsorge, Diakonie, Mission und Entwicklungszusammenarbeit, Interreligiöser Dialog, Wächteramt sowie die kirchlichen Struk-turen).
Im zweiten Teil (Kapitel 5–9) widmet sich T. fünf ausgewählten Bereichen, die er speziell beleuchtet: der Leitungsfunktion auf kirchgemeindlicher und kantonaler Ebene; der Beziehung des Prinzips des allgemeinen Priestertums zu den kirchlichen Diens-ten; dem volkskirchlichen Selbstverständnis evangelisch-reformierter Kirchen; der Frage der Bekenntnisbindung und schließlich einem Ausblick auf das Kirchenrecht der evangelischen Freikirchen. Dabei gelingt es T., eine konzise und auch theologisch fundierte Darstellung mit einer umsichtig formulierten persönlichen Einschätzung zu verbinden. Der umfangreiche Fundus der kantonalen Gesetzgebungstexte wird ausgiebig und präzise herangezogen. Dabei zeigt sich gerade im Bereich der Kasualien sehr schön, wie praktisch-theologische Konzepte über die Jahre und Jahrzehnte ihren Weg in die kirchenrechtlichen Erlasse gefunden haben und von dort wiederum die kirchliche Praxis über weitere Jahre prägen. Das Buch behandelt alle relevanten Themen und nimmt sich so­wohl den neueren Fragen (wie der nach einem Bischofsdienst in evangelisch-reformierten Kirchen) als auch älteren, aber deshalb nicht weniger wichtigen Diskussionen (wie der Bekenntnisbindung) an. Bekanntlich sind die evangelisch-reformierten Kirchen der Schweiz bekenntnisfrei, nicht bekenntnislos. T. bietet auch hier eine sehr ausgewogene, historisch informierte und zugleich auf den ökumenischen Dialog ausgerichtete Darstellung und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung dieses Be­griffs, der das Selbstverständnis der Schweizer Reformierten stark geprägt hat.
Wer sich in einer konzis und präzis formulierten Übersicht über den aktuellen Stand des evangelischen Kirchenrechts in der Schweiz orientieren will, dem sei dieses Buch empfohlen.