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Ausgabe:

Dezember/2018

Spalte:

1318–1320

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

van Erp, Stephan, Cimorelli, Christopher, and Christiane Alpers[Eds.]

Titel/Untertitel:

Salvation in the World. The Crossroads of Public Theol-ogy.

Verlag:

London u. a.: Bloomsbury T & T Clark 2017. 224 S. = T & T Clark Studies in Edward Schillebeeckx. Geb. £ 85,00. ISBN 978-0-567-67815-7.

Rezensent:

Christine Schliesser

»[S]tand at the dangerous crossing of the roads – at the point where faith comes into contact with modern thought […].« Dieser Sammelband versteht sich als Antwort auf diese Aufforderung des katholischen Theologen Edward Schillebeeckx (1914–2009) an die Theologie. Fünfzehn Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus den USA und Europa stellen sich der Herausforderung, in ihren Beiträgen das Werk Schillebeeckx’ mit heutigen theologischen Fragestellungen aus der Perspektive einer Öffentlichen Theologie ins Gespräch zu bringen. Öffentliche Theologie wird darin, im Anschluss an Sebastian Kim, als Reaktion auf die zunehmende Infragestellung der Relevanz von Glaubenstraditionen für Politik und Gesellschaft in vielen westlichen Kulturen verstanden. Demgegenüber hält Öffentliche Theologie an der »public relevance of Christianity« (2) fest. Während die Herausgeber in vielen Beiträgen gegenwärtiger Öffentlicher Theologie einen apologetischen Grundzug erkennen, ist es ihr Ziel, alternative, nicht-apologetische Perspektiven einer Öffentlichen Theologie zu präsentieren. Diese strukturieren sich anhand von vier Leitlinien. Im Folgenden soll je ein Aufsatz aus jedem der vier Teile exemplarisch näher beleuchtet werden.
Der erste Teil umfasst vier Beiträge unter dem Titel »Theological Renewal in the Public Sphere« (11–71). Christiane Alpers (Eichstätt-Ingolstadt) analysiert in ihrem Beitrag »Public Opposition to Ecclesial Involvement in Secular Politics: Schillebeeckx’s Grace-Optimism as a Response to Public Theology and Radical Orthodoxy« (26–42) zwei Alternativen, mit der Ablehnung religiöser Äußerungen in öffentlichen Kontexten umzugehen, die der Öf­fentlichen Theologie und die der radikalen Orthodoxie. »Public theologians claim that […] Christian theologians have the new task of convincing everyone of the political benefits Christian insights can provide for the whole society« (26). Die Vertreter einer radikalen Orthodoxie versuchten hingegen »to convince everyone of the po-litical benefits of the Christian vision of the whole of reality and its superiority over its secular counterpart« (26). Beide Alternativen griffen jedoch zu kurz. Stattdessen plädiert Alpers im Anschluss an Schillebeeckx’ Gnadenverständnis dafür, dass christliche Theologie an das bereits vorhandene Gute im säkularen öffentlichen Raum anschließt und dieses zur Vollendung führt.
Die fünf Aufsätze des zweiten Teils widmen sich dem Thema »Faithfulness to the Christian Tradition in the Public Sphere« (73–159). Rhona Lewis (London, UK) setzt sich unter der Fragestellung »Forging a Way through Creation: ›God or the World?‹ or ›God and the World?‹« (131–145) mit Schillebeeckx’ Anthropologie auseinander. Der Kritik am späten Schillebeeckx, dass das Göttliche zuguns-ten des Menschlichen zu sehr in den Hintergrund trete, begegnet sie mit einer Untersuchung der thomistischen Einflüsse auf Schillebeeckx’ Theologie. Sie kommt dabei zum Ergebnis, dass das thomistische Verständnis von Schöpfung als freier und andauernder göttlicher Akt die Basis von Schillebeeckx’ Zuordnung von Mensch und Gott bildet. »The creation is both inseparable and distinct from the Creator« (143).
Im dritten Teil, »Theological Critique of the Public Sphere« (161–212), steht die kritische Auseinandersetzung Öffentlicher Theologie mit spezifischen Fragen öffentlicher Relevanz im Vordergrund. Jan J. Hasselaar (Almere, Niederlande) fragt nach »The Good News about Climate Change« (163–179). An die Stelle der beiden Alternativen Optimismus vs. Pessimismus setzt Hasselaar die Perspektive der Hoffnung. Hoffnung auch angesichts des Klimawandels und dem, was Schillebeeckx »negative Kontrasterfahrungen« nennt, sei begründet, so Hasselaar, da sie von einem göttlichen »open yes« (169) getragen werde. Im Dialog mit Schillebeeckx und dem jüdischen Denker Jonathan Sacks entfaltet Hasselaar seine »distinctive, critical, productive, and inspiring alternative« (177), die u. a. die öffentliche Funktion des Sabbats als wegweisend für eine gesamtgesellschaftliche Neuorientierung miteinbeziehen möchte.
Die drei Beiträge des vierten und letzten Teils, »Crossings of Theology and the Public Sphere« (213–255), nehmen gesellschaftliche Herausforderungen in die theologische Reflexion mit dem Ziel auf, sie anschließend in den öffentlichen Diskurs wieder einzuspeisen. Heather M. DuBois (Indiana, USA) führt dies anhand der Traumatheorie in ihrem Beitrag »An Ever-Stitched Wholeness: Multidimensional Relationality in Trauma Theory and Schillebeeckx’s Theology of Salvation« (228–241) aus. Im kritischen Dialog mit Schillebeeckx’ sieben »anthropologischen Konstanten« zeigt sie auf, wie das Fragmentarische theologisch wie traumatheoretisch für ein Verständnis des Ganzen fruchtbar gemacht werden kann. »Schillebeeckx enables us to understand that ›fragment‹ can be as salvific a term as ›wholeness‹, when it designates the reality that the whole can subsist in fragments« (239). Traumatisierten kann so die Perspektive von Heilung im Fragmentarischen eröffnet werden.
Mit seinen 15 an Schillebeeckx orientierten Beiträgen eröffnet dieser Sammelband frische Perspektiven auf das Phänomen Öffentliche Theologie, die über den deutschsprachigen Diskurs hinausgehen und diesen dadurch zugleich herausfordern und bereichern. Doch verwundert es, dass die deutschsprachige Öffentliche Theologie vollständig beiseite gelassen und ein bedeutender und dynamischer Diskussionspartner damit ausgeblendet wurde. Auch fallen gewisse Verkürzungen öffentlich-theologischer Perspektiven auf, etwa die Charakterisierung Öffentlicher Theologie als »apologetical« (3). Die Abgrenzungsbestrebungen der Autorinnen und Autoren in diesem Band wirken daher bisweilen etwas künstlich. Ungeachtet dieser Kritikpunkte präsentiert dieser Band Edward Schillebeeckx als einen produktiven Gesprächspartner für die An­liegen einer Öffentlichen Theologie. Der bisherige Fokus auf Dietrich Bonhoeffer in der deutschsprachigen Öffentlichen Theologie er­fährt dadurch eine willkommene Ergänzung aus katholischer Perspektive.
Es wäre zu begrüßen, wenn die Öffentliche Theologie, die sich weltweit als ökumenische Bewegung darstellt, auch in der deutschsprachigen Theologie ökumenischen Aufwind erhielte.