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Ausgabe:

Januar/2000

Spalte:

104 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Peacocke, Arthur

Titel/Untertitel:

Gottes Wirken in der Welt. Theologie im Zeitalter der Naturwissenschaften. Aus dem Engl. von E. Dieckmann.

Verlag:

Mainz: Grünewald 1998. 211 S. gr.8. Kart. DM 46,-. ISBN 3-7867-2131-9.

Rezensent:

Markus Huppenbauer

Im international geführten Dialog zwischen Naturwissenschaften und Theologie ist Arthur Peacocke (anglikanischer Priester und Theologe, "Fellow" in Biochemie am St.Peter’s College in Oxford und zur Zeit Direktor des Ian Ramsey Centre in Oxford) eine der renommiertesten Persönlichkeiten. "Theology for a Scientific Age" - so der Originaltitel - gilt als eines seiner Hauptwerke, das vor allem im angelsächsischen Raum große Resonanz fand.

P. gliedert den Text in drei Teile: Eine methodologische Einleitung (11-33), einen ersten Hauptteil zu "Sein und Werden der Natur" (35-99) und einen zweiten zu "Sein und Werden Gottes" (91-189). Das Ziel des Buches besteht gemäß der Einleitung darin, "unsere ,religiöse’ Begriffsbildung im Licht des auf die Wissenschaften zurückgehenden Weltbildes zu überdenken" (13). Im Kontext eines kritischen Realismus stellt P. folgende Grundfrage: "Wie können die von Wissenschaft und Theologie behaupteten kognitiven Inhalte aufeinander bezogen werden?" (31)

Im ersten Hauptteil legt P. eine Zusammenfassung wichtiger naturwissenschaftlicher Erkenntnisse vor. Er thematisiert dabei vor allem die grundlegenden Bestandteile der physikalischen Realität auf der einen und die biologische Evolution "höherer" Ebenen der Komplexität (bis hin zur Entwicklung des Menschen) auf der anderen Seite. Aber gerade an den Grenzen dieses Wissens sind wir "mit der rätselhaften Tiefe des eigentlichen Wesens der Wirklichkeit konfrontiert" (89). Der daraus abgeleiteten Frage, welchen Sinn das Universum und unser Dasein in ihm haben, geht er im zweiten Hauptteil nach.

P. argumentiert in einem Richard Swinburne folgenden theistischen Kontext mit der These, der Gottesbegriff gebe die "beste Erklärung" für die Rahmenbedingungen eines Universums ab, innerhalb dessen ohne übernatürliche Ursachen (110) Leben und schließlich auch Personen entstanden seien (so 79, 95, 107 usw.). Der Rekurs auf Gott ist hier nicht im Sinne einer ersten, übernatürlichen Ursache zu interpretieren, sondern als "das, was verständlich macht" (92), dass die "Welt nicht selbst die Quelle ihres Seins ist" (154). Zentral ist dabei der Rekurs auf die im sogenannten "anthropischen Prinzip" (109 ff.) thematisierten Feinabstimmungen des Universums. Im einzelnen versucht P. vor allem zu zeigen, dass Eigenschaften und Prozessstrukturen des Universums Gottes personalem Sein (Einheit, Fülle, Vernunft) und Werden (Selbstbegrenzung, Immanenz, Leiden) korrelieren.

In der Frage, wie "Gottes Interaktion mit der von den Naturwissenschaften beschriebenen Welt zu denken ist" (104, dann 138 ff., Kapitel 9) spielt ein Begriff aus dem ersten Hauptteil eine wichtige Rolle: "Von-oben-nach-unten"-(absteigende) Kausalität (60 ff.). Die im Deutschen etwas holperige Begrifflichkeit (englisch: top down causality) nimmt Überlegungen auf, die insbesondere in holistischen Konzeptionen eine wichtige Rolle spielen: Thematisiert wird dabei der Einfluss des ganzen Systems (der "höheren" Ebene, der übergeordneten Zusammenhänge) auf das Verhalten seiner Teile (160) im Unterschied zur klassischen "Von-unten-nach-oben"-Kausalität, in deren Kontext das Verhalten von Teilen die Zustände eines Systems erklärt. Diesen Kausalitätstyp sieht P. auch in der Wirkung vom menschlichem Geist/Gehirn auf die körperlichen Aktivitäten. Im Hinblick auf die Personalität Gottes verwendet er dieses Modell psychosomatischer Einheit des Menschen als Analogie für die Beziehung Gottes zur Welt als ganzer (163 f.). So "wird Gott hier als einheitliche Quelle und konzentrierter Einfluß auf die Aktivität der Welt gedacht" (164).

Die Verwendung des Konzepts der Top-down-Kausalität ist nicht unproblematisch. P. weiß selbst (61), dass sie in den Naturwissenschaften ein umstrittenes Thema ist. Welche Folgen es hat, Theologie gerade hier mit den Naturwissenschaften ins Gespräch zu bringen, bleibt in Ps. Arbeit unreflektiert. Dass er es tut, hängt mit seinem Wirklichkeitsverständnis zusammen: Er unterscheidet zwar verschiedene Ebenen der Wirklichkeit, hält aber an der Vorstellung der Einheit, respektive des "Ganzen der Wirklichkeit" (49, 106 und 161 f.) so fest, dass die Interaktion Gottes mit der Welt im unmittelbaren Anschluss an die Gehalte der Naturwissenschaften gedacht werden muss. Die dabei implizierte Ganzheitsvorstellung ist eine philosophische Vorentcheidung, die durchaus hinterfragt werden kann. Trotzdem: Das Buch ist ein Muss für alle am Thema Interessierten.