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Ausgabe:

September/2018

Spalte:

972–974

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Meckel, Thomas

Titel/Untertitel:

Konzil und Codex. Zur Hermeneutik des Kirchenrechts am Beispiel der cristifideles laici.

Verlag:

Paderborn: Ferdinand Schöningh 2017. 289 S. = Kirchen- und Staatskirchenrecht, 18. Kart. EUR 49,00. ISBN 978-3-506-77254-1.

Rezensent:

Thomas Schüller

Thomas Meckel legt seine im Wintersemester 2014/2015 von der Katholisch-Theologischen Fakultät in Würzburg angenommene Habilitationsschrift vor, die über die Beziehung von Ekklesiologie und Kirchenrecht am Beispiel der Verhältnisbestimmung von II. Vatikanum und den beiden Codizes von 1983 und 1990 handeln soll. Man darf vermuten, dass hinter dieser Themenwahl die in der deutschen Kirchenrechtswissenschaft schwelende und freilich noch nicht gelöste Kontroverse über die These der sogenannten Schule der korrekten Kanonistik (Vertreter: Lüdecke, Bier, Anuth) steht, dass der Codex über dem Konzil stehe bzw. dessen letzte rechtlich verbindliche Auslegung darstelle.
Zu dieser theologisch systematischen und kirchenrechtlich grundlegenden Fragestellung passt nicht ganz der Aufbau der Ar­beit, der in der Regel chronologisch vom CIC/1917 über das II. Vatikanum zu den beiden Codices schreitet, wobei es dann doch Kapitel 2 (33–88) gibt, das die o. g. Grundfrage nach dem Verhältnis von Konzil und Codex aufgreift und insofern materiell die im Titel der Studie angedeutete Themenstellung wirklich behandelt.
Im ersten Kapitel (23–33) geht es um die Societas-Perfecta-Ek-klesiologie, die nach M. das Gesetzbuch von 1917 als Klerikerrecht bestimmt. Der getaufte Laie ist demnach kein eigenständiges theologisches Subjekt, sondern Empfänger von Weisungen und Sakramenten durch Kleriker. Damit ist die Folie skizziert, auf der die Rechtsstellung der Laien auf dem Konzil und anschließend in den Codices untersucht werden soll.
Im zweiten Kapitel greift M. den von der korrekten Kanonistik in die Debatte geworfenen Ball auf und versucht deren rechtspositivis-tischen Ansatz zu entkräften. Alle wesentlichen Argumente, so auch die interpretationstheoretischen Anfragen (besonders 58–62), werden mit Hilfe gut ausgewählter Sekundärliteratur aufgegriffen und in Anschlag gebracht. Und zugleich wird eine Schwäche der Arbeit evident: Indem M. Zitat an Zitat reiht (besonders aufschlussreich 82), entzieht er sich der eigenen Anstrengung, mit von ihm durchdachten Argumenten diesen in der Tat umstrittenen Ansatz, Kirchenrechtswissenschaft zu betreiben, denkerisch-eigenständig zu hinterfragen. Man möchte ihm zurufen: »Sapere aude!« und zu­gleich fragen, ob man wie er und viele seiner Gewährsmänner (Hallermann, Krämer, Graulich, Pulte, die im reichlichen Übermaß zu Wort kommen) einfach von einem ekklesiologischen Neuaufbruch auf dem II. Vatikanum sprechen kann, ohne zugleich die weiterhin geltende Lehre auf dem I. Vatikanum mitzulesen, die beispielsweise dem Papst eine bis dahin nicht gekannte Machtfülle ohne jegliche Einschränkung und Kontrolle zuspricht. Norma normans für die beiden geltenden Codices ist eben nicht nur das II. Vatikanum (88), sondern auch das I. Vatikanum, ohne das es das ihm folgende Konzil nicht gibt.
Im weiteren Verlauf der Studie konfiguriert M. das Bild des Laien im CIC von 1917 (89–98), beschreibt das Verständnis vom Laien und seinem Apostolat gemäß der katholischen Aktion und der berühmten Enzyklika Mystici Corporis (99–108), um dann sorgfältig mit Hilfe der Sekundärliteratur die Weichenstellungen des II. Vatikanum in Lumen Gentium und Apostolicam actuositatem (109–136) hinsichtlich der Rechtsstellung der christifideles laici zu beschreiben. M. stellt zutreffend fest, dass Angelpunkt der dogmatischen Akzentuierungen auf diesem Konzil und davon abgeleiteten kirchenrechtlichen Normen die Taufe ist, die das Subjektsein in der Kirche mit Rechten und Pflichten grundlegt und jedem Getauften vor aller Unterscheidung in Kleriker, Religiose und Laien suo modo Anteil am Sendungsauftrag der Kirche, d. h. im Kern der Verkündigung des Evangeliums, in den drei Bereichen des Leitens, Lehrens und Heiligens gibt. Aus ökumenischer Perspektive hätte man sich an dieser oder einer anderen Stelle der Arbeit gewünscht, dass M. diesen Gedanken noch vertiefter im Hinblick auf seine kirchenstiftende Einheit reflektiert hätte, was leider nicht geschieht.
Im 6. Kapitel (137–178) wird durch knapp gehaltene Analyse der Christenrechte und -pflichten und weiterer Normen durch M. überzeugend aufgezeigt, wie beide Codices diese Impulse des II. Va­tikanum aufgreifen und kirchenrechtlich umsetzen.
Im 7. Kapitel (179–234) unternimmt M. abschließend die An­strengung, durch Analyse der nachkonziliaren Normen und Texte der deutschen Bischöfe bzw. der deutschen Bischofskonferenz – z. B. Schreiben zum Laienapostolat 1967, Würzburger Synode, Ordnung für die pastoralen Dienste und das theologisch erstaunlich luzide Schreiben »Gemeinsam Kirche sein« von 2015 – zu schauen, ob im Bereich der deutschen Bischofskonferenz die Impulse des Konzils und der beiden Codices wirklich umfänglich aufgegriffen wurden oder nicht. M. ist beispielsweise zuzustimmen, dass das dogmatisch enggeführte Amtsverständnis in vielen dieser Texte, das ausschließlich den Kleriker für amtsfähig erklärt, nicht mit dem Amtsverständnis in c. 145 CIC zu harmonisieren ist. Das von M. angeführte Beispiel, dass die deutschen Bischöfe unbefangen vom »Ehrenamt« sprechen, während Gemeinde- und Pastoralreferenten und -referentinnen aber weiter als »pastorale Dienste« ge­führt werden, um bloß nicht den Eindruck zu vermitteln, es könne neben Klerikern in der Seelsorge auch andere Amtsträgerinnen und Amtsträger in diesem Bereich ohne Weihe geben, ist einschlägig und aufschlussreich.
Im Resümee (235–242) fasst M. seine Ergebnisse zusammen und fügt anschließend die notwendigen Quellen- und Literaturverzeichnisse an. Formal ist die Arbeit tadellos, nur ganz wenige Fehler haben sich eingeschlichen. Inhaltlich wären im Detail einige Ungenauigkeiten zu benennen, so etwa wenn M. den Priester nach c. 517 § 2 CIC Moderator (166) nennt, der er aber nicht ist, weil dieser Begriff den verantwortlichen Priester einer Priesterequipe nach c. 517 § 1 CIC meint. Ebenso ist der Band zu Erfahrungen zur Ge­meindeleitung von Laien im weltkirchlichen Kontext nicht allein von mir, sondern zusammen mit Kollegen Michael Böhnke herausgegeben worden, den M. unterschlägt (263). Bei der Auswahl der Sekundärliteratur ließen sich vereinzelt Fragen stellen, etwa, ob man bei dem zutreffenden Hinweis auf die ausgebliebene Etablierung von kirchlichen Verwaltungsgerichten (159, Anm. 1000) statt auf einen Beitrag von Pulte nicht doch auf die grundlegende Studie von Dominicus Meier OSB hätte verweisen müssen.
M. ist zu danken, dass er sich der zentralen Fragestellung nach dem Verhältnis von Ekklesiologie und Kirchenrecht am Beispiel der Rechtsstellung der christifideles laici gestellt hat und den aktuellen Diskussionsstand präsentiert. Weitere Studien werden sicher folgen, um zukunftsweisende Lösungen aufzuzeigen.