Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

September/2018

Spalte:

877–879

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Strootman, Rolf, and Miguel John Versluys [Eds.]

Titel/Untertitel:

Persianism in Antiquity.

Verlag:

Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2017. 557 S. m. 79 Abb. = Oriens et Occidens, 25. Geb. EUR 84,00. ISBN 978-3-515-11382-3.

Rezensent:

Benedikt Hensel

Die alttestamentliche Wissenschaft hat in den vergangenen beiden Dezennien die Perserzeit – nicht zuletzt wegen inzwischen erheblich erweiterter Quellenlage – für sich entdeckt und fortwährend seitdem die essentielle Bedeutung der Zeit der persischen Herrschaft (550–333 v. Chr.) gerade für die Literaturgeschichte des Alten Testaments, mithin auch für die Theologie- und Religionsgeschichte »Israels«, für die sogenannte formative Phase des im Entstehen begriffenen Judentums betont. Der Fokus verlagerte sich gleichsam von der die Forschung des 20. Jh.s dominierenden Exils-zeit für derlei Transmissions-, Innovations- und Formierungsprozesse in ebenjene nachfolgende Epoche, die von Restaurationsbestrebungen in Juda und in der Nachbarprovinz Samaria sowie von Identitäts-Bildungsprozessen der unterschiedlichen, sich als »Israel« (im engeren und weiteren Sinne) definierenden Gruppierungen im palästinischen Kernland (namentlich der Judäer und Sa­ma­ri[tan]er) und in der Diaspora (bekannt sind vor allem Elephan tine und die babylonischen Golah-Gruppen) dominiert sind. Mithin ist auch schon lange erkannt worden, dass das Narrativ »der Perser«, wie es in den biblischen Texten entfaltet wird, geradezu überraschend einheitlich (mit einigen Ausnahmen wie Es­ther) positiv konnotiert ist. Zugleich hat die Forschung der vergangenen Jahre aber auch darauf aufmerksam gemacht, dass das Bild der persischen Herrscher als Protektoren und Kuratoren des »biblischen Israels« rund um den Zweiten Tempel wohl kaum mehrheitlich aus ebenjener Zeit stammt, sondern in nicht unerheblichem Maße (gerade im Falle Esr/Neh) die Zustände der ptolemäischen oder seleukidischen Potentaten reflektieren, d. h. in diesem Falle: konterkarieren. Das positive Bild der Perser wird ge­rade als Gegenentwurf zur repressiven Herrschaftsstrategie der Hellenen entfaltet.
Wie auch immer man im Einzelfall die biblischen Hintergründe zu rekonstruieren haben wird, es bleibt die Beobachtung: Die Perser, die im biblischen Narrativ vor allem in ihrer Repräsentation durch die (Groß-)Könige Gestalt finden, haben einen bleibenden, nicht zu unterschätzenden, zugleich erklärungsbedürftigen Abdruck im Profil der biblischen Texte hinterlassen. Der zu rezensierende Band ist in diesem Kontext eine wertvolle und unerlässliche Erschließungshilfe der persischen Kultur, auch wenn er – dies ist dem Band aber wegen seines Fokus nicht vorzuwerfen – mit nur einem Beitrag die jüdisch-judäische Literalkultur streift. Der Band hat sich ein viel breiteres Ziel gesetzt, sowohl geographisch wie auch historisch. Es werden nämlich hier »the ideas and associations revolving around Persia« (9) exploriert. Zeitlich wird in den Fallstudien die Zeit der Perserherrschaft bis hin zur »idea of Persia« im 19. Jh. in 21 Fallstudien abgedeckt. Der Band strebt nichts weniger an als eine »long-term-perspective on the ›cultural biography‹ of Persianism in Antiquity« (31), was dem Band auch – dies sei schon vorweggenommen – in exzeptioneller Weise gelingt.
Eine Stärke dieses Bands ist es namentlich, die Entwicklung der idea of Persia durch die Jahrhunderte hindurch nicht nur präzisierend zu verfolgen, sondern aus den spezifischen (kulturellen und historischen) Kontexten heraus zu erarbeiten, inwiefern für das jeweils zeitgenössische Perser-Bild immer nur ein bestimmtes Set an kulturellen Optionen aus einem viel größeren Pool an »Persien-Bildern« aktiviert wird, um die eigene Narration oder Argumentation zu stützen. Diese Wirkungsgeschichte »Persiens« zu beleuchten in all ihren Facetten ist das große Verdienst des Bandes, in dessen forschungsgeschichtlichen Problemhorizont die von Stroot- man/Versluys verfasste Einleitung (9–31) in vorzüglicher Weise einführt und die in diesem Sammelband abgebildete Diskussion kompendienartig zusammenfasst. Der Band, der die Beiträge eines im Jahre 2014 in Istanbul durchgeführten Kolloquiums unter gleichem Titel versammelt, beschäftigt sich in drei Großkapiteln mit folgenden Themen: Teil 1 (33–144: »Persianization, Persomania, Perserie«) beschäftigt sich mit theoretischen und definitorischen Differenzierungen um Kategorien und Begrifflichkeiten in Bezug auf »Persien«. Insbesondere hilfreich und notwendig ist die begriffliche Differenzierung zwischen »Persianization« – »Persianism« und »the idea of Persia«, die so im Kontext alt- und neutestamentlicher Wissenschaft unbedingt auch auf die Differenzierung zwischen Hellenismus und Hellenisierung angewandt werden sollte.
Die Beiträge im Einzelnen: Albert de Jong, Beeing Iranian in Antiquitiy (at Home and Abroad), 33–47; Margaret C. Miller, Quoting ›Persia‹ in Athens, 49–68; Lloyd Llewellyn-Jones, ›Open Sesame!‹ Orientalist Fantasy and the Persian Court in Greek Art 430–330 BCE, 69–86; Omar Coloru, Once were Persians: The Perception of Pre-Islamic Monuments in Iran from the 16th to the 19th Century, 87–106; Judith A. Lerner, Ancient Persianisms in the Nineteenth-Century Iran: The Revival of Persepolitan Imagery under the Qajars, 107–120; David Engels, Is there a »Persian High Culture«? Critical Reflections on the Place of Ancient Iran in Oswald Spengler’s Philosophy of History, 121–144. Insbesondere die Beiträge von de Jong, Miller und Llewellyn-Jones zeigen eindrücklich, wie selektiv Vorstellungen von Persien in der Antike rezipiert und tradiert wurden.
Teil 2 des Bandes widmet sich der hellenistischen Zeit und dort insbesondere der Rezeption »Persiens« im Kontext ptolemäischer und seleukidischer Kultur (145–265). Die Beiträge von Sonja Plischke (»Persianism under the early Seleucid Kings? The Royal Title ›Great King‹«, 163–176) und Bruno Jacobs (»Tradition oder Fiktion? Die ›persischen‹ Elemente in den Ausstattungsprogrammen Antiochos’ I. von Kommagene, 235–248) führen die Rezeptions- und Adaptionsprozesse persischer Herrscherideale in ihren Nuancen vor Augen. Diese Nuancierungen sind bedeutsam, denn zwar setzt sich der erste seleukidische Herrscher scharf von den Achämeniden ab, doch inszenieren die Ptolemäer ihre Rivalen, die Seleukiden, umgekehrt als kulturelle Er-ben ebenjener persischen – in ihrem Bild – »Unterdrücker« ( Damien Agut-Labordère, Persianism through Persianization: The Case of Ptolemaic Egypt, 147–162).Wie Benedikt Eckhardt zeigt, ist ein vergleichbarer Entwurf eines Feindbildes auch für die hasmonäische Zeit zu veranschlagen: In einem Prozess der Abgrenzungen von den seleukidischen Potentaten und im Bestreben einer Identitätskonstruktion als neu entstandenes hasmonäisches (jüdisch-davidisches) Königreich wird ein eigentlich positives Perserbild negativ gegen die Seleukiden gewendet (»Memories of the Persian Rule: Constructing His-tory and Ideology in Hasmonean Judea,« 249–266).
Die übrigen Beiträge des Abschnitts: Rolf Strootman, Imperial Persianism: Seleukids, Arsakids and Frataraka, 177–200; Matthew Canepa, Rival Images of Iranian Kingship and Persian Identity in Post-Achaemenid Western Asia, 201–222; Charlotte Lerouge-Cohen, Persianism in the Kingdom of Pontic Kappadokia. The Genealogical Claims of the Mithridatids, 223–234.
Der letzte Teil beschäftigt sich mit der Rezeption »Persiens« zu römischer und sassanidischer Zeit.
Die folgenden Beiträge sind zu nennen: Valeria Sergueenkova/Felipe Rojas, Persia on their Minds: Achaemenid Memory Horizons in Roman Anatolia, 269–288; Richard Gordon, Persae in spelaeis solem colunt: Mithra(s) between Persia and Rome, 289–326; Eran Almagor, The Empire brought back: Persianism in Imperial Greek Literature, 327–344; Michael Sommer, The Eternal Persian: Persianism in Ammianus Marcellinus, 345–354; Richard Fowler, Cyrus to Arsakes, Ezra to Izates: Parthia and Persianism in Josephus, 355–380; Josef Wiesehöfer, Eran and Aneran: Sasanian Patterns of Worldview, 381–392; Touraj Daryaee, The Idea of the Sacrifed Land of Eransahr, 393–400; M. Rahim Shayegan, Persianism: Or Achaemenid Reminiscences in the Iranian and Iranicate World(s) of Antiquity, 401–455.
Der Band ist insbesondere Forschern aus dem Bereich der alt- und neutestamentlichen Wissenschaft sehr zu empfehlen, deckt er doch in erschöpfender Breite ein immer wichtiger werdendes his-torisches und literarisches Thema auch innerhalb der biblischen Literatur ab. Einziger Wermutstropfen ist, dass die biblische Perspektive nicht abgedeckt wird. Wie einleitend erwähnt zeigt doch gerade die nach-exilische Literatur eine breite, facettenreiche, oft idealisierte, in sich aber auch sehr ambivalente Reflexion auf »die Perser« und ihre Zeit.