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Ausgabe:

März/2018

Spalte:

239–240

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Stone, Bryan

Titel/Untertitel:

Basel and the Church in England. 600 years of theological, cultural and political connections.

Verlag:

Frankfurt a. M.: public book media verlag (Frankfurter Verlagsgruppe) 2016. 270 S. Kart. EUR 19,80. ISBN 978-3-86369-277-3.

Rezensent:

Martin H. Jung

Die kirchen- und theologiegeschichtlichen Verbindungen und Wechselwirkungen zwischen England und dem Kontinent werden nur selten beleuchtet. Zu den Ausnahmen in der jüngeren Zeit gehört der von Albrecht Geck publizierte Briefwechsel zwischen Edward Bouverie Pusey und Friedrich August Gotttreu Tholuck (Göttingen 2009). Der Hobby-Historiker Bryan Stone, Engländer und Anglikaner, aber seit Jahrzehnten in der Schweiz lebend, legt eine anregende, lebendig geschriebene, gut lesbare Mikrostudie über Engländer in Basel und Basler in England vor, die teilweise Bekanntes mit neuen Akzenten präsentiert, aber teilweise auch die Forschung wirklich bereichert. Er beginnt, einmal abgesehen von kurzen Rückblenden auf das Wirken der irischen Mönche und weiteren Episoden des Früh- und Hochmittelalters, mit dem Konzil von Basel (1431–1449) und den englischen Teilnehmern und endet mit den ökumenischen Initiativen und Aktivitäten der Zeitgeschichte.
Wenig bekannt ist, dass sich das Konzil von Basel zum Teil einer englischen Initiative verdankte, nämlich von König Heinrich V. Die englischen Bischöfe stießen in Basel aber auf heftige, politisch motivierte Anfeindungen seitens der Franzosen und Spanier, die sogar zu Handgreiflichkeiten führten. Der Bischof von Rochester starb während des Konzils in Basel und wurde in Basel begraben. In der Basler Waisenhauskirche wird noch heute an ihn erinnert. Ge­gen den Willen des Konzils unterstützte England aber Eugen IV. als Papst.
Basel war bekanntlich ein früher und wichtiger Ort für den Buchdruck, und Bücher aus Basel wurden auch, schon im 15. Jh., nach England verschifft. Unter anderem wurde die englische Ausgabe von Sebastian Brants »Narrenschiff« in Basel gedruckt. Im Reformationsjahrhundert wurden in Basel Werke zur englischen Kirchengeschichte sowie Reformationsliteratur publiziert. Auch John Foxes »Book of Martyrs« erblickte 1559 in Basel bei Oporinus das Licht der Öffentlichkeit; Foxe war 1555 zusammen mit seiner Frau nach Basel gekommen.
Eng waren die Beziehungen von drei (zeitweise) prominenten Basler Bürgern zu England: Erasmus von Rotterdam, Hans Holbein d. J. und Simon Grynaeus. Sie hielten sich nicht nur in England auf, sondern hatten auch Kontakt zu Heinrich VIII.
Als 1553 Maria I. in England die Herrschaft übernahm, flohen nicht wenige evangelische Kirchenmänner auch nach Basel. Zu den »Marian Exiles« (84), die sich in Basel aufhielten, zählte der Londoner Kaufmann John Bartholomew, der 1558 in Basel starb. Ihre Gottesdienste feierten die Flüchtlinge in der Kirche St. Clara am Claraplatz. Einige entschieden sich, auf Dauer in Basel zu bleiben, und erwarben das Bürgerrecht, so zum Beispiel der Buchbinder Hugh Singleton 1558. Ferner werden John Cheke, John Baron, John Bale, Thomas Bentham, Richard Bunny, William Cole und Christopher Goodman näher vorgestellt.
Im 17. und 18. Jh. besuchten verschiedene Reisende aus England die Stadt am Rheinknie, und einige von ihnen publizierten Reiseberichte, die interessante Einblicke geben in die Wahrnehmung der Stadt durch Ausländer. Besonders interessant ist der 1611 erschienene Reisebericht von Thomas Coryate, weil er auch das kirchliche Leben in der Stadt schildert sowie Eindrücke eines Universitätsbesuchs. Vereinzelt besuchten übrigens auch wieder Menschen aus Basel die Stadt an der Themse. Zu ihnen gehörte, im Jahre 1599, Thomas Plattner d. J., der Sohn des reformationsgeschichtlich bedeutenden Thomas Plattner d. Ä. Auch von ihm gibt es einen Bericht über die Eindrücke, die er bei seinem sechswöchigen Londonaufenthalt sammelte.
Im ausgehenden 18. Jh. und im 19. Jh. entstanden dann institutionelle Beziehungen zwischen England und Basel durch die So-ciety for the Propagation of Christian Knowledge einerseits und die Deutsche Christentumsgesellschaft andererseits. Der württembergische Theologe Samuel Urlsperger verdient als Verbindungsmann besondere Erwähnung. Diese Zusammenhänge sind nun nicht gerade unbekannt, wegen ihrer großen kirchengeschichtlichen Bedeutung aber immer wieder eine Erwähnung wert, nicht zuletzt, weil daraus auch die intensive Zusammenarbeit zwischen Basel (mit Württemberg!) und England bei der äußeren Mission herrührte. Ebenfalls bemerkenswert, aber ebenfalls natürlich längst bekannt ist die Tatsache, dass 1846 der Schweizer Samuel Gobat, zunächst Mitarbeiter der Basler Mission, vom preußischen König zum ersten anglikanischen Bischof Jerusalems ernannt wurde – Preußen und England beherrschten damals gemeinsam Palästina.
Viele prominente Besucher aus England sah Basel im 19. Jh.; S. listet auf, was er darüber in Erfahrung bringen konnte. Mit Vorliebe wohnten sie im Hotel Drei Könige. Am Schluss seines Werkes geht S. auf die Geschichte der anglikanischen Gemeinde in Basel ein und schildert das Wirken von Marcus Matthäus Vischer, der in England studiert und dann als erster anglikanischer Pfarrer in Basel gewirkt hatte. Auf ihn folgte 1557 Alan Borthwick und 1572 Sanderson (Vorname wird nicht genannt), anschließend Canon Thomas Roberts, Jonathan Gibbs, Geoff Read und Hilary Jones.
Sicher ließe sich noch mehr sagen über Engländer in Basel und (viel mehr?) über Basler in England. Bedauerlich ist aber eigentlich nur der Verzicht auf die Nennung der Basler Reformatorenfrau Wibrandis Rosenblatt (1504–1564), die mit Martin Bucer nach England ging und mit ihm in England lebte, aber in Basel starb und einen der originellsten mit der Reformation verflochtenen Lebenswege zu bieten hat.
Das Buch ist gut und spannend zu lesen, für eine eher oberflächliche Durchsicht allerdings nicht optimal gestaltet. Die Kapitelüberschriften lassen in der Regel nicht erkennen, welches Thema wirklich behandelt wird, Beispiel: »It is written« (103) oder »You shall go out with joy« (146). Der Text selbst ist nicht so gestaltet, dass der Leser bei der Durchsicht leicht erkennen kann, wo thematische Einheiten beginnen und wo sie enden. Das wäre leicht möglich gewesen, wenn man zum Beispiel bei den – überwiegend auf Personen konzentrierten – Einheiten immer dann, wenn eine neue Person eingeführt wird, hinter dem Namen die Lebensdaten – sozusagen als Blickfang – eingefügt hätte.
Das Buch ist mit einem Quellen- und Literaturverzeichnis ausgestattet, das, allerdings nur sehr allgemein – »Staatsarchiv Basel-Land, Liestal« (260) – auch Archivalien nennt, verzichtet im Text selbst aber leider gänzlich auf Nachweise. Für die weitere Verwertung des Buches in der Forschung ist das natürlich ein großer Nachteil. Immerhin ist es aber mit einem Index der Personen, Orte und Sachthemen ausgestattet, allerdings ist nicht einmal das Personenregister vollständig, und außerdem ist es in der Gestaltung uneinheitlich.
Bleibt noch die Frage nach der Zielgruppe, zu der sich S. nicht ausdrücklich äußert. Ein Buch in englischer Sprache zielt normalerweise auf einen englischsprachigen Leserkreis. Vermutlich dürfte es in England aber nur auf wenig Interesse stoßen, auf mehr Interesse jedoch in Basel, in der Schweiz und in Deutschland, zumal es alles in allem doch mehr von Personen und Ereignissen in Basel als von Personen und Ereignissen in England berichtet. So gesehen wäre es besser gewesen, es in deutscher Sprache zu publizieren.