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Ausgabe:

November/2017

Spalte:

1222–1223

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Korth, Hans-Otto, u. Wolfgang Miersemann [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Johann Crüger: Praxis pietatis melica. Edition und Dokumentation der Werkgeschichte. Bd. II/2: Johann Crüger: Praxis pietatis melica. Tabellarische Übersicht über die Entwicklung des Liedbestands. Hrsg. im Auftrag d. Franckeschen Stiftungen zu Halle unter Mitarbeit v. M. Richter.

Verlag:

Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 2016. 281 S. Geb. EUR 59,00. ISBN 978-3-447-10264-3.

Rezensent:

Ute Poetzsch

Mit diesem zweiten Teilband des zweiten Bandes der großen Edition von Johann Crügers »Praxis pietatis melica« (PPM) liegt nun der von Maik Richter erarbeitete Überblick über den gesamten Liedbestand des Werkes vor. Berücksichtigt wurden dafür, um diesen Liedbestand und seine Entwicklung tatsächlich erfassen zu können, so gut wie alle Ausgaben, von denen Exemplare erhalten sind. Der früheste herangezogene Druck ist Crügers »Newes vollköm-liches Gesangbuch« von 1640, der 248 Lieder enthält. Den Endpunkt markiert die 45. Auflage der »Praxis pietatis melica« mit 1316 Liedern, deren Erscheinen auf die Jahre um 1737 eingegrenzt werden kann und die noch 1779 nachgedruckt wurde. Einbezogen wurden sämtliche im genannten Zeitraum in Berlin erschienenen Auflagen und die Ausgaben, die in Frankfurt und Stettin sowie vereinzelt auch an anderen Orten erschienen. Obwohl die PPM auch in Hamburg lebhaft rezipiert wurde, hat man sich entschlossen, von diesen Ausgaben nur die liederreichste von 1703 einzubeziehen.
Die Übersicht über die in der PPM enthaltenen Lieder hat ihr Vorbild in Johann Friedrich Bachmanns »Vergleichender Tabelle über die älteren Berliner Gesangbücher« in seiner »Geschichte der Berliner Gesangbücher« (Berlin 1856). In der ersten Längsspalte sind die Incipits der Lieder in alphabetischer Ordnung aufgelistet, in der oberen vertikalen sind die 56 ausgewerteten Exemplare der PPM chronologisch mit ihrer Sigle, Erscheinungsort und -jahr aufgeführt. Ist ein Lied in einem der Gesangbücher enthalten, wird es mit einem X gekennzeichnet, fehlt das Lied, erscheint eine Null. Liednummern sind mit denen der Editionsvorlage des Werkes aus dem Jahr 1661 angegeben. Ebenso sind die Liednummern der Lieder verzeichnet, die in vorgehenden Ausgaben vorhanden, aber 1661 nicht enthalten sind. Wurde das Vorhandensein einzelner Lieder in nicht vollständig er­haltenen Exemplaren zweifelsfrei (z. B. über Register) erschlossen, ist dies durch eckige Klammern angezeigt. Lieder, für die Melodien oder mehrstimmige Sätze vorhanden sind, werden mittels Asteriskus gekennzeichnet. Der Begriff »Lied« bezeichnet also terminologisch sinnvoll den strophisch organisierten Text, nicht die Verbindung eines Textes mit einer Melodie. Die Autoren der Lieder und Melodien sind der Natur der Darstellung gemäß nicht angegeben, zumal diese Angaben für die edierten Lieder in Band I/2 zu finden sind.
Im Vorwort wird die Geschichte der PPM nur knapp resümiert, da sie ausführlich in dem noch nicht erschienenen Teilband II/1 dargestellt wird. Dafür informiert es instruktiv über die Prinzipien der Anlage der Tabelle. Die Hinweise zur Siglierung der einzelnen Ausgaben sind von besonderer Bedeutung, weil über die Siglen die Überlieferungsgruppen des Werkes identifizierbar werden. Des Wei­teren wird ausgeführt, nach welchen, quasi editorischen, Grundsätzen die normalisierten Fassungen der Textanfänge der Lieder erarbeitet wurden. Modernisierende Anpassungen der in den Quellen uneinheitlich »wann« und »wenn« wie auch »vor« und »für« an den heutigen Gebrauch erwiesen sich dabei als notwendig. Nicht ganz so schlüssig erscheint dagegen die Entscheidung, Diphthonge (wie z. B. »eu« in »geuß«) umzuschreiben, zumal in Reimen die originalen Formen beibehalten werden (müssen).
Textvarianten, die einzelne Wörter betreffen, erscheinen in runden Klammern. Bei gleichen Textanfängen werden zur näheren Bestimmung der Lieder weitere Wörter oder auch ganze Verse an­gefügt. Manchmal ist es notwendig, zusätzlich Anfänge von abweichenden Folgestrophen mitzuteilen. Damit werden die einzelnen Lieder – auch in eventuellen Fassungen – eindeutig identifizierbar. – Die 267-seitige vielspaltige Tabelle selbst ist klar und übersichtlich gestaltet. Die Spalte der Editionsvorlage ist rechts durch eine typographisch hervorgehobene Linie markiert.
Über erste anhand der Tabellen zu machende Beobachtungen hinaus, dass ein Kernbestand an Liedern über die Jahrzehnte erhalten blieb und verstärkt seit den 1670er Jahren erweitert wurde, werden sich durch künftige Untersuchungen detailliertere Aussagen und Aufschlüsse zur Geschichte und Rezeption einzelner Lieder oder Melodien machen lassen. Mit der nun veröffentlichten Übersicht über den Inhalt der PPM durch fast ein Jahrhundert liegt jedenfalls ein instruktives erschließendes Hilfsmittel vor, das in seiner Prägnanz und Anschaulichkeit vorbildlich ist.