Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

November/2017

Spalte:

1215–1217

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Villeneuve, André

Titel/Untertitel:

Nuptial Symbolism in Second Temple Writings, the New Testament and Rabbinic Literature. Divine Marriage at Key Moments of Salvation History.

Verlag:

Leiden u. a.: Brill 2016. 492 S. = Ancient Judaism and Early Christianity, 92. Geb. EUR 162,00. ISBN 978-90-04-31603-4.

Rezensent:

Claudia D. Bergmann

Das 2016 vorgelegte Buch ist die überarbeitete Fassung der Dissertation von André Villeneuve, die ab 2008 an der Hebrew University in Jerusalem entstand und dort von Justin Taylor und Israel Yuval betreut wurde. Ihr Autor, der gegenwärtig als Assistant Professor of Theology and Sacred Scripture am katholischen St. John Vianney Seminary in Denver, Colorado, lehrt, beschäftigt sich hauptsächlich mit biblischen Themen und den jüdischen Wurzeln des christlichen Glaubens, immer aus katholischer Perspektive. In diesem Zusammenhang ist er auch bei Catholics for Israel aktiv, die u. a. v ertreten, »dass Gottes Heilsplan die ›endgültige Ehe‹ zwischen Israel und der Kirche vorsieht« (www.catholicsforisrael.com/wel-come/about-us) und jüdische und nichtjüdische Katholiken aus Israel und anderen Ländern unter dem Schirm des Lehramtes der katholischen Kirche vereint. Ein ähnlicher, auf dem katholischen Glauben basierender Zugang findet sich auch immer wieder in V.s Buch, vor allem wenn er unkritisch von »Sünde« (sin), »dem Zerreißen der Gemeinschaft mit dem Schöpfer (the rupture of communion with the creator)« oder der »Menschwerdung Christi, des heiligen Bräutigams (the Incarnation of Christ, the divine bridegroom)« (417 u. ö.) spricht.
Im ersten, einführenden Kapitel präsentiert V. seine These, dass das Motiv der ehelichen Gemeinschaft zwischen Gott und Gottes Volk zwar Wurzeln im Alten Orient haben mag, aber doch eine gewisse Einzigartigkeit aufweist. Um die jüdischen und christlichen Theologien (bei V. interessanterweise und bezeichnend im Singular: theology) der Ehe zwischen Gott und Gottes Volk zu un­tersuchen, schlägt V. vor, vier »Schlüsselmomente« in Israels biblischer Geschichte zu untersuchen: 1. Die Schöpfung und die Um­stände im Garten Eden, 2. Der Exodus und die Geschehnisse auf dem Berg Sinai, 3. Der Tempel in Jerusalem, und 4. Das eschatologische Ende der Zeiten (3). Sein erklärtes Ziel ist, die Erträge dieser Beobachtungen dann auf das Verständnis der Ehe zwischen Chris­tus und der Kirche anzuwenden, wie sie in den Texten des Neuen Testamentes beschrieben wird. Ein ausgesprochen kurzer Überblick zur Ehemetaphorik in Hos 1–3, Jer, Ez 16 und 23 und Jes und zum Auftreten von Frau Weisheit in der Weisheitsliteratur folgt. Die Forschungsgeschichte zum Thema wird auf nur zehn Seiten referiert, jedoch nicht evaluiert.
Im zweiten Kapitel beschäftigt sich V. ausschließlich mit Sir 24, einem Kapitel, das er für einen Schlüsseltext seiner Studie hält, da er alle Ehe- und Weisheitsmotive enthalte, die V. im Verlauf seiner Studie besprechen wolle (49).
Ausgehend von Philo von Alexandrien, untersucht V. im dritten Kapitel die Rolle der Cherubim im Garten Eden und im Tempel. Philos allegorisches und mystisches Verständnis der Cherubim und der Weisheit sei, so V., ein einflussreicher Baustein für spätere Quellen und das Verständnis der Ehemetaphorik im Neuen Testament und im frühen Judentum.
Das Kapitel 4 bezeichnet V. selbst als Zentrum seiner Arbeit, da er sich hier dezidiert dem Studium der neutestamentlichen Texte zur Ehemetaphorik widmet. In diesem Abschnitt geht V. besonders auf die Applikation der Typologie Bräutigam-Tempel auf die Figur Jesu, der Figur Braut-Tempel auf die Kirche als Ganze oder den einzelnen Gläubigen sowie auf die eschatologische Erfüllung der Heirat zwischen Christus und seiner Kirche am Ende der Zeiten ein.
Kapitel 5 untersucht überblicksartig die Ehemetaphorik in fünf apokryphen bzw. pseudepigraphen Büchern: in Joseph und Aseneth, den Oden Salomons, 4Esra, Hirt des Hermas und dem zweiten Brief des Clemens.
Kapitel 6 ergänzt dann einen Überblick zu Texten der rabbinischen Literatur, die die Ehemetaphorik aufgreifen, unter ihnen Mekhiltot de Rabbi Jishmael und de Rabbi Simeon, Genesis Rabba, Levitikus Rabba und Pesiqta de Rav Kahana.
Im siebenten Kapitel erfolgt die thematische Analyse, die V. laut Überschrift vom Text zur Theologie bringt. Die vier »Schlüsselmomente«, die V. am Anfang und im Verlauf seines Buches beschrieben und untersucht hat, werden nun in Beziehung zueinander gesetzt. Dass es problematisch ist, intertextuelle Beziehungen zwischen Dokumenten zu suchen, die aus verschiedenen Zeitperioden stammen, und dass es zudem eine große Schwierigkeit darstellt, rabbinische Quellen zu datieren und sie mit neutestamentlichen Texten in Beziehung zu setzen, erkennt V. selbst (53).
Die Synopse der Ergebnisse seiner Untersuchungen in Kapitel 8 verrät einmal mehr V.s konfessionellen Hintergrund. Seine recht kurze Studie der Ehemetaphorik in biblischen Texten wird nun mit seinen ausführlicheren Untersuchungen von Sir 24, Philo und den rabbinischen Texten unter der Überschrift »Ancient Jewish Nuptual Theology« subsumiert, die sogenannte »Erfüllung« der im jüdischen Denken »angelegten Themen« nimmt weit größeren Raum ein.
V.s Methodik erscheint manchmal etwas unklar. So schreibt er am Ende seiner Einführung: »[…] the methodology that I propose is not a hyper-critical one which only aims at dissecting texts and distinguishing separate layers of tradition and competing schools of thought in the various documents, but rather an integrative one that keeps in mind the method of associative thinking and reli-ance upon oral tradition that characterized ancient Jews and Chris-tians.« In diesem Zusammenhang folgt V. auch dem »canonical approach in the NT«, der von der sogenannten Endform der Texte ausgeht, eine Methode, die unter Wissenschaftlern, die das Neue Testament untersuchen, keinesfalls unumstritten ist.
Ein Blick auf das Literaturverzeichnis zeigt: V. nutzt fast ausschließlich englischsprachige Literatur zum Thema. Wichtige Beiträge, wie zum Beispiel N. Stienstra, YHWH is the Husband of His People (1993), B. E. Kelle, Hosea 1–3 in Twentieth-Century Scholarship (2009), M.-T. Wacker, Figurationen des Weiblichen im Hosea-Buch (1996), E. B. Zvi, Observations on the Marital Metaphor of YHWH and Israel in its Ancient Israelite Context (JSOT 28, 2004), oder auch P. J. Long, Jesus the Bridegroom (2013), werden im Literaturverzeichnis nicht erwähnt.
Sieht man von diesem Manko und der konfessionellen Gebundenheit V.s ab, die sich immer wieder im Text zeigt, ist das Buch durchaus lesenswert – vor allem V.s detaillierte Überlegungen zu Sir 24 und sein Kapitel über Philos Verständnis, das einen großen Einfluss auf spätere Literatur hatte, wie er überzeugend argumentiert. Es sollte jedoch nicht als einziges Werk zur Ehemetaphorik in der hebräischen Bibel und dem Neuen Testament im Bücherregal des interessierten Lesers stehen.