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Ausgabe:

Oktober/2017

Spalte:

1047–1048

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Hrsg. v. J. Helmrath u. Th. Woelki. Bd. II, Lfg. 3: 1454 Juli I – 1455 Mai 31. Nach Vorarbeiten v. H. Hallauer u. E. Meuthen.

Titel/Untertitel:

Acta Cusana. Quellen zur Lebensgeschichte des Nikolaus von Kues.

Verlag:

Hamburg: Felix Meiner Verlag 2017. VIII, 233 S. Kart. EUR 198,00. ISBN 978-3-7873-2907-6.

Rezensent:

Karl-Hermann Kandler

Schon ein Jahr nach Erscheinen der 2. Lieferung von Band II der Acta Cusana erscheint die 3. Lieferung. Es ist sehr erfreulich, dass unter den neuen Herausgebern diese Quellenedition schnell voranschreitet. Wieder werden alle Quellen zur Lebensgeschichte von Nikolaus von Kues in dem einen Jahr dokumentiert, seine schriftlichen Äußerungen ebenso wie an ihn gerichtete oder über ihn berichtende Äußerungen seiner Zeitgenossen. Es ist nach wie vor erstaunlich, wie viele Quellen dabei erschlossen werden. Sie sind für die Lebensgeschichte des Nikolaus wichtig, darüber hinaus finden sich viele Äußerungen, die die Geschichte des 15. Jh.s insgesamt erhellen, weil sie wesentliche Aspekte der Zeit erschließen. Je nach ihrer Bedeutung werden die Texte im vollen Wortlaut, in Form mehr oder weniger ausführlicher Inhaltsangaben oder auch nur als kurze Hinweise abgedruckt. Insgesamt enthält die Lieferung 397 Quellenstücke (Nr. 3979–4375).
In dem damit dokumentierten Jahr hat Nikolaus sich intensiv seiner Tätigkeit als Bischof der Diözese Brixen widmen können. Schwerpunkte sind dabei die Auseinandersetzungen um die Re­form des Benediktinerinnenklosters Sonnenburg und des Klarissinnenstifts Brixen sowie der Briefwechsel mit den Mönchen des Klosters Tegernsee, dem sich Nikolaus besonders verbunden fühlte. Energisch und ambitiös bemühte er sich um die geistliche Er­neuerung des kirchlichen Lebens – vor allem, aber nicht nur in seiner Diözese –, und um die Konsolidierung des weltlichen Besitzes des Hochstifts. Zugleich wird erkennbar, wie er als Bischof zu­nehmend einem resignativen Pessimismus verfiel, gelang es ihm doch kaum, sich gegen seine Widersacher durchzusetzen.
Vor allem die Sonnenburger Äbtissin Verena machte ihm das Leben schwer und widersetzte sich energisch seinen Reformmaßnahmen. In dem andauernden Streit ging es nicht nur um diese, sondern auch um die Zahlung eines Federspielzinses (!), der früher regelmäßig gezahlt worden sei, von dem aber Verena behauptete, nichts zu wissen. Sie wandte sich deswegen an Herzog Sigismund von Tirol, den Vogt der Abtei, mit dem Nikolaus auch auf keinem freundschaftlichen Fuß stand. Da Nikolaus bei ihm nicht zu seinem Recht kam, verhängte er schließlich das Interdikt über die Abtei. Darauf appellierte Verena an Papst Nikolaus V. Sigismund forderte Nikolaus auf, bis zur Antwort des Papstes keine Maßnahmen gegen die Nonnen zu ergreifen. Obwohl der Papst die Appellation verwarf und Nikolaus aufforderte, die Reformmaßnahmen durchzudrücken und die Äbtissin abzusetzen, falls sie sich ihnen verweigere, ging der Kampf weiter, selbst nachdem auswärtige Visitatoren Missstände festgestellt und Reformen angemahnt hatten. Immer wieder fand Verena Ausflüchte – auch nachdem Nikolaus sie exkommuniziert hatte – und besaß im Herzog einen Fürsprecher. Der Streit zog sich über das Jahr hinaus noch fort. Die Reformstatuten für das Kloster sind abgedruckt (Nr. 4248). Ähnliche Schwierigkeiten wie in Sonnenburg hatte Nikolaus mit dem Klarissinnenkloster in Brixen. Ebenso wird der Briefwechsel mit den Mönchen von Tegernsee dokumentiert, der Text ist auch in einer zweisprachigen Ausgabe 1998 erschienen.
Weitere Dokumente betreffen die Legation, die Papst Nikolaus V. Nikolaus von Kues übertrug, bei der er den Streit zwischen dem Deutschen Orden und den preußischen Ständen schlichten sollte. Ihm wurde aufgetragen, alles zu tun, um den Frieden und die Eintracht in Preußen wiederherzustellen und das Urteil Kaiser Friedrichs III. zur Geltung zu bringen.
Aufgenommen ist auch der Bericht, den Enea Silvio Piccolomini an Nikolaus über die Reichsversammlung in Frankfurt am 31.10. 1454 schrieb. Von ihm erhoffte er sich ein energisches Eintreten an der Kurie für den Türkenkrieg. Auf Beschluss der Versammlung hatte Nikolaus für diesen Krieg 20 Reiter und 40 (oder 60?) Fußsoldaten zu stellen (Nr. 4142 f.).
Die Daten seiner zahlreichen Predigten, die in den Opera omnia ediert sind, werden aufgelistet. 18 Gesellen sandten an Nikolaus einen Absagebrief. Sie hätten ihm als einen gerechten Richter vertraut, ein ungerechtes Urteil seines Vorgängers aufzuheben. Da das bisher nicht geschehen sei, kündigten sie an, ihm und seinen Ge­folgsleuten Schaden zuzufügen, wo immer es ihnen möglich wäre.
Auch ganz alltägliche Angelegenheiten werden dokumentiert, die seine Diözese oder auch nur seine Lebenshaltung betreffen, seien es Belehnungen, Einstellungen, aber auch Einkäufe (so kaufte ein Heinrich Gussenbach für die Küche des Bischofs mehrmals »Milchrahm, Grundeln, vorhel, Milch, Birnen, tolben, pfryllen« und be­zahlt einer Wäscherin die Kosten für Seife). Auch wird belegt, dass sich Nikolaus eine kleine Uhr anfertigen und Rüstungen ausbessern ließ.
Die Beispiele lassen erkennen, womit sich Nikolaus als Bischof seiner Diözese zu befassen hatte. Es sind Streitigkeiten von Gewicht ebenso wie eine Fülle von Alltäglichkeiten. Es wird deutlich, wie ernst er das Predigen nahm. Darin stellt er eine Ausnahme unter den Bischöfen seiner Zeit dar.
Erneut ist die Akribie dieser Edition bewundernswert. Es wird angegeben, wo die Originale und wo Kopien der Quellen zu finden sind und wo sie bisher im Wortlaut oder als Regest veröffentlicht wurden. Sogar wird nachgewiesen, wo die jeweiligen Quellen in der Sekundärliteratur Beachtung finden.
Den Bearbeitern und Herausgebern ist für ihre Leistung herzlich zu danken. Es ist zu hoffen, dass die Acta Cusana häufig genutzt werden.