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Ausgabe:

September/2017

Spalte:

921–922

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Clark, Gillian

Titel/Untertitel:

Monica. An Ordinary Saint.

Verlag:

Oxford u. a.: Oxford University Press 2015. IX, 199 S. m. 14 Abb. u. 1 Kt. = Women in Antiquity. Kart. US$ 27,95. ISBN 978-0-19-998839-6.

Rezensent:

Katharina Greschat

Die weit über die Fachgrenzen hinaus bekannte Historikerin Gillian Clark hat viel zu Augustin gearbeitet und sich auch immer wieder darum bemüht, die antiken Frauen in den Blick zu bekommen. Schon insofern legt sich die Beschäftigung mit der Mutter Augustins nahe. Ihrem Buch hat sie einen sprechenden Titel gegeben, der deutlich machen will, dass Monica einerseits eine ganz ge­wöhnliche Frau war, die im Mittelalter aber dennoch zu einer Heiligen geworden ist. Selbstverständlich ist sich C. dessen bewusst, dass es Monica nicht ohne Augustin geben kann. Der berühmte Sohn konstruierte sie in seinen Frühdialogen und den Confessiones als theologisch-literarische Figur. Doch C. möchte nicht nur dieser Konstruktion nachgehen, sondern Monica zugleich in einem größeren Kontext betrachten: »This book aims to show how Monica’s life raises wider questions about the lives of women, and how we can use texts and archaeology and comparative studies to make a start on answering those ques-tions and on learning more about Monica.« (20)
Um diesem Anspruch gerecht zu werden, begibt sich C. zu­nächst in das spätantike Haus und damit an den Ort, an dem sich auch Monica die meiste Zeit ihres Lebens aufgehalten hat (Monica’s House, 34–57). C. trägt hier die wichtigsten Ergebnisse der jüngeren Forschung zu nordafrikanischen Häusern zusammen, muss aber zugleich eingestehen, dass man über den Lebensraum einer Frau wie Monica, die nicht der höchsten Gesellschaftsschicht angehörte, kaum etwas Konkretes sagen kann. C. will es genau wissen und fragt, was Monica wohl den ganzen Tag getan hat. Damit ist sie beim Thema der Wollarbeiten bzw. der Herstellung von Textilien und Bekleidung, die in den literarischen Quellen häufig als spezifische Aufgabe der römischen matrona behandelt wird. Nur über den hier gewählten Weg der vorsichtigen Analogiebildung kann man sich Monicas Haus vorstellen und einigermaßen mit Leben füllen.
Im folgenden Kapitel (Monica’s Service, 58–79) bleibt C. im Kontext der domus und stellt die hierarchischen Bezüge ihrer Bewohner untereinander dar. Anschaulich und mit Texten aus dem augustinischen Corpus arbeitet sie die Herrschaftsstrukturen heraus und macht etwa anhand des in Conf. IX,9,19 verhandelten Themas der häuslichen Gewalt deutlich, dass nicht nur Sklaven, sondern auch Frauen als Untergeordnete verstanden wurden. C. zielt ganz offenbar darauf ab, Monicas Welt dem modernen Leser fremd werden zu lassen.
Das wohl wichtigste Kapitel widmet sich Monicas Bildung (Monica’s Education, 80–115). Sowohl in Augustins Frühdialogen, die ein deutlich philosophisches Gepräge besitzen, als auch in den Confessiones spielt Monica eine wichtige Rolle, obwohl sie weder philosophisch gebildet war und wahrscheinlich noch nicht einmal eine formale Erziehung genossen hat. Das gibt C. die Gelegenheit, die spätantike Schulung von Frauen in den Blick zu nehmen und Monicas Profil gegenüber den wenigen dezidiert philosophisch gebildeten Frauen wie Hypatia, Sosipatra und der Christin Macrina abzugrenzen. So kann sie umso klarer machen, dass Augustin seine Mutter in den Frühdialogen dennoch als ernstzunehmende Gesprächspartnerin zeichnet, weil es ihm im Kontext der Kirche nicht auf diese Form der Erziehung, die eine Elite konstituiert, ankommt. Und am Ende ihres Lebens – so formuliert er in den Confessiones – habe Monica dann doch alles erreicht, was eine Philosophin auszeichnet: »She has achieved what philosophers try to achieve: she has overcome the de-sires of the body and the concerns of this world, she is in contact with the divine, and she is not afraid of death.« (115)
Für das nächste Kapitel, das sich mit Monica als Christin beschäftigt (Monica’s Religion, 116–144), gibt es hingegen deutlich weniger Material. Für theologische Fragen im eigentlichen Sinn hat sich Monica offenbar nicht interessiert, ihr Sohn beschreibt sie als eine fromme Kirchgängerin und als jemanden, der sich intensiv um die Ausübung kirchlicher Praktiken bemühte. C.s Spekulationen, dass Monica ursprünglich Donatistin gewesen sein könnte, führen sie mitten hinein in das in der Forschung gegenwärtig heftig umstrittene Feld des religiösen und gesellschaftlichen Profils Nordafrikas. Dabei lässt sie sich aber nicht auf die allzu einfachen Deutungs-mus­ter ethnischer Identitäten in diesem stark romanisierten Raum ein und stellt die alte These in Frage, wonach der Donatismus letztlich zur spezifisch berberischen, d. h. eben gerade nicht zur römischen Identität gehöre. Am Ende könne man nur festhalten: »she and her household spoke Latin, and their culture was Roman« (127).
Abschließend muss C. noch darauf zu sprechen kommen, wieso Monica, die von ihr ja als eine ganz gewöhnliche Frau dargestellt worden ist, dennoch zu einer Heiligen werden konnte (Saint Mo-nica, 145–176). In seinem literarischen Werk hatte Augustin seiner Mutter ja ganz dezidiert eine vollkommen andere Rolle zugewiesen. Wie in der Spätantike Frauen zu Hauptpersonen einer Hagiographie werden konnten, führt C. mit Bezug auf die philosophisch gebildeten Asketinnen Macrina, Paula und Marcella, sowie die ma-trona Gorgonia aus, die ihr Bruder Gregor von Nazianz zur Heiligen stilisierte. Monica wurde jedoch erst im Mittelalter zu einer Heiligen und als solche zur exemplarischen Mutter. Doch genau das wurde im 20. Jh. von psychologischer Seite problematisiert: Monica galt nunmehr als Sinnbild einer Übermutter, die ihren Sohn nicht loslassen konnte. Von dieser Interpretation distanziert sich C. in aller Deutlichkeit mit einem Satz, der nicht oft genug wiederholt werden kann: »Competence as an historian must include awareness of the social and intellectual context …« (175).
Insgesamt hat C. ein sehr lesenswertes Buch geschrieben, in dem genau das auf anschauliche Weise eingelöst wird.