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Ausgabe:

April/2017

Spalte:

440-441

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Bärsch, Jürgen

Titel/Untertitel:

Kleine Geschichte des christlichen Gottesdienstes.

Verlag:

Regensburg: Verlag Friedrich Pustet 2015. 204 S. Kart. EUR 19,95. ISBN 978-3-7917-2721-9.

Rezensent:

Michael Meyer-Blanck

Nach dem 1970 erschienenen Bändchen »Geschichte des christlichen Gottesdienstes« von William Nagel war kein Buch mehr auf dem Markt, das eine knappe Liturgiegeschichte für Studierende und für Interessierte über den Kreis der liturgiehistorischen Fachleute hinaus bot. Das hier anzuzeigende Werk des (katholischen) Eichstätter Liturgiewissenschaftlers füllt diese Lücke auf die beste Weise.
In einer Einführung, die über den Sinn und Zweck des Unternehmens und über die Quellenbasis aufklärt (13–21), sowie in elf konzentrierten Kapiteln entfaltet Jürgen Bärsch die gesamte Gottesdienstgeschichte in hervorragend lesbarer Weise. Dabei sind alle Kapitel auf dem neuesten Stand der Forschung, so dass man zuverlässig informiert wird. Das betrifft etwa das klare Eingeständnis, dass sich die Forschung heute »unsicherer denn je« ist, was das Verhältnis zwischen dem jüdischen und dem christlichen Gottesdienst angeht (25). Deutlich herausgearbeitet wird die problematische Ge­betsentwicklung im 5. und 6. Jh., bei der die Göttlichkeit Jesu so stark herausgestellt wurde, dass es zu einem »praktischen Monophysitismus« kam, so dass in der Folge die anderen menschlichen Mittler, eben die Heiligen, zunehmend neben Christus (oder sogar an seine Stelle) traten (65). Das umfassende Heilsmittel, das Gebet, wurde nun als »Heilmittel« verstanden, das »medizinell« verwendet wurde (64). Besonders interessant zu lesen ist auch der Abschnitt über die barocke Festzeitpraxis (135–139). Hier wie überhaupt in dem gesamten Buch geht es nicht nur um die Messfeier, sondern auch um Wallfahrten, Prozessionen und die Volksfrömmigkeit.
Das Buch ist zwar erkennbar katholisch konzipiert, aber es blickt auch über den eigenen Tellerrand hinaus. So werden unter der Überschrift »Die Kirche ist ein irdischer Himmel« die Entstehung und der Geist der ostkirchlichen Liturgietraditionen geschildert (die antiochenische, alexandrinische und byzantinische Liturgiefamilie, 47–62).
Der Protestantismus wird sogar in zwei Kapiteln behandelt: »Nur die Gnade und das Wort Gottes […] Die reformatorische Neugestaltung des Gottesdienstes« (85–98) sowie »Zwischen ›Auflösung‹ und ›Erneuerung‹. Entwicklungen im Gottesdienst der protestantischen Kirchen vom 16. bis zum 20. Jahrhundert« (112–128). Hier zeigt sich B. gut informiert über die Entwicklungen der Liturgie wie der Liturgietheorie und von feiner Einfühlung in die gottesdienstliche Denk- und Erlebnisweise des Protestantismus.
Von großem Gewicht sind dann Vorgeschichte, Verlauf und Konsequenzen des 2. Vatikanischen Konzils in den letzten beiden Kapiteln (157–193). Da den Hintergründen der Liturgiereform für das Verständnis der heutigen Frontlinien in der katholischen Theologie und Kirche eine entscheidende Bedeutung zukommt, sind diese Kapitel sehr hilfreich (nicht nur) für die evangelischen Leser. Wichtig ist hier auch die Information, dass die Liturgiekonstitution »Sacrosanctum Concilium« von 1963 und die nachfolgenden Reformschritte – am bekanntesten: die »celebratio versus populum« und die Verwendung der Volkssprache als Liturgiesprache – erst nachfolgende Entwicklungen unter Papst Paul VI. waren (184). Von B. erfährt man auch so bedeutende Einzelheiten wie die, dass die Rufe nach den Lesungen in der Messe (»Wort des lebendigen Gottes«) auf direkte Interventionen Pauls VI. zu-rückgehen (180).
Auf die Konzilskonstitution selbst ist dagegen die wahrscheinlich folgenreichste Neuerung zurückzuführen, die Erhebung der Liturgiewissenschaft zum obligatorischen theologischen Hauptfach an allen Fakultäten (SC 16). B. schildert auch knapp, aber klar die Entwicklung zum lateinischen Missale Pauls VI. von 1970 und zum deutschen Messbuch von 1975 (182–185).
Auch die Wiedereinsetzung der vorkonziliaren Liturgiebücher als »außerordentliche Form« des einen römischen Ritus durch Be­nedikt XVI. im Jahre 2007 wird kritisch dargestellt. B. hat deutliche Zweifel daran, dass dieser »pastorale Entschluss« des Papstes, »ein einmaliger Fall in der Liturgiegeschichte«, den gewünschten Erfolg haben wird (190).
Zu den Vorteilen dieses Buches gehört auch, dass jedes Kapitel mit einer kurz kommentierten Liste der wichtigsten Quellen und Sekundärliteratur schließt. Zusätzlich findet sich am Ende noch ein Verzeichnis, in dem die Zitate zu verifizieren und zugleich noch einmal die wichtigsten Bücher verzeichnet sind. Ein hilfreiches Glossar einschlägiger liturgiewissenschaftlicher Fachtermini (von »Achtzehngebet« bis »Zweinaturenlehre«, 198–204) rundet den in jeder Weise hilfreichen und hervorragend zu lesenden Band ab. Gerne füge ich hinzu, dass dieser vom Verlag bestens ausgestattet und lektoriert wurde.