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Ausgabe: | April/2017 |
Spalte: | 357-359 |
Kategorie: | Neues Testament |
Autor/Hrsg.: | Dennert, Brian C. |
Titel/Untertitel: | John the Baptist and the Jewish Setting of Matthew. |
Verlag: | Tübingen: Mohr Siebeck 2015. XIII, 336 S. = Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament. 2. Reihe, 403. Kart. EUR 89,00. ISBN 978-3-16-154005-9. |
Rezensent: | Michael Tilly |
Ebenso wie sich in der Erzählgestalt Johannes des Täufers biblisch-jüdische Tradition und nachösterliches Bekenntnis überlagern, so dokumentiert auch das Matthäusevangelium sowohl die Gedankenwelt des palästinischen Judentums als auch den frühchristlichen Ablösungsprozess von der Synagogengemeinde. In seiner 2013 vom Department of Theology der Loyola University Chicago angenommenen Dissertationsschrift nimmt Brian C. Dennert Johannes den Täufer als narrative Figur im ersten Evangelium in den Blick und fragt dabei insbesondere nach den Formen und Funktionen der »redaktionellen« bzw. literarischen Darstellung des heilsgeschichlichen Vorläufers und Wegbereiters Jesu aus Nazareth durch dessen »judenchristlichen« Verfasser.
Das einleitende erste Kapitel (1–30) enthält die üblichen Prä-liminarien, nämlich eine kurze Einführung ins Thema, einen gründlichen forschungsgeschichtlichen Überblick sowie Ausführungen zur Methode, zum Aufbau und zur zentralen These der Arbeit: »Matthew presents Jesus to be the continuation and culmination of John’s ministry in order to strenghten the claims of Matthew’s group within its Jewish setting and to vilify the opponents of his group« (29). Im ausführlichen zweiten Kapitel (31–93) werden in vergleichender Weise Bezugnahmen auf den Täufer im Markusevangelium, im lukanischen Doppelwerk, im Johannesevangelium sowie in den Antiquitates des Josephus analysiert, wobei D. beabsichtigt, anhand dieser Untersuchung der divergenten Auswahl und des eigenständigen Umgangs der verschiedenen antiken Autoren mit den ihnen zugänglichen Täufertraditionen sowohl das literarische und religionsgeschichtliche Umfeld des Matthäusevangeliums zu erhellen als auch die durch seinen Verfasser vor-genommenen redaktionellen Veränderungen seiner Vorlagen, die Komposition seines Quellenmaterials und die hieraus sich ergebenden Akzentsetzungen und Besonderheiten seines Täuferbildes zu eruieren. Offensichtliche Gemeinsamkeiten im Hinblick auf die Konturierung des Täufers in den untersuchten Werken bestünden darin, dass er mit Jesus (mitunter in synkritischer Darstellungsweise) parallelisiert werde, dass seine Gestalt immer wieder der jeweiligen theologischen bzw. christologischen Grundkonzeption untergeordnet werde und dass dabei wiederholt ein Bemühen zutage trete, ihn als Gegenüber einer (zumeist antagonistisch konnotierten) jüdischen Gemeinschaft bzw. jüdischer Autoritäten zu zeichnen.
Im dritten Kapitel (95–132) werden das Jüngergespräch über den wiedergekommenen Propheten Elia (Mt 17,10–13) sowie das Streitgespräch über die Vollmacht Jesu und die Parabel von den beiden Söhnen (Mt 21,23–32) betrachtet. Wenn an diesen Stellen die heilsgeschichtliche Bedeutung Johannes des Täufers als »key prophetic figure who must be accepted« (132) auf der Erzählebene zwar von der jüdischen Führungsschicht verkannt, aber von der Jesusbewegung verstanden wurde, dann korrespondiere diese Darstellung mit der Selbstwahrnehmung des matthäischen Christentums als e ndzeitlicher Heilsgemeinde und seiner Ablehnung des empirischen Israel außerhalb der eigenen Gruppengrenzen. Das vierte Kapitel (133–182) befasst sich mit dem Bußruf des Täufers an Israel und der Taufe Jesu (Mt 3,1–17). D. hält fest, dass die heilsgeschichtliche Bedeutung Jesu aus Nazareth als »the culmination of John’s ministry« durch die gleichzeitige Unterordnung und parallele Zuordnung des Täufers veranschaulicht werde. Die Pragmatik dieses auffälligen Verhältnisses beider Erzählfiguren bestehe ihrerseits darin, die Verwurzelung des christlichen Glaubens in der Verkündigung des Täufers in legitimierender Weise zu akzentuieren (181). Das kann man so sehen, wenn man eine verbreitete Akzeptanz der apokalyptisch orientierten Täuferbewegung in repräsentativen Strata des zeitgenössischen Judentums in Rechnung stellt. Man kann die Verschränkung von Subordination und Koordination der beiden Protagonisten der matthäischen Vorgeschichte aber auch als eine bloße narrative Veranschaulichung der endzeitlichen Erfüllung des göttlichen Heilswillens in Jesus Christus deuten.
Das fünfte Kapitel (183–228) beschäftigt sich mit dem Wort vom Bräutigam und dem unmittelbar darauf folgenden Doppellogion vom Flicken und vom Wein (Mt 9,14–17) sowie mit der Täuferanfrage, dem Entscheidungsruf des Elias redivivus und der Parabel von der widerspenstigen Generation (Mt 11,2–19). Neben einer typologischen Vorausdarstellung des Leidens in der Nachfolge und paränetisch motivierten Hinweisen auf dessen eschatische Dimension bergen die Abschnitte eine narrative Überblendung der jüdischen Gegner sowohl Jesu aus Nazareth als auch Johannes des Täufers und seiner Anhänger mit den jüdischen Opponenten der matthäischen Gemeinde.
Drei thematisch verbundene Texte, nämlich die Notiz vom Ausgeliefertsein des Täufers (Mt 4,12), welche sein Schicksal mit dem Schicksal Jesu verbindet, die Geschichte von seinem Todesgeschick (Mt 14,1–13a), die den alten deuteronomistischen Topos des Prophetenmordes aufnimmt, und die Aufzählung der Volksmeinungen über Jesus (Mt 16,14), in welcher der apokalyptische Vorstellungskomplex von einer eschatischen Relevanz der schuldhaften Vergehen Israels in drohender Weise aufscheint, diskutiert das sechste Kapitel (229–256). Gerade die Anteilhabe sowohl des Täufers als auch Jesu am leidenden Geschick der Propheten entspreche Gottes endzeitlichem Plan und erlange von hier aus ihren eigentlichen Sinn: »While the death of John may look like a defeat of the kingdom, the resurrection of Jesus ultimately affirms its victory and vindicates John« (256). Das abschließende siebte Kapitel (257–264) fasst die Ergebnisse der einzelnen Teile des Buches noch einmal zusammen, wobei D. erneut unterstreicht, dass er die besondere Bedeutung seiner Studie darin sieht, das eigentümliche Täuferbild des ersten Evangelisten und seine sozialen Funktionen im Zusammenhang mit den vehementen Abgrenzungsbestrebungen der matthäischen Gemeinde gegenüber einem zeitgenössischen Judentum, welches den besonderen Anforderungen der Krisenzeit zwischen Ostern und Parusie nicht mehr genüge, dargestellt zu haben. Beigegeben sind eine Bibliographie (265–300), Indizes der Quellen (301–322), modernen Autoren (323–331) und Sachen (333–336).
In der lesenswerten Monographie werden die wichtigsten Textbelege für die Wahrnehmung und literarische Konturierung Johannes des Täufers im Matthäusevangelium gründlich analysiert und einer – in sich durchaus schlüssigen – Interpretation zugeführt, ohne dabei anderslautende Deutungsmöglichkeiten des Textbefundes zu unterschlagen.