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Ausgabe:

April/2017

Spalte:

311-326

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Uwe Gräbe

Titel/Untertitel:

Zur Rolle des Christentums in der arabischen Welt

Einige Schlaglichter auf die Situation in Syrien, dem Libanon, Jordanien, Israel und Palästina*

I Begegnungen


Angesichts der dramatischen Entwicklungen in der arabischen Welt sollen die folgenden Abschnitte einige Aspekte zur Lage der christlichen Gemeinschaften in den Ländern des östlichen Mittelmeerraumes entfalten. Aufgrund der geographischen Begrenzung bleiben die ganz eigenen Problemstellungen in Nordafrika oder auch auf der arabischen Halbinsel an dieser Stelle ausgeklammert. Nirgendwo sonst zeigt sich die existentielle Dimension der hier behandelten Fragen deutlicher als in persönlichen Begegnungen mit Betroffenen. Zwei dieser Begegnungen seien daher an den An­fang gestellt:

Erstens: Am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2016 kam es zu einem bemerkenswerten Gedankenaustausch. Das Thema eines Panels lautete: »Zur Lage der christlichen und yezidischen Flüchtlinge in den syrischen Anrainerstaaten«1. Mit bewegenden Worten schilderte die yezidische irakische Parlamentarierin Vian Dakhil das Schicksal der yezidischen Flüchtlinge in Irakisch-Kurdistan. Ähnliches wusste auch der griechisch-or­thodoxe Bischof von Wadi Nasara (Tal der Christen) in Syrien, Elias Toumeh, über die Flüchtlinge in seiner Region, die den Milizen des »Islamischen Staats« entkommen sind, zu berichten. Die Kernfrage der Debatte ergab sich geradezu zwingend aus solchen Einlassungen. Sie lautete: Wie wird angesichts der traumatischen Er­fahrungen der Flüchtlinge jemals wieder ein Zusammenleben der Menschen unterschiedlicher ethnischer und religiöser Zugehörigkeit im Nahen Osten möglich sein? Vehement plädierte der UN-Sonderberichterstatter über Religions- und Weltanschauungs­freiheit, Professor Heiner Bielefeldt, dafür, diejenigen Kräfte im Nahen Osten zu unterstützen, die in der Lage sind, religiös pluralistische Gesellschaften auf der Basis von Religionsfreiheit aufzubauen. Denn: »Ohne Religionsfreiheit wird ein Wiederaufbau im Nahen Osten nicht gelingen.« Dazu führte er Beispiele eines gelungenen Zusammenlebens aus dem Haschemitischen Königreich Jordanien und aus dem Libanon an.

Die yezidische Parlamentarierin und der griechisch-orthodoxe Bischof hingegen waren skeptisch: Zu viel Vertrauen sei bei den christlichen und yezidischen Flüchtlingen zerstört worden, die erlebt hätten, dass sich viel zu viele ihrer eigenen muslimischen Nachbarn beim Einmarsch der Terroristen des »Islamischen Staates« auf die Seite der Plünderer und Profiteure gestellt hätten. Eine funktionierende pluralistische Gesellschaft könnten sich die meis­ten dieser Flüchtlinge nicht mehr vorstellen. Diese tief verwun-deten und traumatisierten Menschen bäten die Weltgemeinschaft nur noch um Schutz – im Nahen Osten, in Europa oder sonst ir­gendwo. Aber auf alle Fälle: Schutz – nicht mehr und nicht weniger.

Zweitens: An einem kirchlichen Empfang in der libanesischen Hauptstadt Beirut vor etlichen Monaten nahm auch eine kleine Gruppe irakischer evangelischer Pfarrer teil, die im Sommer 2014 aus dem nordirakischen Mosul geflohen war. Im letzten Mo­ment war es ihnen gelungen, sich in Sicherheit zu bringen, bevor diese einst so multireligiöse Stadt – das historische Ninive, wo nach dem biblischen Zeugnis der Prophet Jona predigte – in die Hände des sogenannten Islamischen Staates fiel. Viele ihrer Gemeindeglieder waren ermordet oder binnen weniger Tage in den wirtschaftlichen Ruin getrieben worden, ein guter Teil bereits über zahlreiche Länder zerstreut. Und diese Pfarrer hatten nun also vorerst Zuflucht im Libanon gefunden.

Bei Sekt und Fingerfood brach es aus Zweien oder Dreien von ihnen heraus: Ob es für die christlichen Geschwister in Europa denn irgendeine geistliche Bedeutung habe, wenn das Christentum aus seinem angestammten Kernland verschwinde. Ob europäische Christen theologisch über dieses Schwinden nachdenken, oder ob das in der allgemeinen Rezeption nur ein weiterer humanitärer Fall sei – vergleichbar etwa mit der Not der Opfer eines Vulkanausbruchs irgendwo in der Südsee. In der Stimme der Fragenden schwang Verzweiflung mit. Bei ihnen wie bei vielen anderen war der Eindruck unüberhörbar, von ihren Geschwistern im Wes­ten vergessen zu sein.

In der Tat stellt sich ja diese Frage: Ist Christinnen und Christen im scheinbar so aufgeklärten Nordwesteuropa womöglich das Ge­spür dafür abhandengekommen, dass das Christentum – ganz ähnlich wie das Judentum – eine »geerdete« Religion ist, welche sich aus Geschichten und Hoffnungen speist, die unauflöslich verbunden sind mit konkreten Orten auf der Landkarte? Und diese Orte sind ja weniger Rom oder Wittenberg als vielmehr jenes Galiläa, aus dem die ersten Jünger stammten; Jerusalem, wo christusgläubige Juden die erste Gemeinde bildeten; das jordanische Tabaqat Fahl – b esser bekannt unter dem historischen Namen Pella –, wo diese Gemeinde nach der römischen Besatzung Jerusalems Zu­flucht fand; Damaskus, wo heute noch die »gerade Straße«, das Haus des Hananias und andere Paulus-Stätten gezeigt werden; das heutige Syrien, in dessen Gebiet der Apostelgeschichte (11,26) zufolge die Anhänger Jesu zum ersten Mal »Christen« genannt wurden und wo die letzten Verbliebenen von ihnen an Orten wie Maaloula bis heute die westaramäische Sprache Jesu sprechen; oder eben auch die Ninive-Ebene im Nordirak, die so eng mit dem Propheten Jona verbunden ist – christliches Kernland, welches sich von den genannten Orten noch weiter erstreckt bis hinauf zur Urmia-Region im West-Iran.

Womöglich empfiehlt es sich, angesichts solcher Fragen arabischer Christen erst einmal ganz still zu werden. Denn eine Mehrzahl der europäischen Kirchen hat die Herausforderung sicher noch nicht vollumfänglich erfasst: was es nämlich theologisch (und nicht allein humanitär) bedeutet, wenn sie in Folge von Flucht, Vertreibung und Ermordung Zehntausender ihrer Glaubensgeschwister im Nahen Osten der eigenen geistlichen Wurzeln beraubt werden. Die geographischen Orte, um die es dabei geht, sind nicht zuletzt auch seit vielen Generationen »durchbetete« Orte. Eine Geschichts- und Geschichtenvergessenheit im Blick auf diese Orte und die Menschen, die dort zu Hause sind, würde die Sprachfähigkeit der Kirchen auch in den pluralen Gesellschaften Europas nachhaltig verstümmeln. Allerdings befassen sich traditionelle Missionstheologien normalerweise eher mit der Ausbrei tung des Christentums. Für das Gegenteil fehlen weitgehend (noch) die Kategorien.

Die Fragenkomplexe, welche durch die beiden genannten Be­gegnungen aufgeworfen werden, beschreiben zwei Seiten derselben Medaille: Was das Schwinden der christlichen Gemeinschaften in einigen ihrer Kernregionen geistlich bedeutet, kann nicht unabhängig von der Frage beantwortet werden, wo denn unter welchen Bedingungen eine nahöstliche christliche Existenz (oder, im Blick auch auf die yezidische Stimme: überhaupt die Existenz religiöser Gemeinschaften, welche nicht zur politisch jeweils tonangebenden Gruppe gehören) heute möglich ist.

Eine Annäherung an diese Thematik soll in den folgenden Ab­schnitten versucht werden: Zunächst soll ein Blick auf die Zahlen und die konfessionelle Aufteilung der christlichen Gemeinschaften im Nahen Osten geworfen werden (Teil 2), um auf dieser Basis einige Erwägungen zum Fortbestand (Teil 3) und zur Rolle dieser Gemeinschaften als Teil ihrer traditionell segmentierten Gesellschaften (Teil 4) anzustellen. Zuletzt schließlich soll es hier um kirchliche Handlungsoptionen aus einer europäischen Perspektive (Teil 5) gehen.

II Zahlen und Trends


Die Warnungen, dass das Christentum in absehbarer Zeit aus dem Nahen Osten verschwinden könnte, sind kein neues Phänomen. Nicht erst seit den Umbrüchen des Jahres 2011, sondern bereits seit Jahrzehnten melden sich Stimmen zu Wort, welche für die nähere Zukunft eine Situation von »Heiligen Stätten ohne Christen«, biblische Orte als »Museum der Christenheit«, bzw. den Verlust der »lebendigen Steine« im christlichen Orient prognostizieren – und dies nicht allein – ja, nicht einmal an erster Stelle – in den schließlich von der »Arabellion« und den daraus folgenden Rückschlägen betroffenen Gebieten. Ganz egal, ob da einer aus der Perspektive Palästinas, Syriens oder sogar des Libanon spricht – eine tief prägende Erfahrung, auch ganz ohne Krieg und »Islamischen Staat«, besteht in der Beobachtung: Immer wieder wandern christliche Nachbarn ab. Mein Lieblingsrestaurant hat geschlossen, mein christlicher Computerfachmann ist auch schon längst gegangen, ihre Häuser wurden von Muslimen aufgekauft. Derweil prosperieren orientalisch-christliche Gemeinschaften in Übersee. In Chile oder El Salvador gibt es mehr Bethlehemer Christen als in Bethlehem selbst. Und die Statistiken scheinen solche Erfahrungen zu bestätigen: War etwa Bethlehem vor 70 Jahren noch fast ausschließlich christlich, so ist die Zahl der Christen dort offenkundig auf weniger als ein Viertel gesunken; in ganz Palästina und Israel gar auf einen Wert unter zwei Prozent. Und war das politische System des Libanon einst auf der Basis einer knappen christlichen Bevölkerungsmehrheit gegründet worden, so wagt man es hier seit Jahren nicht einmal mehr, genauer nachzuzählen: Nur Optimisten gehen noch davon aus, dass der Anteil der Christen im Zedernstaat noch bei einem Drittel liegt. Pessimisten sprechen eher von einem Viertel; Tendenz: weiter sinkend.

Schaut man sich die vorliegenden Erhebungen (so lückenhaft und teilweise interessengeleitet sie in manchen Fällen auch sein mögen) jedoch genauer an, so stellt man fest, dass sich diese prozentuale Entwicklung in den absoluten Zahlen nicht niederschlägt. So hatte sich der Einschätzung von Beobachtern zufolge die Zahl der rum-orthodoxen Christen in Syrien in den rund 40 Jahren zwischen 1970 und dem ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends von 450.000 auf eine Million mehr als verdoppelt; ebenso verdoppelt hatte sich hier in einem ähnlichen Zeitraum die Zahl der armenischen Chris­ten auf 200.000, während die Zahl der syrisch-orthodoxen Christen in Syrien ungefähr zeitgleich von 80.000 auf 150.000, der Melkiten von 100.000 auf 284.000 und der Maroniten von 25.000 auf 49.000 gestiegen waren – um nur einige der Kirchen des Landes zu nennen. In Relation zur Gesamtbevölkerung relativiert sich dieses Wachstum freilich, wenn man sich deutlich macht, dass die Gesamtbevölkerung Syriens sich zwischen 1922 und 2004 von 1,5 Millionen auf knapp 18 Millionen mehr als verzehnfacht bzw. zwischen 1970 und 2004 von gut 6 Millionen auf knapp 18 Millionen immerhin verdreifacht hat. Obwohl die absolute Zahl der Chris­ten also erheblich gewachsen ist, hat sich ihr prozentualer Anteil an der Bevölkerung Syriens deutlich verringert.2

Durch den Syrienkrieg hat sich freilich alles verändert: Von heute ungefähr 22 Millionen Syrerinnen und Syrern befindet sich deutlich mehr als die Hälfte auf der Flucht – davon fast acht Millionen als Binnenflüchtlinge innerhalb des eigenen Landes, mehr als vier Millionen in den Nachbarländern und rund eine Million darüber hinaus. Welche Folgen diese geradezu tektonischen Verschiebungen auf den Bestand der christlichen Gemeinschaften in der Region haben werden, ist derzeit noch nicht ansatzweise absehbar.

Betrachtet man jedoch allein die Entwicklungen während der zweiten Hälfte des 20. Jh.s, so sind die Zahlen aus Syrien beispielhaft auch für andere Staaten der Region: In Jordanien etwa hat sich die Zahl der Christen zwischen 1950 und 1979 von rund 49.000 auf 153.000 mehr als verdreifacht; gleichzeitig ist ihr Prozentsatz an der explodierenden Gesamtbevölkerung im selben Zeitraum von 8,2 % auf 4,2 % – und bis heute auf wahrscheinlich weniger als 2,5 % – gesunken.3

Sogar in einem Sonderfall wie der Situation in Israel und Paläs­tina, wo der prozentual sinkende Anteil der Christen an der Bevölkerung angesichts der verhärteten politischen Fronten noch gravierender wahrgenommen wird als anderswo, zeigt sich ein ganz ähnliches Bild: Selbst in der Folge von Auswanderung und einer niedrigen Geburtenrate der Christen hat ihre absolute Zahl in den zurückliegenden Jahrzehnten nicht merklich abgenommen. Im israelischen Staatsgebiet wächst diese ohnehin (teilweise durch Zuwanderung, überwiegend jedoch in Form von natürlichem Bevölkerungswachstum) und liegt heute um die 160.000 (zum Vergleich: 1967 gab es hier nach Angaben des zentralen israelischen Statistikbüros knapp 65.000 Christen). 4 Aber auch in den palästinensischen Gebieten (in Ostjerusalem, der Westbank und Gaza) hat sich die absolute Zahl über Jahrzehnte hinweg fast unmerklich einer Marke von 50.000 angenähert; eine signifikante Abnahme ist nicht erkennbar. Zwar ist es sehr schwer, für diese Gebiete, die sich heute zum Teil unter israelischer, zum Teil unter palästinensischer und zum Teil unter geteilter Kontrolle befinden, wirklich belastbare Zahlen zu erheben. Zum größten Teil ist man dabei auf Schätzungen der einzelnen Kirchen angewiesen. Einen Versuch, die verlässlichsten Erhebungen zusammenzutragen, unternimmt der Bethlehemer lutherische Pfarrer Mitri Raheb, der wohl keinesfalls unter dem Verdacht steht, die christlich-palästinensische Auswanderung in irgendeiner Weise beschönigen zu wollen. Dabei geht er von der einigermaßen gesicherten Zahl von 45.000 Christen in diesen Gebieten im Jahr 1961 aus. Nach einem durch den Sechstagekrieg bedingten Einbruch auf 42.000 Christen im Jahr 1967 hat sich diese Zahl kontinuierlich auf 48.000 im Jahr 2006 und (geschätzt) 51.000 im Jahr 2008 erhöht. 5

Freilich bringt die Geringfügigkeit dieses Wachstums es mit sich, dass Christen mittlerweile weniger als die besagten zwei Prozent der Bevölkerung Palästinas darstellen. Und selbst die überproportionale Präsenz von Christinnen und Christen in den Schlüsselbereichen palästinensischer Politik und Gesellschaft kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es vor allem die jungen, gut ausgebildeten Menschen sind, die auswandern und somit mitsamt ihrem wirtschaftlichen und geistigen Potential dem ohnehin überaus geringen natürlichen Wachstum der christlichen Gemeinschaften verloren gehen.

Eine häufig geübte Praxis besteht darin, je nach eigener ideologischer Position entweder Israel oder die Palästinenserbehörde einseitig für die Auswanderung palästinensischer Christen verantwortlich zu machen. Während die einen das relative Prosperieren der christlichen Gemeinden in Israel (im Vergleich zu den palästinensischen Gebieten) als Beleg dafür anführen, dass Israel gut für Christen sei, betonen die anderen den Zusammenhang zwischen Auswanderung und israelischer Besatzung. Während die einen akribisch Belege für Übergriffe gegen Christen in den Gebieten un­ter palästinensischer Autonomieverwaltung sammeln, verweisen die anderen auf die solide Verankerung von Christen in den politischen und gesellschaftlichen Systemen Palästinas. So einzigartig die Situation im Heiligen Land durch den ideologisch aufgeladenen israelisch-palästinensischen Konflikt auch sein mag, so ist sie doch nicht untypisch für die demographische Komplexität in der gesamten Region. Nirgendwo sonst zeigt sich die konfessionelle Vielfalt des Nahen Ostens in einer solch paradigmatischen Weise wie in Israel und Palästina – gibt es hier doch ein gewachsenes Mit- und Nebeneinander von sechs Religionen (Juden, Christen, Muslime, Drusen, Bahá’í und Samaritanern), zwei Völkern und ungefähr 50 Konfessionen, auf welche sich die winzige christliche Minderheit verteilt.

Angesichts solcher Komplexität versagt zuweilen die Aussagekraft einer detaillierten Statistik: Die meisten Kirchen sind geneigt, in ihren Mitgliederverzeichnissen immer auch solche Familien weiter aufzuführen, die längst ausgewandert sind – natürlich in der Hoffnung, dass die Emigranten eines Tages zurückkehren mögen. Bei den kleinsten Kirchen kann sich der Mitgliederstand daher je nach Art der Statistik leicht verdoppeln oder auch halbieren. Den einfachsten Überblick über die konfessionelle Verteilung der Christen des Heiligen Landes hingegen liefert eine grobe »Tortengrafik«, die dann in abgewandelter Form auch auf die Nachbarländer übertragbar ist. Eine solche »Torte« würde für den Bereich zwischen Mittelmeer und Jordan in drei mehr oder weniger gleich große Stücke zerfallen: Das eine Drittel ist die griechisch-orthodoxe Kirche, die im Heiligen Land den Ehrentitel der »Mutterkirche« trägt. Das zweite Drittel sind die mit Rom unierten Kirchen, die einen ostkirchlichen Hintergrund haben und zumeist auf die Unionsbestrebungen des Vatikans im 18. Jh. zurückgehen. Die im Heiligen Land zahlenmäßig stärkste dieser unierten Kirchen ist die griechisch-katholische bzw. melkitische Kirche, mit Schwerpunkt in Galiläa. Rechnet man zu ihr noch die armenisch-katholische, die syrisch-katholische oder auch die maronitische Kirche hinzu, dann macht dieses zweite Drittel der Tortengrafik sogar ein wenig mehr als nur ein Drittel aus.

Das verbleibende Drittel sind alle anderen – wobei man dieses Drittel ungefähr halbieren kann: Ein Sechstel der Christen des Heiligen Landes sind »Lateiner« – also in europäischer Terminologie »Römisch-Katholische«, was nicht mit den »Rum-Katholiken« des Orients zu verwechseln ist, werden doch mit dem letztgenannten Begriff die Griechisch-Katholischen bzw. Melkiten bezeichnet, wobei »Rum« hier analog zum Begriff der »Rum-Orthodoxen« (also Griechisch-Orthodoxen) für Ostrom, also Byzanz, steht. Das andere dieser beiden Sechstel sind wiederum »alle Anderen«.

Auch dieses letzte Sechstel lässt sich, grob gesprochen, abermals halbieren: Ein Zwölftel der Christen des Heiligen Landes gehört zu den altorientalisch-orthodoxen Kirchen und wiederum ein Zwölftel zu den evangelischen bzw. protestantischen Kirchen. Die Altorientalen – das sind im Heiligen Land die Armenisch-Orthodoxen (oder auch: Armenisch-Apostolischen), die Syrisch-Orthodoxen, die Kopten und die Äthiopier. Zum protestantischen Zwölftel wiederum gehört eine beachtliche Anzahl an Kirchen, die im Laufe der Missionsgeschichte der letzten 200 Jahre ihre Dependancen im Heiligen Land gegründet haben: Natürlich gibt es auch in Israel und Palästina Presbyterianer (allen voran die schottisch-presbyterianische Kirche mit ihrem trutzburgartigen, wuchtigen Kirchenbau gerade außerhalb der Altstadtmauern Jerusalems), Mennoniten, Quäker, Brüdergemeinen, Neuapostolen, die Nazarener-Kirche, Adventisten, Pfingstkirchen und vieles mehr. Zuweilen werden von israelischen Stellen auch die Mormonen zu dieser Kategorie hinzugerechnet.

Die meisten dieser »evangelischen Kirchen« verfügen in Israel oder in Palästina allerdings nur über recht kleine Repräsentanzen. Konzentriert man sich lediglich auf die Hauptgruppen innerhalb dieses letzten Zwölftels, so bleiben eigentlich nur noch drei, von denen jede somit durchschnittlich weniger als ein Sechsunddreißigstel der Tortengrafik stellt: die Baptisten, die Anglikaner und die Lutheraner. Die Baptisten sind zahlenmäßig die größte Gruppe von diesen dreien; die meisten ihrer Gemeindeglieder sind Palästinenser. Da sie sich jedoch auf mehrere, nicht miteinander verbundene Gemeinden unterschiedlicher baptistischer Traditionen verteilen, fallen sie kirchenpolitisch kaum ins Gewicht.

Auch die Anglikaner und die Lutheraner sind in sich nicht einheitlich. Beide sind Nachfolger des ehemaligen preußisch-eng-lischen Bistums zu Jerusalem, welches von 1841 bis 1886 Bestand hatte. Nach dem Auseinanderbrechen des Bistums errichteten die Anglikaner ihre St.-Georgs-Kathedrale in der Nablus-Straße, während die deutsche evangelische Kirche in der Jerusalemer Altstadt auf historischem Grund – am Ort der kreuzfahrerzeitlichen Santa Maria Latina – die Erlöserkirche erbauen ließ. Seitdem haben sich beide Kirchen noch einmal diversifiziert, nämlich jeweils in paläs­tinensische und internationale Zweige, wobei die Berührungen der Letzteren (insbesondere im Fall der Anglikaner) zum Spektrum des messianischen Judentums eng sind.

Cum grano salis findet sich eine ähnliche konfessionelle Aufteilung auch in den anderen Ländern des Nahen Ostens, wobei in Syrien und dem Irak noch die Assyrische Kirche des Ostens (oftmals als »Nestorianer« bezeichnet) und die chaldäisch-katholische Kirche zum Spektrum hinzutreten. Auch die Komplexität der ökumenischen Beziehungen zwischen den einzelnen Konfessionen zeigt sich im Heiligen Land wie unter einem Brennglas: Einen gemeinsamen ökumenischen, gar institutionalisierten »Schirm« für die ganze Bandbreite all dieser Kirchen zu finden, erscheint immer wieder als nahezu unmöglich. Stattdessen existieren hier unterschiedliche »Cluster« von Kirchen, die jeweils eine enge Zusammenarbeit pflegen: So gibt es in Israel und Palästina drei Kirchen, die traditionell eine Wächterfunktion über den zu osmanischer Zeit festgeschriebenen »Status Quo« an den Heiligen Stätten ausüben. Sechs Kirchen haben insgesamt an diesem »Status Quo« teil, zehn Kirchen werden vom Staat Israel offiziell als Religionsgemeinschaften anerkannt, wobei die israelische Politik jedoch so pragmatisch ist, ungefähr 20 Kirchen (über die genaue Zahl schweigen sich die offiziellen Stellen aus) die Rechte von offiziell anerkannten Religionsgemeinschaften zuzuerkennen – inklusive des wichtigen Rechts, staatlich gültige Trauungen zu vollziehen. Aus einem Kreis von sieben bis 16 Kirchen, die seit 1988 immer wieder zusammengekommen waren, um gemeinsame Erklärungen zu verabschieden, ist um 2000/2001 eine Gruppe von 13 Kirchenoberhäuptern erwachsen, die selbst so konsequent als Leiter von »offiziell anerkannten« Kirchen aufgetreten waren, dass diese Anerken nung Ende 2008 vom palästinensischen Ministerrat und dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde sogar per De­kret nachvollzogen wurde. Freilich ist dies eine Sicht, welcher der Staat Israel bislang nicht gefolgt ist. Allein die Evangelische Allianz (EA) in Israel konnte zu ihrem 50-jährigen Bestehen im Jahr 2006 – damals noch unter dem Namen »United Christian Council in Israel«; die Umbenennung erfolgte 2009 – bekanntgeben, über rund 30 Mitgliedskirchen und -organisationen zu verfügen.6 Darunter befinden sich wiederum einige, die vom Staat Israel (trotz fehlender offizieller Anerkennung) pragmatisch wie anerkannte Religionsgemeinschaften behandelt werden – so etwa die Baptisten in Westjerusalem.

Das Christentum nicht nur des Heiligen Landes, sondern des ganzen Nahen Ostens erweist sich somit trotz der geringen Zahl als bunt und vielgestaltig. Trotz aller grundsätzlich guten ökumenischen Beziehungen bleiben vor einem solchen Hintergrund natürlich auch Abgrenzungen nicht aus: So, wie manche ökumenische Gruppe in Jerusalem auch ein Instrument der Selbstvergewisserung ihrer Mitglieder sein mag, doch selbst die »eigentliche« Ökumene darzustellen, zu der andere eben nicht hinzugehören, so finden sich entsprechende Prozesse auch auf regionaler Ebene, etwa im Mittelöstlichen Kirchenrat (MECC). Beispielhaft dafür sind die immer wieder gescheiterten Versuche der Assyrischen Kirche des Ostens, diesem aus vier Kirchenfamilien (Orthodoxe, Altorientalen, Katholiken und Protestanten) zusammengesetzten Gremium beizutreten: Lehrverurteilungen, die bis auf das Konzil von Ephesus (431) zurückgehen, wie auch der kirchenpolitische Widerstand etwa der koptischen Kirche, machen dies bis heute unmöglich.

III Wo gibt es Schutz?


Mit den Unruhen, Umwälzungen und Kriegen, die den Nahen Osten seit 2011 in einer bis dahin nicht gekannten Weise prägen, stellt sich die Frage, wo die oben beschriebene konfessionelle Vielfalt noch Zukunft hat. Der Blick hat sich dabei teilweise entfernt vom »klassischen« Nahostkonflikt zwischen Israel und Palästina und wendet sich dorthin, wo ein solcher Pluralismus aus militärischen Gründen tatsächlich massiv gefährdet ist. Dabei geht es um die sunnitisch-schiitischen Bruchlinien, die den ganzen Nahen Osten durchziehen, sowie die militärische Auseinandersetzung mit jihadistischen Gruppen, in welche zahlreiche internationale Kräfte auf der einen oder anderen Seite jener Bruchlinien involviert sind (und den Begriff eines syrischen »Bürgerkrieges« letztlich ad absurdum führen). In geradezu präzedenzloser Weise stellt sich die Frage: Wo bleibt angesichts dieser Konstellationen noch Platz für die Christen? Oder auch, zugespitzt und in einer möglichen Konkretisierung formuliert: Was bedeutet es, wenn Flucht, Vertreibung und Ermordung gerade solche Gebiete im Nahen Osten betreffen, die als mögliche »geschützte Zonen« für religiöse Minderheiten zumindest einmal im Gespräch waren?

Hinsichtlich der Frage, wo ein effizienter Schutz nahöstlicher Christen tatsächlich möglich wäre, sind von den Betroffenen selbst höchst widersprüchliche Reaktionen zu hören. Spricht man im vertraulichen Rahmen miteinander, dann wird von einzelnen Kirchenvertretern immer wieder auch der Gedanke einer militärisch gesicherten »geschützten Zone« für Christen im Nahen Osten reflektiert – mal mehr, mal weniger explizit. Während die einen die Forderung erheben, diese oder jene Interventionsmacht möge durch militärische Maßnahmen die Einrichtung einer solchen Zone vorantreiben, ergänzen die Zweiten, dass dergleichen doch nur auf der Basis eines klaren UN-Mandats erfolgen könnte. Die Dritten – vornehmlich christliche Exiliraker – haben einen vergleichbaren Gedanken bereits vor Jahren gedacht, als sich die autonome Kurdenregion im Nordirak zunehmend als ein Erfolgsmodell herausstellte: Könnte man nicht, so wurde da gefragt, in analoger Weise eine »autonome christliche Region Ninive« gründen, die ein natürlicher Zufluchtsort für Christen wäre? Doch die Vierten haben schon damals entgegnet: nur das nicht! Denn die Einrichtung einer solchen autonomen christlichen Region sei einerseits ein Konkurrenzunternehmen zu den Kurden, die dadurch aus ihrer momentan in vorbildlicher Weise wahrgenommenen Verantwortung entlassen würden, allen Religionsgemeinschaften gleiche Rechte und gleiche Sicherheit zu gewähren. Und andererseits sah man auch vor Jahren schon sehr klar, dass gerade die Stadt Mosul am Rande einer solchen christlichen Region bereits ein Tummelplatz des Terrornetzwerks Al-Qaida war. Vom Sommer 2014 bis An­fang 2017 befand sich diese Gegend ohnehin in der Hand des IS, der Traum war damit vorerst ausgeträumt. Die Fünften schließlich – und solche Stimmen lassen sich in maronitischen Kreisen vereinzelt tatsächlich vernehmen – erklären, dass doch der Libanon natürlicherweise eine solche geschützte Zone darstelle. Die geflo henen chaldäischen Christen aus dem Nordirak seien alle willkommen, sofern sie nur das maronitische Patriarchat als oberste Autorität anerkennen. Sie könnten quasi für die sunnitischen Flüchtlinge im Libanon »eingetauscht« werden, und so werde zu­gleich der christliche Charakter des Zedernstaates ge­stärkt.

Dabei ist nicht zu überhören, dass auch im Libanon selbst die Frage des »Schutzes« mit immer größerer Dringlichkeit gestellt wird. Libanesische Kirchenvertreter berichten ihren Partnern aus dem Westen – teilweise noch hinter vorgehaltener Hand – von Plänen, christliche Dörfer an der Peripherie ihres Landes zu »stärken«: mit Feldlazaretten und mit Überwachungstechnologie, da man unter Christen ja nicht offen um Waffen bitten könne. Hintergrund sind beispielsweise der Zwischenfall von Arsal im Jahr 2014, als es militanten Islamisten von Syrien aus gelang, in den libane-sischen Grenzort einzudringen und eine Reihe libanesischer Sol-daten zu entführen, oder auch der Mehrfach-Bombenanschlag in dem christlich-libanesischen Grenzdorf Qaa vom 27. Juni 2016.

Angesichts solcher Erwägungen drängt sich die Frage auf, ob die eigentliche »geschützte Zone« für Christen aus dem Nahen Osten nicht doch eher in Europa liege. Wer jedoch im letzten Jahresdrittel 2015, also zu der Zeit, als die deutschen Grenzen angesichts des beispiellosen Flüchtlingsdramas geöffnet wurden, Länder wie Jordanien, den Libanon und Syrien besucht und dort mit Vertretern der christlichen Gemeinschaften gesprochen hat, wurde vielfach mit einer völligen Fassungslosigkeit angesichts der Entwicklungen in Europa konfrontiert. »Wisst ihr denn überhaupt, was ihr da tut?«, wurden Besucher aus Deutschland wieder und wieder gefragt – eine Frage, die sich in drei Richtungen auffächert: Da sind die einen, die befürchten, dass nun gerade diejenigen in Deutschland aufgenommen worden seien, die bereits in ihren Herkunftsländern keinen positiven Beitrag zu ihren Gesellschaften geleistet hätten. Oftmals mündet diese Befürchtung in dem deprimierten Fazit: »Und wenn uns Christen eines Tages gar keine Überlebensperspektive im Nahen Osten mehr bleibt; wenn auch wir gar keine andere Wahl mehr haben als nach Europa zu fliehen – dann wollen wir doch nicht schon wieder mit denjenigen dort um unseren Platz in der Gesellschaft ringen müssen, die uns bereits zu Hause das Leben schwer gemacht haben!« Europa, so die Logik, müsse doch ein christliches Europa bleiben.

Die zweite Richtung dieser Kritik zielt nun gerade nicht auf die gesellschaftlich problematischen Elemente, sondern im Gegenteil auf diejenigen, deren Fortgang im Nahen Osten geradezu als Aderlass empfunden wird. In der Gegend zwischen den syrischen Städten Homs und Tartus konnte man hören: »Wir wollen Städte wie Homs doch wieder aufbauen. Aber die jungen Männer, die dazu notwendig sind, habt ihr ja alle nach Europa gelockt.« Natürlich wird von jenen, die diesen Vorwurf erheben, völlig ausgeblendet, dass diese geflohenen jungen Männer im syrischen Regimegebiet wohl weniger zum Aufbau zerstörter Städte als vielmehr zum Militärdienst eingesetzt würden. Und es mag wohl geradezu nach Verschwörungstheorien klingen, wenn hier gar der Verdacht geäußert wurde, die deutsche Bundeskanzlerin habe durch ihr Vorgehen, quasi von langer Hand geplant, das demographische Problem Deutschlands lösen wollen.

Einer speziell kirchenpolitischen Ausformung dieser Kritik – also einer dritten Richtung – begegnet man da, wo man mit Kirchenoberhäuptern aus der Region ins Gespräch kommt. Da ist dann gar der Vorwurf zu hören, dass die westlichen Kirchen jahrelang nicht auf die Stimmen der Geschwister im Orient gehört, sondern blind auf die Karte »Regimewechsel um jeden Preis« gesetzt hätten. Und nun, da dieser Ansatz gescheitert und der Nahe Osten im Chaos versunken sei, falle den Geschwistern in Deutschland nichts anderes ein, als die Grenzen zu öffnen und so einen unüberhörbaren Lockruf auszusenden, der letztendlich zu einer völligen Auflösung der christlichen Gemeinschaften im Orient führe.

Hinsichtlich der existentiellen Frage des Überlebens der christlichen Gemeinschaften aus dem Nahen Osten begegnet der aufmerksame Zuhörer also einer Vielzahl teilweise widersprüchlicher Stimmen. Der womöglich kleinste gemeinsame Nenner besteht dann oftmals in der Bitte der Betroffenen: Wenn die orientalischen Christinnen und Christen als Flüchtlinge zu euch kommen, dann seht doch zumindest zu, dass sie beieinanderbleiben können; dass sie gemeinsam untergebracht werden und ihnen gemeinsam ein Zugang zu Gottesdiensten und Gemeinden einer vertrauten liturgisch-kulturellen Prägung eröffnet wird. Zur Begründung dieser Bitte werden dann Berichte angeführt, in denen von Übergriffen radikaler Islamisten gegen ihre christlichen Mit-Flüchtlinge die Rede ist; von Fällen, in denen Christen bei der Flucht über das Mit telmeer über Bord geworfen worden seien, oder von Mobbing-Übergriffen gegen Christen in den Flüchtlingsunterkünften.

Welche dieser Berichte stimmen und welche eher auf Legendenbildung zurückgehen, ist in der Regel schwer nachzuweisen. Die (vorherrschende) Ablehnung einer getrennten Unterbringung von Flüchtlingen wird daher von deutschen Behörden selbstverständlich auf einer ganz anderen Ebene begründet: Wer in Deutschland leben wolle, der müsse begreifen, dass es hier keine religiöse Segregation und keine Parallelgesellschaften gibt, dass es inakzeptabel sei, wenn Konflikte aus den Kriegs- und Krisenregionen des öst-lichen Mittelmeeres in Deutschland fortgeführt werden, und vor allem: dass das staatliche Gewaltmonopol hier ein gesellschaft-licher Konsens sei, welcher sich gerade im Miteinander von Verschiedenen manifestiert und erlernen lässt.

Will man die unter der Oberfläche solcher Auseinandersetzungen liegenden Zusammenhänge besser verstehen, so kommt man wohl nicht umhin, die im Nahen Osten charakteristische Segmentierung von Gesellschaften auch als Ordnungsprinzip zu verstehen:

IV Christen als Teil der segmentierten Gesellschaften des Nahen Ostens


Menschen, die sich einer Situation von erheblichem Stress ausgesetzt sehen, greifen zur Bewältigung in der Regel auf Mechanismen zurück, die sich in der jeweils eigenen Vergangenheit als erfolgreich erwiesen haben. Dies gilt auch für die extreme Stresssituation von Flucht und Vertreibung. Eines dieser Bewältigungsmuster, die sich im Nahen Osten über Jahrhunderte bewährt haben, lautet: »Halt und Stabilisierung findet ein Mensch zunächst in seinem eigenen Gesellschaftssegment.« Was solche Gesellschaftssegmente sind, erschließt sich dem Europäer beispielsweise, wenn in den politischen Konflikten des Nahen Ostens verschiedene Narrative aufeinandertreffen, die jeweils in sich geschlossen, nachvollziehbar und völlig logisch sind – und sich dabei doch diametral und absolut unvereinbar gegenüberstehen. Wer zu einem Gesellschaftssegment gehört, übernimmt in der Regel die Logik und den Wertekanon dieses Segments, da er sich anderenfalls selbst isolieren würde.

Eine quasi juristische Ausprägung hat dieser Mechanismus in dem Moment gefunden, als die Osmanen das klassische Modell des Dhimmi-Status religiöser Minderheiten in Form des Millet-Sys­tems kanonisierten: Die einzelnen Millets bekamen eine eigene Zivilgerichtsbarkeit nach innen, waren selbst für Zivilstandsangelegenheiten und beispielsweise das Erbrecht verantwortlich, ohne hier dem Staat gegenüber in einer Rechenschaftspflicht zu stehen. Dieses System wirkt bis heute fort – beispielsweise dadurch, dass es bis heute in kaum einem nahöstlichen Staat die Möglichkeit zur Zivilehe gibt, dass das Erbrecht unterschiedlich geregelt ist, je nachdem, ob einer Sunni, Schiit oder Christ ist, und dass es in diesem Sinne auch kein staatliches Gewaltmonopol gibt.

Die Oberhäupter der anerkannten Millet-Gemeinschaften werden dadurch in gewisser Weise zu Ethnarchen: Sie tragen nach innen Sorge für den Zusammenhalt ihrer Gemeinschaft; zugleich werden sie von der Staatsführung mit gewissen Privilegien ausgestattet und sind verantwortlich dafür, dass sich ihre Gemeinschaften loyal zum Staat verhalten. Erfüllen sie diese Funktion nicht, so werden sie persönlich haftbar gemacht. Bischöfe und Patriarchen (deren Wahl gemeinhin vom Staat bestätigt werden muss) haben damit nicht allein eine religiöse, sondern auch eine massiv politische Funktion inne. Manche Verhaltensweisen arabischer Kirchenvertreter, die auf ihre ökumenischen Partner im Westen vielleicht verwunderlich wirken mögen, sind so durchaus erklärbar: Das syrische Kirchenoberhaupt, welches sich selbst nach allen offenkundigen Menschenrechtsverletzungen durch das Assad-Regime immer noch unendlich loyal zu seinem Präsidenten stellt; der palästinensische Bischof, der weltweit als exponierter Vertreter der palästinensischen Nationalbewegung auftritt, aber gleichzeitig engste Beziehungen zu israelischen Regierungs- und Militärvertretern jed­weder Couleur pflegt; der libanesische Geistliche, der seine deutschen Gastgeber wie selbstverständlich darum bittet, ihm einen Gesprächstermin mit hochrangigen Vertretern des Auswärtigen Amtes zu arrangieren – sie alle stehen deutlich in dieser Tradition. Sie sind geistlich-politische Oberhäupter ihres jeweiligen religiös definierten Gesellschaftssegmentes und stehen in entsprechenden Loyalitätsverhältnissen.

Das Modell einer solchermaßen strukturierten Gesellschaft hat sich durch die Geschichte hindurch immer wieder mit anderen, wechselnden, segmentierenden Phänomenen im Nahen Osten verbunden: So konnte das Auftreten der Kolonialmächte im 19. Jh. schlicht als ein »Wechsel der Schutzmacht«7 verstanden werden: An Stelle der islamischen Schutzherrschaft über die Millet-Gemeinschaften traten jetzt Russland als Schutzmacht der Orthodoxen, Frankreich als Schutzmacht der Katholiken, und schließlich Preußen und England als so etwas wie Schutzmächte der Protestanten. Dass ein kleineres Gesellschaftssegment durch einen jeweils Stärkeren vertraglich geschützt wird, war ja bekannt.

Eine weitere Verbindung ging dieses System mit der Rolle der Großfamilien im beduinisch geprägten Jordanien ein, und selbst der heutige konfessionelle Proporz im Libanon, der »Status Quo« an der Auferstehungskirche in Jerusalem oder das politische Parteiensystem in manchem arabischen Land speisen sich letztlich aus dem Modell der segmentierten Gesellschaft. Alles ist hier ebenso säuberlich unterschieden wie die männlichen und die weiblichen Be­reiche in einem traditionellen arabisch-muslimischen Haus, wie die Bereiche einer Kirche vor und hinter der Ikonostase, wie das Milchige und das Fleischige in jüdischen Speiseregeln oder auch wie Göttliches und Menschliches, welches man weder im Judentum noch im Islam »vermischt« bzw. einander »beigesellt«: Alles hat seinen eigenen Raum, alles steht unter je getrennter Zuständigkeit.

Die christlichen Gemeinschaften im Nahen Osten finden sich hinsichtlich solcher Segmentierungen heute oftmals in einem Dilemma. Einem schiitischen Muslim im Libanon, der in die missliche Lage geraten sollte, nicht zu wissen, wo er gesellschaftlich-politisch eigentlich hingehört, wird sich das Parteienbündnis des 8. März als eine natürliche politische Heimat anbieten. In ähnlicher Weise wird das Bündnis des 14. März (beide Gruppierungen sind benannt nach den Daten der pro- und antisyrischen Demonstrationen im Jahr 2005) um jeden orientierungslosen Sunniten werben. Die Christen hingegen waren lange Zeit zwischen den Blöcken gespalten, was dazu führte, dass von Mai 2014 bis Oktober 2016 zweieinhalb Jahre lang kein libanesischer Staatspräsident gewählt werden konnte und die Maroniten, denen diese zentrale Funktion in Staat zusteht, in dieser Hinsicht ein bedrückendes Bild abga-ben. In ähnlicher Weise gespalten zeigt sich übrigens die arabische Christenheit in Israel – zwischen denen, die herausragende Un-terstützer der palästinensischen Nationalbewegung sind, und den an­­deren, die es den israelischen Drusen gleichtun und gesellschaftliche Akzeptanz dadurch gewinnen möchten, dass sie sich ganz auf die Seite des jüdischen Staates stellen, etwa indem sie un­ter ihren Angehörigen nachdrücklich für den Dienst in der israelischen Armee werben.

Vor diesem Hintergrund erklären Christen aus dem Nahen Os­ten immer wieder: »Wir wollen keine Minderheit sein.« Was für die Partner in Europa nur schwer verständlich ist – denn rein zahlenmäßig sind die orientalischen Christen ja eine Minderheit in ihren Gesellschaften –, ist im Kontext segmentierter Gesellschaften ab-solut logisch: Eine Minderheit, eine aqaliyeh, ist immer auf den Schutz und das Wohlverhalten anderer angewiesen. Sie muss sich irgendwann der einen oder anderen Seite zuordnen, um zu überleben. Sie kann sich nicht darauf verlassen, unter dem Schirm eines staatlichen Gewaltmonopols volle Partizipationsrechte zu genießen. Weil aber genau diese volle und gleichberechtigte gesellschaftliche Partizipation eigentlich das Anliegen einer Mehrheit der orientalischen Christen ist, haben ihre Vertreter durch die Geschichte hindurch immer wieder führende Rollen in den säkularen arabischen Parteien und Nationalbewegungen eingenommen.

Dieser Appell ist auch heute weiterhin auf allen kirchlichen Konferenzen im Libanon oder in Jordanien oder in Palästina zu hören: Wir wollen keine Minderheit sein, keine aqaliyeh, keine »Schutzbefohlenen« von irgendwem, sondern wir wollen im eigentlichen Sinne volle, gleichberechtigte und rechtlich gesicherte ge­sellschaftliche wie politische Partizipation. Hinter solchen Aussagen steht freilich eine grundsätzliche Skepsis, ob die bestehenden segmentierenden Gesellschaftsordnungen überhaupt in irgendeiner Weise hilfreich sein können, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Einige Vertreter der libanesischen Gesellschaft fordern lediglich zahlenmäßige Modifikationen am konfessionellen Proporz: Anstelle einer je hälftigen Aufteilung der politischen Macht zwischen Christen und Muslimen könne man auch an jeweils 30 Prozent für die Christen, Sunniten und Schiiten denken, sowie an zehn Prozent für die Drusen. Weitreichender waren da die Plakate, die zum libanesischen Unabhängigkeitstag im No­vember 2015 allerorten aufgestellt wurden: »Wir alle sind die Nation«, war da mit Worten der libanesischen Nationalhymne zu lesen. Darunter waren unzählige Bilder von Ermordeten aller Konfessionen und Religionen zu sehen, die den Spannungen zwischen den Religionsgemeinschaften in den zurückliegenden Jahrzehnten zum Opfer gefallen sind. Noch deutlicher werden die eher säkular geprägten christlichen Vertreter aus Syrien, die erklären: »Wir wollen überhaupt keinen besonderen Schutz für uns als Christen. Wenn ihr uns helfen wollt, dann helft uns als Syrern!« Denn dauerhaft kann wohl keine ausländische Macht die Christen in Syrien schützen; dauerhaft ist wohl allein die Existenz einer breiten, mo­deraten Mitte der Gesellschaft der beste Schutz.

Leider wird eine solche gesellschaftliche Debatte momentan jedoch täglich von der grausamen Realität überholt. Daher kann jeglicher Schutz, der gegenwärtig möglich ist, vielleicht nur als ein ebenso temporäres wie notwendiges Provisorium begriffen werden. Da, wo Christen im Orient erfahren haben, dass ihre Familienangehörigen verschleppt, vergewaltigt, grausam hingerichtet wurden, kann man zumindest für eine gewisse Zeit von denen, die ihr eigenes Leben gerettet haben, nicht erwarten, dass sie so ohne Weiteres wieder mit ihren alten Nachbarn zusammenleben können, die möglicherweise nicht gegen das Morden eingeschritten sind oder sich gar auf die Seite der Profiteure und Plünderer gestellt haben.

V Handlungsoptionen


Sicher: Langfristig kann der Weltgemeinschaft an einem religiös-konfessionell parzellierten Nahen Osten nicht gelegen sein. Nachdem es in den arabischen Ländern des Nahen Osten seit 1948 kaum noch Juden gibt, sind die Christen in der Region der einzige verbliebene Garant für plurale, offene Gesellschaften. Die Alternative zu solchen pluralen Gesellschaften wäre ein unverbundenes Nebeneinander religiöser Monokulturen, woran ja gerade auch den moderaten Muslimen überhaupt nicht gelegen ist. Im Blick auf die Flüchtlinge wird mittelfristig auch ein säkularer Aufnahmestaat wie die Bundesrepublik Deutschland sein Gewaltmonopol durchsetzen und darauf achten müssen, dass religiös definierte Gruppen nicht separat voneinander nach eigenen Parallel-Regeln existieren.

Es lohnt sich jedoch, die Frage zu stellen, ob angesichts der globalen Katastrophe von gruppenbezogener Verfolgung, Mord, Flucht und Vertreibung Elemente eines segmentierten Gesellschaftsmodells nicht temporär stabilisierend wirken könnten. Ob es nicht tatsächlich dringend geboten ist, für eine begrenzte Zeit international garantierte Zufluchtsorte für verfolgte Minderheiten im Nahen Osten zu schaffen. Und ob es möglich ist, in Deutschland für eine begrenzte Zeit die Angst vor dem Entstehen von Parallelgesellschaften einmal zurückzustellen und es Minderheiten unter den Flüchtlingen wie den Christen zu erlauben, gemeinsam untergebracht zu werden, um sich so gegenseitig zu stabilisieren – so dies ihr dringender Wunsch ist.

Dies alles können freilich nur zeitlich begrenzte Lösungen sein. Langfristig muss es hingegen darum gehen, das Miteinander-Leben von Verschiedenen im Alltag immer wieder neu zu lernen und einzuüben. Dazu seien zum Schluss zwei Gedanken vorgestellt.

Erstens: Insbesondere christliche Privatschulen im Nahen Osten pflegen seit Langem eine Tradition des interreligiösen Miteinanders im Alltag. Angesichts der prozentualen Verhältnisse in den nahöstlichen Gesellschaften ließen sich diese Schulen allein mit Christen gar nicht füllen. Ob in Palästina, Jordanien, dem Libanon oder Syrien: In der Regel sind mehr als die Hälfte der Schülerinnen und Schüler Muslime. Auf die Gesamtbevölkerung gerechnet ist es dennoch nur ein kleiner Teil der Muslime, der in den Genuss einer solchen Erziehung kommt, während einem Großteil der Christen dieser Weg offensteht. Wer aber als Muslim im Alltag mit Christen groß wird, gehört später am ehesten zu jener notwendigerweise breiten, gesellschaftstragenden Schicht, die bewusst für ein Miteinander von Verschiedenen eintritt. Letztlich sind es somit nur die moderaten Muslime, die das Überleben der Christen im Nahen Osten garantieren können. Ein solcher Horizont ist umso wichtiger, wo es um Kinder vom Rande der Gesellschaft geht, Kinder aus zerbrochenen Familien, Kinder mit oft sehr früher Erfahrung häuslicher Gewalt. Die »Schneller-Schulen«, die sich auf das 1860 gegründete »Syrische Waisenhaus« des Pädagogen Johann Ludwig Schneller in Jerusalem zurückführen und die seit den 1950er Jahren im Libanon und in Jordanien sowie neuerdings mit einem kleineren Projekt in Syrien präsent sind, richten sich in besonderer Weise an eine solche Klientel. Dabei brauchen sie alle nur denkbare Un­terstützung.

Zweitens: Angesichts der höchst komplexen gesellschaftlichen Situation im Nahen Osten ist in Europa eine Informationsoffensive notwendig, um Zusammenhänge verstehbar zu machen und christliche Partner hier zu einem verantwortlichen Handeln zu befähigen. Zahlreiche christliche Gruppen, die im Nahen Osten verwurzelt sind, haben die bestehenden Informationsdefizite er­kannt und treten dem mit Referenten und Publikationen entgegen, um ihr Anliegen bekannt zu machen. Die meisten von ihnen sprechen dabei aber notwendigerweise aus der Perspektive ihres jeweiligen Gesellschaftssegments, die dann von den jeweiligen europäischen Partnern leicht als Deutungsmuster der Situation als Ganzer rezipiert wird. Wo sich Christinnen und Christen aus dem Nahen Osten hingegen zu einem gemeinsamen Wort zusammenfinden, da hat dies zumeist zwar unbestreitbar einen aufrüttelnden Effekt – es bleibt jedoch offen, welche Handlungsoptionen sie ihren europäischen Partnern konkret vorschlagen.8

Hier könnte eine Informationsstelle für Christinnen und Christen aus dem Nahen Osten hilfreich sein, welche an einer kirchlichen Institution in Deutschland anzusiedeln wäre. Ein solches Zentrum könnte die Narrative ganz unterschiedlicher christlicher Kirchen und Gruppen aus dem Nahen Osten aufnehmen, in Relation zu­einander setzen sowie für den deutschen Kontext aufbereiten und weiter kommunizieren. Von zahlreichen arabischen Christinnen und Christen werden solche Stellen in den europäischen Staaten, an die sie »andocken« könnten, ausdrücklich gewünscht. Eine Informationsstelle in Deutschland könnte somit einen Dienst für die Christinnen und Christen hier wie dort leisten.

So könnte es gelingen, angesichts der zahlreichen erschreckenden, aber auch verwirrenden und teilweise widersprüchlichen In­formationen aus dem Nahen Osten die großen Zusammenhänge nicht aus dem Blick zu verlieren und konkrete Strategien zu entwickeln, um das Überleben der christlichen Partner in Nahost zu stützen und damit zum Fortbestand pluraler, offener Gesellschaften beizutragen, in welchen die christliche Stimme gut vernehmbar ist.

Abstract


Christianity in the Middle East has been perceived – since many decades already – as a continuously shrinking minority. This has indeed been true regarding the percentages of Christians within the rapidly growing societies of the Eastern Mediterranean. On the other hand, when it comes to absolute numbers, the Christian communities in most of these countries are not smaller today than 50 years ago.

However, with the outbreak of the upheavals in the Arab world which have led to war and destruction in large parts of that area, the future of Christianity in the countries of its origins is indeed at stake. The question is whether this future can still be guaranteed within the traditional patterns of »segmented societies« (which indeed provide for well-tried mechanisms for the protection of minorities) or whether a more modern approach, based on juridical equality, would be more appropriate.

This article suggests making use of the traditional mechanisms as part of a short-term strategy to protect displaced Christians (and other minorities) today, but to continue working on long-term strategies which are based on mutual respect and equality within a civil society, regardless of religious, denominational or ethnic origin.

Literatur: Central Bureau of Statistics, Population by Religion, in: http:// www.cbs.gov.il/reader/shnaton/templ_shnaton_e.html?num_tab=st02_02&CYear=2015 (Datum des letzten Aufrufs: 04.08.2016). Dringender Aufruf des Höchsten Rates der Evangelischen Gemeinden in Syrien und im Libanon an alle Evangelischen und Protestantischen Kirchen und Organisationen weltweit, Beirut, 29. August 2014, in: http://www.ekhn.de/fileadmin/content/ekhn.de/ download/ oekumene/2014_ev_kirchen_nahost_hilferuf_14_08_q_supreme_council_evan-gelical_community_syria_lebanon_gr.pdf (Datum des letzten Aufrufs: 04.08. 2016). Andreas Feldtkeller, Die »Mutter der Kirchen« im »Haus des Islam«. Gegenseitige Wahrnehmungen von arabischen Christen und Muslimen im West- und Ostjordanland, Erlangen 1998. Philipp W.Hildmann, Tagungsbericht: Syrienkonflikt. Zur Lage christlicher und yezidischer Flüchtlinge. Podiums-diskussion der Hanns-Seidel-Stiftung am 13. Februar 2016, Karmeliterkirche München (Datei eingestellt am 24.02.2016), in: www.hss.de/ fileadmin/media/ downloads/Berichte/160213 _Tagungsbericht_Syrienkonflikt.pdf (Datum des letzten Aufrufs: 03.08.2016). Hannelore Müller-Sommerfeld u. Martin Tamcke, Religion in Jordanien, in: Markus Porsche-Ludwig u. Jürgen Bellers (Hrsg.), Handbuch der Religionen der Welt, Teilband 5: Asien, Nordhausen 2012, 1105–1115. Palestinian Christians. Facts, Figures and Trends 2008, publ. by: Diyar, ed. by: Rania Al Qass Collings, Rifat Odeh Kassis, Mitri Raheb, Second Revised Edition Bethlehem 2012. Martin Tamcke, Religion in Syrien, in: Markus Porsche-Ludwig u. Jürgen Bellers (Hrsg.), Handbuch der Religionen der Welt, Teilband 5: Asien, Nordhausen 2012, 1269–1274. United Christian Council in Israel, Celebrating 50 Years of History 1956–2006, Jerusalem 2006.

Fussnoten:

1) Die Podiumsdiskussion wurde dokumentiert unter: Philipp W. Hildmann, Tagungsbericht: Syrienkonflikt. Zur Lage christlicher und yezidischer Flüchtlinge. Podiumsdiskussion der Hanns-Seidel-Stiftung am 13. Februar 2016, Karmeliterkirche München (Datei eingestellt am 24.02.2016), in: http://www.hss.de/ fileadmin/media/downloads/Berichte/160213_Tagungsbericht_Syrienkonflikt.pdf (Datum des letzten Aufrufs: 03.08.2016).
2) Martin Tamcke, Religion in Syrien, in: Markus Porsche-Ludwig u. Jürgen Bellers (Hrsg.), Handbuch der Religionen der Welt, Teilband 5: Asien, Nordhausen 2012, 1269–1274.
3) Hannelore Müller-Sommerfeld u. Martin Tamcke, Religion in Jordanien, in: a. a. O., 1105–1115.
4) Central Bureau of Statistics, Population by Religion, in: www.cbs.gov.il/reader/shnaton/templ_shnaton_e.html?num_tab=st02_02&CYear=2015 (Datum des letzten Aufrufs: 04.08.2016).
5) Palestinian Christians. Facts, Figures and Trends 2008, publ. by: Diyar, ed. by: Rania Al Qass Collings, Rifat Odeh Kassis, Mitri Raheb, Second Revised Edition Bethlehem 2012, 11. Freilich sind solche Zahlen mit Vorsicht zu betrachten. So verzeichnet Raheb auf dieser Linie bereits im Jahr 1995 einen positiven Ausschlag auf 51.000 Christen, was jedoch wahrscheinlich allein durch eine abweichende Quelle begründet ist.
6) United Christian Council in Israel, Celebrating 50 Years of History 1956–2006, Jerusalem 2006.
7) Andreas Feldtkeller, Die »Mutter der Kirchen« im »Haus des Islam«. Gegenseitige Wahrnehmungen von arabischen Christen und Muslimen im West- und Ostjordanland, Erlangen 1998, 184–192.
8) Ein Beispiel hierfür ist das Dokument: Dringender Aufruf des Höchsten Rates der Evangelischen Gemeinden in Syrien und im Libanon an alle Evangelischen und Protestantischen Kirchen und Organisationen weltweit, Beirut, 29. August 2014, in: http://www.ekhn.de/fileadmin/content/ekhn.de/download/oekumene/2014_ev_kirchen_nahost_hilferuf_14_08_q_supreme_council_evange­lical_community_syria_lebanon_gr.pdf (Datum des letzten Aufrufs: 04.08. 2016). Hier wird zwar sehr deutlich, dass die Autoren angesichts des Syrienkrieges einen »Ausnahmezustand« erklären und ihre weltweiten Partner um ein beherztes Eingreifen sowie die Entwicklung von Strategien bitten, »um die christliche Präsenz im Osten und auch die Präsenz anderer moderater Gruppen in der Region zu erhalten.« Über den (unstrittigen) Aufruf zu mehr humanitärer Hilfe hinaus wird jedoch nicht recht deutlich, welche konkreten Maßnahmen erbeten werden. Also: Sollen die internationalen Partner auf ein militärisches Eingreifen hinwirken, wenn ja: durch wen, unter welchem Mandat, zur Unter stützung welcher Gruppen? Welche Art der Flüchtlingsaufnahme wird gewünscht, oder geht es in erster Linie darum, Menschen von der Flucht ab­- zuhalten? Geht es um eine Lobbyarbeit zugunsten der Einrichtung von Schutzzonen? Wenn ja: Wer sollte diesen Schutz gewährleisten? Und: Welche Maßnahmen der Christen vor Ort können die internationalen Partner fördern, um ein gleichberechtigtes, demokratisches Miteinander zu ermöglichen, welches den Schutz Einzelner letztlich überflüssig macht?