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Ausgabe:

März/2017

Spalte:

300–302

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Pasenow, Guido

Titel/Untertitel:

Heinrich von Meurers (1888–1953). Ein Förderer und Wegbereiter der liturgischen Erneuerung in Deutschland.

Verlag:

Trier: Paulinus Verlag 2016. 552 S. = Trierer Theologische Studien, 80. Kart. EUR 44,90. ISBN 978-3-7902-1235-8.

Rezensent:

Friedrich Lurz

Die an der Trierer katholisch-theologischen Fakultät angenommene Dissertationsschrift von Guido Pasenow stellt mit Heinrich von Meurers eine wichtige Figur der liturgischen Bewegung vor dem II. Vatikanischen Konzil in den Mittelpunkt der Untersuchung.
Die Einleitung (50–69) umreißt den Forschungsstand und die Quellen, unter denen zahlreiche nichtgedruckte Archivalien hervorstechen. Die Studie geht in weiten Teilen dem Lebenslauf entlang: Der Abschnitt Herkunft, Schul- und Gymnasialzeit (70–76) zeigt die von Ortswechseln geprägte Jugend und das Leben in einer evangelisch dominierten Umwelt auf. Das Kapitel Wissenschaftlicher Werdegang und liturgische Kriegserlebnisse (77–165) be­schreibt, wie sich von Meurers von dem zunächst formal begonnenen Medizinstudium in Berlin abwandte und in Innsbruck das Theologiestudium aufnahm. Über seine Liebe zur Kirchenmusik (speziell zum Gregorianischen Choral) wurde sein Interesse am Gottesdienst geweckt, zunächst aber an dessen rubrizistischer, die Normen festlegender Dimension. Spirituell war die Innsbrucker Pries-terausbildung dieser Zeit durch eine ausgeprägte Frömmigkeit der eucharistischen Anbetung bestimmt, gegen die sich von Meurers später wandte. Unter dem Eindruck der beginnenden liturgischen Bewegung machte er immer mehr Notizen, die über die bisherige Deutung der liturgischen Normen hinausreichten. Bei seinem Einsatz als Freiwilliger des Ersten Weltkrieges lernte von Meurers 1914/15 andere Gottesdienstformen in französischen Pfarrkirchen kennen, etwa den Choralgesang der ganzen Gemeinde und Formen des gemeindlichen Stundengebets statt der ihm bekannten Volksandachten. Nach dem Krieg und dem Abschluss seiner Promotion (die Promotionsschrift war kirchenrechtlicher Natur) ging er nach Trier, wo er 1920 zum Priester geweiht wurde. In diese Zeit fällt auch die inhaltliche Skizzierung eines später nie geschriebenen Buchs zur katholischen Liturgie, in der schon wesentliche liturgische Grundsätze festgehalten sind, die das weitere Wirken bestimmen sollten: Die Liturgie selbst soll zum geistlichen Zentrum des Gemeindelebens werden, während die für die Gläubigen bestimmten Ersatzformen zurückzudrängen sind.
Im Kapitel Forschung und Lehre (166–191) wird vor allem von Meurers Zeit als Dogmatikprofessor am Trierer Seminar rekapituliert, in der er Papstenzykliken kommentierte und herausgab, sich schriftlich aber so gut wie nie zu liturgischen Dingen äußerte – der Vf. vermutet, weil er in diesem Gebiet weniger theoretische Überlegungen anstellen als handeln wollte. Umso eindeutiger und fruchtbarer wurde seine Haltung als Generalvikar ab 1935, wie das umfangreiche Kapitel Die Feier der Liturgie im Bistum Trier. Generalvikar (192–337) kenntlich macht. Von Meurers nutzte seinen Einfluss, um die liturgische Bewegung amtlich zu unterstützen: etwa durch die Förderung der Gemeinschaftsmessen, um die aktive Teilnahme der Gläubigen zu ermöglichen, oder durch den Einsatz für den Choralgesang, um der Engführung auf eine private Frömmigkeit zu entkommen. Im Bereich der Sakramentenfeiern initiierte von Meurers unter Aufnahme von Vorlagen aus Klosterneuburg die diözesane Herausgabe von Ordnungen für Taufe, Firmung und Begräbnis mit hohen muttersprachlichen Anteilen, um die Ge­meindebeteiligung zu ermöglichen bzw. zu stärken. Da die Hefte zu Taufe und Begräbnis diözesane Rituale-Ausgaben darstellten, konnte hier der eigentliche liturgische Text übersetzt werden; da­mit geriet von Meurers nach Denunziation aber auch in Konflikt mit römischen Stellen, die die Rücknahme des Begräbnisheftes verlangten, ohne dass die Forderung letztlich umgesetzt werden musste. Auch die Profilierung des Kirchenjahrs wurde durch von Meurers unterstützt und das Osternachtsexperiment von 1941 neben dem Dom in der Trierer Liebfrauenkirche, das die bisherigen Normen überschritt, wäre nach Urteil des Vf.s ohne Unterstützung des Generalvikars nicht möglich gewesen (307). Für ein neues Ge­sangbuch kam man aufgrund des Zweiten Weltkrieges über Vorarbeiten nicht hinaus.
Der Abschnitt Die Feier der Liturgie im Trierer Dom. Domkapitular (338–421) stellt heraus, wie von Meurers sich auch hier um liturgische Erneuerungen bemühte, etwa um die Kommunion in der Messe statt nach ihr, aber auch um die bauliche Gestaltung, damit die Gemeinde mit dem Geschehen am Altar in Verbindung gebracht und so eine wirkliche Teilnahme an der Feier möglich wurde. Die von ihm initiierte bauliche Ausgestaltung der Ostkrypta des Domes bot einen Raum für liturgische Experimente. Die Feier des Stundengebets im Dom war ein weiterer Schwerpunkt, aus dem speziell die Jugendkomplet ab 1942 entstand, die in der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus den Rückzug in den Innenraum der Kirche als bewusste Rückkehr zur eigentlichen Mitte des Christseins gestaltete.
Das Kapitel Die Feier der Liturgie im deutschen Sprachraum. Mitglied der Liturgischen Kommission (422–504) stellt den überdiözesanen Einfluss heraus, etwa bei der Bildung einer Liturgischen Kommission 1940 für die Fuldaer Bischofskonferenz, wobei die Stellung der Bischöfe zur liturgischen Erneuerung keineswegs einheitlich war. Dies wurde bei der Krise der Liturgischen Bewegung deutlich, als Rom die deutschen Bischöfe zur Stellungnahme aufrief. Die von von Meurers als Ghostwriter verfasste, aber vom Trierer Bischof Franz Rudolf Bornewasser (1866–1968) verantwortete und 1943 nach Rom gesandte lateinische Schrift »De restauratione liturgica in Germania« konnte Entstehung, Entwicklung, Ansätze und Formen der Liturgischen Bewegung umfassend erläutern und wertschätzen, ohne von Rom monierte bedenkliche Entwicklungen zu unterschlagen. Nach den neuen Weichenstellungen durch Papst Pius XII., speziell die Enzyklika »Mediator Dei« von 1947, konnte von Meurers mit der Gründung des Liturgischen Instituts in Trier die dort entwickelte liturgische Kompetenz um die Mitarbeiter Johannes Wagner (1908–1999) und Balthasar Fischer (1912–2001) für die deutschen Diözesen institutionell einbinden und fruchtbar machen.
Abschließend hält der Abschnitt Zusammenfassung und Resümee (505–525) fest, dass von Meurers weniger ein theologischer Vordenker der Liturgischen Bewegung war als im Hintergrund organisatorisch handelte. Früh stellte er als Generalvikar geeignete Personen für liturgiewissenschaftliche Studien frei, um Grundlagen für zukünftige Reformen zu legen. Seine Schroffheit im Umgang mit Kritikern und Gegnern behinderte ihn aber auch in seiner Werbung für die liturgische Erneuerung.
Das Verdienst der Arbeit liegt in der gründlichen Durchdrin-gung der vorhandenen Quellen, speziell des Archivmaterials, das bisweilen neu eingeordnet wird. Die Gedankenwelt, die Einfluss nehmenden Personen und die Motivationen, die von Meurers prägten, sind treffend gekennzeichnet, ohne dass bisherige Einschätzungen grundlegend revidiert werden. Eindringlich wird erkennbar, gegen welchen Widerstand uns heute nur klein erscheinende Entwicklungsschritte in den ersten Phasen der Liturgischen Bewegung erkämpft werden mussten und welche Abkehr von eingefahrenen Gedankenwelten die Einnahme von Reformpositionen bedeuteten.