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Ausgabe:

März/2017

Spalte:

178–181

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Baslez, Marie-Françoise, et Olivier Munnich[Eds.]

Titel/Untertitel:

La mémoire des persécutions. Autour des livres des Maccabées.

Verlag:

Leuven: Peeters 2014. X, 406 S. = Collection de la Revue des Études Juives, 56. Kart. EUR 65,00. ISBN 978-90-429-3156-5.

Rezensent:

Beate Ego

Die Beiträge dieses Bandes gehen auf ein Kolloquium zurück, das in Paris im Jahre 2012 stattfand. Ausgangspunkt waren neue archäologische, epigraphische und numismatische Quellen, vor deren Hintergrund man sich zum Ziel gesetzt hatte, die Makkabäeraufstände und die Literatur, die sich auf diese Ereignisse bezieht, auf der Basis der bedeutenden klassischen Arbeiten von Elias Bickermann, Klaus Bringmann und Christian Habicht einer Re-Evaluation zu unterziehen und in einen breiteren historischen Kontext zu stellen. Das Werk enthält, im Anschluss an die Einleitung der beiden Herausgeber (V–X) und an eine allgemeine Einführung in die Thematik (Maurice Sartre, Histoire et mémoire[s] des Maccabées, 1–20), folgende Beiträge:
Dov Gera, The Seleucid Road towards the Religious Persecution of the Jews, 21–57; Sylvie Honigman, The Religous Persecution as a Narrative Elaboration of a Military Suppression, 61–76; Marie-Françoise Baslez, »Vivre en Citoyen selon les coutumes ancestrales«: les enjeux du dossier documentaire conservé dans le deuxième livre des Maccabées, 77–89; Isabelle Assan-Dhôte et Jaqueline Moatti-Fine, Le vocabulaire de la guerre dans le premier livre des Maccabées. Étude lexicale, 91–106; Noah Hacham, The Anti-Judaism of the Alexandrian Court and the Oniad’s Creative Surge: What can we know about the Oniad’s Literature?, 107–117; Christian-Georges Schwentzel, Les choix identitaires des Hasmonéens d’après leurs images monétaires, 119–132; Kevin Trehuedic, Une mémoire des Maccabées dans le livre d’Esther? Occultation de la propagande hasmonéene, 133–154; Philippe Abadie, Le premier livre des Maccabées: Une écriture entre mémoire et relecture, 155–164; Katell Berthelot, Histoire et mémoire des guerres hasmonéennes dans le judaïsme d’epoque hellénistique et romaine, 165–181; Olivier Munnich, Le premier livre des Maccabées, entre fresque dynastique et traditions rabbiniques, 183–229; Mireille Hadas-Lebel, Hanoukka: de la »fête de la Dédicace« à la »fête des lumières«, 231–238; Christophe Mézange, L’héritage des Maccabées chez les résistants juifs anti-romains du Ier siècle après J.-C., 239–254; Benedikt Eckhardt, Martyrdom and the Opposition to Herod the Great, 255–269; Daniel R. Schwartz, Martyrdom in the First Book of Maccabees, 273–280; Dan Jaffé, From the Maccabees to the Rabbinic Judaism: Canonicity, Mantyrology and the Story of a Reinvented Tradition, 281–299; Étienne Nodet, Le quatrième livre des Maccabées : d’une Judée oubliée à la philosophie pieuse, 301–316; Chiara Somenzi, Du Martyre des Maccabées à la tradition chrétienne: la question des »idolothytes«, 317–327; Sebastian Brock, Eleazar, Shmuni and her Seven Sons in Syriac Tradition, 331–336; Raphaëlle Ziadé, Le Culte de la Mère des Maccabées dans la vallée de la Qâdisha (Liban) à l’epoque médiévale, 337–345; Gérard Nauroy, Du héros juif au saint chrétien : l’appropriation du martyre des frères Maccabées par Ambroise de Milan, 347–370; Gilles Dorival, Origène, lecteur du premier et deuxième livres des Maccabées, 317–383; Régis Courtray, Les Maccabées dans l´œuvre de Jérome : de la libération juive à la véritable victoire dans le Christ, 385–397.
Der Band schließt mit einem Fazit der beiden Herausgeber, welches sowohl auf Englisch als auch auf Französisch geboten wird (399–404).
Neben einer Aufarbeitung der historischen Grundlagen finden sich hier somit Aufsätze, die sich mit der Literatur beschäftigen, in der die Auseinandersetzung zwischen Antiochus IV. und den Jerusalemer Juden ihren literarischen Niederschlag fand (hier allen voran die beiden Makkabäerbücher, aber auch Esther oder Daniel). Zahlreiche weitere Beiträge untersuchen die spätere Erinnerung an diese Ereignisse und ihre Interpretation sowohl in der jüdischen als auch christlichen Literatur. Es handelt sich um eine wichtige Publikation, die an erster Stelle durch ihre Geschlossenheit und die Multi-Perspektivität, mit der die Thematik ausgeleuchtet wird, überzeugt. Interessant sind zunächst die historisch ausgerichteten Beiträge von Maurice Sartre und Dov Gera, welche die Verfolgung unter Antiochus IV. in einen größeren politischen Kontext stellen. So versteht Maurice Sartre diese im Kontext von gewöhnlichen Repressionen, die von den griechischen Herrschern ausgingen. Dov Gera legt eine Interpretation der im Jahre 2007 publizierten Mare-sha-Stele vor, deren Entdeckung der Erforschung der Makkabäerzeit insgesamt einen großen Aufschwung gab. Aus der Tatsache, dass in dieser Inschrift davon die Rede ist, dass Seleukus IV. Philopator im Jahre 178 in einer königlichen Anordnung einen gewissen Olympiodorus wohl als Hohepriester von Coele-Syria einsetzte, der die Ehren der Götter vergrößern sollte, zieht er Rückschlüsse auf die Beziehung zwischen den seleukidischen Herrschern und der Provinz Judäa für die Zeit unmittelbar vor dem Ausbruch des Konflikts unter Antiochus IV. Bereits dieser Schritt, so Gera, habe zu einer Degradierung der Macht Judas und zu einer Destabilisierung seiner Gesellschaft geführt, da die Mitglieder der priesterlichen Schicht sich nun in einen Konkurrenzkampf zueinander begaben und sich so gegenseitig schwächten. Als Antiochus IV. dann im Jahre 175 den Thron bestieg, fand er keine stabile Schicht innerhalb der jüdischen Gesellschaft vor, auf die er seine Herrschaft stützen konnte:
»The time was ripe for a shift of power within Jewish society, and the vacuum within Jewish society, initiated by Seleucus IV, and later taken up by his brother, brought matters to at head. Were it not for the decisive and foolhardy step undertaken by Seleucus IV in 178, Antiochus IV would prob­ably have not encountered a crisis of such portions which drove him for a further folly – the religious persecution of the Jews.« (57)
Sylvie Honigmann wiederum, die sich dem literarischen Zeugnis zuwendet, sieht die religiöse Verfolgung eher als ein literarisches Konstrukt, das literarische Stereotypen aufnimmt, und interpretiert damit eine politisch motivierte Verfolgung. Sie sieht die Verfolgungserzählungen in 1. und 2. Makkabäer im Gefolge der legendarischen Hofgeschichten von Daniel und Esther, deren eigentliche Aufgabe es war, die Identität ihrer Adressaten zu stärken, und mesopotamischen Tempelbauerzählungen, die die Rolle des Kö­nigs als Beschützer des Tempels betonen.
Es ist an dieser Stelle nicht möglich, weitere Aufsätze dieses Bandes im Einzelnen vorzustellen und zu würdigen. Aber bereits der Blick auf diese ersten drei Beiträge gibt einen Einblick und zeigt, welches Potential für weitere Forschungen und Diskussionen diese Publikation bietet (vgl. die weitaus zurückhaltendere Bewertung der Maresha-Stele bezüglich der Ereignisse unter Antiochus IV. bei B. Eckhardt, Ethnos und Herrschaft. Politische Figurationen judäischer Identität von Antiochus III. bis Herodes I. [Studia Judaica 9], Berlin 2013, 46 f.145 f.). Bei aller Gegensätzlichkeit der Auffassungen wird insgesamt deutlich, dass die neuere Forschung viel stärker die politischen Koordinaten der Verfolgung unter Antiochus IV. be­tont. Bedeutsam sind aber auch die einzelnen Arbeiten, die sich der späteren Rezeption widmen und die belegen, wie nachhaltig sich die sogenannte makkabäische Krise und Verfolgung in das kollektive Gedächtnis von Judentum und Christentum eingeprägt haben und so auch – wie im Falle von Märtyrertraditionen oder bei der Feier von Hanukkah – handlungsprägend werden konnten. Den Herausgebern ist für die Initiative zu dieser Konferenz und für die Publikation der Beiträge zu danken.