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Ausgabe:

Januar/2017

Spalte:

152–154

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Kongregation für die Glaubenslehre

Titel/Untertitel:

Dokumente seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Erweiterte Ausgabe (1966–2013).

Verlag:

Freiburg u. a.: Verlag Herder 2015. 830 S. Geb. EUR 69,99. ISBN 978-3-451-31253-3.

Rezensent:

Reinhard Frieling

Die Dokumente der Vatikanischen Glaubenskongregation sind zu?meist in lateinischer Sprache verfasst und in den Acta Apostolicae Sedis (AAS) abgedruckt. Deutschsprachige Übersetzungen erschienen großenteils jeweils in der von der Deutschen katholischen Bischofkonferenz herausgegebenen Reihe »Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls«. Die jetzt vorliegende Sammlung der wichtigsten Dokumente wurde gründlich durchgesehen von Karl Pichler (München).
Die Vatikanische Glaubenskongregation ist Nachfolgerin des früheren Heiligen Offiziums und direkt dem Papst unterstellt, der jeweils alle Texte »billigt, bestätigt und ihre Veröffentlichung« anordnet. Sie hat die Aufgabe, den authentischen Glauben der Kirche Jesu Christi darzulegen und zu schützen, sei es in der Abwehr von aufgetretenen Irrtümern innerhalb oder außerhalb der Kirche oder sei es als Antwort auf neue Herausforderungen der multikonfessionellen, multireligiösen oder säkularen Welt. Häufig meldet sich die Glaubenskongregation erst auf Bitten einzelner lokaler oder regionaler Bischofskonferenzen zu Wort, um zu klären, wo die Grenzen eines legitimen theologischen oder kirchlichen Pluralismus in Angelegenheiten des Glaubens oder der Ethik sind. So sind die Dokumente Ausdruck des authentischen Lehramtes der rö?misch-katholischen Kirche: Nur selten spricht die Kongregation selbst kirchenrechtliche Sanktionen wie ein Schweigegebot oder die Exkommunikation aus, vielmehr wird solches den zuständigen lokalen Oberhirten überlassen, die mit Bezug auf das Dokument der Glaubenskongregation entsprechende Maßnahmen ergreifen können.
Die Dokumente der Glaubenskongregation sind also authentische lehramtliche Texte der römisch-katholischen Kirche im zeit- oder personen-bezogenen Kontext, während die offiziellen Texte der Päpste in Form von Dogmen als unfehlbaren Lehren oder als Konstitutionen, Dekrete oder Enzykliken zumeist grundsätzlicherer Art sind. Im Einzelnen ist es hilfreich und nötig, sich sowohl im innerkatholischen wie auch im interkonfessionell-ökumenischen Bereich genau zu vergewissern, in welchen hierarchischen Stufungen sich die römisch-katholische Kirche zu Wort meldet. Darum sei an dieser Stelle auf das hilfreiche Werk von Heiner Grote verwiesen: »Was verlautbart Rom wie? Eine Dokumentenkunde für die Praxis« (Göttingen, Vandenhoeck und Ruprecht 1995, 168 S.).
Die vorliegende Dokumentensammlung der Glaubenskongregation geht chronologisch vor und beginnt 1966 mit der ökumenisch bedeutsamen Instruktion »Matrimonii sacramentum« über die Mischehen. Hier kann man bereits – wie später in vielen Texten – ablesen, wie einerseits das römisch-katholische Selbstverständnis strikt durchgehalten wird – hier die Ehe zweier Getaufter als un?auflösbares »Sakrament« zu bezeichnen mit der Verpflichtung des katholischen Partners, für die Taufe der Kinder in der römisch-katholischen Kirche zu sorgen und der ökumenischen Verpflichtung, den nicht-katholischen Partner darüber zu unterrichten.
Andererseits wurde auch das Gewissen des nichtkatholischen Ehepartners berücksichtigt, und es wurde zumindest ein Versuch unternommen, diese »sakramentale« Ehe zu einer glücklichen Ge?meinschaft werden zu lassen. Das Prinzip des Ökumenismusdekrets des II. Vatikanum (Nr. 11) sollte realisiert werden, bei ökumenischen Konflikten zu beachten, dass es eine »Rangordnung oder Hierarchie der Wahrheiten innerhalb der katholischen Lehre gibt, je nach der verschiedenen Art ihres Zusammenhangs mit dem Fundament des christlichen Glaubens«.
Mit diesem Prinzip musste die Glaubenskongregation sich mehrfach äußern, wenn es um Stellungnahmen zu Dialogergebnissen mit anderen Konfessionen ging. Dabei wurde stets darauf geachtet, dass die im Glaubensbekenntnis bekannte »eine, heilige, katholische und apostolische Kirche« verwirklicht ist (subsistit) »in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird« (Kirchenkonstitution des II. Vatikanum Nr. 8). Wer dem widersprach und auch den anderen christlichen Kirchen oder Konfessionen zugestand, dass die eine Kirche Christi in ihnen »subsistiere« (verwirklicht sei) – wie z. B. Leonardo Boff im Dokument Nr. 59 dieser Dokumente (307) –, dem wurde ein Schweigegebot auferlegt.
Auffallend viele der jetzt vorgelegten Dokumente der Glaubenskongregation befassen sich inhaltlich und formal mit den Dialogen und Dialogergebnissen mit nicht-römisch-katholischen Kirchen. Offiziell ist im Vatikan das »Sekretariat zur Förderung der Einheit der Christen« für die ökumenischen Beziehungen zuständig. Doch inhaltlich ist auch die Glaubenskongregation betroffen, wenn es um die Wahrung und Klarstellung der römisch-katholischen Lehre geht. Hier äußert sich die Kongregation mit Instruktionen, Notifikationen, Erklärungen, Anmerkungen, Schreiben oder Briefen mit lehramtlichen Klarstellungen.
Gemeinsame interkonfessionelle Texte – wie z. B. die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre (1999) zwischen Rom und dem Lutherischen Weltbund – verantwortete römisch-katholischerseits im Auftrag des Papstes das vatikanische Einheitssekretariat. Die Gemeinsame Erklärung wurde folglich nicht in den lehramtlichen Texten der Acta Apostolicae Sedis veröffentlicht.
Anders verhält es sich mit der ökumenisch bedeutsamen »Erklärung Dominus Iesus über die Einzigkeit und die Heilsuniversalität Jesu Christi und der Kirche« (2000), in der die Glaubenskongregation römisch-katholisch-lehramtlich sagt, dass die reformatorischen Kirchen, »die den gültigen Episkopat und die ursprüngliche und vollständige Wirklichkeit des eucharistischen Mysteriums nicht bewahrt haben«, »nicht Kirchen im eigentlichen Sinn« seien. Hier wird klar unterschieden zwischen der Einheit der Kirche Jesu Chris-ti einerseits, die im Glaubensbekenntnis bekannt wird, und den ökumenischen Einigungsbestrebungen der heutigen Christenheit andererseits. Von der Einheit der Kirche Christi, die in Rom verwirklicht ist, wird also aufgrund der gegenseitig anerkannten Taufe die Einigung der Christenheit unterschieden. Hier ist es angebracht, alles gemeinsam zu tun, was nicht aus Lehr- oder Zweckmäßigkeitsgründen getrennt getan werden soll – was die zahlreichen Stellungnahmen der Glaubenskongregation belegen, z. B. zur Christengemeinschaft (Nr. 73), zum Engelwerk (Nr. 77 und Nr. 11) oder zur Mormonenkirche (Nr. 98).
Klar unterschieden wird in Rom zwischen der Ökumene mit den orthodoxen Ostkirchen, mit denen aufgrund der Anerkennung der hierarchischen Ämter und der Eucharistie im ersten Jahrtausend volle gegenseitige Anerkennung bestand, und den »Kirchlichen Gemeinschaften«, die aus der Reformation des 16. Jh.s hervorgegangen sind. So hat die Glaubenskongregation im Jahre 2000 in der (Nr. 90 abgedruckten) »Note zum Begriff Schwesterkirchen« anerkannt, dass die Ostkirchen zu Recht »Schwesterkirchen« im Sinne der alten Patriarchate oder Teilkirchen genannt werden – sofern klar ist, »dass die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche nicht Schwes?ter, sondern Mutter aller Teilkirchen ist« (584). Der übrige Zusammenhang der »Note« macht deutlich, dass damit im eigentlichen Sinn die römisch-katholische Kirche gemeint ist. Was bis heute auf klaren Widerspruch bei den orthodoxen Ostkirchen stößt.
Neben den »ökumenischen« Texten der Glaubenskongregation fallen die zahlreichen Dokumente auf, die sich mit aktuellen Herausforderungen befassen, z. B. zum Verhalten der Katholiken im politischen Leben (Nr. 101), zu bioethischen Fragen zum Schutz des Lebens am Anfang und am Ende des menschlichen Daseins, zum religiösen Pluralismus (Nr. 94), zur Homosexualität, zur Rolle der Frauen in der Kirche usw. Hier will die Glaubenskongregation Kriterien vorstellen, wie die Kirche heute sich den säkularen Herausforderungen stellen und zugleich den Grundsätzen vorgegebener Metaphysik treu bleiben kann. So werden häufig grundsätzliche Fragen in Auseinandersetzung und Klarstellung mit Werken einzelner Theologen und Theologinnen dargelegt. Die Freiheit theologischer und philosophischer Forschung und die Autorität lehramtlicher Verkündigung sollen so geschützt werden.
Es ist auch für die ökumenischen Beziehungen nützlich, den vorliegenden Band als römisch-lehramtliche Dokumentensammlung zur Hand zu haben. Allerdings bleibt die Frage aller nicht-römisch-katholischer Kirchen und Konfessionen offen, ob hier mehr die »römische« als die gemeinsam bekannte »katholische und apostolische« Kirche sich äußert.