Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Januar/2017

Spalte:

146–148

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Teschmer, Caroline

Titel/Untertitel:

Mitgefühl als Weg zur Werte-Bildung. Elementarpädagogische Forschung zur Beziehungsfähigkeit als emotional-soziale Kompetenzentwicklung im Kontext religiöser Bildungsprozesse.

Verlag:

Göttingen: Universitätsverlag Osnabrück bei V & R unipress 2014. 465 S. m. 30 Abb. = Werte-Bildung interdisziplinär, 2. Geb. EUR 64,99. ISBN 978-3-8471-0142-0.

Rezensent:

Anna-Katharina Szagun

»Mitgefühl als Weg zur Werte-Bildung«, so lautet der Titel der in überarbeiteter Fassung als Band 2 der Reihe »Werte-Bildung in-terdisziplinär« (Hrsg.: Blasberg-Kuhnke, M., Gläser, E. u. a.) 2014 erschienenen Dissertationsschrift von Caroline Teschmer. Der Un?tertitel »Elementarpädagogische Forschung zur Beziehungsfähigkeit als emotional-soziale Kompetenzentwicklung im Kontext religiöser Bildungsprozesse« scheint das Ziel von T.s Vorhaben näher zu beschreiben. Und der Titel macht neugierig, gerade weil empirische Forschung zum Elementarbereich ein rares Gut ist.
Der Einleitung ist zu entnehmen, dass es sich um ein Vorhaben handelt, das sich unmittelbar an das Habilitationsprojekt von Elisabeth Naurath anschließt (Mit Gefühl gegen Gewalt. Mitgefühl als Schlüssel ethischer Bildung in der Religionspädagogik, Neukirchen 2007), was die Zitationshäufigkeit der Doktormutter erklärlich macht. Was T. zur Verknüpfung der beiden Vorhaben schreibt, ist aufgrund der unscharfen Formulierung wenig geeignet, die Abgrenzung der beiden Vorhaben deutlich zu machen: »Obgleich das vorliegende Forschungsprojekt auf der Habilitation von Naurath aufbaut, werden insofern Überschneidungen deutlich, als dass diese Arbeit Lern- und Studientexte für Erzieherinnen und Erzieher in der Aus- und Fortbildung zugrunde legt.« (24) Nicht nur in der Einleitung, sondern durchgehend stolpert man immer wieder über die mangelnde sprachliche Präzision, sei es, dass der Sinn von Aussagen dunkel bleibt oder dass Sätze mehr oder minder inhaltsleer sind. T. beschreibt ihr Ziel so:
»Ziel des Forschungsprojekts ist die Erarbeitung eines Konzepts zur Grundlagenforschung der kindlichen Entwicklung von Mitgefühl auf der Basis einer Vernetzung ethischer, religiöser und emotionaler Bildungsprozesse. Als exemplarische Arbeitsgrundlage fungiert dabei die grundlegende elementarpädagogische Forschung […]« (20).
Wer dieser Zielbeschreibung gemäß jetzt empirische Forschung zum Elementarbereich als Mittelpunkt des Vorhabens erwartet und als Ergebnis davon ein Konzept zur Grundlagenforschung, sieht sich getäuscht. Es soll – so eine Seite weiter – um etwas anderes gehen. Dort heißt es:
»Erstens soll mit der Entwicklung eines Konzepts zur Förderung mitfühlender und prosozialer Kompetenzen im Elementarbereich ein Beitrag zum emotionalen Lernen geleistet werden. Zweitens sollen hinsichtlich bisher fehlender Interventionen zur Förderung emotionaler Kompetenzen bei Vorschulkindern erste Forschungslücken geschlossen werden.« (21)
Falls man diesen Passus so versteht, dass das Projekt Entwicklungsarbeit zu fördernden Interventionen leisten und diese dann durch empirische Forschung überprüfen will, liegt man jedoch auch wieder falsch. Denn auf S. 22 wird formuliert:
»Die vorliegende Arbeit verfolgt das Ziel, neben empirischen Befunden zum Mitgefühl auch theoretische Weiterentwicklungen vorzustellen […] Dabei soll aufgezeigt werden, welche Entwicklung die Forschung zum Mitgefühl seit der Veröffentlichung der Habilitationsschrift von Naurath genommen hat.«
Im Anschluss an diese Formulierung wird ausgeführt, die Arbeit wolle zum einen durch explizite Fokussierung auf emotionale Bildung einen neuen Akzent innerhalb der Elementarpädagogik setzen, sie wolle zum anderen die Notwendigkeit dazu durch den ge?sellschaftlichen Strukturwandel legitimieren. Drittens richte sie das Augenmerk auf die Frage »nach den Möglichkeiten und Methoden einer Förderung mitfühlender und prosozialer Kompetenzen«, sodass versucht wird, hinreichende praktische Möglichkeiten auf-zuzeigen«. Und viertens soll mit der »Entwicklung eines Moduls zum Thema ›Werte-Bildung mit Gefühl im religionspädagogischen Handlungsfeld‹ ein Beitrag zur Sensibilisierung von Erzieherinnen und Erziehern in der Aus- und Weiterbildung geleistet werden«.
Die Arbeit gliedert sich in zwei große Abschnitte mit detaillierten Unterkapiteln. Teil 1 (§ 1–4) heißt »Forschungswissenschaftlicher Hintergrund« und hat einen Umfang von 200 Seiten. Er ist hinsichtlich Duktus und Inhalten stark an Naurath angelehnt, manchmal bis in die Überschriften hinein. Etliche theoretische Weiterentwicklungen werden dargestellt, z. B. zur theory of mind oder zu Gefühlsansteckung. Die Aufnahme neuerer Studien in die Darstellung spiegelt sich im Literaturverzeichnis. Wer nur am gegenwärtigen Forschungsstand Interesse hat, kann hier fündig werden. Störend sind aber auch hier häufigere sprachliche Defizite.
Teil 2 (§ 5–8) heißt Theorie-Praxis-Transfer und umfasst knapp 200 Seiten. § 5 sollte bei Ernstnahme des Untertitels eigentlich als »Herzstück« der Arbeit T.s gelten. Überschrieben ist § 5 mit »Analyse mitfühlender und prosozialer Kompetenzen im elementarpä-dagogischen Handlungsfeld«. Das Projekt verfolge – so T. – »das Ziel, determinierende Faktoren mitfühlender und prosozialer Kom-petenzen an passenden Beispielen aufzuzeigen« (227). Der in Teil 1 s kizzierte »Sollstand« werde mit dem »Ist-Stand« in Verbindung gebracht. Praxisbeobachtungen sollten den Ausgangspunkt für Überlegungen bilden, »wie eine weitere und nachhaltige Entwicklung zur Sensibilisierung des Mitgefühls von Erzieherinnen und Erziehern sowie von Kindern aussehen könnte« (ebd.). Ehe unter Heranziehung einschlägiger »Autoritäten« Forschungsdesign und Methoden beschrieben werden, ist noch einmal vom angezielten »Konzept zur Grundlagenforschung der kindlichen Entwicklung von Mitgefühl« die Rede. Dargestellt wird dann allerdings auf 24 Seiten eine Fragebogenuntersuchung zur Einschätzung des Mitgefühls bei berufstätigen und angehenden Erziehern. Zur Entwicklung des Mitgefühls bei Kitakindern werden anschließend am Beispiel einer (mittels eines erwachsenen »leidenden« Modells durchgeführten) Kummer- und Schmerz-Simulation, auf welche Kinder reagierten, auf zehn Seiten methodisch wie inhaltlich we? nig überzeugende Ergebnisse von Videomitschnitten präsentiert: Es folgen zehn Seiten zu Alltagsbeobachtungen in der Kita, wo Kinder (u. a. in Rollenspielen) Mitgefühl zeigten. Diese Seiten bestehen überwiegend aus Dokumentation. Sehr schade, dass trotz der erkennbar aufwändigen theoretischen Bemühungen T.s kein er?tragreicheres Setting für eigene elementarpädagogische Forschungsergebnisse gefunden wurde.
In den § 6–8 stellt T. wertzuschätzende Entwicklungsarbeiten vor. In § 6 beschreibt sie vielfältige erprobte Impulse zur Förderung des Mitgefühls im elementarpädagogischen Handlungsfeld, in § 7 ein Modul zur Aus- und Weiterbildung emotionaler und prosozialer Kompetenzen bei Erziehern, in § 8 thematisiert sie ausführlich und sachgerecht bibeldidaktische Konkretionen (Rut, Jona, Kinderevangelium, Samaritererzählung) zur Förderung von Mitgefühl.
Wer auf der Suche nach weiterführenden Forschungsmethoden bzw. -ergebnissen bezüglich des Elementarbereichs unterwegs ist, wird in der vorliegenden Veröffentlichung kaum fündig. Wer da-gegen theoretische und praktische Impulse bezüglich einer (dem Kern des christlichen Glaubens aufruhenden) Begründung und Förderung von mitfühlenden und prosozialen Kompetenzen so?wohl in der Aus- und Weiterbildung von Erziehern wie bei deren Adressaten (Elementarbereich) sucht, kann dazu Anregungen im vorliegenden Band finden.