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Ausgabe:

Januar/2017

Spalte:

123–125

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Korsch, Dietrich

Titel/Untertitel:

Antwort auf Grundfragen christlichen Glaubens. Dogmatik als integrative Disziplin.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2016. XII, 271 S. = UTB. S, 4560. Kart. EUR 19,99. ISBN 978-3-8252-4560-3.

Rezensent:

Stefan Dienstbeck

Einführungsbücher jeglicher Art haben mit einem doppelten Problem zu kämpfen: Einerseits stehen sie insbesondere im Rahmen von Wissenschaft und universitärer Lehre unter dem Generalverdacht der Oberflächlichkeit, wenn nicht gar der Banalisierung, sofern sie wirklich für eine studentische Leserschaft geeignet sein sollen. Andererseits stellen sie die Quadratur des Kreises dar, weil sie versuchen, was per se unmöglich erscheinen muss: Sie möchten Grundkenntnisse und Grundstrukturen von etwas vermitteln, was schon für Fachleute oftmals den Rahmen jeder Komplexität zu sprengen droht. Dietrich Korsch scheint in seinem dogmatischen Einführungsband die Messlatte selbst noch höher zu legen, indem er nicht »Antworten« – was schwierig genug wäre –, sondern im Singular »Antwort auf Grundfragen christlichen Glaubens« zu geben versucht.
Das Grundlagenbuch richtet sich eigenen Angaben zufolge an »Menschen […], die elementare Fragen zur christlichen Religion stellen und Antworten suchen, die sie gedanklich und geistlich befriedigen.« (V) Hiermit sind sowohl theologisch interessierte Laien wie auch insbesondere fortgeschrittene Studierende angesprochen, deren systematische Argumentationsfähigkeit geschult werden soll. In insgesamt 18 etwa gleich langen Paragraphen und mit 16 Fragestellungen widmet sich K. dem selbst gesetzten Anliegen. Die ersten zwei Paragraphen erfüllen die Funktion einer Einleitung, die sowohl wichtige Begriffsklärungen (z. B. »religiöses Be? wusstsein«, 2) und die Vorgehensweise als auch eine Selbstverortung im Rahmen der aktuellen dogmatischen Landschaft vornimmt (§ 2). Damit macht K. seinen eigenen Standpunkt sehr klar und einsehbar durchsichtig für die Leser, denen auf dieser Grundlage eine Eigenbeurteilung der im Buch gegebenen Antworten ermöglicht wird.
Den eigentlichen Kern des Bandes bilden die Paragraphen 3–18, welche sich mit den dogmatischen Themenbeständen befassen. Fragen von der Art wie: »Ist die Bibel Gottes Wort?« (§ 3), »Beruht der Glaube auf freier Entscheidung?« (§ 11), aber auch: »Darf man Kinder taufen?« (§ 15) oder: »Was kommt nach dem Tod?« (§ 18) werden von K. im Schema eines Dreischritts einer Beantwortung zugeführt: Zunächst wird unter »Hintergründe der Frage« meist recht knapp der Problemhorizont eröffnet, den die Fragestellung aufwirft. Im zweiten Schritt werden »Materialien der Antwort« bereitgestellt, die zumeist biblische und traditionelle Antwortschemata auf Grundlage des erschlossenen Problemrahmens auf ihre Tragfähigkeit hin prüfen. K. beschränkt sich hierbei nicht auf ein bloßes Bereitstellen des Materials; vielmehr erfolgt der Zugriff auf die biblische und theologiegeschichtliche Tradition bereits bewusst systematisch. Der dritte Schritt, »Die Antwort«, welche oftmals etwas kürzer ausfällt als der zweite Part, überschreitet die Verarbeitung des Traditionsmaterials nochmals und bietet den Lesern eine Umgangsmöglichkeit mit der Ausgangsfragestellung an. Zumeist findet sich hier auch eine Perspektive, die kirchliche oder kirchengestaltende Belange sowie die Sinndimension in den Blick nimmt. Erfreulicherweise erhält man bei der Lektüre fast immer eine konkrete Antwort, die – natürlich nicht undialektisch – zwar in einem Ja oder Nein mündet, diese Entscheidung jedoch angesichts der vorherigen Erörterung sehr differenziert vornimmt.
Bauen sich die Paragraphen an sich gleichmäßig auf und suggeriert das Inhaltsverzeichnis eine Abhandlung loser Fragen, so täuscht der oberflächliche Eindruck dahingehend, dass der Themenbehandlung eine Dynamik und ein klares Abfolgeschema innewohnt: Die ersten sechs Frageblöcke (§ 3–8) setzen sich mit dem auseinander, was gewöhnlich der Fundamentaltheologie oder den Prolegomena zugeordnet wird (Schrift, Glaube, Schöpfung, Sünde). Demgegenüber geht es in den Fragestellungen ab § 11 um die sogenannte Materialdogmatik, also um eine dezidiert christliche Sicht auf die theologischen Themenbestände. Den zwischen diesen beiden Blöcken liegenden Paragraphen 9 und 10 kommt insofern eine Sonderstellung zu, als sie mit der Soteriologie und der Christologie das Zentrum christlichen Glaubens thematisieren. Die »Reichweite und Bedeutung der Person und Geschichte Jesu Christi« (116) bilden nach K. den innersten Skopus, von dem her auch die vorhergehenden Fragestellungen rückwirkend in ein anderes Licht gestellt werden. Insbesondere dem Tod Jesu Christi komme dabei die Be?deutung zu, das von seiner Person unabtrennbare Reich Gottes so zu transformieren, dass es in Form der Verkündigung unverfälscht u nd wesensgemäß das Christliche erhalte. Für diesen Schritt bemüht K. sprachphilosophische wie auch metaphorische und genuin dogmatische Schlüssel und lehnt sich zudem inhaltlich oftmals – vor allem beim Personbegriff – an die Theologie des Wortes Gottes und ihre Weiterführung nach der Mitte des 20. Jh.s an. Von der hermeneutischen Zentralstelle der beiden christologischen Paragraphen her lassen sich dann auch organisch alle folgenden Themen der Dogmatik einordnen und verstehen.
Durch das konsequente Vermeiden von Fußnoten im gesamten Buch ruht der Fokus stets auf dem eigentlichen theologischen Anliegen und schweift nicht durch Fachdiskussionen ab. Wenn diese für nötig erachtet werden, findet man sie konsequenterweise direkt im Fließtext. Weiterführende und den Gedankengängen zugrunde liegende Literaturangaben werden kapitelartig im Anhang untergebracht. Die Auswahl ist sehr begrenzt, hilft aber gerade dadurch zu erneuter Konzentration auf das Wesentliche. Ein kombiniertes Sach- und Personenregister sowie ein Verzeichnis zu den in die Fragen eingewobenen dogmatischen Topoi ergänzen den Band sinnvoll.
Gelingt es K., dem eigenen Anspruch gerecht zu werden und Antwort auf Grundfragen christlichen Glaubens zu geben? Im Sinne des Buches lässt sich klar sagen: Ja, zwar nicht in Form einer einzigen Antwort, aber doch insofern, als sich alle Antworten aus einem christlichen Zentralgedanken speisen und von diesem her Beantwortung finden. K. wird dabei der theologischen Tradition und zugleich dem modernen Bewusstsein gerecht. Letzteres stellt für die Fragen, die er formuliert, den Horizont dar, aus welchem die Antworten erfolgen müssen, sofern sie wirkliche Antworten sein wollen.
Die Pointe des Buches bildet jedoch weniger die Erfüllung der Sollvorgabe, christlich verantwortbare Antwort auf scheinbar einfache humane Grundfragen zu geben. Vielmehr ist es die engagierte, im echten Wortsinne selbst beteiligte Denkanstrengung, die den besonderen Reiz der K.schen Einführung ausmacht. Leserin und Leser dürfte es kaum gelingen, K.s Argumente nur distanziert oder gar unbeteiligt nachzuvollziehen. Man wird im Gegenteil hineingezogen in die Fragestellung und erwartet beinahe ge?spannt deren Auflösung. Es gibt sie also doch, die gehaltvolle und zugleich mitreißende dogmatische Einführung im 21. Jh.: Dietrich Korsch verdanken wir sie.