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Ausgabe:

Januar/2017

Spalte:

108–111

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Begonnen v. O. Schmitt (†). Hrsg. v. Zentralinstitut für Kunstgeschichte München.

Titel/Untertitel:

Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte. Bd. X, Lfg. 109–118.

Verlag:

München: Beck (in Kommission) 2003–2015. X S., 1024 Sp. m. zahlr. Abb. Kart. Lfg. 109: Flußgott – Fons gratiae. 2003. Sp. X, 1–128. ISBN 3-406-14209-5. Lfg. 110: Fons gratiae – Fortitudo. 2004. Sp. 129–256. ISBN 3-406-14212-5. Lfg. 111: Fortitudo – Fortuna. 2005. Sp. 257–384. ISBN 3-406-14213-3. Lfg. 112: Fortuna – Franziskaner, Franziskanerinnen. 2006. Sp. 385–512. ISBN 3-406-14214-1. Lfg. 113: Franziskaner, Franziskanerinnen – Frauen am Grab. 2009. Sp. 513–640. ISBN 3-406-14215-X. Lfg. 114: Frauen am Grab – Fresko. 2010. Sp. 641–768. ISBN 3-406-14216-8. Lfg. 115: Fresko – Freundschaft. 2011. Sp. 769–895. EUR 27,80. ISBN 978-3-406-14217-8. Lfg. 116: Freundschaft – Fries. 2012. Sp. 897–1024. EUR 27,80. ISBN 978-3-406-14218-5. Lfg. 117: Fries – Fuge. 64 S. m. Abb. Kart. EUR 27,80. ISBN 978-3-406-14219-2. Lfg. 118: Fuge – Fußboden. 64 S. m. Abb. Kart. EUR 27,80. ISBN 978-3-406-14220-8.

Rezensent:

Wolfgang Wischmeyer

Der für alle an Christlicher Kunst, Kirchen- und Theologiegeschichte des mitteleuropäischen Raums Interessierte wiederum höchst wichtige zehnte Band des RDK beginnt mit einem Verzeichnis der Abkürzungen biblischer Bücher und allgemeiner Abkürzungen sowie jener der Standardliteratur (1–52). Mit diesem zehnten Band wird die Druckfassung des Reallexikons eingestellt. Die bisher er?schienenen Bände stehen in digitalisierter Form und als Online-Plattform außerhalb der alphabetischen Folge für anschließende Artikel als RDK Labor zur Verfügung, herausgegeben von der Forschungsstelle Realienkunde am Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Informationswissenschaft an der FH Köln/University of Applied Sciences.
Aus den hier zu besprechenden Lieferungen des letzten Bandes, die der Rezensent im Folgenden kursorisch durchgeht, ist zuerst auf den Artikel Flussgott (53–117) hinzuweisen wegen der Bedeutung der Darstellung von »deifizierten Personifikationen von Flüssen, Bächen oder Quellen« auch für biblische Darstellungen seit der Spätantike in Reliefs und Mosaiken sowie in der Buchmalerei. Es geht dabei vor allem um »Nil« (Mosesdarstellungen) und »Jordan« (Taufe Christi). Hier wie in den einer Marienmetapher gewidme-ten Artikeln Fons gratiae (125–132), Fons hortorum (133–140), Fons signatus (158–175) sowie den christologisch akzentuierten Lemmata Fons pietatis (140–158) und Fons vitae (175–184) kommt auch die osteuropäische und teilweise die byzantinische Bildtradition zur Geltung. Alle fünf »Brunnenartikel« verdanken sich Esther P. Wipfler, die vor allem aus Werken der Druckgraphik der Frühen Neuzeit sehr sprechende Beispiele anführt, etwa den blutenden Christus auf dem Brunnen des Fons pietatis, auf den Luther mit einem Deutespruch hinweist (156, Abb. 8: Kupferstich des J:c. Hafner, vgl. 146), oder das blutende Christkind (156 f.). Relativ kurz sind die Aus-führungen zur Fons vitae, zumal für die frühchristliche Kunst, wohl auch wegen der semantischen Überschneidungen in den an?deren Brunnenlemmata. Man hätte sich hier eine stärkere Herausstellung des Zusammenhanges mit antiken Motiven vorstellen können.
Nach dem kostümkundlichen Artikel Fontange von Gretel Wagner (186–189) und dem für die Geschichte der Drucktechnik interessanten Lemma Formschneider, Formschnitt von Tilman Falk (190–224) folgen der für die Geschichte der Ethik interessante Artikel Fortitudo von Michaela Bautz (225–271) und der allein schon wegen seines Umfangs gewichtige Beitrag von Sibylle Appuhn-Radtke zu Fortuna (271–401) und ihren Attributen Ruder, Füllhorn und besonders dem Rad. Einflussreich für die Kunst wird hier besonders das zweite Buch De consolatione philosophiae des Boethius. Ein besonderer Akzent liegt neben den Ausführungen zu Textillustrationen zu Augustinus, Boethius, Boccaccio und dem Rosenroman auf den Flugblättern aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Der Artikel berücksichtigt auch die zeitgenössische Kunst.
Ebenso in die Gegenwart bis zu digitalen Bilddaten führen die Lemmata Fotographie (401–436, von Anna Auer, Christine Walter und Esther P. Wipfler) und Fotogramm (436–443). Im zuletzt ge?nannten Artikel geht Cornelia Kemp nicht nur auf den Dadaismus ein, sondern auch auf die Gedankenfotographie des Hippolyte Ba?raduc.
Nach den Ausführungen von Andrea Mayerhofer-Llanes zum Frack (443–453) – hier vermisst man einen Hinweis auf die Prediger im Frack und ihre Bildnisse – folgt der gewichtige Artikel Franziskaner, Franziskanerinnen (453–556), geschrieben von Wolfgang Augus?tyn, Ingeborg Bähr, Dieter Berg, Gerard P. Freeman, Reimund Haas, Marie-Luise Heckmann, Roland Pieper und Esther P. Wipfler. Der Artikel informiert nicht nur über Namen und Geschichte der männlichen und weiblichen Befolger der Regeln des Franziskus und der Orden, die sich an diesem orientieren, sondern stellt weiter ihre Tracht, ihr Sigelwesen und ihre Heraldik sowie – ganz besonders wichtig – ihre Architektur, ihren Beitrag zum Buchwesen und zu den Bildkünsten in den verschiedenen Gattungen bis zum Kunsthandwerk dar. Für die anschließend dargestellte Ikonographie sind die Christiformitas, die Stigmatisation und der Bildtypus der Immaculata Conceptio von besonderem Interesse.
Hervorzuheben ist der Artikel Frauen am Grabe (556–641), in dem Wolfgang Augustyn das österliche Bildthema von seinen biblischen Ursprüngen her rezeptionshistorisch detailreich sehr genau verfolgt und auf die Zahl der Frauen und Engel, ihre Kleidung und ihre Attribute sowie die Art des Grabmals eingeht.
Die Lieferung 114 bringt nach dem Beitrag Frauen, berühmte (Giovanni Boccaccio) von Wolfgang Augustyn und Irena Dubois-Reymond (641–656), in dem es um die Illustrationen zum Werk De mulieribus claris des Florentiners und seine Rezeption und Nachahmung geht, das materialreiche Lemma Freimaurer, Freimaurerei von Rainer Huber (656–700). Gehandelt wird über Geschichte und Organisation und über die architektonische und kunsthandwerkliche Sachüberlieferung von Logensälen, über Dunkle Kammern, Ornate und Insignien bis zu Farben und Symbolen, Alba amicorum und Liederbüchern sowie Uhren, Pfeifen und Tabatieren.
Esther P. Wipfler behandelt unter dem für das Mittelalter rechts- und stadtgeschichtlich sowie urbanistisch wichtigen Stichwort Freiung (700–715) den Begriff und seine Geschichte sowie die entsprechenden Orte und Zeichen, Säulen, Tafeln, auch die Rolande oder den Domnapf in Speyer.
Dem technikgeschichtlich orientierten Artikel Fresko von Hans Peter Autenrieth, Manfred Koller und Esther P. Wipfler (715–793) folgt das geistesgeschichtlich weit ausholende Lemma Freundschaft von Sibylle Appuhn-Radtke und Esther Wipfler (794–902), das einen guten Überblick von den antiken Vorstellungen und ihren Darstellungsmöglichkeiten bis in die Neuzeit bietet, wobei ein sachgemäßer Schwerpunkt in der Aufklärung und Empfindsamkeit mit ihrem Freundschaftskult und seinen Objekten liegt.
In Lieferung 116 dominiert das wohl viele Leser interessierende Stichwort Friedhof im Doppelartikel Friedhof I (im Christentum) und Friedhof II (im Judentum). Der erste Beitrag von Barbara Happe und Christoph Engels (902–961) beginnt bei den synkretistisch geprägten Bestattungsplätzen der römischen Kaiserzeit und be?tont die Herausbildung des mittelalterlichen Coemeteriums, einen langzeitgeschichtlichen Prozess mit großen regionalen Unterschieden. Dabei werden monastische Friedhöfe und Kirchhöfe ebenso behandelt wie deren Ausstattung im Einzelnen. Ein besonderes Augenmerk gilt dann dem Thema in der Neuzeit, das bis zu den Friedwäldern der Gegenwart geführt wird. Ausgangspunkt sind die Architekturtheorien der Renaissance etwa bei Leon Bat-tista Alberti; man findet aber auch Albrecht Dürers Vorschlag zur Anlage eines Friedhofs in Nürnberg. Ausführungen zu den konfessionellen Anlagen des Reformationsjahrhunderts finden sich hier ebenso wie zu Pietismus und Aufklärung. Einen besonderen Schwerpunkt bildet dann die Planung und Ausstattung von Friedhöfen im 19. und 20. Jh. Im Beitrag zu den jüdischen Friedhöfen betont Reiner Sörries zwar, dass genauere Angaben über Anlage und Organisation nur für die Neuzeit gemacht werden können, stellt aber die jüdisch-rechtlichen Grundlagen deutlich heraus und verfolgt die Geschichte jüdischer Bestattungen seit der Spätantike in Palästina und in der Diaspora sub divo oder in Höhlen. Seit dem Mittelalter sind der aschkenasische und der sephardische Raum mit unterschiedlichen Bestattungstraditionen zu unterscheiden. Heute besitzen die meisten alten jüdischen Friedhöfe einen Mahnmalcharakter.
Friedrich Kobler gibt einen umfassenden Überblick zum Lemma Fries (980–1077) bezüglich Formen und Verwendung, und Stefan Bursche handelt unter Frittenporzellan (1077–1094) über das kein Kaolin enthaltende, seit Ende des 16. Jahrhunderts verwendete Ersatzmaterial nach den Fabrikationsstätten in Italien, England und besonders Frankreich.
Einen wichtigen Beitrag zur Rezeptionsgeschichte von Gal 5,16–23 bietet Karl-August Wirth im Artikel Frucht des Geistes/Früchte des Geistes (1095–1133). Bedeutsam ist bei diesem in den liturgischen Lesekanon aufgenommenen Text die terminologische Un?schärfe von fructus spiritus und fructus spiritus sancti, die im Unterschied zu den virtutes, Tugenden, die eine »individuelle Entscheidung« voraussetzen, nach Jes 11,2 f. auch als Geschenke Gottes (dona spiritus) verstanden werden können. Die Zahl der Tugenden, die man gerne als »Früchte« bezeichnete, schwankt und besitzt bis zur Reformation eine Tendenz, anzuwachsen. Seit Luther gab es zwei Textfassungen von Gal 5,16–23, die gewachsene Zwölfzahl im römisch-katholischen, die Neunzahl im protestantischen Raum. Ikonographisch legt sich die Verbindung mit einem Baum nahe, die in den Texten seit Ambrosius’ Schrift De paradiso begegnet. Eindrucksvoll ist hier der Holzschnitt zum Galaterbrief von Heinrich Vogtherr in der Erklärung des Neuen Testaments durch Jakob Beringer aus dem Jahr 1526 (1107/8, Abb. 6, vgl. 1121). Dabei ist in beiden Konfessionen der Neuzeit zu unterscheiden zwischen Darstellungen des liturgischen Bibeltextes und Darstellungen im Rahmen einer katechetischen Unterweisung, die die Früchte des Geistes den Geschenken des Geistes nachordnen.
Den bautechnisch und technikgeschichtlich interessanten Artikeln Fuge von Friedrich Kobler (1133–1169) und Füllung von Georg Himmelheben (1169–1175) folgt das wichtige Lemma Funeralinsignien von Annelies Amberger (1176–1219). Es geht um Insignien wie Zepter und Krone bei weltlichen Herrschern oder Ring, Stab, Kelche, Patenen, Kreuze oder Rosenkränze bei geistlichen Würdenträgern, die im Original oder als Kopie im Trauerzeremoniell oder bei der Bestattung sowie auf Totenbildern eine Rolle spielten. Dabei bezeugt gelegentlich der Verzicht die Frömmigkeit des Verstorbenen.
Die Artikel Furnier von Georg Himmelheber (1220–1225) und Fußboden von Hiltrud Kier, Jürgen Schönwalder (1225–1293), auch http: www.rdklabor.de/w/?oldid=8829 [6.10.2016], beschließen den Band.
Wie gewohnt bieten diese Beiträge dieses zehnten und letzten Bandes des 1927 gegründeten Reallexikons zur deutschen Kunstgeschichte eine ungeheure Fülle höchst interessanten Materials, dessen Erschließung wertvolle Früchte für Theologie und Geschichte trägt. Besonders muss wieder die große Zahl der Abbildungen, deren hervorragende Qualität sowie die Auswahl hervorgehoben werden. Besonders leserfreundlich sind hier nicht nur die vielen Details, sondern bei allen auch der Verweis auf den dazugehörenden Text.
Es bleibt, dem RDK Labor eine gute Fortsetzung mit gleichbleibender Qualität in Text und Abbildungen zu wünschen. Dazu gehört auch eine leichte Zugänglichkeit.